Wegen des notorischen Platzmangels beschränken wir uns in diesem Heft, mit einer Ausnahme, auf die wirklich empfehlenswerten Neuerscheinungen. Ausführliche Besprechung bleibt vorbehalten.
Allgemein
Margaret Thaler Singer/Janja Lalich: "Sekten - Wie Menschen ihre Freiheit verlieren und wiedergewinnen können", 407 S., CarlAuer-Systeme-Verlag, Heidelberg, 1997, ISBN 3-89670-015-4, 58,- DM
Sehr empfehlenswert. Schwerwiegender Wermutstropfen: Warum die sonst fähigen Übersetzer für das gemeinte amerikanische "Cult" die Übersetzung "Sekte" gewählt haben, bleibt trotz Medien- und Umgangssprache nicht nachzuvollziehen. Es ist und bleibt ein Unterschied zwischen (christlichen) Sekten und "cults", wie sie etwa durch die Mun-Bewegung und manche, vor allem durch - ja eben: Personen"kult" zusammengehaltene Gruppe repräsentiert werden. Begriffsverschmierungen, wie sie leider auch in staatlichen und parlamentarischen Berichten sprachregelnd vorgeschlagen werden, sind eben undifferenziert und darum wenig hilfreich.
Endbericht der Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten- und Psychogruppen". Neue religiöse und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen in der Bundesrepublik Deutschland, 494 S., Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Bonn, 1998, ISBN 3-930343-43-3
Gabriele Lademann-Priemer: "Warum faszinieren Sekten? Psychologische Aspekte des Religionsmißbrauchs", 300 S., Claudius Verlag, München, 1998, ISBN 3-532-64012-0
"Religionsfreiheit in Ostmitteleuropa nach der Wende", 116 S., Ökumenisches Studienzentrum, Budapest, 1998, ISBN 936 76 2448-1
Mit Referaten und Arbeitsberichten der Ökumenischen Konferenz über Religiöse Freiheit und Neureligiöse Bewegungen von Manreze, Dobogo_[kö 1997 über Kultinvasion, Proselytismus und Religionsfreiheit in Osteuropa. ( Vgl. BERLINER DiALOG 3-97 S. 5 f.)
Apologetik
Matthias Pöhlmann: "Kampf der Geister. Die Publizistik der 'Apologetischen Centrale' (1921-1937)", 319 S., Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 1998, 69,- DM, ISBN 3-17-015461-3
Das ideale Geschenk für Bischöfe, EZWReferenten, kirchliche Sektenbeauftragte und jeden, der an kirchlicher Apologetik und Publizistik interessiert ist.
Bibel
Carsten Peter Thiede: "Bibelcode und Bibelwort - Die Suche nach verschlüsselten Botschaften in der Heiligen Schrift", 127 S., Brunnen Verlag Basel, 1998, Best.-Nr. 111.158, ISBN 3-7655-1158-7
Gelungene Auseinandersetzung mit der jüngsten esoterisch-christlichen Modetorheit, denn Thiede nutzt die obskure Gelegenheit für eine stellenweise humorvolle, grundsätzliche Einführung in den Umgang mit (biblischen) Texten und ihre Auslegung.
Erfahrungsberichte
Thierry Huguenin: "Der 54.", 314 S., Bastei Lübbe Verlag, 1996, 14,90 DM, ISBN 3-40461332-5
Vertrauenswürdiger Erfahrungsbericht eines davongekommenen "Sonnentemplers".
Jugend und Jugendkultur
Gunter Schmidt/Bernhard Strauß (Hrsg.): "Sexualität und Spätmoderne. Über den kulturellen Wandel der Sexualität", 224 S., Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart, 1998, ISBN 3-432-30141-3
Der Band bietet die Vorträge der 19. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung, Hamburg 1997 und umfaßt theoretische Untersuchungen sexuellen Wandels ebenso wie Beschreibungen besonderer Erscheinungsformen dieses Wandels.
