Wie wirkte sich Scientology auf Deinen Sohn aus, d.h. kam Dein Mann mit ihm zurecht?
Mein Sohn kam ziemlich schnell zu mir, schon zu einem Zeitpunkt als ich noch gar nicht bereit war, die Dinge rund um Peters "Religion" zu hinterfragen, und meinte, "der ist komisch." Anlaß für diese Aussage war ein Vorfall bei dem sich mein Sohn seinen Kopf sehr schmerzhaft an einem Bücherregal im Schlafzimmer gestoßen hat. Folgendes passierte: Ich durfte meinen Sohn nicht trösten oder nachsehen ob er vielleicht eine blutende Wunde hat. Stattdessen nahm mein Mann meinen Sohn, ging mit ihm zu der Stelle an dem Bücherregal, an dem er sich gestoßen hat und presste die schmerzende Stelle am Kopf gegen das Regal. Dabei sagte er zu meinem Sohn, der Schmerz würde nun in das Bücherregal zurückkehren, was natürlich nicht passierte. Ebenso machte er es mit seinem Sohn, der sich beim Spielen in der Wiese das Knie angeschlagen hatte. Das Knie wurde an die Stelle im Rasen gepresst und dem kleinen Buben wurde gesagt, daß der Schmerz nun dort ins Gras zurückkehren würde. Auch in diesem Fall durfte das Kind nicht getröstet werden, es wurde mit ihm gar nicht gesprochen.
Wie wirkte sich Scientology finanziell aus?
Katastrophal, die Verschuldung meines Mannes war bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung enorm, stieg dann stetig an, auch teilweise weil die Firma ohne erkennbaren Ertrag arbeitete, und weil auch die Scientology-Kurse sehr teuer waren. Am Ende der Ehe war der Schuldenstand meines Ehemannes bei offiziellen 2,2 Mio. ATS (ca. 160.000 ¤) angelangt. Das wahre Ausmaß seiner Verschuldung habe ich mit Sicherheit nie gewußt, obwohl ich die Buchhaltung seiner Firma machte, doch einige Summen werden immer unklar bleiben.
Wie zerbrach die Ehe schließlich?
Am 20. Oktober 1998 kam der Trennungsbefehl, die sog. Separation-Order von der Scientology-Org. in Wien. Die Buchhaltung wurde augenblicklich an die Firma Z. übergeben und er hatte sich umgehend von mir zu trennen. Zugegeben hat er das natürlich nie und nach Scientologenmanier alles abgestritten.
Wie ist Dein Eindruck des staatlichen Beratungsangebotes in Österreich und von unabhängigen Beratungsstellen?
Schwer zu sagen, als frisch Betroffener suchst Du natürlich effektive Hilfe und durchläufst verschiedene Selbsthilfegruppen und auch offizielle Beratungsstellen für Sektenprobleme. Mein erster Kontakt in der Scheidungs- und Trennungszeit war mit einem Mitarbeiter der GSK (Gesellschaft gegen Sekten und Kultgefahren in Wien) von dort aus lernte ich Aussteiger und Betroffene kennen, die mittlerweile in der Aufklärung um Sekten und Kultgefahren sehr engagiert arbeiten.
Von überall bekam ich ein bisschen Wissen, mit dem ich dann wieder ein Stückchen weiterkam. Ich kaufte mir in dieser Zeit auch viele Bücher, ohne genau zu wissen, wer denn die Autoren wirklich waren, ich las ein Buch nach dem anderen und es wurde mir vieles klar und es schauderte mich, im welchem Umkreis ich fast 4 Jahre verbracht habe.
Wie ist die Berichterstattung der Medien?
In Österreich echt sehr wenig, es scheint so, als hätte man hier Angst, das Thema Scientology öffentlich in den Medien aufzugreifen. Ca. einmal im Jahr gibt es einen TV-Bericht. Kritische Zeitungsartikel sind ebenfalls eine ausgesprochene Rarität. Da sind uns die deutschen Medien sehr weit voraus, dort werden die Dinge im Zusammenhang mit Scientology aufgegriffen und auch in den Mund genommen.
Was würdest Du anderen Leuten raten, die in einer Beziehung mit einem Scientologen /Scientologin sind oder eingehen wollen?
