Zu einigen Aspekten arbeitserzieherischen Wirkens Friedrich Wilhelm August Fröbels

Matthias Brodbeck

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorüberlegungen

  2. Problemstellung

    1. Ausgangspositionen
    2. Zu methodischen Fragestellungen

  3. Zur historischen Entwicklung in der Zeit der pädagogischen Wirksamkeit FRÖBELs

    1. Die Zeit vor Beginn des Wirksamwerdens Fröbels für die klassische bürgerliche deutsche Pädagogik von der französischen bürgerlichen Revolution bis zu den Befreiungskriegen von 1813

    2. Zur historischen Situation in der Zeit FRÖBELschen Wirkens zwischen den Befreiungskriegen 1813 und seinem Tod 1852

  4. Fröbels geistig - philosophische und praktisch - pädagogische Stellung zur Erziehung durch Arbeit und zur Arbeit
    1. Zur historisch - philosophischen Einordnung Friedrich Fröbels

    2. Sozialhistorisch begründeter Bedeutungswandel des Wortes Arbeit und die Entwicklung der Arbeitserziehung

    3. Arbeitserzieherisches Wirken Fröbels an Stätten seiner pädagogischen Bestrebungen

      1. Die Erziehungsanstalt Keilhau

      2. Die Planung der Volkserziehungsanstalt in Meiningen - Helba
      3. Fröbels Wirken in der Schweiz - die Schweizer Gründungen
      4. Die Spieltheorie Fröbels und ihre Beziehung zur Arbeitserziehung
      5. Der "Allgemeine deutsche Kindergarten" in Blankenburg
      6. Bad Liebenstein und Schweina/Marienthal als letzte Wirkungsstätte Friedrich Fröbels unter besonderer Berücksichtigung der historischen und regionalen Besonderheiten dieses Gebietes

    4. Blitzlichter zur Fröbel - Rezeption in Deutschland bis zur Gegenwart

  5. Zusammenfassung

  6. Literaturverzeichnis (beim Autor)

1. Vorüberlegungen

Erbe und Erbende verändern in einem geschichtlichen Zeitraum ihre Konstellation zueinander, was eine ständige Neubetrachtung der Historie erforderlich macht. Derartige Neubetrachtungen erscheinen insbesondere dann als gegeben, wenn geschichtliche Ereignisse oder Prozesse im Verlaufe der Entwicklung immer wieder vordergründig aktualisierender Betrachtung unterlagen. Leben und Werk eines der bedeutendsten deutschen Pädagogen, des Menschenerziehers Friedrich Wilhelm August FRÖBEL (1782-1852) waren oft von solcher Vordergründigkeit betroffen. Dienstbarmachung seines Gedankengutes und Werkes für Ideologien beraubten es immer wieder seines zutiefst humanistischen Gehaltes. Andererseits ist FRÖBELs Wirken u.E. in Zusammenhang mit sozialhistorischen Prozessen seiner Zeit zu sehen. Er lebte in einer Zeit, die in Europa gekennzeichnet war durch das Streben des bereits ökonomisch starken Bürgertums nach politischer Macht, was eine Vielzahl großartiger geistiger und kultureller Leistungen hervorbrachte. Das Streben des deutschen Bürgertums dieser Zeit galt insbesondere der Schaffung eines einheitlichen deutschen Nationalstaates. In einem Brief an den Herzog von Sachsen - Meiningen bekannte Fröbel "... mein Streben bekam die Richtung auf das Nationale." (Friedrich Fröbels gesammelte ... 1862, S.110) Sein Ziel war der denkend tätige Mensch, der Harmonie durch Tätigkeit erreichte. Zu oft erblickte er "... Denken und Arbeiten, Arbeiten und Denken, Erkennen und Tun, Tun und Erkennen getrennt, ja sich feindlich gegenüber-stehend." (Fröbel 1821, S.12) Folgende Ausführungen verstehen sich in diesem Zusammenhang als ein Beitrag dazu, eine wesentliche Sequenz Fröbelscher Erziehung, die Erziehung zur Arbeit, in diesem Zusammenhange der Betrachtung zu unterziehen, wobei einerseits historische und philosophische Hintergründe beleuchtet werden sollen, andererseits auf Fröbelsches Wirken in Thüringen eingegangen wird.

2. Problemstellung

Erziehung zur Arbeit durch Arbeit ist Bestandteil vieler Erziehungskonzeptionen und stellt u.E. eine wesentliche Determinante von Erziehung schlechthin dar. Durch Arbeitserziehung wird der Heranwachsende an konkrete inhaltliche und formale, aber auch ethisch - moralische Anforderungen der Arbeitstätigkeit herangeführt. Wie ist FRÖBELs Einfluß auf die arbeitserzieherischen Bestrebungen seiner Zeit? Welche Potenzen beinhaltet sein Werk dahingehend? Neben dem Zeitraum von den Befreiungskriegen 1813 bis zu FRÖBELs Tod 1852 - also der Zeitsspanne seiner direkten pädagogischen Wirksamkeit - ist eine Darstellung des historischen Vor- und Nachfeldes nötig. Den Hauptteil der Betrachtung bildet die Arbeitserziehung, ohne dabei aber von allgemeinen humanistischen Bestrebungen zu abstrahieren.

2.1. Ausgangspositionen

  1. Forschungen auf dem Gebiet der Geschichte der Pädagogik sind ein wesentlicher Bestandteil historischer Forschungen allgemein, wobei die Rolle regionalgeschichtlicher Betrachtungen dadurch gewinnt, daß sie den Zugang zur Identifikation des Individuums mit territorialen und historischen Gegebenheiten ermöglicht, was u.E. eine wesentliche Voraussetzung für Identifikation in größerem zeitlichen und territorialen Rahmen darstellt.

  2. Die Zeit FRÖBELscher Wirksamkeit ist reich an großen Gedanken und Initiativen. Das betrifft sowohl die philosophischen Auffassungen als auch praktische und theoretische Bestrebungen - beispielsweise in der Pädagogik. Die Erschließung FRÖBELschen Gedankengutes wird mitunter dadurch erschwert, daß seine Darstellungen zum Teil recht spekulativ bzw. mystifizierend erscheinen. Das ist sicherlich auch eine der Ursachen dafür, daß es bis in die heutige Zeit recht stark voneinander abweichende Interpretationen FRÖBELschen Gedankengutes bis hin zu Verfälschungen geben konnte.

  3. FRÖBEL konnte nur dadurch zum Erzieher werden, weil er an die Entwicklungsfähigkeit des Individuums und der Gesellschaft glaubte. Es lassen sich bei ihm Beziehungen zur Naturphilosophie SCHELLINGs und später auch zur HEGELschen Dialektik nachweisen. FRÖBELs Gedanken sind darauf ausgerichtet, den Menschen seinem Schöpfer Gott anzunähern, ähnlich zu machen. Der Sinn des menschlichen Lebens und somit der Erziehung besteht in der "Lebenseinigung", der Einigung des Individuums mit Gott, mit der Menschheit und der Natur. Eine straffe Bindung Menschheit - Gott in Form einer Vorsehung existiert nicht mehr. Gott und Welt bleiben in seinem Weltbild relativ geschieden. FRÖBELs Philosophie, die er selbst als "sphärisch" bezeichnet, ist vielseitig, u.a. auch vom KRAUSEschen Panentheismus, beeinflußt.

  4. Der Begriffsinhalt des Wortes "Arbeit" hat im Verlaufe der Geschichte einige Veränderungen erfahren. Aus alttestamentarisch begründeter "Mühsal" und "Plage" wurde bspw. bei Luther Tätigkeit, die den Menschen seinem Schöpfer Gott annähern sollte, wovon auch der Begriff bei Fröbel wesentlich mitgeprägt war.

  5. FRÖBEL verwendete den Begriff "Arbeit" kaum vordergründig. Er sprach zumeist von Tätigkeit, was bei ihm Spielen, Lernen und Arbeiten umfaßt. Er erkennt die Bedeutung jeder dieser Tätigkeitsarten für die Ontogenese. Er ließ die Kinder an seinen Einrichtungen Arbeiten verrichten, erzog zur Achtung des arbeitenden Menschen. Er sah in Denken und Tätigsein einen unlösbaren wechselseitigen Zusammenhang, will den Menschen "denkend tätig machen" und damit auf ein menschliches und menschenwürdiges Leben vorbereiten. Hinsichtlich FRÖBELschen Wirkens finden wir oft eine unberechtigte Verkürzung auf die Vorschulerziehung vor. Seine Bestrebungen - auch hinsichtlich Arbeitserziehung - sind wesentlich breiter gefächert.

  6. FRÖBELs arbeitserzieherisches Wirken bleibt - den ihn umgebenden Realitäten geschuldet - durch eine weitgehende Beschränkung auf Hand- und Manufakturarbeit gekennzeichnet. In seinen letzten Lebensjahren traf er aber in Schweina - damals schon eine Industriegemeinde - auch auf Kinder der dortigen Spinnereiarbeiter. Auswirkungen auf seine Gedanken und sein Wirken bedürfen weiterer Untersuchung.

  7. In der Reformpädagogik des beginnenden 20. Jahrhunderts wurde FRÖBEL teilweise als Begründer der Arbeitsschulbewegung gesehen. Hier wird erneut deutlich, daß seine Ideen und sein Werk häufig ungerechtfertigten Verkürzungen bzw. Umdeutungen ausgesetzt waren.

2.2. Zu methodischen Fragestellungen

Zur Arbeitserziehung existieren zahlreiche Äußerungen FRÖBELs und sich auf ihn berufende Aussagen. Es fehlt allerdings ein zusammenfassendes Werk zu diesem Themenkreis von FRÖBEL selbst. Auch in der Sekundärliteratur sind kaum umfassende Darstellungen zu dieser Thematik zu finden. Der konzeptionellen Arbeit und dem ersten, einen gewissen Überblick sichernden Literaturstudium folgte eine Überarbeitung der Konzeption und die vertiefende Quellenanalyse. Großen Raum nahm dabei das Studium von Original- und Erstausgaben ein, vervollständigt durch Arbeit in verschiedenen Archiven sowie Konsultationen. Besondere Beachtung mußte finden, daß der Begriff "Arbeit" selbst im Verlaufe der Geschichte vielfältige Wandlungen erfahren hat. Genaue Kenntnis von Begriffsinhalten ermöglicht erst eine annähernd adäquate Darstellung der zu untersuchenden Sachverhalte. Unter Beibehaltung der Ausdrucksweise wurden in der Literatur vorgefundene Zitate den heute (noch) gültigen Orthographienormen angepaßt. Hervorhebungen wurden nicht berücksichtigt. Bei der Rezeption der Werke FRÖBELs traten verschiedene Schwierigkeiten auf, denn sein die Gedanken FRÖBELs sind oft in spekulative Konstruktionen gehüllt.

3. Zur historischen Entwicklung in der Zeit der pädagogischen Wirksamkeit FRÖBELs

3.1. Die Zeit vor Beginn des Wirksamwerdens Fröbels für die klassische bürgerliche deutsche Pädagogik von der französischen bürgerlichen Revolution bis zu den Befreiungskriegen von 1813

FRÖBEL wurde in der Zeit zwischen der französischen bürgerlichen Revolution und der bürgerlich- demokratischen Revolution in Deutschland Zeuge von bedeutenden historischen Umwälzungen, die getragen waren von den Emanzipationsbestrebungen des nach politischer Macht drängenden Bürgertums. Damit verbunden waren humanistische Bestrebungen, die die bürgerliche Bewegung dieser Zeit kennzeichnen. Es war die Zeit des Sturmes und Dranges, der im kraftvollen Selbsthelfer das Ideal des emanzipierten Bürgers sah, die Zeit der deutschen Klassik, die sich u.a. auf die humanistischen Ideale der Antike besann. Stellvertretend stehen dafür hier GOETHE, SCHILLER, HERDER, HÖLDERLIN und WIELAND.

Auch auf philosophischem Gebiet war es eine Zeit großartiger Entwürfe und Ideen. Von KANT über FICHTE bis HEGEL wurden neue philosophische Erkenntnisse - stets auch auf historischen Erkenntnissen basierend - zu Impulsen für die weitere Entwicklung. Auf dem Gebiet der Pädagogik entstand im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts der Philanthropismus. Im Namen lag bereits das Selbstverständnis dieser Strömung begründet, den Menschen auf ein gemeinnütziges, patriotisches und glückliches Leben vorzubereiten. An der abgesehen vom Philanthropin in Dessau wohl bedeutendsten derartig ausgerichteten Anstalt, der SALZMANNschen Anstalt Schnepfenthal, wurden neben der Betonung der körperlichen Erziehung auch verschiedene Formen der körperlichen Arbeit profilbildend.

Wesentliche Impulse dafür gab vor allem BLASCHE, der auch theoretische Schriften wie z.B. "Grundsätze der Jugenderziehung zur Industrie" (1804) abfaßte (vgl. Günther 1984, S. 178). Auch an anderen Anstalten wurde allseitige Erziehung und Bildung als notwendig erkannt und realisiert. In einem Bericht über die Erziehungsanstalt PESTALOZZIs im schweizerischen Yverdon heißt es : "Daß bei der Erziehung kein Teil von dem anderen unabhängig ist, daß alle durch ein inneres, notwendiges Band verknüpft sind, so wie bei dem Kinde selbst, das erzogen werden soll." (Bericht über die Pestalozzische ... 1810, S. 19 - 20) PESTALOZZI selbst erkannte, daß beim Menschen die Entwicklung von Körper, Seele und Geist nicht abgeschnitten einzeln, sondern in sich ständig aufhebendem und damit fortlaufendem Kreislauf der Entwicklung der Ganzheit Mensch verläuft (vgl. Fröbels kleinere Schriften... 1914, S. 12). Nicht zuletzt dieser Gedanken und Erkenntnisse wegen wird PESTALOZZI mit dem Gedanken der Erziehung von "Kopf, Herz und Hand" verbunden.

FRÖBEL, 1782 als Sohn eines Pfarrers in Oberweißbach/Thür. geboren, wuchs nach dem baldigen Tode seiner Mutter relativ vereinsamt auf. In dem frühen Tod der Mutter mag eine der subjektiven Ursachen für seine spätere intensive Zuwendung zur Kleinkindererziehung zu vermuten sein. Er besuchte zunächst die Mädchenklasse der Dorfschule und erst 1793 konnte ihm durch einen Onkel aus Stadtilm, der ihn betreute, der Besuch der dortigen Stadtschule ermöglicht werden. 1797 bis 1799 ging er in die Lehre bei einem Hirschberger Forstmeister. 1800 bis 1801 studierte er an der Jenaer Universität Naturwissenschaften, was er 1801 infolge finanzieller Schwierigkeiten wieder aufgeben mußte. Es folgte eine vierjährige Wanderschaft, verbunden mit der Ausübung verschiedener Tätigkeiten.

An GRUNERs Musterschule in Frankfurt/M. fiel seine Entscheidung für den Erzieherberuf. Zunächst mußte er jedoch eine Stelle als Hofmeister antreten. Junge, gebildete, bürgerliche Männer mußten dieses Hauslehrerdasein bei zumeist adligen Familien fristen, um ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern. Zu den bekanntesten Hofmeistern gehörten HÖLDERLIN, KLEIST, LENZ und VOß. Für Fröbel brachte das Hofmeisterdasein mit sich, daß er sich mit den ihm anvertrauten Kindern der Familie von HOLZHAUSEN 1809 bis 1810 bei PESTALOZZI aufhalten konnte (vgl. Gedenkschrift 1952, S.10). Von HÖLDERLIN und LENZ besitzen wir heute literarische Zeugnisse über im Zusammenhang mit dem Hofmeisterdasein sich entwickelnde intensive Liebesbeziehungen. Auch für FRÖBEL traf ähnliches wohl zu, verband ihn doch mit der Mutter der ihm anvertrauten Kinder, Caroline von HOLZHAUSEN eine langanhaltende intensive Freundschaft.