Besonders instruktiv der Aufsatz von Patrick Walder über "Körperkult und Sexualität in den neuen Jugendkulturen. Sex mit Tic Tac Toe und Tamagotchis", der u.a. angesichts der Berliner "Love Parade" fragt: "Aus der Zurschaustellung des eigenen, sexuell aufgeladenen Körpers resultiert nichts, aber auch gar nichts. ... Jeder evangelische Kirchentag ist im Vergleich dazu ein Freudenhaus. Welche Angst steckt hinter dieser beeindruckenden Selbstdisziplin? Wie groß muß die Aggression sein - gegen die eigenen Körper wie gegen die Körper der anderen...?"
Kultlobby
Massimo Introvigne/J. Gordon Melton: "Pour en finir avec les sectes. Le de_[bat sur le rapport de la commission parlamentaire", 355 S., CESNUR-France, 1996, ISBN 2-85076-817-0 135 FF.
Massimo Introvigne: "Schluß mit den Sekten!: die Kontroverse über 'Sekten' und neue religiöse Bewegungen in Europa". Hersg. und eingeleitet von Hubert Seiwert, Marburg, 1998. ISBN 3-9627165-50-6
Unter gleichem Titel wie die französische Originalausgabe sollte dies Bändchen wohl die deutsche Diskussion zum Ende der Enquete-Kommission mitbestimmen. Das erstaunliche Bändchen ist eine Art wissenschaftliche Mogelpackung, denn von der französischen Vorlage wird nur ein Bruchteil, ein Siebentel, verwandt. Es enthält nämlich nur Introvignes Aufsätze "Sekten und Verfolgungsrecht: Hintergründe eiens Disputs" (S. 39-97), also die Einleitung zu dem französischen Band, sowie den im französischen Band nicht zu findenden Beitrag "Das Phantom der Freiheit" (S. 98- 129). Die bereits kritisierten, umstrittenen Beiträge (z.B. über die "Neue Akropolis") einer Reihe international bekannter KultLobbyisten wurden vorsichtshalber gänzlich weggelassen.
Die entstandene Lücke muß mit einem als "Einleitung" deklarierten, dreißigseitigen Beitrag über "Öffentliche Meinung, Wissenschaft und der Staat" Prof. Hubert Seiwert, Leipzig, füllen. Seiwert hatte in der FAZ bereits 1996 die beiden Verfasser, heute jeweils Vorsitzende der amerikanischen bzw. italienischen Sektion der Transsylvanischen Dracula-Gesellschaft, gelobt: "Die wissenschaftliche Kompetenz der Autoren ist über jeden Zweifel erhaben". So ließ er es sich nicht nehmen, zu soviel "Kompetenz" auch sein Scherflein beizutragen.
Dies gerät aber schon dadurch ins Zwielicht, daß er anscheinend cum ira et studio nicht einmal in der Lage ist, einen Zeitschriftentitel korrekt zu zitieren.
Empfehlenswert also für Lobby-Verächter, die in diesem Bändchen ihre zum Teil berechtigten Vorurteile reichlich bestätigt finden werden und die auf der Suche nach einer Positionierung des Leipziger Sektenexperten Seiwert sind. Wer sich dagegen über Introvignes und Meltons Arbeit und die Aufsätze und Positionen von z.B. James T. Richardson, Liliane Voyé, David Bromley, Anson Shupe, Eileen Barker, Olivier-Louis Séguy, Régis Dericquebourg, Brian Wilson,Karel Dobbelaere, Susan Palmer, Philippe Gast u.a. etwas gründlicher informieren will, bleibt auf die französische Vorlage angewiesen.
Nachschlagewerke
Rüdiger Hauth (Hrsg.): "Kompaktlexikon Religionen", 373 S., R. Brockhaus Verlag, Wuppertal, 1998, 49,80 DM, ISBN 3-41724677-6
Dr. Rüdiger Hauth hat damit für die nächste Zeit das Lexikon für jeden Schreibtisch geliefert. Es bietet mit ca. 2000 Stichwörtern und Begriffen aus dem Bereich von Religionen, Neureligionen und Pseudoreligionen zugleich Erstinformation und Orientierungshilfe.