So schlimm es auch klingen mag: Finger weg! Kopieren Sie alles, was es gibt, bewahren Sie die Unterlagen nicht zu Hause auf, sondern in einem Bankschließfach zu dem nur Sie Zutritt haben. Wenn schon mal eine Beziehung zu einem/einer Scientologen/Scientologin besteht, suchen sie zeitgerecht Hilfe bei den div. Beratungsstellen auf, besorgen sie sich Wissen, denn das werden sie brauchen.
Wann und wodurch entstand die Idee, ein Buch zu schreiben?
Das kam nicht auf einmal, aber nach und nach reifte dieser Gedanke heran, eines Tages begann ich alles zusammenzuschreiben über die Erlebnisse meiner Ehe und zeigte es dann einer Wiener Journalistin, die schon jahrelang in der Szene recherchiert. Sie meinte, es wäre sehr gut, müßte aber noch überarbeitet werden. Sie wurde dann eine meiner beiden Co-Autorinnen und ich bin beiden Damen sehr dankbar, daß sie nicht aufgehört haben mir Mut zumachen. Warum ich es dann letztendlich geschrieben habe: Ich wollte aufzeigen was Scientology im kleinsten Familienkreis, der Ehe, anrichtet und wie schnell ein nicht-scientologischer Ehepartner, der sich nicht anpassen lässt, als Wegwerfartikel im Mülleimer landet, wenn er nicht so funktioniert wie es sich die Scientology Organisation vorstellt.
Wie hast Du Dich während und nach der Scheidung gefühlt?
Während der Scheidungszeit lebten mein Mann und ich bereits getrennt, es war eine sehr traurige Zeit für mich, ich mußte mich täglich dazu zwingen weiterzumachen, meinen Sohn zu versorgen und zu betreuen und zur Arbeit zu gehen. Ich fühlte mich bestohlen und betrogen um eine Ehe-Beziehung für die ich eigentlich so lange sie bestand, immer kämpfte. Letztendlich mußte ich einsehen, daß der Gewinner bei diesem Kampf schon von Anfang an fest stand, nämlich die Scientology-Organisation.
Gelang es Dir nach diesen Jahren, wieder eine neue Beziehung einzugehen?
Nicht gleich, eigentlich dachte ich mir, ich würde alleine bleiben, ich könnte nie mehr Liebe geben und Liebe entgegennehmen. Es war lange Zeit so, daß ich meinte ich liebe meinen Ex-Mann noch immer, doch es war sicherlich zum Teil Mitleid mit ihm und auch mit mir selbst, weil ich es nicht verstehen konnte, daß eine Organisation mehr Macht über einen Menschen besitzt, als es die Liebe eines Ehepartners vermag. Heute fast zwei Jahre nach der Trennung habe ich wieder einen sehr liebenswerten, intelligenten und hübschen Mann an meiner Seite und es ist mir mit seiner Hilfe gelungen, einen Schlußstrich unter mein Lebenskapitel: "Meine Ehe mit einem Scientologen" zu ziehen - doch vergessen werde ich es wohl nie können.
Hruby, Ilse: Meine Ehe mit einem Scientologen. Mit einer theoretischen Einführung von El Awadalla und Maria Susanne Klar. Gütersloher Verlagshaus, 2000, DM 16,80; ISBN 3-579-01145-6
Mit der Schwiegermutter im Haus zu leben gilt allgemein als Horror; noch schlimmer ist es aber, statt dessen die Scientology-Organisation als "dritte Partei" in der ehelichen Wohung zu haben.
Offensichtlich entstand dieses Buch zu einem Zeitpunkt, zu dem Ilse ihren Mann immer noch liebte, und todtraurig war daß sie ihn verloren hatte. Sie hatte einen Mann geheiratet um festzustellen, daß er fremdbestimmt war und versuchte über vier Jahre diese Ehe zu retten - letzendlich ohne Erfolg, da sie sich stetig weigerte, scientologisch zu denken.
Es bleibt die Hoffnung, daß das Erlebnis von Ilse für andere als ein warnendes Beispiel dient und ähnliche Schicksale verhindern wird.
Das Buch wird eingeleitet durch eine leicht verständliche Kurzbeschreibung von Scientology, von zwei anderen Frauen geschrieben, nämlich der über Österreich hinaus bekannten El Awadalla, und "Marie-Susanne Klar", die seit Jahren in der Aufklärung aktiv sind.
So können auch uninformierte Leser schnell verstehen, worum es bei dieser Gruppierung geht und wie sie arbeitet. Außerdem gibt es ein Glossar, in dem die Scientology-eigenen Wörter erläutert werden. TH
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