FRÖBEL wurde in diesen Jahren zu einem Anhänger, aber auch - was sich keinesfalls ausschließen muß - zu einem intensiven Kritiker PESTALOZZIscher Pädagogik. Er richtete an die Fürstin von Schwarzburg-Rudolstadt im Jahre 1809 eine Denkschrift, in der er einen Plan zur Einführung von PESTALOZZIs Methode in die Volksschulen vorlegte, welcher aber abgelehnt wurde. FRÖBEL kritisierte an PESTALOZZI vor allem verschiedene Unterrichtsmethoden. Das Prinzip der Anschauung wollte er z.B. zum Prinzip der Tatanschauung erweitern. Der Heranwachsende sollte sich die Erkenntnisgegenstände nicht nur anschauen, sondern tätig mit ihnen umgehen (vgl. Boldt 1972, S. 109).

In vielem waren die pädagogischen Bestrebungen den gesellschaftlichen Verhältnissen jener Zeit voraus, da sie sich auf das ökonomische und geistige Potential des Bürgertums stützten, welches aber noch nicht die politische Macht besaß. Die Kleinstaaterei sowie eine mittelalterliche Zunftgesetzgebung hemmten die weitere Entwicklung des Bürgertums und mußten zwangsläufig die inneren Widersprüche in Deutschland verstärken. Expansionsbestrebungen der französischen Großbourgeoisie und nationaler Verrat aller deutscher Staaten mit Ausnahme Preußens und Österreichs führten zum Zerfall des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahre 1806. Die Mehrzahl der deutschen Staaten hatte sich dem "Beschützer" NAPOLEON im Rheinbund angeschlossen. Unter der napoleonischen Fremdherrschaft leidend drangen patriotische Kräfte auf Reformen und erzwangen so Voraussetzungen für die Freisetzung von Lohnarbeitern, was die industrielle Entwicklung und den Fall der Zunftgesetzgebung förderte.

Beflügelt durch NAPOLEONs Niederlage in Rußland bemühten sich Patrioten, das deutsche Volk gegen ihn zu mobilisieren. Das LÜTZOWsche Freikorps trug dazu bei, daß dieser Kampf zu einem Befreiungskampf wurde. In seinen Reihen stand neben FRIESEN, JAHN und KÖRNER auch Friedrich FRÖBEL. Hier bildete sich sein Streben nach einem Nationalstaat heraus, was sich auf seine pädagogischen Ideen auswirkte. Hier lernte er seine Freunde und Mitstreiter MIDDENDORFF und LANGETHAL kennen. In der Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19.10.1813 wurde NAPOLEONs Heer geschlagen. In Deutschland war durch die nationale Bewegung gegen die napoleonische Fremdherrschaft eine historische Situation entstanden, in der die Erweckung des Nationalbewußtseins ein zentrales Anliegen der Erziehung wurde. Nach Beendigung seines Hofmeisterdienstes setzte FRÖBEL 1811/12 seine Studien in Göttingen und Berlin fort. Er wurde Lehrer an der PLAMANNschen Schule in Berlin, die in jener Zeit ein pädagogisches und patriotisches Zentrum war. 1815 arbeitete FRÖBEL am mineralogischen Institut der Universität zu Berlin. 1816 gründete er in Griesheim die "Allgemeine deutsche Erziehungsanstalt", die 1817 nach Keilhau verlegt wurde. Der Name der Anstalt war trotz der anfangs nur fünf Zöglinge keine Überhebung, da er durch das Erziehungsziel motiviert war.

3.2. Zur historischen Situation in der Zeit FRÖBELschen Wirkens zwischen den Befreiungskriegen 1813 und seinem Tod 1852

"... mein Streben bekam die Richtung auf das Nationale." (F. Fröbels gesammelte... 1862, S. 110) Diese Worte FRÖBELs aus einem Brief an den Herzog von Sachsen-Meiningen sind der Beleg dafür, daß er, der für dieses Ziel bereits im LÜTZOWschen Freikorps kämpfte, sich nun voll und ganz mit dem Streben weiter Teile des deutschen Bürgertums identifizierte. FRÖBEL ist einer der bedeutendsten Vertreter der Pädagogik zwischen den Befreiungskriegen und der Revolution von 1848. Nach dem Sieg über die Truppen Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig schien der Zeitpunkt für die Erfüllung der Forderungen des aufstrebenden Bürgertums herangereift. 1813/14 wurde auf dem Wiener Kongreß über die Neuordnung Europas entschieden. Wichtigster Beschluß war die Gründung des Deutschen Bundes, dem 35 Fürstentümer und vier freie Städte angehörten. Da Staatsoberhäupter verschiedener europäischer Mächte zum Teil auch Landesfürsten deutscher Teilstaaten waren, übertrugen sich außenpolitische Spannungen auf die deutsche Innenpolitik. Die Forderungen nach Einheit, einer volksnahen Verfassung und freier Entfaltung von Industrie und Handel blieben unerfüllt.

Pädagogisches Wirken legte sich nun meist in Nationalerziehungsgedanken dar. Auch FRÖBEL hatte die Hauptforderungen seiner Zeit erkannt (vgl. Gedanken zur Nationalerziehung 1959, S. 7). Der Name seiner "Allgemeinen deutschen Erziehungsanstalt" belegte dies. Die Studentenschaft reagierte auf die Wiener Beschlüsse mit der Gründung von Burschenschaften. Höhepunkt dieser Bewegung war das Wartburgfest 1817 aus Anlaß des 300. Reformationsjubiläums. Auch die Keilhauer Anstalt war den dadurch hervorgerufenen "Demagogenverfolgungen" ausgesetzt, da sie u.a. seit 1823 die Unterstützung des Burschenschafters BAROP hatte. Die zementierte Zerstückelung Deutschlands verhinderte weiterhin die für die industrieelle Entwicklung unumgängliche Gründung eines Nationalstaates.

Diesem Nachteil stand jedoch der Vorteil gegenüber, daß in einigen Teilstaaten eine bessere Artikulation nationaler Kräfte möglich war, als es in einem absolutistischen Zentralstaat möglich gewesen wäre. Auch FRÖBEL fand für seine Bestrebungen im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt und im Herzogtum Sachsen-Meiningen einen relativ günstigen Nährboden. Ein weiterer Höhepunkt der antifeudalen Oppositionsbewegung nach der französischen Julirevolution war das Hambacher Fest von 1832, an dem 30 000 Menschen teilnahmen. Die Enttäuschung über die Entwicklung in Deutschland fand insbesondere in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts ihren Ausdruck auch in zahlreichen Auswanderungen. Aber auch in ihrer Wahlheimat blieben viele der Auswanderer - wie FRÖBEL in der Schweiz - nicht von Enttäuschungen verschont. Ständig war er von dem Gedanken und dem Bestreben beseelt, freie, denkende, selbsttätige Menschen zu bilden.

Dieses Ideal konnte unter den in Deutschland herrschenden Verhältnissen nicht nur Fürsprecher finden. Bereits nachdem FRÖBEL an die Rudolstädter Regentin zwecks Einführung der PESTALOZZIschen Methode geschrieben hatte, äußerte einer der Prüfenden: "... wozu alle dies Gegenstände ... für einen Schulzögling auf dem Lande? ... Für diese Klasse Menschen erscheint mir diese Bildung zu gelehrt ... es werden Vielwisser und Sonderlinge gebildet, die sich über ihre Sphäre erheben und für ihren Stand und ihr Gewerbe und für die Menschen, unter denen sie leben, nicht passend sind." (Gedenkschrift 1952, zit. nach: Chr. Martin Spez. Superintendent Schwarz 1809, Landesarchiv Rudolstadt) FRÖBEL reihte sich mit seiner Forderung nach allseitiger Bildung des Menschen, nach Ausbildung seiner Individualität, nach Selbsttätigkeit und Selbständigkeit in die Bestrebungen der klassischen bürgerlichen Pädagogik ein. In Deutschland waren durch die sich weiter entwickelnde Industriealisierung politische Veränderungen erforderlich. 1834 wurde der Zollverein gegründet, was den Handel erleichterte. Der nun wachsende Transportaufwand begünstigte den 1835 begonnenen Aufbau eines Eisenbahnnetzes. All das hatte ein stetiges Wachstum der Zahl der Arbeiter zur Folge. Es wuchs die Rolle der Arbeit - auch als Ziel und Mittel der Erziehung.

4. Fröbels geistig - philosophische und praktisch - pädagogische Stellung zur Erziehung durch Arbeit und zur Arbeit

4.1. Zur historisch - philosophischen Einordnung Friedrich Fröbels

FRÖBELs Werk unterlag im Laufe der Geschichte vielfältigen einseitigen Ausdeutungen oder Verfälschungen. Ursächlich dafür waren die Herauslösung seines Werkes aus seinem historischen oder humanistischen Kontext, aber auch das Mißverstehen seiner philosophischen Denkweise, die eine teilweise recht komplizierte Struktur aufwies. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Unstreitbarkeit sollen Gedanken FRÖBELs auf philosophischem Gebiet dargestellt und ihr Bezug zur historischen Situation dargelegt werden. FRÖBEL läßt sich mit seiner philosophischen Betrachtungsweise nicht einer der in der Zeit von 1813 bis 1848 verbreiteten philosophischen Strömungen zuordnen. Er entwickelte, basierend auf ihm in seiner kurzen Studienzeit bekannt gewordenen Gedanken, ein eigenständiges Weltbild, dessen Kompliziertheit für uns heute damit zu begründen ist, daß er infolge teilweise ungenauer Kenntnisse manches in Spekulativem verhüllte.

FRÖBEL entfernte sich von religiösem Dogmatismus und sah im Menschen das Band zwischen der Einheit Gott und der Vielheit Natur, das durch die schöpferische Tat geschlossen werden sollte (vgl. Boldt/ Eichler 1982, S.44). Durch dieses Tätigsein sollte der Mensch zur Einheit mit Gott, Menschheit und Natur ausgerichtet werden. Dies faßte FRÖBEL in den sein gesamtes Lebenswerk durchziehenden Begriff der Lebenseinigung. Diese Lebenseinigung faßte in sich die durch Tätigkeit hervorgerufene Beseitigung aller Widersprüche. Das ist der wesentliche Grund dafür, FRÖBEL nicht der Romantik zuzuordnen. Das Harmonieideal der Romantik sollte im Gegensatz zu FRÖBEL durch "Müßiggang" bzw. künstlerisch-geistige (Gedanken-)Tätigkeit erreicht werden. In einem Brief an KRAUSE schrieb FRÖBEL, daß ihm um sein zehntes Lebensjahr herum der Gedanke der Ahnung eines widerspruchslosen Lebensganzen kam (vgl. Aus einem Brief an Christoph Friedrich Krause. In: Friedrich Fröbels gesammelte ... 1862, S. 127).

Dieser Gedanke der Lebenseinigung war höchstwahrscheinlich durch die Vorstellung von der Einheit Gottes bewirkt und somit religiös begründet. FRÖBEL ging nicht wie viele seiner Zeitgenossen den Weg der völligen Gleichsetzung der Natur mit dem schaffenden Gott, den Weg des Pantheismus. In seinem Denken war die Identitätsauffassung von Gott und Natur nicht absolut, sondern relativ. Das Weltbild FRÖBELS erlaubte eine auf die Möglichkeiten von Entwicklung und Erziehung ausgerichtete Grundhaltung, die als Voraussetzung für jede pädagogische Tätigkeit überhaupt gesehen werden muß. Die Entwicklung des Menschen richtete sich auf das, was Fröbel bereits im Keim angelegt glaubte. "Das kleinste Samenkorn trägt... das große Ganze in sich und es entwickelt es im Zusammenhange mit dem großen Lebensganzen. So trage auch ich als Mensch die ganze Vergangenheit, die Fülle der Gegenwart und den Reichtum der Zukunft in mir.

Was ich jetzt bewußt ausspreche, das lag also schon in mir, dem Kinde." (Zeitschrift für ... Okt. 1851, S. 14 - 15) Diese Auffassung ist auch Beleg dafür, daß FRÖBEL in mancher Hinsicht an das naturphilosophische Denken seiner Zeit anknüpfte, wie er es auch tat, als er auf der Suche nach einem Urbild der Menschhheit vor allem die Kristalle heranzog, in denen er dieses Bild zu entdecken glaubte (vgl. Boldt/ Eichler 1982, S. 55). FRÖBEL verweist stets auf den Zusammenhang zwischen geistiger und körperlicher Tätigkeit und darauf, daß der Mensch durch Tätigkeit seine Außenwelt und sich selbst erkenne. Veränderung der Umwelt und Entwicklung des Menschen führen so über die schöpferische Tätigkeit.

In der Hervorhebung der tätigen Seite des Individuums liegt einer der wichtigsten Züge FRÖBELscher Pädagogik. In seinen Gedanken über die menschlichen Tätigkeiten differenziert FRÖBEL drei Tätigkeitsarten - Spielen, Lernen und Arbeiten - die durch bewußten Einsatz zu Hauptmitteln pädagogischer Einwirkung wurden (vgl. Friedrich Wilhelm August Fröbel: Kommt, ... 1982 Band 1, S. 27). Der Mensch wird durch Tätigkeit schöpferisch und so seinem Schöpfer selbst ähnlich. FRÖBEL versuchte stets, die Welt in einem einheitlichen Zusammenhang zu sehen. Da für ihn die Welt von Gott erschaffen war, ruhte folglich diese erstrebte Einheit in Gott (vgl. Boldt 1976, S. 24).

Er widmete sich in seiner Studienzeit neben der Mineralogie vor allem der Botanik. Das natürliche Pflanzensystem von BATSCH führte FRÖBEL von der Ahnung zur Erkenntnis der Ganzheit der Natur. Die Einteilung der Pflanzen in Verwandtschaften, Familien, Gattungen und Arten ermöglichte ihm, nicht nur die einzelne Pflanze, sondern die Gemeinsamkeiten, Unterschiede und vor allem die enge Verwandtschaft der Pflanzen zu begreifen (vgl. Tiesler 1982, S. 10). Auf diese Weise war es ihm sicher auch möglich geworden, Analogieschlüsse zu ziehen, die sich später (1826) in seinem pädagogisch-literarischen Hauptwerk, der "Menschenerziehung", wiederfinden.. FRÖBEL blieb stets ein religiös denkender Mensch. Alles Leben, alle Tätigkeit als eine Äußerung Gottes zu betrachten bewirkte bei ihm - basierend auf einer recht individuell ausgeprägten Religiosität - oft mystisch bzw. spekulativ anmutende Erklärungsansätze. Für FRÖBEL blieb Gott eine selbständige Existenz.

Er stand in brieflichem Kontakt zum Philosophen KRAUSE (1781 -1832), einem Schüler KANTs. KRAUSEs religiöse Grundposition geht von der Annahme eines vollkommen göttlichen Wesens aus, das in der Natur, in allen Äußerungen des menschlich - gesellschaftlichen Lebens präsent ist. Die Geschichte der Menschheit entwickelt sich in Richtung einer harmonischen, ethischen und sozialen Idealordnung hin als Verwirklichung Gottes Reiches auf Erden. Diese Theorie beinhaltet Elemente urchristlichen Denkens, des Humanismus, der Aufklärung, der klassischen deutschen Philosophie und des Freimaurertums. Der Krausismus bejaht die totale Erkenntnis. Diese Philosophie, der Panentheismus, sieht die Natur und den Menschen als aus Gott hervorgegangen und wieder zu der in Gott ruhenden Harmonie und Einheit zurückstreben. Was FRÖBEL besonders zu KRAUSE hinzog, war gerade die Tatsache der selbständigen außerweltlichen Existenz Gottes in dessen Philosophie (vgl. Zimmermann ... In: Friedrich Wilhelm August Fröbel. Die Menschenerziehung ... 1926, S. 17).

