Durch den Kontakt zu Steiner kam es zu einer wachsenden Entfremdung zwischen Rittelmeyer und der evangelischen Kirche; 1922 schied er aus dem kirchlichen Dienst aus und wurde 1923 in den Vorstand der "Anthroposophischen Gesellschaft" gewählt. Vom Herbst 1922 an leitete er als erster "Erzoberlenker" die neugegründete "Christengemeinschaft". Er starb am 23. März 1938 während einer Vortragsreise in Hamburg. Nach Rittelmeyers Tod folgten als "Erzoberlenker" Emil Bock (1895-1959) und Rudolf Frieling (1901-1986). Im Mai 2005 gab der bisherige "Erzoberlenker" Taco Bay (Jg. 1933) das Amt krankheitshalber an Vicke von Behr (Jg. 1949) weiter.
Am 16. September 1922 (eigentliches Gründungsdatum) wurde in der Anthroposophen-Zentrale Dornach von Friedrich Rittelmeyer der erste, "Menschenweihehandlung" genannte, "neue Gottesdienst" zelebriert. Einen Tag später ließen sich auch die ersten "Priester" weihen, die dann in verschiedenen Städten Gemeindegründungen vornehmen sollten. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren solche Gemeinden in einer Reihe von europäischen Städten entstanden.
1941 wurde die Christengemeinschaft von den NS-Behörden aufgelöst und ein Teil ihres Immobilienbesitzes beschlagnahmt. 1945 konnte sie ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Die desolate geistige Situation im Nachkriegsdeutschland erwies sich als guter Nährboden für das Wachstum der Christengemeinschaft.
Organisation
Das Zentrum der Christengemeinschaft mit Verwaltung, Verlag und Priesterseminar befindet sich heute in Stuttgart. 1992 wurde die Zahl der Gemeinden weltweit mit 275 angegeben, davon 140 in Deutschland. Angaben über Mitgliederzahlen werden nicht gemacht. Die Mitgliedschaft in Deutschland wird auf ca. 15.000 Anhänger geschätzt.
Lehre
Die Christengemeinschaft versteht sich als "dritte Kirche", die über Protestantismus und Katholizismus hinausführt. Sie betont die "Freiheit der Lehre" bzw., daßes keine festgelegte Lehre gebe; es gehe vielmehr um die "Erneuerung und Erfahrbarkeit des Kultes".
In der Christengemeinschaft sind Gottesdienst, Architektur, Priesterausbildung, Schrifttum usw. stark anthroposophisch geprägt. Zudem wurden die wesentlichen liturgischen Texte 1921 von dem Begründer der Anthroposophie, R. Steiner formuliert, der selbst dieser Sekte nie beitrat. Sie werden heute in der Christengemeinschaft verstanden als "aus der geistig-göttlichen Welt gegeben" und dürfen deshalb nicht verändert oder gedruckt der Öffentlichkeit vorgelegt werden.
Unter Hinweis auf die verschiedenen Stammbäume Jesu im Matthäusevangelium, Kap. 1 und im Lukasevangelium Kap. 3 lehrte Steiner und im Anschluß an ihn auch Emil Bock, der zweite Erzoberlenker der Christengemeinschaft, daß es zwei Jesusknaben gab, die verschiedener Herkunft waren. Als sie beide zwölfjährig, den Tempel in Jerusalem besuchten, verschmolzen sie miteinander. - Diese esoterische Geschichte wird weder im Glaubensbekenntnis noch in den Sakramenten der Christengemeinschaft erwähnt, wird aber als esoterische Lehre in der Christengemeinschaft weitergegeben.
Kultus
Zum Kultus gehören sieben Sakramente, die der katholischen Tradition nachempfunden sind. Bei der Taufhandlung der Christengemeinschaft wird dem Kind mit. Wasser ein Dreieck auf die Stirn, mit Salz ein Viereck auf das Kinn und mit Asche ein Kreuz auf die Brust . gezeichnet. Diese Substanzen. (Wasser, Salz und Asche) sollen der "neuinkarnierten Seele" ein Stück Erde vermitteln. Die Taufe der Christengemeinschaft wird, da es sich hier um ein anthroposophisches Ritual handelt, von den christlichen Kirchen nicht als christliche Taufe anerkannt.
Das Glaubensbekenntnis der Christengemeinschaft
Auf der Website der schweizer Christengemeinschaft heißt es: ( http://www.christengemeinschaft.ch )
"Das Bekenntnis der Christengemeinschaft umfasst in zwölf Sätzen die Grundtatsachen des Christentums.
Sie erscheinen in einer dem gegenwärtigen Bewusstsein gemässen Form. Innerhalb der geschichtlichen Entwicklung des Christentums stellt es eine neue Werdestufe dar: es geht von der einen Kirche aus, zu der alle als Glieder gehören, die das Heilbringende des Christus in sich fühlen. Der Wortlaut wird jedem persönlich anvertraut, der als Erwachsener Mitglied in der Christengemeinschaft wird."
Formuliert wurde der Text von Rudolf Steiner als "Neues Bekenntnis" oder "Bekenntnisgebet" der Christengemeinschaft:
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