Scientology
"Der Geheindienst der Scientology-Organisation. Grundlagen, Aufgaben, Strukturen, Methoden und Ziele", 77 S., 1998, Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Inneres, Landesamt für Verfassungsschutz, Johanniswall 4, 20095 Hamburg
Christoph Minhoff/Martina Minhoff: "Scientology Irrgarten der Illusionen", 151 S., Sonderausgabe für die Landeszentrale für Politische Bildung und die Innenbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, 3. Auflage, 1998
Vermischtes
Torsten Weiler: "Praxis Fundraising. Mitteleinwerbung für Gemeinden und kirchliche Einrichtungen, Modelle-Strategien-Tips", 152 S., Lemmens-Verlag, Bonn, 1198, ISBN 3-932306-10-4
Dies ist das hochempfehlenswerte Buch zu Fundraising und Mitteleinwerbung für alle Kirchengemeinden, kirchliche Arbeitsstellen, Vereine und freie Initiativen. Es bietet als Einführung in das Fundraising mit Checklisten, Überlegungen zur Strategie und praktischen Tips mehr und besseres als viele teure Veröffentlichungen und Kompendien, ja selbst als manche kostenpflichtige Seminare.
Weihnachten
Dieter B. Herrmann: "Der Stern von Bethlehem - Die Wissenschaft auf den Spuren des Weihnachtssterns", Paetec Gesellschaft für Bildung und Technik mbH, Berlin, 1997, 95 S., ISBN 3-89517-665-6
Endlich eine solide Darstellung des "Bethlehem-Stern"-Problems aus astronomischer Sicht. Prof. Dr. Herrmann ist Direktor der Archenhold-Sternwarte und des Zeiss-Großplanetariums in Berlin. Das wunderschöne Buch ist mit Bildern als Geschenkband gestaltet. Der skeptische Astronom konstatiert, "die Weihnachtsgeschichte berührt am Jahresende gewiß auch viele Menschen, die sie nicht aus der Position des christlichen Glaubens betrachten". Und er kommt am Ende seiner - überzeugenden - astronomischen Beweisführung, bei der alle bisher vorgetragenen Varianten diskutiert werden, immerhin zu dem Fazit: "Die Frage nach der astronomischen Wirklichkeit des Weihnachtssterns verblaßt hinter dem gedanklichen Inhalt seiner Symbolkraft fast zur Bedeutungslosigkeit."
Wir können an dieser Stelle weiterführend erläutern: Symbol ist der Stern von Bethlehem seit frühester Zeit für das Heil, das aus Israel kommt. In Verbindung mit der Christgeburt behauptet die Sternsymbolik nicht mehr und nicht weniger, als daß Jesus Christus der Messias ist, an dem auch die alttestamentliche Weissagung des heidnischen Propheten Bileam in Erfüllung geht. Bileam, gerufen, das Volk Israel zu verfluchen, muß stattdessen segnend weissagen: "Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen." (4. Mose 24,17). Darum heißt es über die Magier: "Da sie den Stern sagen, wurden sie hoch erfreut." (Matthäus 2,10)
Doris Foitzik: "Rote Sterne, braune Runen. Politische Weihnachten zwischen 1870 und 1970", 276 S., Waxmann Verlag, Münster, 1997, Internationale Hochschulschriften 253, 38,- DM, ISBN 3-89325566-4
Sigrid Nagy: "Der Adventsbaum. Ein evangelischer Verheißungsbrauch", 195 S., Bayerische Blätter für Volkskunde, Würzburg, 1998, ISSN 0721-068-X
Das Buch ist für alle Weihnachtsfreunde die Entdeckung des Jahres. Sigrid Nagy hat bisher unbekanntes oder übersehenes, jedoch gänzlich überzeugendes Material zur Entstehung des heutigen Weihnachtsbrauchtums, insbesondere zum Adventskranz, zusammengetragen; Hintergrund der neuen, heute vielfach fälschlich als "heidnisch" angesehenen Bräuche sind aus der evangelischen Diakonie und Inneren Mission hervorgegangene katechetische Bemühungen, das Weihnachtsfest als Fest der erfüllten Verheißungen zum Erleben zu bringen.
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