Die Zuordnung FRÖBELs zum Panentheismus erscheint in der Literatur verschiedenartig begründet. HALFTER meinte, daß die Geburt des panentheistischen Glaubens sich in FRÖBEL ohne KRAUSEs Einfluß selbständig vollzog (vgl. Halfter 1931, S. 467). HEILAND äußert, daß der Panentheismus einerseits die Bindung an einen persönlichen Gott und andererseits Diesseitsgewandtheit als relative Größe ermöglichte (vgl. Heiland 1983, S. 100 - 101). Unseres Erachtens bedarf insbesondere die Panentheismus - Problematik weiterer gründlicher Untersuchungen, da gerade hier unserer Meinung nach vielfältige Ansätze zum Verständnis FRÖBELschen Schaffens vermutet werden können. In dem bereits in diesem Kapitel erwähnten Brief an KRAUSE legt FRÖBEL sein Entwicklungsgesetz dar, wie er es für die Erziehung nutzbar machen wollte. Darin stellt er Thesis und Antithesis gegenüber, wobei er als Zwischenglied die Synthesis (hier Vermittlung) einschaltet (vgl. Aus einem Brief ... In : Friedrich Fröbels gesammelte ... 1862, S. 136).

Hier ist bereits in Ansätzen die Ausrichtung zur HEGELschen Lehre vom Widerspruch zu erkennen, die FRÖBEL in seinen späten Schaffensjahren einnahm. FRÖBEL selbst nennt seine Philosophie sphärisch. Sphäriker fassen den Menschen in seiner Totalität ins Auge, vereinen also idealistische und materialistische Anschauungen (vgl.Halfter 1931, S.477 - 478). Er ordnete den Menschen als individuelles Ganzes und gleichzeitig abhängiges Glied in den sphärischen Zusammenhang von Natur und Gesellschaft ein (vgl. Friedrich Wilhelm August Fröbel: Kommt ... 1982, S. 19). "Das Wesen jedes Dinges ist Einheit...Einheit ist das, was Mannigfaltigkeit in sich schließt, das Gemeinsame einer Mannigfaltigkeit ... Das Sphärische ist die Darstellung der Mannigfaltigkeit in der Einheit und der Einheit in der Mannigfaltigkeit ... Das Sphärische ist das Allgemeine und Besondere, das Universelle und Individuelle, die Einheit und Einzelheit zugleich und stellt sie dar ... Der Mensch erkenne durch den Geist den Körper und durch den Körper den Geist, schaue eines durch das andere und stelle eines durch das andere dar." (Fröbel 1821, S.7ff.).

FRÖBELs Grundgesetz der Entwicklung war das Gesetz der Einheit und der Mannigfaltigkeit. Seine späteren Schriften zeigen Veränderungen in diesen Anschauungen, die den Einfluß der HEGELschen Dialektik vermuten lassen. Die Weiterführung der Lehre von Einheit und Mannigfaltigkeit zu einer an der HEGELschen Lehre angelehnten Widerspruchsauffassung belegen die dialektische Betrachtungsweise, die bei FRÖBEL zumindest in Elementen vorhanden ist. Die Dialektik ermöglichte ihm Erkenntnisse über die Entwicklungsstufen des Menschen und Erkenntnisse zur Gestaltung der Erziehungsarbeit. FRÖBEL waren so durch seine diesseitsbezogene Einstellung zur Erziehung Erkenntnismöglichkeiten gegeben, die er bis zu den ihm insbesondere durch die soziokulturellen Bedingungen gesetzten Grenzen nutzte.

4.2. Sozialhistorisch begründeter Bedeutungswandel des Wortes Arbeit und die Entwicklung der Arbeitserziehung

Begriffsinhalte von Wörtern unterliegen einem historischen Wandel. Soziokulturelle Bedingungen widerspiegeln sich in derartigen etymologischen Prozessen bei einigen Wörtern besonders deutlich, wie es auch bei dem Wort Arbeit der Fall ist. Darum soll die Bedeutungsentwicklung und damit verbunden auch die Entwicklung der Arbeitserziehung in diesem Teilkapitel beleuchtet werden. Wir erfassen Arbeit als Tätigkeit zur Sicherung individueller und kollektiver menschlicher Existenz, wobei moralisch - ethische Aspekte genauso wie ökonomische Aspekte Gegenstand der Betrachtung sein sollen. Im Sprachgebrauch der Pädagogik kommt den Begriffen Bildung und Erziehung eine besondere Bedeutung zu. Unseren speziellen Gegenstand betreffend ist allerdings zu vermerken, daß es den Begriff "Arbeitsbildung" nicht gibt, was zu Undeutlichkeiten in der theoretischen Betrachtung führen kann.

Wenn wir von Arbeitserziehung sprechen, erfassen wir also nicht nur die ethisch - sittliche Komponente. Es macht sich notwendig, zwischen allgemeiner Arbeitserziehung - sie schafft Voraussetzungen für einen relativ großen Bereich von Arbeitstätigkeiten - und spezieller Arbeitserziehung, die Grundlagen für spezifische Arbeitstätigkeiten legt, zu unterscheiden. Außerdem wird jeder dieser zwei Teile der Arbeitserziehung unterteilt in die geistige Arbeitserziehung (Schaffung intellektueller Voraussetzungen), die körperliche Arbeitserziehung (Entwicklung der physischen Komponente) und die sittliche Arbeitserziehung, die Einfluß auf die sozialen Verhaltensweisen und Beziehungen im Prozeß der Arbeit nimmt.

Bereits in der Gentilordnung spielte Arbeitserziehung eine wesentliche Rolle. Da es noch keine Arbeitsteilung gab, war die Arbeitserziehung eine allgemeine, allseitige. Auf dieser frühen Entwicklungsstufe der Menschheit bildeten Arbeit und Erziehung noch eine unmittelbare Einheit, da jeder in Produktion und Konsumtion gleichberechtigt einbezogen war. Die sich im Verlaufe der Geschichte entwickelnde Arbeitsteilung brachte einerseits den Vorteil einer steigenden Spezialisierung und damit auch Qualifizierung von Arbeit, andererseits aber auch eine immer weiter wachsende Entfernung des einzelnen Individuums von der Allseitigkeit menschlicher Reproduktion. Im Mittelalter war insbesondere die Kirche mit ihrer Auffassung von Arbeit als Folge der Erbsünde und der Lehre von der von Gott eingesetzten Obrigkeit Träger der sittlichen Arbeitserziehung.

Der Begriffsinhalt des Wortes Arbeit war deshalb als Mühsal, Last, Plage soziokulturell begründet. In der Zeit erster frühbürgerlicher Erhebungen gelangten insbesondere die Ideen Martin LUTHERs zu ausschlaggebender Bedeutung. Er sah insbesondere die religiös - ideelle Bedeutung der Arbeit, den Menschen mit Gott innerlich zu einigen. "...da muß ...der Leib mit Fasten, Wachen, Arbeiten und mit aller mäßiger Zucht getrieben und geübt sein, daß er dem innerlichen Menschen und dem Glauben gehorsam und gleichförmig werde... denn der innerliche Mensch ist mit Gott eines." (Luther 1982, S. 125) Der sich Ende des 18. Jahrhunderts herausbildende Philanthropismus mit seinem Anliegen, der Vorbereitung des Menschen auf ein gemeinnütziges und glückseliges Leben, brachte bereit die Interessen eines ökonomisch erstarkenden, nach politischer Emanzipation strebenden Bürgertums zum Ausdruck.

Bei den Philanthropisten spielte dabei die Methode der Handbetätigung eine große Rolle (vgl. Zur Arbeitserziehung bei einigen Vertretern ... 1982, S. 61). Eine starke Verbindung zur Arbeitserziehung im Philanthropismus hatte BLASCHE, der an der SALZMANNschen Erziehungsanstalt Schnepfenthal http://members.aol.com/vdschule/index.html die mechanische Beschäftigung zum Mittelpunkt früher Erziehung gemacht und somit von einem nebensächlichen zu einem wesentlichen Zweig des Unterrichtes erhob. Methodische Anleitungen gab er schon 1797 in seinem Buch "Der Papparbeiter" (vgl. Halfter 1931, S. 628). Ähnlich wie die Philanthropisten versuchte FRÖBEL die Gedanken von der Verbindung des Unterrichtes und der Handarbeit in seinen Erziehungsanstalten zu verwirklichen (vgl. Ulbricht 1982, S. 121).

Es offenbart sich, daß die Erziehung zur Tätigkeit, zur Arbeit ein Anliegen des aufstrebenden Bürgertums war. Im durch Kleinstaaterei zersplitterten Deutschland gab es einerseits kaum Möglichkeiten, mit Entwicklungen einer Großindustrie konfrontiert zu werden, so daß viele pädagogische Bestrebungen die landwirtschaftliche bzw. handwerkliche Arbeit als die mit dem Unterricht zu verbindende ansahen. Andererseits rief die immer wieder beklagte wachsende Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit bereits um 1800 Vertreter der romantischen Strömung auf den Plan. Der Dichter NOVALIS äußerte beispielsweise: " Muß immer der Morgen wiederkommen ? Endet nie des Irdischen Gewalt ? Unselige Geschäftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht." (Novalis 1983, S.4)

Dieses Zitat mag auch als Beleg für die Unrichtigkeit der Zuordnung FRÖBELs zur romantischen Strömung gelten, da sein Harmonieideal durch Tätigsein zu erreichen war. Anders äußern sich die Vertreter der klassischen deutschen Philosophie und Literatur. HERDER erkennt die geschichtsbildende Rolle der Arbeit. Sie ist für ihn ein Moment des Klimas. Der Mensch nimmt Einfluß auf seine Umweltbedingungen, die ihrerseits wieder den Menschen bestimmen. Diese Worte lassen eine dialektische Betrachtungsweise des Problems erkennen. Der Mensch "... ist eine künstliche Maschine, zwar mit genetischer Disposition und einer Fülle von Leben begabt; aber die Maschine spielet nicht selbst, und auch der Fähigste muß lernen, wie er sich spiele." (vgl. Herder 1978, Bd.4, S. 191) Der Mensch muß das lernen, was ihn am Leben erhält, was ihn zum Menschen macht, auch die Arbeit.

FICHTE sieht die Arbeit als Pflicht der sittlichen - und Existenzbedingung der physischen Persönlichkeit an und HEGEL stellt fest, daß der Weltgeist nur durch Entäußerung, durch Tätigkeit zum Selbstbewußtsein gelangt. HEGEL erfaßt also, daß der Mensch durch Arbeit sich selbst und seine Geschichte schafft. Der Menschenerzieher und Humanist FRÖBEL stellte in den Mittelpunkt seiner arbeitserzieherischen Bestrebungen vor allem die Erziehung zur Selbsttätigkeit. Er ließ die Zöglinge an seinen Einrichtungen verschiedene Arbeiten verrichten und gab in seinen theoretischen Werken methodische Hinweise an Erzieher und Eltern. Er erkannte, daß die Kinder mit den Eltern die schwierigen Arbeiten teilen wollen. Selbstverständlich konnte auch Fröbel in seinen pädagogischen Bestrebungen sich nur auf Verhältnisse beziehen, mit denen er aus unmittelbarem Erleben und aus seiner Erfahrung konfrontiert war, so daß industrielle Produktion in seinem Schaffen keine Rolle spielte. Mit ihr wurde er erst zu seinem Lebensende konfrontiert, als er in Schweina, einer schon damals industriell geprägten Gemeinde, wirksam wurde.

Eine der Schülerinnen Fröbels - Bertha von MARENHOLTZ - BÜLOW - erlebte bereits Folgen der Industriealisierung für die Kinder, mit denen sich FRÖBEL noch gar nicht auseinanderzusetzen hatte. "Wer wendet sich nicht mit Empörung ab von dem Mißbrauch kindlicher Arbeitskraft, der in Fabriken,Werkstätten, Bergwerken u.s.w. anzutreffen ist ?" (v.Marenholtz- Bülow 1875, S. 17) Diese Perversion der Ausnutzung kindlicher Arbeitskraft darf aber u.E. aber nicht gleichgesetzt werden mit der Notwendigkeit, Kinder adäquat ihrer physischen und psychischen Entwicklung an die Arbeit heranzuführen. Die zunehmende Entwicklung in Richtung industrieller Produktion in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewirkte die Notwendigkeit einer immer intensiveren Vorbereitung. Es kam an verschiedenen Orten zur Bildung von Industrieschulen, die aber nur dort bestehen konnten, wo sie zu entsprechenden Unternehmen in Beziehung standen. Das Verdienst der Industrieschulbewegung besteht vor allen Dingen darin, daß sie erstmals eine Arbeitserziehung der großen Masse des Volkes zur Sache der allgemeinbildenden Schulen machte.

Die Ausbildung mußte aber eng begrenzt und einförmig bleiben, es gab kaum eine richtige Verbindung zwischen körperlicher und geistiger Erziehung. Arbeitserziehung als Bestandteil des Bildungs- und Erziehungsprogramms der Schule zu gestalten, wurde als politische Forderung von der deutschen Sozialdemokratie 1906 auf ihrem Mannheimer Parteitag erhoben. Sie verlangte die "... Einführung des Arbeitsunterrichtes in allen Schulen, Errichtung von Lehrwerkstätten, Pflege der künstlerischen Bildung." (Protokoll ... 1906, S. 134 - 137) Arbeitserziehung kann einen Beitrag leisten, unangebrachte Trennungen von körperlicher und geistiger Arbeit überwinden zu helfen, längst als richtig erkannte pädagogische, entwicklungspsychologische und entwicklungsphysiologische Erkenntnisse umzusetzen. Dies ist auch ganz im Sinne FRÖBELs, der ja nicht nur einmal die "unselige Trennung von Denken und Tun" beklagte.

4.3. Arbeitserzieherisches Wirken Fröbels an Stätten seiner pädagogischen Bestrebungen

4.3.1. Die Erziehungsanstalt Keilhau

Mit der Gründung seiner Allgemeinen deutschen Erziehungsanstalt 1816 im Dörfchen Griesheim begann Fröbel, seine Erziehungsideen zu verwirklichen. 1817 konnte der wenig begüterte FRÖBEL seine Anstalt nach Keilhau bei Rudolstadt verlegen, wo die Witwe des Pfarrers FRÖBEL ein kleines Bauerngut erworben hatte. Die Anstalt mußte erst in einen wohnlichen Zustand versetzt werden. FRÖBEL verrichtete dabei mit den Knaben die meisten Arbeiten selbst (vgl. Prüfer 1927, S. 33-34). Erziehung zur Arbeit erfolgte durch Arbeit. Was FRÖBEL und seine Zöglinge durchführten, wurde auch von den anderen Mitarbeitern gefordert. Er schrieb an LANGETHAL, der nach der Begegnung bei den Lützower Jägern neben Middendorff zu einem seiner engsten Mitstreiter geworden war, folgende Zeilen: "Arbeiten und Tun, das ist möglichst allseitiger Gebrauch und Anwendung unserer Kraft und möglichst reiche Gestaltung derselben ist der sichtbare Grundstein meines Handelns.

Wer in meinen Kreis eintritt, verpflichtet sich stillschweigend dazu." (Wächter 1902, S. 20) Möglichst allseitiger Gebrauch und Anwendung unserer Kraft - das ist fast schon ein Programm, das auf die Arbeitserziehung angewandt eine Orientierung in Richtung allseitiger Arbeitserziehung ist. Allseitigkeit der Erziehung ist eines der pädagogischen Leitprinzipien Fröbels. Es offenbart sich in den Quellen der Entwicklung und Ausbildung des Menschen, dem stetigen Aus- und Fortbilden der Geisteskraft, der Entwicklung und Ausbildung des Körpers als Werkzeug des Geistes und dem richtigen Auffassen der Gegenstände der Außenwelt und Einordnen in ihre Verhältnisse (vgl. Fröbels kleinere Schriften ... 1914, S. 17).

