Entstehung und Geschichte
Entscheidend für das Entstehen der Christian Science war die angeblich durch den Geistheiler Phineas Parkhurst Quimby (1802-66) bewirkte Heilung Mary Baker-Eddys. Von seinen Lehren entfernte sie sich nach seinem Tod und sah ihn schließlich als Vertreter des "menschlichen" Heilens an.
Mary Baker-Eddy selbst will durch göttliche Offenbarung zur "Entdeckerin und Gründerin der christlichen Wissenschaft", des "göttlichen Heilens" geworden sein. 1875 erscheint ihr angeblich von Gott eingegebenes Buch "Science and Health" (Wissenschaft und Gesundheit) - das grundlegende Werk der Christian Science. Im selben Jahr wurde auch schon der erste Christian-Science-Gottesdienst abgehalten.
1876 kam es zur Bildung der Vereinigung "Christlicher Wissenschafter" und 1879 zur ersten Kirchengründung "Church of Christ [Scientist]". Mary Baker-Eddy wird zum "Pastor" der 26 Mitglieder berufen und 1881 "ordiniert".
Diese Kirche löste Mary Baker-Eddy 1889 auf, weil es in ihr Widerspruch gegen Mary Baker-Eddys Anspruch auf Unfehlbarkeit gab. 1892 erfolgt eine Neugründung durch Mary Baker-Eddy und zwölf ihrer Schüler als "The First Church of Christ, Scientist". In dieser neuen Organisation erließ sie 1895 eine bis heute gültige Kirchenordnung, das "Church Manual" (Kirchenhandbuch). Auch dieses "Handbuch" war für Mary Baker-Eddy Offenbarung, "von einer Macht veranlaßt, die man nicht sein eigen nennen kam".
Ab 1896 faßte Christian Science in Deutschland Fuß. Seit 1903 erschien in Boston die deutschsprachige Monatszeitung "Der Herold der christlichen Wissenschaft".
Lehre
Das Böse hat für Christian Science keine Daseinsberechtigung. Daher ist Krankheit ein Irrtum. Sie kann nur durch den göttlichen Geist geheilt werden. Dieser ist das Gute schlechthin, die einzig tragende Wirklichkeit. Doch der Mensch hat sich einer Scheinwirklichkeit ausgeliefert, indem er denkt, daß Leben und Geist von der Materie ausgingen. Aufgabe des Menschen ist es, zu erkennen, daß Gott, ein abstrakter, unendlicher Geist, Alles in allem ist, daß zwischen dem Geist des Menschen und dem Geist, der Gott ist, eine wesenhafte Verbindung besteht. Der Mensch ist also dem Wesen nach körperlos, ohne Sünde und frei von Tod. Dies einzusehen, führt zur Heilung. Christian Science unterscheidet zwischen Jesus und Christus. Jesus verwirklichte in seinen Heilungen die göttliche Idee des Christus und verwies auf den Tröster, nämlich auf Christian Science.
Organisation und Praxis
Christian Science ist hierarchisch aufgebaut. An der Spitze der Mutterkirche in Boston steht ein sich selbst ergänzender fünfköpfiger Vorstand. Die Mutterkirche hat Vorrang vor den Kirchen in anderen Städten, den Zweigkirchen. Eine neue Zweigkirche darf nur entstehen, wenn ein Heiler und mindestens 16 "gesinnungstreue" Christliche Wissenschafter, davon vier Angehörige der Mutterkirche, sie gründen.
Derzeit gibt es weltweit ungefähr 1918 Kirchen und Vereinigungen, davon 72 Kirchen, Vereinigungen und Hochschulvereine in Deutschland mit etwa 2000 Mitgliedern.
Mit dem "Christian Science Monitor" gibt Christian Science eine internationale Wochenzeitschrift heraus.
Die Heiler, die die Heilmethoden der Christian Science in den Zweigkirchen durchführen dürfen, werden ebenso wie die Lehrer der Gemeinden in Boston geschult. Die Zweigkirchen sind verpflichtet, Lesesäle zu unterhalten, in denen nur offizielle Literatur von Mary Baker-Eddy und des Bostoner Christian Science-Verlages ausliegen dürfen.
Bei den regelmäßigen Zusammenkünften, sowohl den "Sonntags-Gottesdiensten" als auch Mittwochsversammlungen, steht die Verlesung von Bibeltexten und dazu passenden Stellen aus "Science and Health" im Mittelpunkt. Die Lehre von Mary Baker-Eddy wird hierbei nicht verändert. Freie Predigt ist nicht üblich.
Wichtig ist das Gebet als meditative Versenkung, nicht als Bittgebet an Gott. Auch das Vaterunser wird erweitert. Dazu hat Mary Baker-Eddy die Bitten des Vaterunser ihren Lehrvorgaben entsprechend in Feststellungen umgesetzt: "Und Gott führt uns nicht in Versuchung, sondern erlöst uns von Sünde, Krankheit und Tod."
Beurteilung aus christlicher Sicht
Die Vorstellung, Mary Baker-Eddy habe die letztgültige Auslegung der Bibel geliefert, ist vom christlichen Glauben her nicht haltbar, da diese "Auslegung" die Bibel in wesentlichen Punkten verfremdet. Dies wird besonders an der sinnverändernden Ergänzung des Vaterunsers deutlich.
Jesus wird völlig unbiblisch als erster Ausüber der Christian Science mißverstanden. Indem Christian Science die Realität des Bösen leugnet, erweist sie sich als fortschrittsgläubige Sekte, die in der Gedankenwelt des ausgehenden 19. Jahrhunderts verhaftet ist. Zu dieser Zeit drang die auch in Christian Science übernommene Vorstellung Gottes als eines Kraftfeldes in die westliche Welt ein. Dieser Gedanke steht im Widerspruch zur christlichen Vorstellung von einem persönlichen Gott, zu dem man beten kann und der sich in der Geschichte zeigt. Auch das Heilungsverständnis der Christian Science ist kritisch zu betrachten. Christian Science erklärt das Böse und damit auch die Krankheit letztlich für nicht real und blendet somit diesen Bereich menschlichen Lebens aus. Es entsteht der Eindruck, daß Heilung nur eine Frage des Willens des Kranken sei. Da viele Christian Science-Eltern auch im Fall von ernster Krankheit ihrer Kinder auf ärztliche Hilfe verzichten, ist es schon zu Todesfällen gekommen.
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