FRÖBELs Ziel, der allseitige entwickelte und praktisch begabte Mensch, beinhaltet neben der allseitigen Persönlichkeitsentwicklung auch die Erziehung zur Arbeitsamkeit und zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen für den persönlichen Bedarf sowie für die Erarbeitung eines Teils des Unterhalts der Erziehungsanstalt. Vielfältige Handarbeitsfertigkeiten wurden herausgebildet. Es waren zum Teil auch ökonomische Zwänge, die den Verkauf von Arbeitsergebnissen zum Erhalt der Anstalt forderten. Grundsätzlich wolle "... der Mensch schaffen und wirken gleich Gott. ... Dies ist der hohe Sinn der Arbeit und Arbeitsamkeit. ... Wie erniedrigend ist ... der Wahn: als arbeite, wirke und schaffe der Mensch nur darum, seinen Körper, seine Hülle zu erhalten, sich Brot, Haus und Kleider zu erwerben." (Prüfer 1927, S. 49)

In den Anfangsjahren der Keilhauer Erziehungsanstalt war keine gemeinsame Arbeitsstunde angesetzt. Die freie Beschäftigung fand nach dem Abendessen statt (vgl. Wächter 1902, S.26). Eine gemeinsame Arbeitsstunde mit wechselnder Lehreraufsicht wurde später eingerichtet, als größere Arbeitsräume zur Verfügung standen (vgl. Wächter 1902, S. 44). Arbeit spielte aber bei FRÖBEL stets eine große Rolle, hatte er doch schon während seiner Studienaufenthalte bei PESTALOZZI Erfahrungen gesammelt. "Das Kind gibt sich nie aus Langeweile üblen Gewohnheiten hin, wird es früh an zweckmäßige, die Denkkraft und das Gemüt in Anspruch nehmende Tätigkeit gewöhnt, wird also nie Vergnügen am Müßiggang finden." (Friedrich Fröbel über Pestalozzi 1862, S. 201 - 202) Hier wurde - zwar mehr intuitiv - doch eine wesentliche sittliche Komponente der Arbeitserziehung, die Gewöhnung an Arbeitsanforderungen und ihre Bedeutung erkannt, die eine Grundlage für ein ständiges Wachstum des Anforderungsniveaus bildet.

So wird Entwicklung "... jedes Wesens durch Tätigkeit, Tun, Arbeiten..." möglich. (Fröbel 1820 In: Lange 1862, S. 221) Tätigkeit dient damit der Entwicklung, dem Erkenntnisfortschritt und der Ausbildung der körperlichen und geistigen Potenzen des Individuums. Geist und Körper, Denken und Arbeiten wurden als in der menschlichen Entwicklung gesetzmäßig zusammenhängend angesehen. Die Praxis im deutschen Schulwesen beklagend stellte FRÖBEL fest : "Wir sehen Denken und Arbeiten, Arbeiten und Denken, Erkennen und Tun, Tun und Erkennen getrennt, ja sich feindlich gegenüberstehend, und so das Eine in Schwäche versinken, während sich das Andere mit Anmaßung erhebt." (Fröbel 1821, S. 29 - 30)

Deshalb waren viele seiner pädagogischen Gedanken darauf gerichtet, die natürliche Verbindung von Denken und Arbeiten zu realisieren. Er beschränkte sich dabei nicht nur auf das innere Leben seiner Anstalt, sondern versuchte mit theoretischen Schriften und Aufrufen die Öffentlichkeit, vor allem die Familien, zu erreichen. Durch frühes, rechtzeitiges Anhalten der Kinder zu häuslicher Arbeit sollten die Eltern "... notwendig früh den Tätigkeitstrieb ihrer Kinder befriedigen und leiten ..." (Fröbel 1823, S. 16). FRÖBEL sah darin eine Unterstützung dafür, den "Darstellungstrieb" des Kindes zu entwickeln und nicht verkümmern zu lassen. Zu einer harmonischen Bildung und Erziehung gehört auch die körperliche Erziehung, die Grundlagen für die spätere Arbeitstätigkeit der Zöglinge schafft. FRÖBELs humanistisches Gedankengut, die demokratischen Züge seiner pädagogischen Bestrebungen traten deutlich hervor. Sein Grundanliegen war die Schaffung einer Volkserziehungsanstalt. Das Schulgeld begüterter Eltern wurde mit für Kinder armer Eltern verwendet, von 23 Zöglingen zahlten 8 kein Schulgeld (vgl. Sieler 1967, S. 13). Tiefe humanistische Züge trägt auch das Bestreben FRÖBELs "... seinem Glaubenshelden Luther ein lebendiges Denkmal zu setzen, nachdem beim großen Reformationsfest 1817 manch steinernes errichtet worden war." (Heerwart 1906, S. 5) FRÖBEL selbst sagte dazu:

"... der letzte Zweck (kann - d.V.) doch nur sein ..., sie in einen Zustand zu versetzen, der es ihnen möglich machte, ihren Nachkommen diejenige Bildung zu geben, durch welche es nachmals den geistig begabteren leicht würde, sich fortzubilden und aus den engen, ärmlichen Grenzen des Hirten- und Tagelöhnerlebens herauszustreben." (Fröbel 1817 Blatt 3) Georg und Ernst Luther,1817 18 und 11 Jahre alt, waren Nachfahren der LUTHERschen Familie aus dem Lutherstammort Möhra bei Salzungen. Georg trat nach einigen Jahren tatsächlich in die Fußstapfen seines großen Vorfahren und studierte Theologie. Ernst blieb bis 1825 in Keilhau und fertigte nach dem Tode FRÖBELs das erste Denkmal auf dessen Grab (vgl. Heerwart 1906, S. 5).

In seiner Keilhauer Zeit verfaßte FRÖBEL eine ganze Anzahl pädagogisch - theoretischer Schriften. Er war als bürgerlicher Nationalerzieher im Sinne des aufstrebenden, nach politischer Emanzipation drängenden Bürgertums tätig. Allerdings zog er in seinen theoretischen Abhandlungen zur Begründung der Nationalerziehung oft ethnische anstelle sozialökonomischer Faktoren heran. So begründete er die Nationalerziehung mit typischen Eigenschaften und Merkmalen, die er im deutschen Volk zu finden glaubte (vgl. Boldt 1975, S. 62 - 63). In einer seiner Keilhauer Schriften hatte FRÖBEL das deutsche Volk als ursprüngliche Einheit, als Stammvolk, Urvolk und gründliches Volk bezeichnet (vgl. Fröbel 1821, S. 16, 26 - 27). Hier finden sich Ansatzpunkte einer Deutschtümelei bei FRÖBEL, die aber nicht von nationalistischem Hochmut, sondern von der Notwendigkeit des nationalen Selbstbewußtseins des aufstrebenden Bürgertums getragen waren (vgl. Friedrich Wilhelm August Fröbel: Kommt ... 1982, S.32).

Allerdings gab es schon zur damaligen Zeit Stimmen, die ernsthaft vor möglichen Folgen der Deutschtümelei warnten. Diese Warnungen bestanden zu Recht, denn die historisch notwendig erscheinende Deutschtümelei der Jahre um 1815 wurde in geschichtsfälschender Art und Weise vom deutschen Faschismus zur Glorifizierung FRÖBELschen Gedankengutes benutzt. Einer derjenigen, die schon zur damaligen Zeit Warnungen aussprachen, war der mit FRÖBEL in engem Kontakt stehende Philosoph KRAUSE. Er sagte, daß durch diese Art Deutschtümelei dem deutschen Volk zugeordnet werde, was der gesamten Menschheit ist. Eine Überhebung des deutschen Volkes sei ungerecht und menschenwidrig (vgl.Carl Christoph Friedrich Krauses Beurtheilung ... 1862, S. 311.).

Zu den bedeutendsten pädagogisch - theoretischen Schriften, die in Keilhau entstanden, gehört "Die Menschenerziehung" von 1826. Diese sollte eine stetige Fortsetzung finden, ist aber mit dem einzigen abgeschlossenen Teil über das Knabenalter ein Fragment geblieben. Andererseits verkörpert der Titel, wie so oft im FRÖBELschen Schaffen zu erkennen, bereits die angelegte Programmatik. Der Gedanke der Menschenerziehung verdeutlicht den Humanismus FRÖBELs, der nicht nur darauf aus war, für irgend eine bestimmte soziale und ökonomische Ordnung brauchbare Menschen zu erziehen. Das ist neben seiner eigenen philosophischen Grundanschauung, die sich in seinem theoretischen und praktischen Lebenswerk widerspiegelt, eine der Grundvoraussetzungen für die von uns heute immer wieder auch in der Praxis erlebte Rezipierbarkeit FRÖBELscher Gedanken in weitgehender Unabhängigkeit von der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kulturkreis. Andererseits verrät die von FRÖBEL beabsichtigte Gliederung der "Menschenerziehung", daß es ihm vor allem auch um die altersadäquate Bildung und Erziehung ging, was die Beachtung entwicklungsphysiologischer und entwicklungspsychologischer Gesetzmäßigkeiten voraussetzt.

SPRANGER (1925, S. 49) bestätigte FRÖBEL, mit dem Streben nach allseitiger Lebenseinigung die eigentümliche Lebensform des Kindes genial gesehen zu haben, das in diesem Alter noch nicht einzelne Lebensbereiche differenziere. "Er ging mit seinen Beschäftigungsspielen auf jenen Einheitspunkt der Formbildung zurück, in dem sich Erkenntnisformen, Schönheitsformen und Nutzformen noch nicht getrennt haben, wie das Kind selbst aus der uranfänglichen Liebeseinheit mit Mutter, Natur und Göttlichem noch nicht herausgefallen ist." FRÖBEL selbst war, was unsere Vermutung bestätigt, sich durchaus bewußt, daß "... die genügende des Menschen in und auf jeder vorhergehenden ... eine genügende vollendete Entwicklung jeder folgenden späteren Stufe ..." bewirkt (vgl. Friedrich Fröbels gesammelte ... 1863, S.22 ).

An gleicher Stelle legte er einmal mehr die sittlich - religiöse Begründung der Arbeit dar. "Gott schuf den Menschen, ein Abbild seiner selbst... . Darum soll der Mensch wirken und schaffen gleich Gott." Er charakterisierte die häusliche und Schulerziehung als eine, die die "... Kinder zur Körperträgheit und Werkfaulheit (führt -d.V.) ... . Höchst heilsam wäre die Einführung echter Arbeitsstunden." (vgl. Die Menschenerziehung und verschiedene Abhandlungen. In: Friedrich Fröbels gesammelte ... 1863, S. 25 ). In selber Quelle (S. 58) wurde als Anfangspunkt dieser Erkenntnis von FRÖBEL jedes Geschäft, jedes Gewerbe und jeder Beruf des Vaters als geeignet angesehen. Hier liegen Potenzen einer allgemeinen wie auch einer frühen speziellen Arbeitserziehung. Das Kind sieht zu Hause die Eltern arbeiten und hat das Bedürfnis, sich selbst darzustellen. Tätigkeit um des Tuns Willen ist nun Tätigkeit um des Werkes Willen. Der Tätigkeitstrieb hat sich zum Gestaltungstriebe entwickelt (vgl. S. 67 selb. Quelle).

Auch methodische Hinweise sind bei FRÖBEL zu finden. Wesentlich scheint uns u.a. der Hinweis zu sein, daß Eltern vom Kinde angebotene Hilfe nie zurückweisen sollten (vgl.S.68). Dies entfremde die Kinder genauso von häuslicher Arbeit, wie die Eigenart der lateinischen und gelehrten Schulen,, Zöglinge ganz und gar dem häuslichen Geschäfte zu entnehmen (vgl. S. 188). "Wie teilt zuerst der Knabe und das Mädchen dieses Alters so innig gern die Arbeiten des Vaters und der Mutter, nicht die spielenden und leichten, nein,... die anstrengenden, Kraft und Mühe erfordernden möchte es mit den Eltern teilen. Hier ...seid sorgsam und sinnig, ihr Eltern! ihr könnt hier mit einem Male den Tätigkeits- und Bildungstrieb eurer Kinder wenigstens für lange vernichten, wenn ihr die Hilfe ... als kindisch, als unnütz,..., ja vielleicht gar als hindernd und hemmend zurückweiset. Laßt euch durch den Drang der Geschäfte ja nicht verleiten; hütet euch ja, zu sagen: "Geh' hinweg! du hinderst mich nur."

Ein wesentlicher Beitrag zur Arbeitserziehung ist unseres Erachtens auch das von Fröbel in den Unterricht eingeführte Fach "Außenweltbetrachtung". Fragestellungen wie: Welche verschiedenen Werkstätten gibt es in der Stadt ? Was zeigt jede Werkstatt Eigentümliches ? Was ist Bestimmung und Zweck der Werkstätten ? erscheinen geeignet, den Zögling für wesentliche Seiten der menschlichen Arbeit zu sensibilisieren. Nach dem Weggang FRÖBELs in die Schweiz wurde die Anstalt von seinen Freunden weitergeführt. Auch die Keilhauer waren von den nach den Burschenschaftstreffen 1817 einsetzenden Demagogenverfolgungen nicht verschont geblieben. Zwar bestätigte sich der Verdacht gegen die Anstalt, ein "Demagogennest" zu sein, nicht. Wirkungen zeigten die Verdächtigungen trotzdem. Insbesondere begüterte Eltern nahmen ihre Kinder von der Anstalt, so daß es zum Niedergang kam. Heute beherbergt die ehemalige "Allgemeine deutsche Erziehungsanstalt" eine Förderschule für Sprachbehinderte, die sich um die Fortsetzung und Bewahrung FRÖBELscher Pädagogik bemüht.

4.3.2. Die Planung der Volkserziehungsanstalt in Meiningen - Helba

Einen neuen Stellenwert in den pädagogischen Gedanken FRÖBELs bekam die Arbeitserziehung gegen Ende der 20er Jahre des 19.Jahrhunderts. In ihm reifte der Gedanke einer Volkserziehungsanstalt, in der die Zöglinge von der Vorschule bis zur Berufsausbildung oder Hochschulreife geführt werden sollten. Auf der Suche nach einem geeigneten Ort für die Verwirklichung seiner Ideen fand er seinen Gönner im Herzog von Sachsen - Meiningen, Bernhard Erich FREUND, der ihm das Gut Helba bei Meiningen in Aussicht stellte. FRÖBEL machte sich an die Planung einer Volkserziehungsanstalt. Zu ihrem besonderen Zweck erklärte er, sie solle : "... für jedes Gewerbe, so dem Landmanne, den Handwerkern und hier namentlich den gestaltenden, dem Tischler, Zimmermann, Maurer, Metall- und Eisenarbeiter eine genügende Vorbildung ... geben, sowie zur höheren und einsichtigen Betreibung eines jeden bürgerlichen Geschäftes, des Kaufmanns, des Fabrikanten und ähnlicher hinzuführen." (Fröbel 1829)

Diese Zielstellung zeigt bereits die Wichtigkeit, die die Ausübung praktischer Tätigkeiten an dieser Volkserziehungsanstalt haben sollte. Gemäß dem Prinzip der gleichmäßigen Entwicklung von Körper und Geist äußerte FRÖBEL, daß die Erziehung und Lehre der Anstalt sich stütze: "... auf das Leben selbst und das Selbstschaffen, auf die Einigung und Wechselwirkung zwischen Tun und Denken, Darstellen und Erkennen, Können und Wissen ... und ordnet so das Arbeiten selbst mit unter die Lehrmittel ein. Sie teilt deshalb den Tag in eine Hälfte mit vorwaltender Tätigkeit für äußeres Erzeugnis, - in Arbeit, und in eine Hälfte ... das Innere an sich und im Äußern denkend aufzufassen, - in Lehre und Unterricht." (Die projectierte ... In: Friedrich Fröbels gesammelte ... 1822, S. 402)

Die Vorbereitung auf das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft verlangte einerseits eine fundierte allgemeine Arbeitserziehung, die mit der Vielseitigkeit der Tätigkeiten angestrebt wurde. Andererseits mußte wegen der sich immer weiter entwickelnden Spezialisierung der industriellen Produktion eine zielgerichtete spezielle Arbeitserziehung angestrebt werden, die auf den zukünftigen Beruf orientieren sollte. Hier waren FRÖBEL aber insbesondere in einer Hinsicht Grenzen gesetzt. Bedingt durch sein Umfeld - im zersplitterten Deutschland hatte sich zu diesem Zeitpunkt bisher kaum eine nennenswerte Industrie entwickeln können - konnte er in seiner Erziehung den Anforderungen der Großindustrie keine Rechnung tragen. Gegenstände der Arbeit an seiner Keilhauer Anstalt waren darum: "... alles, was das Leben und besonders das Landleben einem großen Familienkreise darreicht: das Feld, der Garten, der Wald ... wie auch das Haus mit seinen Bedürfnissen, der Handarbeit ... Die Ausbildung des Körpers selbst als Werkzeug des Geistes werden damit in vorbildenden Zusammenhang gebracht, nicht minder das freie Spiel. ... So soll Arbeit, Unterricht und Spiel ein ungestücktes Lebensganzes und ... Grund eines künftig ungeteilten, tatkräftigen, einsichtigen und freudigen Lebens werden."(selbe Quelle, S. 403) Den Unterricht an seiner Volkserziehungsanstalt wollte FRÖBEL in drei Klassen einteilen -

Dabei treten auch im Unterricht Aspekte der Arbeitserziehung hervor, die speziell auf die sittliche Komponente gerichtet waren. Außenweltbetrachtung, Betrachtung einzelner Menschenwerke und Gewerbekunde sollten die Kinder mit den arbeitenden Menschen, ihren Arbeitsplätzen und -bedingungen vertraut machen, was unter anderem mit dem Ziel der Erziehung der Kinder zur Achtung der arbeitenden Menschen geschah (vgl. selbe Quelle, S. 411). Für die "Außenweltbetrachtung" waren in der Umgebung Helbas günstige Bedingungen vorhanden. "Die Nähe von Suhl, Schmalkalden und vielen anderen dem verschiedensten Gewerbefleiß gewidmeten Orten machen es möglich, den Zögling auch dafür zu wecken und ihm genügende Anschauung vieler Gewerbe vor der Wahl seines künftigen Berufes zu verschaffen, oder ihm denselben wenigstens von verschiedenen Seiten des Betriebes zu zeigen." (s. Quelle, S. 406-407) In FRÖBELs Plänen zeigte sich bereits ein gut durchdachtes Konzept. Wichtig war vor allem, daß Arbeit und tätige Erfahrung harmonisch in Unterricht und Erziehung einfließen sollten. Auch sein Gönner, Herzog Bernhard Erich FREUND, war für diesen Plan, auch für die Erziehung des Erbprinzen in dieser Gemeinschaft (vgl. Zwiener 1982, S. 9). In diesen Plänen waren u.a. genau die durchzuführenden Tätigkeiten, auch die Arbeiten zum Unterhalt der Anstalt aufgeschlüsselt:

praktische Beschäftigungen, welche man in der projektierten Volkserziehungsanstalt Helba auszuführen gedachte:

Zur inneren Erhaltung des Ganzen.

  1. Vorwaltend für das Haus
    1. Einzelbeschäftigungen

      1. Besorgung des Holzbedürfnisses: Holzspalten, Holzsägen, Holztragen.
      2. Reinigen trockener Gemüse.
      3. Schnitzen und Vorfertigen hölzerner Küchen- und Tischgerätschaften.
      4. Flechten von Strohmatten für den Tisch.
      5. Winden von Strohmatten zur Reinigung vor den Stuben.

    2. Stetig fortgehende Beschäftigungen.

      1. Aufsicht über die äußere häusliche Ordnung.
      2. Aufsicht über die Kleider der Zöglinge.
      3. Besondere Aufsicht und Besorgung des Schuhwerks derselben.
      4. Aufsicht über ihre Spiele.
      5. Aufsicht über ihre Geräte.

  2. Vorwaltend für die Schule und den Unterricht

    1. Einzelbeschäftigungen.

      1. Das Heften von Schreib-, Zeichen- und anderen Büchern.
      2. Linieren der Bücher für das Schreiben, Zeichnen und Malen.
      3. Zeichnen der Netze auf Schiefertafeln für das Schreiben und Figurenerfinden.
      4. Spitzen der Griffel.
      5. Ziehen von Schreibfedern.
      6. Abzeichnen von Figuren und Gestalten auf Musterblättern.
      7. Anlegen geordneter Sammlungen für den Unterricht.
      8. Anfertigung von Papier- und Pappkästchen für Naturkörper

    2. Stetig fortgehende Beschäftigungen.

      1. Aufsicht über die äußere Ordnung in den Lehr- und Schulstuben und allem, was darauf Beziehung hat.

      2. Austeilen und Berechnen der Lehrmittel, Schreib- und Zeichenmaterialien.

  3. Vorwaltend für die Wirtschaft

    1. Einzelbeschäftigungen

      1. Besorgung der Gartenarbeiten.
      2. Besondere Pflege der Baumschulen.
      3. Besorgung der Acker- und Feldarbeiten.
      4. Versorgung und Pflege der Luft-, Zier- und Topfgewächse.
      5. Flechten von Strohdecken für den Garten.
      6. Flechten von Wannen aus Spänen.
      7. Flechten von Körben aus Weiden.
      8. Winden von Tauben- und Hühnernestern.
      9. Winden von Backschüsseln.
      10. Herstellung von Geräten, Hackenstielen, Rechen etc.

    2. Stetig fortgehende Beschäftigungen.

      1. Pflege der Tauben und Hühner.
      2. Aufsicht über die kleinen Wirtschafts-, besonders Gartengerätschaften.
      3. Aufsicht über einzelne Teile der Wirtschaftstätigkeit, z.B. über die Baumschule, Luftgewächse, Gärten der Zöglinge."

...
( Die projektierte ... 1862, S.414 - 417)

Die Schwierigkeiten, die FRÖBEL nach den Demagogenverfolgungen an der Keilhauer Anstalt hatte und auch seine immer wieder offenbar werdenden Schwierigkeiten in finanzökonomischer Hinsicht, waren für eine (in den Quellen nicht namentlich genannte) Person mit Einfluß am Meininger Hofe ein willkommener Anlaß, gegen ihn zu intrigieren, da sie um Gunstverluste fürchtete. Der Herzog war daraufhin nur bereit, FRÖBEL ein Provisorium zur Verfügung zu stellen. Dieser lehnte enttäuscht und verbittert ab, was das Schicksal der geplanten Volkserziehungsanstalt endgültig besiegelte (vgl. Kritische Momente ... In: Friedrich Fröbels gesammelte ... 1862, S. 6 - 7 ).

4.3.3. Fröbels Wirken in der Schweiz - die Schweizer Gründungen

FRÖBEL hatte in Deutschland um 1825 bis 1830, bedingt durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, viele Enttäuschungen hinnehmen müssen. Seine Entscheidung für eine weitere pädagogische Wirksamkeit in der Schweiz, wo er schon anläßlich seiner Besuche bei PESTALOZZI weilte, erscheint darum nicht als Zufall. Er glaubte wohl, dort den politischen Freiraum zu bekommen, den man ihm in Deutschland nich gewährte (vgl. Boldt/Eichler 1982, S.73). Einfluß auf seine Entscheidungen nahm vor allem SCHNYDER VON WARTENSEE. Dieser, als Komponist und Dirigent wirkend, hatte selbst bei PESTALOZZI unterrichtet und versucht, Musikunterricht nach PESTALOZZIschen Grundsätzen zu gestalten. Er bot FRÖBEL sein Schloß Wartensee im Kanton Luzern mit allem Inventar zur Nutzung als Erziehungsanstalt an (vgl. Boldt/Eichler 1982, S. 72). FRÖBEL, der sich schon 1805/05 mit Auswanderungsgedanken trug, emigrierte 1831 in die Schweiz (vgl. Friedrich Wilhelm August Fröbel: Kommt ... 1982 Bd.2, S.248).

Auswanderungsgedanken sollten für ihn 5 Jahre später nochmals Bedeutung erlangen. Mit der Genehmigung des Erziehungsrates vom 12. August 1831 stand dem pädagogischen Wirken FRÖBELs in der Schweiz vorerst nichts im Wege. Im Gegensatz zu seinen früheren Bestrebungen ließ er nun das nationale Element fallen und versuchte es mit dem Reinmenschlichen. Das Ziel seiner Anstalt sah FRÖBEL in einer innig einigen Entwicklung, Erziehung und Ausbildung des Menschen in der dreifachen Richtung seines Wesens, das aus Tatkraft, Empfinden und Denken bestand. Erreichen wollte er nützliche Wirksamkeit, tüchtiges Können und deutliches, gründliches Wissen (vgl. Friedrich Fröbels gesammelte ... 1862, S. 423 - 424 ).

Die Trennung von Deutschland bedeutete nicht eine Trennung von seinen bisherigen Erziehungszielen, sah er doch weiterhin " ... die Erziehung des Menschen für das werktätige und bürgerliche Leben, wie für Kunst und Wissenschaft ..." als vorrangiges Ziel an. (selbe Quelle, S. 426) Dabei verdeutlicht er in den drei Richtungen des Wesens wiederum den Gedanken der Allseitigkeit der Erziehung des Körpers, der Seele und des Geistes. Die Wartenseer Erziehungsanstalt hatte kaum mit ihrer Arbeit begonnen, da waren FRÖBEL und seine Mitarbeiter schon Anfeindungen der Öffentlichkeit ausgesetzt. Verleumdet wurde der Charakter der Anstalt in einem anonymen Zeitungsartikel. Die Angriffe richteten sich vor allem gegen das Ungeschick und Unvermögen FRÖBELs in allen wirtschaftlichen Belangen. Sein Unternehmen wurde aber auch als religionsgefährdend verdächtigt.

Das Ansehen, welches sich FRÖBEL trotzdem erwarb, fand seinen Ausdruck in der Einladung zur Übersiedlung seiner Anstalt nach Willisau (vgl. Boldt/Eichler 1982, S. 75). Nach einem Besuch in Keilhau traf er am 1. Mai 1833 in Willisau ein und eröffnete die Anstalt, deren Programm dem von Wartensee glich. Mit der Ausrichtung auf die Berufstätigkeit entsprach er den unmittelbaren gesellschaftlichen Anforderungen (vgl. selbe Quelle, S.75). 1830 hatte FRÖBEL in Deutschland seine "Grundzüge der Menschenerziehung" verfaßt. Nachdem auch gegen die Willisauer Anstalt Petitionen eingingen, reichte er diese Schrift dem Großen Rat des Kantons Luzern zur Einsicht. Bedeutenden Raum nehmen in dieser Schrift Ausführungen zur "entwickelnden menschenwürdigen Erziehweise" ein. Hier wird auch einmal mehr die FRÖBELsche Auffassung von Arbeit begründet. Die entwickelnde menschenwürdige Erziehweise nehme nicht nur den Fluch von der Bebauung des Ackers, sondern auch von der Hand- und Brotarbeit überhaupt. Sie lehrt durch Bebauung, Pflege und Fortbildung der Natur und durch Selbstbeschaffung Gott erkennen, ihm dienen und ihn ehren (vgl. Friedrich Fröbels gesammelte ... 1862, S. 439).

In den Ausführungen über die entwickelnde menschenwürdige Erziehweise offenbart sich die humanistische Durchdrungenheit FRÖBELscher Gedanken. Kein menschlicher Beruf, keine menschliche Wirksamkeit war für ihn klein, wertlos und unbedeutend (vgl. selbe Quelle, S. 432). Diese Erziehweise bildet den Menschen dem Geschäfte vor, hilft ihm beim Bestehen, bei der Selbsterhaltung, Lebensbewältigung und Beherrschung der Natur und des Lebens durch Einsicht und gebildete, schaffende Tatkraft (vgl. selbe Quelle, S. 442). Selbsterhaltung und Beherrschung der Natur als Ziele zeugen davon, daß FRÖBEL hier recht weit von einem alleinig herrschenden Gott geschieden war. Selbsterhaltung heißt auch, daß die Arbeit nicht nur göttlich bzw. moralisch - ethisch begründet sein konnte. Arbeit zur Selbsterhaltung gab es bereits in und für die Anstalt Keilhau. Gedanken von einer Lebensverbesserung im Ganzen - der Armen, Reichen, Denkenden und Arbeitenden, Konsumierenden und Produzierenden (vgl. selbe Quelle, S. 450) belegen FRÖBELs Humanismus, aber auch eine Begrenztheit, die in einem Allmachtsglauben bezüglich der Erziehung begründet scheint.

Eine neue Etappe im Wirken FRÖBELs begann 1835. Die Leitung der Anstalt Keilhau lag bei BAROP, der Anstalt Willisau bei MIDDENDORFF und Ferdinand FRÖBEL. In besagtem Jahr gründete FRÖBEL in Burgdorf eine Armenerziehungsanstalt, in der er auch einige seiner Pläne der Helbaer Anstalt verwirklichte. In Helba war bereits eine Pflegeanstalt für Kinder ab drei Jahren vorgesehen. Die erste Abteilung der Burgdorfer Elementarschule nahm Kinder vom vierten bis zum sechsten Lebensjahr auf. Der Erziehungsplan war vielfältig. Es gab bereits auch Handbeschäftigungen. Besonderes Augenmerk legte FRÖBEL nun auch auf das Spiel (vgl.Boldt/Eichler 1982, S. 77 - 78). In all dem sind Ansätze für die sich später in ihm herausbildende Ausrichtung auf die Vorschulerziehung zu sehen, einem Bestandteil des von ihm angestrebten Systems der Bildung bis zur Hochschulreife.

Den Gedanken der Armenerziehung artikulierte er in dem Hinweis, daß sie nach genau dem selben Plane geschehen müsse, wie sich Bildung und Erziehung des Menschengeschlechtes überhaupt kund tut. Er verlangte zweckgerichtetes, schaffendes und Zusammenhänge beachtendes Tun in steter Einigung mit Gott (vgl. Plan einer Armenerziehungsanstalt ... In: Friedrich Fröbels gesammelte ... 1862, S. 458). "Die Art des Unterrichtes ist aber hier, daß dabei immer die Sache, das Tun, die Tat, das Leben selbst vorherrschend ist... daß er unmittelbar aus dem Leben hervorgeht und sich wieder unmittelbar auf das Leben bezieht." (selbe Quelle, S. 460) FRÖBELs Tätigkeitsbegriff, unter dem Spielen, Lernen und Arbeiten gefaßt wurden, ließ ihn auch die Notwendigkeit eines jeden dieser Bereiche der Tätigkeit für die Entwicklung jedes Menschen erkennen. Als falsch wies er zurück, daß ein Kind, das körperlich viel arbeite, nicht spielen müsse. Richtig sei eine dem Alter entsprechende Verteilung der Tätigkeiten (vgl. selbe Quelle, S. 466).

In der Armenerziehungsanstalt richtete FRÖBEL die Haus- und Lebensordnung am "allgemeinen Naturleben" aus. Der Vormittag galt demzufolge der Lehre, der Nachmittag der Arbeit, der Abend diente der Förderung des gemeinsamen Lebens (vgl. selbe Quelle, S. 477). Die geforderte Verbindung von Unterricht und Leben realisierte er durch Einbringen von Erfahrungen des häuslichen Lebens, von Spiel und Arbeit in den Unterricht (vgl. Plan der Elementarschule ... In: Friedrich Fröbels gesammelte ... 1862, S. 492). Diese Lebensnähe des Unterrichts nutzte auch der Arbeitserziehung. Auch in der Zeit seiner Wirksamkeit in der Schweiz arbeitete FRÖBEL auf pädagogisch - theoretischem Gebiet. 1835 verfaßte er die Schrift "Erneuung des Lebens fordert das neue Jahr 1836".

Die Enttäuschungen, Anfeindungen und die sich nicht ändernde gesellschaftliche Situation machten eine "Erneuung" des Lebens für ihn erforderlich. Seine Äußerungen über die menschliche Arbeit führen in dieser Schrift zu dem Schluß, daß sie als mutige und kraftvolle Darlegung des Innern, der Darstellung des Göttlichen in der Menschheit sich aus Fluch in Segen verwandelt (vgl. Erneuung des Lebens ... In: Friedrich Fröbels gesammelte ... 1863, S. 520). Wie soll die "Erneuung" des Lebens vonstatten gehen? FRÖBEL bietet zwei Wege an. Der erste Weg beinhaltet die Beseitigung aller Hemmnisse des rein menschlichen Familienlebens, der zweite Weg besteht für ihn im Herausstreben aus den Verhältnissen und dem Schaffen der menschlichen Bedingungen an einem anderen Ort (vgl. selbe Quelle, S. 536 - 537). Diese Gedanken führen bei ihm zu Äußerungen über das Auswandern. Auf die Frage, was ein Auswanderer mitnehmen müsse, antwortet FRÖBEL selbst, daß der Mensch dort die nötige Ausbildung der Körper- und Geisteskräfte, Liebe zur Natur, Wissenschaft, Kunst und Leben sowie besonders Arbeitslust und Arbeitstreue brauche (vgl. selbe Quelle, S. 552). FRÖBEL, der sich selbst oft mit Auswanderungsgedanken trug, kehrte 1836 nach Deutschland zurück. Gründe mögen einerseits der auch in der Schweiz für ihn nicht in ausreichendem Maße vorgefundenen Freiraum, aber auch die Erkrankung seiner bald nach der Rückkehr verstorbenen ersten Frau gewesen sein.

4.3.4. Die Spieltheorie Fröbels und ihre Beziehung zur Arbeitserziehung

In Blankenburg verfolgte FRÖBEL weiter die Gedanken, die seine Tätigkeit in der Schweiz bestimmten. Große Bedeutung erlangte dabei seine Ausrichtung auf die Vorschulerziehung. Die Zusammenstellung seiner Gedanken zur Beschäftigung und Betätigung der Kinder sowie sein praktisches Schaffen ergeben ein System, das den Anforderungen seiner Zeit entsprach und das das Spiel als eine Potenz von Bildung und Erziehung nutzen half. Viele seiner Gedanken haben auch in der heutigen Zeit ihren Wert behalten. FRÖBEL war nicht der erste, der den positiven Einfluß des Spielens auf die Entwicklung der Kinder erkannte. "Wohl gewählte Spiele" konnten schon bei PESTALOZZI Elementarübungen vorteilhaft ersetzen, halfen dem Kind bei der Ausbildung körperlicher Fertigkeiten. (Bericht über die Pestalozzische ... 1810, S. 127).

Spiel als Bestandteil des "ungeteilten Lebganzen" von Spielen, Lernen und Arbeiten diente und dient der Ausbildung körperlicher und geistiger Fertigkeiten. Im Verlaufe des Lebens spielt jede dieser drei Haupttätigkeiten eine Rolle, doch erscheint in der Ontogenese auf jeder Stufe zumeist eine dieser Tätigkeiten von besonderer Bedeutung zu sein. So ist die Haupttätigkeit des Kindes das Spielen, des Schulkindes das Lernen und des Erwachsenen das Arbeiten. In derartige Betrachtungen bezog FRÖBEL die Erkenntnisse der Pädagogik, Psychologie und Naturwissenschaft seiner Zeit ein. Für FRÖBEL sind Arbeit und Spiel auf göttlichen Ursprung zurückgeführt. Es bestehen enge Verbindungen zwischen Spielen und Arbeiten. Für das Kind erfüllt das Spiel viele der Funktionen, die die Arbeit für den Erwachsenen hat. Im Spiel wird nicht nur die Außenwelt widergespiegelt, sondern im Sinne FRÖBELS das angelegte Göttliche entäußert (vgl. Friedrich Wilhelm August Fröbel : Kommt ... 1982, S.48).

Das Streben nach Entäußerung des "Göttlichen" durch Tätigkeit wird aber als gleichfalls von Gott angelegt und auf Entäußerung drängend verstanden. Unter diesem Aspekt betrachtet bildet das Spiel die "Arbeit" des Kindes. Der wesentliche Unterschied zwischen Arbeit und Spiel besteht wohl darin, daß durch Arbeit Produkte entstehen, die die Eigenschaft besitzen, untereinander austauschbar zu sein, weil sie für den Austausch produziert werden. Sind auch die "Produkte" des Spiels meist nur von relativ kurzer Beständigkeit, so ist doch wesentlich die Entwicklung des Kindes in dieser Tätigkeit. So entspricht auch das Spiel des Kindes soziokulturellen Bedürfnissen. Es erscheint uns nicht ratsam zu sein, die die Arbeit begründenden Faktoren Bewußtheit, Zielgerichtetheit, Zweckmäßigkeit und gesellschaftliche Bedeutung sowie Austauschbarkeit der Produkte an kindliche Arbeitstätigkeit anzulegen, vor allem insofern solche Forderungen zumeist objektbezogen und leider zu selten subjektbezogen verstanden werden. Da unter objektbezogener Betrachtung ein Teil dieser Aspekte nicht erfüllt werden, kann man, wie LAUNER, zu der Auffassung gelangen, daß man bei der kindlichen, pädagogisch organisierten Tätigkeit nicht von Arbeit sprechen könne (vgl. Launer 1970, S. 54 - 55).

Im historischen Herangehen wird deutlich, daß sich in der Anthropogenese das Spiel aus der Arbeit entwickelte. Mit steigendem Entwicklungsniveau und der sich immer weiter verstärkenden Spezialisierung menschlicher Arbeit wurde eine immer längere bzw. intensivere Phase der Vorbereitung nötig und auch möglich. Formen und Inhalte des Spiel, so wird an der Entwicklung des Spielzeuges deutlich, verändern sich im Verlaufe dieser Entwicklung ebenso (vgl. Wörterbuch der Psychologie 1981, S. 580). Die pädagogisch gesteuerte und organisierte Arbeit ist dabei die Hinführung auf die gesellschaftlich auch unter objektbezogenem Aspekt nützliche, zielgerichtete, zweckmäßige und produktive Arbeit, für die geistige und körperliche Voraussetzungen im Spiel gelegt werden. Der Erziehung zur Arbeit hat zuerst eine zweckmäßige und verständnisvolle Anleitung zum Spiel im Sinne FRÖBELs vorauszugehen, denn für das Kind ist auch das Spiel Arbeit und sehr bald geht es vom Spiel zur produktiven Arbeit über (vgl. König, H. in F.W.A.Fröbel 1782-1852 1957, S. 162).

Durch das Spielen werden beim Kind auch Vorgänge des Erkennens entwickelt. FRÖBEL vertrat die Auffassung, die Spiele seien die höchste Stufe der kindlichen Entwicklung, seien Widerspiegelung der inneren Welt des Kindes. FRÖBEL entwickelte ein System von Spielgaben und Spieltätigkeiten, welches dem jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes angemessen war. Am Beginn standen die Mutter- Spiel- und Koselieder für das Kleinkind. Mit ihnen sollte die Mutter unter dem Zielaspekt Lebenseinigung durch die Liedinhalte auch bereits erziehend auf das Kind einwirken. Lebenseinigung als Harmonisierung durch Tätigkeit determiniert die Rolle der menschlichen Tätigkeit, der Arbeit in den Mutter- Spiel- und Koseliedern und auch in einer Reihe weiterer von FRÖBEL herausgegebener Lieder. Diese Lieder leisten einen Beitrag, den Körper des Kindes für die Ausübung der Tätigkeit zu entwickeln. Lebenseinigung und Tätigkeit erscheinen in einigen Liedern sogar expliziert. Als Beispiel sei hier das Lied "Längsweis - kreuzweis" genannt.

Die Köhlerhütte

Klein ist die Köhlerhütte, kaum
Nur für zwei Menschen hat sie Raum.
Doch wohnen drinnen wohlgemut
Der Köhler mit seinen Söhnen gut.
Sie holen das Holz, sie brennen's zu Kohlen;
Und dieses die Schmiede auf Wagen abholen.
Wie könnte man Messer, Gabeln, Löffel sonst machen
und noch die nützlichen anderen Sachen,
Wenn brennte mit Kohle und Ruß im Gesicht
Der Köhler mit Sorgfalt die Kohlen uns nicht. -
Komm, Kindchen, wollen den Köhler begrüßen,
Ohn'n Löffel könnt's Kind ja kein Süppchen genießen;
Und ist er auch schwarz in seinem Gesicht,
So schadet dies seinem Herzen doch nicht.

Längsweis - kreuzweis

Für den, der liebt zu schaun Wahrheit vom Spiel umwunde;
Die doch des Kindes Sinn so wunderbar leis ahnet,
Und ihm zum Hochgewinn den Weg zum Einsehn bahnet.-
Daß alle Tätigkeit zu einem Ganzen führe,
Und daß der Arbeit auch ein richtger Lohn gebühre,
Daß nichts willkürlich sei, die Sachen sich bedingen,
Daß Ebenmaß hervor aus allem gern will bringen,
Dies mach dem Kindchen schon, und im Gefühl, erfassen;
Dies ahnend, wird's das Maß im Leben auch nicht lassen.

(Fröbel, Friedrich: Mutter- Spiel- und Koselieder... 1874.- S. 17 und 39)

Bertha von MARENHOLTZ-BÜLOW, eine der direkten Fortsetzerinnen FRÖBELschen Werkes sah in den Mutter- Spiel- und Koseliedern ein Mittel zur Erweckung des Kulturtriebes im Menschen. Dies führe über fortgesetzte Einwirkung zu wirklicher Arbeit (vgl. v.Marenholtz-Bülow 1875, S.97). Unter Heranführung zur Arbeit ist sicherlich nicht nur die direkte Hinführung zu produktiver Tätigkeit zu verstehen. Wichtig ist vor allem die Erziehung zur Achtung des arbeitenden Menschen und zur Achtung der Erzeugnisse menschlicher Arbeit. Diese Aufgabe erfüllt FRÖBEL in den Liedern über verschiedene - freilich wieder handwerkliche - Berufe. In den Liedern "Die Köhlerhütte", "Der Zimmermann" und "Der Schacht" findet man dies belegt. Aufbauend wirksam werden die Spielgaben FRÖBELs.

Die erste Spielgabe - der Stoffball -, die zweite und alle weiteren Spielgaben (Kugel, Walze und Würfel und immer weitere Teilungen davon) sollen über ihren gezielten Einsatz und begleitende Worte der Mutter die Vorstellungskraft und den Tätigkeitstrieb des Kindes anregen. In FRÖBELs Weltsicht liegt begründet, daß er im Tätigkeitstrieb die Darlegung des innerlich angelegten durch Äußeres sah. Mit seinen Spielgaben gelang Fröbel die Lösung eines Problems, das ihm durch Klagen vieler Eltern immer wieder zu Ohren gekommen war. Kinder hatten (und haben) das Bestreben, allem auf den Grund zu gehen, was auch bedeutet, daß viele Dinge (und nicht nur Spielzeuge) ihrem Forscherdrang, zu erkennen, "was die Welt im Innersten zusammenhält" zum Opfer fallen. FRÖBEL bot den Kinder ein Spielgabensystem, das es ermöglichte, daß Kinder nicht nur analysierend, sondern auch synthetisierend oder besser schaffend wirksam werden konnten. PRÜFER (1927, S. 74) stellte fest, daß die dritte Spielgabe - der nach allen Seiten einmal geteilte Würfel - dem Trieb des Kindes entgegenkomme, "alles zu zerlegen, um das Innere zu betrachten."

FRÖBEL erkannte u.E. so den Zusammenhang des von ihm so genannten "Zerstörungstriebes" und des "Gestaltungstriebes". Spieltätigkeit muß eine Einheit von Analyse- und Synthesetätigkeit sein. Dabei muß die Phantasie durch vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten angeregt werden. Wie phantasieanregend dabei ein einfacher Holzbaustein sein kann und wie dabei in gewissem Umfange arbeitserzieherische Potenzen freigelegt werden, zeigt FRÖBEL, der dem Holzbaustein im Spiel die Rolle verschiedenster Arbeitsgeräte gibt (vgl. Fröbels Theorie des Spieles II 1947, S.33). Der Erkenntnis, im Kinde den "Gestaltungstrieb" herauszubilden folgt notwendigerweise die Erkenntnis, diesen "Trieb" zu nähren und zu erhalten. FRÖBEL erhob daher die Forderung: "... die früheste Kindertätigkeit, das erste Kindestun, den frühe im Menschen, im Kinde sich regenden Bildungstrieb, den Trieb zur Frei- und Selbsttätigkeit zu erfassen ... pflegend und nährend festzuhalten." (Kommt, ... 1838, Nr.2, S.10) Selbige Quelle enthält auch Äußerungen von Eltern der damaligen Zeit über die FRÖBELsche Erziehweise.

Ein Vater erzählte Fröbel über seinen fast vierjährigen Sohn, der sich wesentlich geändert habe. Früher hätte er eine große Zerstörungswut gehabt und heute wolle er immer etwas bauen. FRÖBEL schloß daraus, daß das Zerstören gleich einem verwilderten Trieb zum Darstellen sei (vgl. Kommt, ... 1838 u. 1840, Nr.13, S.99). Seine Spielgaben dienen also dem Wecken schlummernder Kräfte, der Entwicklung und Vorbereitung des Kindes auf die Schule, das Leben, auf Hand- und Kopfarbeit (vgl. Heerwart 1894, S. 3). HEERWART sagt auch, daß FRÖBEL den Kindern selbst ablauschte, womit sie sich gern beschäftigen - mit Holzblöcken, weichen Massen zum Kneten, Stäben, Steinchen (vgl.1894, S.6). HEERWART faßte 1894 (S. 10 -11)

FRÖBELs Spielgabensystem mit Worten, die eine Ahnung geben von seiner philosophischen Grundanschauung, der Sphärephilosophie, wobei auch Elemente der HEGELschen Dialektik hervortreten: "Wie sich vom Samenkorn der Stamm entwickelt und von diesem Äste, Zweige, Blätter, Blüten, Staubgefäße, Samen entfalten, so läßt Fröbel vom Würfel, der Kugel und der Walze Flächen, Linien, Punkte ablösen, von denen jedes wieder seine individuellen Erweiterungen hat. Die analytische und synthetische Einteilung seiner gaben und Beschäftigungen ist der Natur abgelauscht, wo die Entwicklung und Entfaltung in derselben Weise vor sich gehen: vom Ganzen zu den Teilen, von den Teilen wieder zum Ganzen." Keine unbedeutende Rolle in solchen Betrachtungen spielen u.E. auch die Beziehungen FRÖBELs zum panentheistischen Philosophen KRAUSE, treten in seinem Spielgabensystem doch auch derartige Anschauungsweisen hervor. In der panentheistischen Anschauung entstand die Welt durch Emanation Gottes, wobei die Welt das Einigungsbestreben hin zu Gott in seiner Harmonie hat. Die dritte bis sechste Spielgabe bei FRÖBEL bestehen aus den verschiedensten Teilungen des Würfels. Auch aus diesen kann das Kind in den Lebensformen kleine "Welten" entstehen lassen. Alle Teile lassen sich aber auch wieder zu einem Würfel vereinigen, tragen nach geschehener Teilung bzw. Vereinzelung weiterhin eine "Einigungspotenz" in sich.

4.3.5. Der "Allgemeine deutsche Kindergarten" in Blankenburg

Der Kindergarten war spätestens in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zu einer Notwendigkeit geworden. Die sich entwickelnde Industrie war verbunden mit Gefahren - insbesondere für unbeaufsichtigte Kinder. 1802 gründete Pauline von LIPPE-DETMOLD die erste deutsche Kinder - Bewahranstalt (vgl. Otto 1937, Heft 5, S. 7ff.). Über nach Ende des 19. Jahrhundert existierende Bewahranstalten schrieb REIN, daß diese ihre Hauptaufgabe in der Kinderbeaufsichtigung und nicht in der Erziehung zur Arbeit sahen. Er empfahl die Nutzung des Systems FRÖBELscher Kindergartenarbeiten, die nach ihrem pädagogischen Wert ausgewählt werden sollten (vgl. Encyklopädisches Handbuch ... zweiter Band 1896, S. 22).

In dieser Äußerung liegt eine der Antworten auf die Frage nach FRÖBELs Verdienst in der Weiterentwicklung der Kinderbewahranstalten zum Kindergarten. Zum Impuls für FRÖBELs Wirken wurde die Überwindung der Entfremdung, der Vereinzelung. Mit seiner Erziehung und Ausbildung von Kindesbeinen an wollte er die Harmonie Mensch - Natur - Gesellschaft wiederherstellen (vgl. Boldt/ Eichler 1982, S. 94 - 95, 104). Die Gründungsversammlung des "Allgemeinen deutschen Kindergartens" fand am 28. Juni 1840 im Ratskeller zu Blankenburg/Thür. statt. Diese Gründung widmete FRÖBEL, der stets von dem Gedanken eines "lebendigen Denkmals" beseelt war, dem 400. Jubiläum der Erfindung des Buchdruckes durch GUTENBERG. Zweck des Kindergartens war einerseits, vorschulfähige Kinder in Aufsicht zu nehmen.

Andererseits sollten Personen in der rechten Leitung und Beschäftigung der Kinder unterwiesen werden. Drittens sollte der Kindergarten der Verbreitung des Spielmaterials dienen (vgl. Nachricht und Rechenschaft ... 1843, S. 3 - 4). FRÖBEL verlangte, besonders durch zweckmäßige Spiele den Tätigkeitstrieb der Kinder zu wecken und zu erhalten (vgl. selbe Quelle S. 8). "Die Kinder... waren glücklich; nicht bloß im Hause, sondern auch draußen, in der Bearbeitung und Pflege ihrer kleinen Gärtchen." (selbe Quelle, S. 14). Durch Spiel und Tätigkeit der Kinder rückte der Kindergarten seinem Ziele, eine Verbindung von Bewahr-, Beschäftigungs-, Erziehungs- und Bildungsanstalt zu sein, immer näher (vgl. selbe Quelle, S. 22). Ida SEELE wurde die erste nach dem FRÖBELschen System ausgebildete Kindergärtnerin. Zur Arbeit der Kinder im Garten sagte sie in ihren Erinnerungen, daß kleine Kinder zu Handreichungen herangezogen wurden, während die Hauptarbeiten von FRÖBEL, MIDDENDORFF, den Schülerinnen und den größeren Knaben verrichtet wurden. Bei allen Arbeiten wurde auf Sauberkeit und Stetigkeit geachtet. Das Kind wurde dahin geführt, mit diesen Arbeiten andere Menschen zu erfreuen (vgl. Ida Seele ..., 1974, S. 185 - 186).

Das Erfahren sozialer Anerkennung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Erziehung zu nützlicher, freudvoller Arbeitstätigkeit. Auf FRÖBELs Wunsch ging Ida SEELE 1844 nach Darmstadt, um dort den neugegründeten Kindergarten zu übernehmen. Damit hörte die Blankenburger Anstalt auf zu existieren (vgl. Prüfer 1927, S. 88). Doch schon hatte mit der Gründung verschiedener Kindergärten in Deutschland vorerst ein Siegeszug der FRÖBELschen Idee begonnen. Der Kindergarten begann, seinen Platz im Bildungssystem zu erobern. Der Kindergarten spielt eine wichtige Rolle im Prozeß der Sozialisation der Heranwachsenden. Desweiteren bietet der Kindergarten die Möglichkeit, Kinder zu größerer Selbständigkeit zu erziehen. FRANKENBERG, FRÖBELschüler und Gründer eines Kindergartens in Dresden stellte fest: "Fast alle Eltern, deren Kinder unseren Kindergarten besuchten, haben erzählt, daß ihre Kinder seitdem sich auch zu Hause viel besser zu beschäftigen wissen, daß sie immer etwas anfangen und daß damit der Schlimmste aller bösen Geister, die lange Weile, gebannt sei." (Frankenberg 1852, S. 38)

1852 wurde in Preußen und den sich ihm anschließenden Ländern ein Kindergartenverbot erlassen (vgl. 5.3.6.). Der am 16.2.1847 von Dr. MAY und Fräulein Julie TRABERTH gegründete Eisenacher Kindergarten blieb vom preußischen Verbot verschont. So konnte der Eisenacher Kindergarten 1872 als erster sein 25. Jubiläum begehen (vgl. Eine Stadt ... 1875, S. 8 - 10). Das preußische Kindergartenverbot unterbrach zwar den Siegeszug des Kindergartens, lange aufhalten konnte es ihn nicht. Neben der für das Kindesalter typischen Haupttätigkeit Spielen haben auch Lernen und Arbeiten im Kindergarten ihren Platz - insbesondere bei der Realisierung des gemeinsamen Tagesablaufes in der Gruppe. Hier erworbene Kompetenzen haben für jedes einzelne Kind eine große Bedeutung in seiner weiteren Entwicklung.

4.3.6. Bad Liebenstein und Schweina/Marienthal als letzte Wirkungsstätte Friedrich Fröbels unter besonderer Berücksichtigung der historischen und regionalen Besonderheiten dieses Gebietes

Nach dem Ende des Blankenburger Kindergartens war FRÖBEL weitere Jahre in Keilhau wirksam, organisierte ein Kindergartenfest in Rudolstadt mit 260 Lehrern und führte in Dresden 1848/49 einen Halbjahreskurs zur Unterweisung in seinen Methoden der Vorschulerziehung durch. Am 22. März 1848 begrüßte er die Revolution in Deutschland als "... des deutschen Volkes, des freien deutschen Volkes Frühlingsmorgen." (Fr. Fröbel und die Muhme Schmidt 1929, S. 153ff.) Weiter verfolgte er seine Idee, einen Kindergarten verbunden mit einer Ausbildungseinrichtung für Kindergärtnerinnen zu schaffen. Im Februar 1849 kam FRÖBEL durch Eisenach, um nach Liebenstein zu fahren. Wegen der günstigen Lage erschien ihm dieser Ort als künftiger Wohnort geeignet (vgl. Heerwart 1906, S. 11).

FRÖBEL zog nach Liebenstein, bekam bald darauf vom Herzog von Sachsen-Meiningen das Schlößchen Marienthal als Wohnort und Wirkungsstätte zur Verfügung gestellt. Hier konnte er endlich seine Idee von einer Kindergärtnerinnen - Bildungseinrichtung in die Tat umsetzen. "Ich habe nun den Ort gefunden zur Verwirklichung der letzten Konsequenz meines Grundgedankens..." (Heintze 1927,S.6) 1827 arbeitete in Schweina die erste Dampfmaschine Thüringens in der 1824 gegründeten ersten mechanischen Spinnerei Deutschlands. 74 Maschinen, darunter etliche Spezialmaschinen, wurden so betrieben. FRÖBEL betreute in seinem Kindergarten u.a. Kinder der bis zu 15 Stunden am Tag arbeitenden Spinnereiarbeiter, Kinder der im Ort ansässigen Kupferbergleute, der Handwerker und Bauern. Schweina zählte um 1850 ca. 1600 Einwohner, wovon der größte Teil Arbeiter mit ihren Angehörigen waren.

Viele Persönlichkeiten suchten FRÖBEL in Marienthal auf, unter ihnen auch der neben FRÖBEL wohl bedeutendste deutsche Pädagoge der damaligen Zeit, DIESTERWEG (vgl. Heintze 1927, S.7). Diesterweg äußerte: "Ich fand den Mann in einer kleinen Talvertiefung,... mitten unter dreißig bis vierzig Bauernkindern... Die Kinder, meist in schlechter Kleidung, zum Teil zerlumpt und unvollständig, barfuß und ohne Kopfbedeckung... Knaben und Mädchen von zwei bis acht und zehn Jahren spielten Spiele... " (F.A.W. Diesterweg ... IX. Band 1967, S. 305) Die Struktur von Schweina als Industriegemeinde - allein in der Spinnerei waren 400 Arbeiter beschäftigt - läßt vermuten, daß die Kinder in ihrer Mehrzahl Arbeiterkinder waren. FRÖBEL lernt somit an seinem Lebensende das Los der Industriearbeiter kennen, was sich allerdings in seinem schriftlichen Werk nicht mehr allzu deutlich niederschlägt.

In seinen Briefen an HAGEN wandte er sich jedoch der Industrialisierung und Wissenschaftsentwicklung zu (vgl. Boldt/Eichler 1982, S. 108). Es gab Pädagogen, die FRÖBEL auf das Los und die Lebensbedingungen der Arbeiter aufmerksam machten. Der Salzunger Pädagoge MÄURER schrieb : "Übrigens ist mit der Errichtung dieses Kindergartens den Kindern der Proletarier noch nicht geholfen; daß aber bei denen Hilfe dringend nötig ist, wird immer mehr eingesehen." (Zeitschrift für ... Erstes Heft 1851, S.13) Mit den Sorgen und Nöten der Arbeiterkinder war FRÖBEL konfrontiert. Der Knabe Matthias LOHFING, mit dem er sich besonders verbunden fühlte, war im nahen Kupferbergwerk Glücksbrunn (Schweina) zum Krüppel geworden, besaß aber die Kraft, um als Spinnereiarbeiter für 15 Stunden täglich bei wöchentlich einem Gulden Lohn und als Porzellanmaler in Blankenhain die Ideen seines Gönners zu bestätigen (vgl. Zwiener 1982, S.10).

Warum sich diese Tatsachen nicht in FRÖBELs theoretischem Schaffen mehr niedergeschlagen haben, kann nur spekulativ betrachtet werden. Ein fast siebzigjähriger Mann ändert sicherlich nicht von heute auf morgen seine im Leben gefestigte Weltsicht. Außerdem war diese Zeit für FRÖBEL belastet durch das Scheitern der Hoffnungen, die er auf die Revolution von 1848 gesetzt hatte und durch das preußische Kindergartenverbot (vgl. Heiland 1982, S. 13). Mit der Gründung der Ausbildungseinrichtung für Kindergärtnerinnen wurde ein Beitrag zur Emanzipation der Frau, zur Schaffung von Möglichkeiten der weltlichen Berufsausbildung für Frauen geleistet. FRÖBEL verlangte nicht nur eine gleichberechtigte Ausbildung für Mädchen, in seinen Erziehungseinrichtungen praktizierte er sie auch. Besonders wollte er für die Frau die pädagogischen Berufe erschließen (vgl. Günther ... In: Friedrich Wilhelm August Fröbel: Kommt ... 1982, S. 26).

FRÖBEL leistete also auch mit der Schaffung von Berufsausbildungsmöglichkeiten für Frauen wesentliche arbeitserzieherische Beiträge. Man muß wohl hier auch erwähnen, daß die erste Kindergärtnerinnenschule der Welt im Marienthaler Schlößchen bei Schweina womöglich die erste Berufsschule für Frauen in Deutschland war. FRÖBEL war aber auch weiterhin darauf bedacht, seine Gedanken zu verbreiten und öffentlich darzustellen. Auf Schloß Altenstein bei Schweina fand am 4. August 1850 ein Spielfest mit dem Zweck statt, der heranwachsenden Jugend die Forderungen der Zeit zur Anschauung zu bringen. Etwa 300 Kinder und 25 Erwachsene aus der Stadt Salzungen, den Dörfern Liebenstein, Steinbach, Schweina und Marienthal nahmen daran teil. Das Spielfest vereinte Kinder aus den verschiedensten Lebensverhältnissen (vgl. Friedrich Fröbels Wochenschrift ... 1850/51, Heft 31 u.32, S. 225 - 226).

Kinder und Jugendliche aus Salzungen stellten in ihren Spielen dar, daß Sinn und Zweck des Lebens nur erreichbar sind, wenn der Mensch von frühe an im Gebrauch seiner Glieder, Sinne, des Körpers und Geistes gekräftigt und geübt wird (vgl. selbe Quelle, S. 250). Aus diesem Fest schöpfte FRÖBEL weitere Kraft. Bald jedoch sollte und mußte er eine weitere Niederlage erleben. Im Jahre 1851 verbot die preußische Regierung die Kindergärten, was lange Zeit Diskussionen um die Begründung dieses Verbotes hervorrief. In dem Heranführen der Kinder an gemeinschaftliche Lebensformen sah der preußische Staat eine Gefährdung. Trotz aller Niedergeschlagenheit blieb er aber aktiv. Vom 27. bis 29. September 1851 fand in Liebenstein eine Pädagogenversammlung statt, an der namhafte Pädagogen und FRÖBEL - Anhänger wie PÖSCHE und GEORGENS teilnahmen. Es ging um Erfolge und Erfahrungen in der Arbeit der Kindergärten, aber auch um Fragen der Arbeitserziehung. Dabei spielte die Bedeutung der Überleitung des Spiels zur Arbeit eine wesentliche Rolle.

GEORGENS und PÖSCHE erwarben sich in bezug auf die Arbeitserziehung Verdienste. Sie forderten die Berücksichtigung der großen Industrie für die Volksschule, die Weiterführung FRÖBELscher Kindergartenbestrebungen auch für die Volksschule durch ein System von Arbeitsübungen. In diesem Zusammenhang warf eine Artikelserie unter dem Titel "Ein Spaziergang in den Schulen Londons" in "Friedrich Fröbels Wochenschrift" für uns Fragen auf, die einer weiteren Bearbeitung wert zu sein scheinen. Diese Serie bringt Äußerungen und theoretische Betrachtungen ökonomischer Problemstellungen im Zusammenhang mit der industriellen Entwicklung. FRÖBEL mußte von diesen Artikeln, da sie in seiner Zeitschrift erschienen, Kenntnis haben. Interessant wäre für uns die Stellung FRÖBELs zu einer Seite menschlicher Arbeit, die, wie von uns schon dargestellt, durch das soziokulturelle Umfeld FRÖBELs in seiner Hauptschaffensperiode in seinen Gedanken und Darlegungen keine Rolle spielen konnte.

Hatten die in diesen Artikeln zu findenden kritischen Bemerkungen zum Leben der Arbeiter nicht eventuell auch zum Verbot der Kindergärten in Preußen geführt? Anfang Juni 1852 nahm Fröbel an der Gothaer Lehrerversammlung teil, wo er freudig begrüßt wurde. Am 21.06.1852 starb Fröbel. Seinem Sarg folgten viele Menschen, Kinder streuten Blumen in sein Grab (vgl.Ortschronik Schweina: Ein letzter Zeuge des ...,S. 4). Zum Gedenken an den großen Menschenerzieher entwarf sein Freund MIDDENDORFF den ersten Grabstein - Kugel, Walze und Würfel - heute das Fröbel - Symbol schlechthin. Ausgeführt wurde der Entwurf von Ernst LUTHER, einem der beiden Nachfahren der Luther - Familie, die FRÖBEL 1817 nach Keilhau geholt hatte, um Martin LUTHER ein lebendiges Denkmal zu setzen. Der Gedanke eines "lebendigen Denkmals" zeugt vom tiefen Humanismus FRÖBELs. Die Kindergartengründung 1840 war GUTENBERG und seiner Erfindung des Buchdruckes gewidmet worden. 1846 versuchte FRÖBEL erneut, ein lebendiges Denkmal für Martin LUTHER zu schaffen.

Er hatte davon Kenntnis erhalten, daß im LUTHERstammort Möhra ein Denkmal für den Reformator errichtet werden sollte. Initiator dieses Denkmals war der auch heute noch bekannte Hofrat und Bibliothekar Bechstein, der sich in unserem Gedächtnis insbesondere um die Sammlung von Volksmärchen und Sagen verdient gemacht hat. FRÖBEL schlug vor, neben diesem Denkmal einen Musterkindergarten zu errichten, doch scheiterte dieses Vorhaben an fehlenden finanziellen Mitteln (vgl.Müller 1862, S.152f.). Nach FRÖBELs Tod gab es - was wenig verwundert - auch immer wieder Bestrebungen, ihm selbst ein lebendiges Denkmal zu errichten. Eines der bedeutendsten Projekte dieser Art, das Projekt eines Friedrich - Fröbel - Hauses in Bad Liebenstein, wurde 1925 in der Zeitschrift "Kindergarten" vom Leiter des Thüringer Fröbelvereins, Waldemar DÖPEL und einem der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts, dem Begründer der BAUHAUS - Bewegung Walter GROPIUS unterbreitet. In dem von GROPIUS architektonisch konzipierten Komplex sollte es Kindergarten, Hort, Wohnungen für Kindergärtnerinnen,Badeanlagen, Lesezimmer, Wirtschaftsabteilung, ein FRÖBEL-Forschungsinstitut, Spielplätze, Stallbauten und Gartenanlagen geben (vgl. Kindergarten 1925, Nr.2, S.26f.). Dieser Plan scheiterte nach der Vertreibung des BAUHAUSes aus Weimar, ist es u.E. aber wert, beachtet und eventuell auch wieder aufgegriffen zu werden.

4.4. Blitzlichter zur Fröbel - Rezeption in Deutschland bis zur Gegenwart

Schon zu Lebzeiten hatten FRÖBEL und sein Werk Anhänger, aber auch Kritiker gefunden. Freunde, von seinen Ideen gefesselt, setzten sein Werk fort. Unter den Pädagogen seiner Zeit fand er Mitstreiter. DIESTERWEG dehnte einen dreiwöchigen Kuraufenthalt in Bad Liebenstein auf drei Monate aus, in denen die beiden großen Pädagogen fast täglich zusammen waren (vgl. Friedrich Wilhelm August Fröbel: Kommt ... 1982, S. 59). DIESTERWEG war es auch, der sich nach dem Kindergartenverbot besonders für FRÖBEL einsetzte. Als Gasthörerin während eines Kuraufenthaltes war Bertha v. MARENHOLTZ-BÜLOW von FRÖBELs Ideen so begeistert, daß sie ihr ganzes Leben der Sache der Kindheit treu blieb (vgl. Ortschronik Schweina: Friedrich Fröbels letzte ..., S. 4).

FRÖBEL - Rezeption war in der Geschichte stets von Widersprüchen gekennzeichnet. Ansatzpunkte für willkürliche Auslegungen und verschiedene Verfälschungen bot FRÖBELs schwer durchdringbare, oft mystische Gedankenführung. Teilweise konnte er darum politischen Bestrebungen dienstbar gemacht werden. Schon bei LANGE begann die Verfälschung. Er, der nach FRÖBELs Tod dessen Werk aufbereitete und in mehreren Bänden herausgab, kürzte beispielsweise Keilhauer Schriften derart, daß die FRÖBELsche Gedankenführung nur noch schwer oder gar nicht mehr erkennbar war (vgl. Gedanken zur Nationalerziehung ... 1959, S. 28). Bis 1860 dauerte der Kampf um die Aufhebung des Kindergartenverbotes. Am letztlichen Gelingen hatte v. MARENHOLTZ- BÜLOW einen wesentlichen Anteil. Dies ist aber vor allem auch dem Umstand zuzuschreiben, daß der Kindergarten einen Funktionswandel erfuhr. Er wurde mehr und mehr zu einem Mittel staatlicher Einflußnahme auf die Erziehung, wie er auch zum Teil von v.MARENHOLTZ-BÜLOW propagiert wurde (vgl. König In: Wiss. Zeitschrift FSU Jena 1982, S. 507).

Die göttliche Begründetheit der Arbeit, bei FRÖBEL ein humanistischer Gedanke, den Menschen seinem Schöpfer ähnlich zu machen wurde immer mehr zum inhaltsleeren Mittel und Zweck der Begründung des Charakters von Erziehung. Für begüterte Menschen war freilich Arbeit als Mittel zum Broterwerb nicht relevant. Wohl auch so ist v.MARENHOLTZ-BÜLOW zu verstehen, wenn sie schreibt, daß Arbeit mehr als nur Broterwerb sein solle. Arbeit zum Broterwerb "... ist für die Mehrzahl der einzige Sporn, der sie zur Arbeit treibt." (v.Marenholtz-Bülow 1875, S. 25) Allerdings, so meinen wir auch, ist der Verlust ideeller Werte und des Bezuges zum ideellen Inhalt der Arbeit durch vorrangige Konzentration auf materielle Werte nicht zu unterschätzen. v.MARENHOLTZ-BÜLOW spricht sich für die Förderung des Tätigkeits- und Arbeitstriebes, für die Verbindung geistiger und körperlicher Tätigkeit aus.

Auch die deutsche Sozialdemokratie setzte sich mit FRÖBELschem Gedankengut auseinander. Die Zeit der Weimarer Republik erlebte eine große Hinwendung zu FRÖBEL. HALFTER, PRÜFER und SPRANGER nahmen immer wieder auf seine Gedanken Bezug, versuchten seine Ideen, sein Schaffen, aber auch seine philosophischen Grundanschauungen zu interpretieren. Die Hervorhebung des nationalen Elements in einigen Keilhauer Schriften bildete den Ausgangspunkt für ein vom "Urdeutschtum" geprägtes Fröbelbild zu Zeiten der Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland. FRÖBEL, der sich seine "bewußte Deutschheit" als "Soldat in den Befreiungskriegen erkämpfte" Fröbel wurde somit zum national - soldatischen Kämpferidol umfunktioniert. Desweiteren wurde seine Rolle als "Mütterbildner" hervorgehoben. Der Umgang mit dem Erbe FRÖBELs war in der ehemaligen DDR lange auch von den Unsicherheiten geprägt, die durch die Verfälschung seines Gedankengutes zu Zeiten des Faschismus entstanden waren.

FRÖBEL war verschiedenen "Schulfunktionären" - oft aus Unkenntnis resultierend - suspekt. Soll heute etwas zum Umgang mit FRÖBELschem Erbe in der DDR gesagt werden, so muß - ohne einer sicher erst mit einigem zeitlichen Abstand bewältigbaren umfassenden Einschätzung vorgreifen zu wollen - festgestellt werden, daß für die Personen, die sich kontinuierlich dem FRÖBELschen Werk widmeten, wohl am belastendsten war, daß staatliches Interesse (und damit Förderung) nur vorhanden war, wenn zum einen ein besonderer Höhepunkt, ein Jubiläum stattfand, so daß man sich international "gut verkaufen" konnte, andererseits nicht gegen ideologische Dogmen verstoßen wurde. Zu jeder Zeit gab es Menschen, die die humanistischen Ideale des großen Menschenerziehers bewahrten und in der Erziehung der Kinder in die Praxis umsetzten, sich wehrten, wenn versucht wurde, FRÖBEL zu benutzen, ihn bestimmten Ideologien dienstbar zu machen. Dank dieser Menschen, aber auch dank der großartigen Ideen des Menschenerziehers FRÖBEL, überlebten seine Gedanken auch dann, als die Ideologien gescheitert waren. Das ist Grund genug, sich seiner stärker als je zuvor zu besinnen !

5. Zusammenfassung

Jede Persönlichkeit der Geschichte - so auch FRÖBEL - ist in ihrem soziokulturellen und historischen Umfeld zu sehen. Für uns war dabei von Interesse, welche philosophischen Gedanken das Schaffen FRÖBELs prägten, wodurch sein Wirken an den einzelnen Schaffensorten gekennzeichnet war und wie mit seinem Erbe nach seinem Tode verfahren wurde. In FRÖBELschen Anstalten war Arbeit ungeachtet ihrer durch FRÖBEL auch selbst formulierten Bestimmtheit, den Menschen seinem Schöpfer anzunähern, bereits von Anfang an auch ein aus der Notwendigkeit der Erhaltung der Anstalten resultierender ökonomischer Zwang. FRÖBELs arbeitserzieherisches Wirken blieb zwar durch die Ausrichtung auf Hand- und Manufakturarbeit begrenzt. Dies war jedoch bedingt durch die aufgrund feudaler Zersplitterung Deutschlands hervorgerufene territorial ungleichmäßige bzw. fehlende industrielle Entwicklung.

Der Name der von FRÖBEL 1816 in Griesheim gegründeten und 1817 nach Keilhau verlagerten "Allgemeinen deutschen Erziehungsanstalt" war durch die Nationalerziehungsbestrebungen des nach politischer Emanzipation drängenden Bürgertums in Deutschland bedingt worden. Seine Bildungs- und Erziehungsziele gedachte FRÖBEL durch ein durchdachtes System dazu notwendiger Unterrichtsfächer zu erreichen. Produktive Arbeit war ein immanenter und notwendiger Teil des Anstaltslebens. Die Förderung von Kindern weniger begüterter Schichten unterstreicht FRÖBELs humanistische Gesinnung. Neben Nachteilen brachte die feudale Zersplitterung Deutschlands den Vorteil, daß in einigen Fürstentümern für progressive bürgerliche Bestrebungen ein relativ günstiger Nährboden vorhanden war, wie er in einem absolutistischen deutschen Zentralstaat wohl nicht zu erwarten gewesen wäre.

Relativ günstige Wirkungsbedingungen gab es für FRÖBEL vor allem im Herzogtum Sachsen - Meiningen. Der Herzog unterstützte FRÖBELs Plan von einer Volkserziehungsanstalt. Auf dem Gute Helba wollte FRÖBEL Kinder ausgehend vom Vorschulalter bis zur Hochschulreife oder Berufsausbildung führen. Es war geplant, durch die gemeinsame Erziehung von Kindern des Volkes und des Erbprinzen "ein einig Band zwischen Fürst und Volk" zu schmieden. Der Helba - Plan scheiterte aufgrund einer Hofintrige gegen FRÖBEL. Die durch diese Enttäuschung und von der allgemeinen Stagnation der nationalen Bewegung in Deutschland hervorgerufene Flucht in die Schweiz war vor allem ein Suchen FRÖBELs nach in Deutschland nicht vorhandenem schöpferischem Freiraum. In der Schweiz war er Angriffen ausgesetzt, doch verwirklichte er in Burgdorf Teile des Helba - Planes, besonders die, die der Vorschulerziehung galten.

Hier begann seine erste stärkere praktische Bezugnahme auf das Spiel, welches er als Teil der aus den drei Haupttätigkeiten Spielen, Lernen und Arbeiten bestehenden menschlichen Tätigkeit verstand. Er beweist die Bedeutung des Spiels in der Ontogenese und seine Unverzichtbarkeit auch für ein Kind, das bereits zu harter Arbeit gezwungen ist. Über das Spiel wirkt FRÖBEL auf die Entwicklung des Kindes ein. Durch seine Mutter- Spiel- und Koselieder werden die Kinder u.a. bereits für die Achtung des arbeitenden Menschen und die Produkte menschlicher Arbeit sensibilisiert. Einfache Spielgaben nehmen in der Phantasie die Rolle von Arbeitsgeräten an. Mit seinen Spielgaben beseitigt FRÖBEL die zum Teil vorzufindende analysierende Einseitigkeit kindlichen Spiels, indem er Möglichkeiten zu synthetisierendem Spiel schafft. Der Kindergarten als Institution war eine historisch gewachsene Notwendigkeit.

FRÖBELs Verdienst besteht insbesondere in der Weiterentwicklung der zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Kinderbewahranstalten zum erzieherisch und bildend wirksamen Kindergarten, in dem die Unterstützung und Erhaltung des "Tätigkeitstriebes" des Kindes eine bedeutende Rolle spielte. Fast schon am Ende seines Lebens, im Jahre 1849, verlegte FRÖBEL seine Wirkungsstätte nach Schweina/Marienthal, einem Ort, der bereits zur damaligen Zeit durch eine industriemäßige Struktur gekennzeichnet war. In Schweina erwarb sich FRÖBEL Verdienste um die Berufsausbildung junger Frauen, die er in der dort gegründeten ersten Kindergärtnerinnenschule ausbildete. FRÖBELs theoretisches Schaffen weist teilweise ein sehr komplizierte Struktur auf, was auch den Umgang mit seinen Schriften erschwert. Oft stellt er seine Gedanken in stark mystifizierender Form dar.

Philosophisch steht er u.E. dem Panentheismus nahe, er bezeichnet sich selbst als einen Sphäriker, womit hinfällig wird, ihn in ein idealistisches oder materialistisches Schema einordnen zu wollen. Tätigkeit zur Erreichung des Zieles Harmonie mußte zwangsläufig die Harmonisierung mit Gott, der Natur und den Menschen umfassen. Dies faßte er unter dem Begriff "Lebenseinigung". In den späteren Schaffensjahren wächst im Denken FRÖBELs der Einfluß der HEGELschen Dialektik an. Die Kompliziertheit FRÖBELscher Formulierungen und manche Inkonsequenzen bieten bis heute Ansatzpunkte für Fehldeutungen und Verfälschungen seines Werkes. Oft wurde es aus dem historischen und soziokulturellen Kontext gelöst, um es bestimmten Zwecken dienstbar zu machen. Das geschah z.B. mit der in der Periode bürgerlicher Bestrebungen zur Schaffung eines deutschen Nationalstaates auftretenden Deutschtümelei.

[Das Kinderfest auf Schloß
Altenstein.]

Nach FRÖBELs Tod gab es aber auch immer Einrichtungen, Interessenverbände und Einzelpersonen, die sich dem wahrhaften humanistischen Charakter FRÖBELschen Gedankengutes widmeten und versuchten, dies für die Erziehung der Kinder umzusetzen.

FRÖBELs Werk hat alle Ideologien überdauert, was Anlaß sein sollte, uns mehr denn je seines Humanismus zu besinnen. Im Ergebnis unserer Erkundungen kann festgestellt werden, daß die weitere Erforschung FRÖBELscher Gedanken zum Themenkreis Arbeitserziehung und zu mit seinem Wirken zusammenhängenden philosophischen Fragestellungen als dringend geboten erscheint. Ständiger theoretischer und praktischer Umgang mit diesem humanistischen Erbe, aber auch die Erkundungen zu FRÖBELs Schaffen, die insbesondere auf regionalem Gebiet durchaus noch zu forcieren wären, bauen der Gefahr der Diskontinuität im Umgang mit FRÖBELschen Erbe genauso vor, wie die Aussicht, endlich eine Gesamtausgabe der Werke FRÖBELs zur Verfügung haben zu können.