Erster Alternativer Karlspreis für amerikanischen Scientology-Kritiker
US-Präsident Bill Clinton bekam am Freitag in Aachen den Karlspreis. Für sein Engagement in Sachen Frieden, Freiheit, Demokratie.
In Leipzig wurde am Sonnabend der 1. Alternative Karlspreis vergeben - Kritik an Clinton und den USA. Grund: Deren umstrittene liberale Haltung gegenüber der Scientology-Sekte.
Den (undotierten) Preis bekam Clintons Landsmann Robert Minton wegen seines Einsatzes für Opfer der Sekte. Verliehen vom Europäisch-Amerikanischen Bürgerkomitee für Menschenrechte und Religionsfreiheit.
In der Begründung hieß es: 'Minton hat erkannt, welche Gefahren durch Scientology für Menschen und die freiheitliche Demokratie entstehen können.'
Der Alternative Karlspreis soll nun jährlich verliehen werden.
BILD 05.06.2000
Im Herbst 2000 erschien schließlich auch noch ein süß-saurer Artikel in der Kultlobby-nahen Studentenzeitschrift "spirita", gezeichnet von Thomas Schweer, Marburg, den wir im Folgenden leicht gekürzt dokumentieren:
Berliner Sommerloch
Die Verleihung des "Alternativen Karlspreises" am 3. Juni 2000 in Leipzig
... Mit dem an die Qualität von "Kinder statt Inder" heranreichenden Slogan "Bob Minton oder Bill Clinton" trat das "Europäisch-Amerikanische Bürgerkomitee für Menschenrechte und Religionsfreiheit in den USA" an die Öffentlichkeit, um laut seines Mitglieds Thomas Gandow ein Zeichen zu setzen, daß es "trotz der Clinton-Regierung in Amerika Andersdenkende gibt, die nicht im Scientology-Strom mitschwimmen" (Der Tagesspiegel, 3.6.2000). Die USA fest in der Hand der Scientologen und Bill Clinton ein verkappter Förderer gefährlicher Sektierer? Wenn man dem Bürgerkomitee Glauben schenken will, ist diese Idee nicht allzu abwegig, gab es doch tatsächlich verschiedene Kontakte amerikanischer Regierungsvertreter zu bekennenden Scientologen wie John Travolta oder Tom Cruise. Zudem erhielt Scientology in der Amtszeit Clintons Steuerbefreiung aufgrund religiöser Zielsetzungen, Deutschland und andere europäische Staaten wurden wegen ihres Umgangs mit dieser Gemeinschaft kritisiert, und der Präsident stellte sogar einen Artikel aus seiner Feder zur Veröffentlichung in Scientology-Magazinen zur Verfügung. Nachdem das Bürgerkomitee diese und weitere "Verfehlungen" der amerikanischen Politik aufgelistet hat, heißt es in der Begründung zur Preisverleihung an Bob Minton:
"Präsident Clintons öffentliche Unterstützung für Scientology wird weder vom amerikanischen Volk noch von seinen gewählten Vertretern im Kongereß, dem amerikanischen Parlalment, geteilt. ... Unter vielen, die Scientologys obligatorische Praxis systematischer Verdrehung der Religionsfreiheit der Umkehrung religiöser Diskriminierung erkannt haben, hat sich ein Mann hervorgetan
- durch seine Unterstützung für die Freiheit der Rede,
- durch seine akkuraten Berichte über die Aktivitäten der Scientology Organisation (SO),
- durch seine Hilfe für die Opfer der SO, u.a. die Angehörigen von Lisa McPherson in ihrem Prozeß gegen die SO
- durch die Gründung des Lisa-McPherson-Trusts.
Dieser Mann heißt Robert S. Minton."
Der Multimillionär Minton liegt seit 1995 mit Scientology im Clinch. Damals machte er nach eigener Aussage die Erfahrung, daß sich viele Opfer mangels finanzieller Mittel nicht angemessen juristisch verteidigen können. Außerdem sei es ihm ein Dorn im Auge gewesen, daß Scientologen gewaltsam versucht hätten, die Verbreitung kritischer Informationen über das internet zu unterbinden. Daher engagiert sich Minton heute auf Seiten der Scientology-Gegner, zahlt Anwalts- und Prozesskosten, will Aussteigern helfen und daran mitwirken, daß die "Betrugs- und Mißbrauchspraktiken" von Scientology aufgedeckt werden.
Im Beirat des Lisa-McPherson-Trusts sitzen u.a. Steven Hassan und Margaret Thaler Singer.
Im Vorfeld der Preisverleihung versuchte Scientology Druck auszuüben und forderte vom Berliner Bischof Wolfgang Huber, den Sektenbeauftragten Gandow fristlos zu entlassen. Denn der ehemalige Investment-Banker Minton (53), der sich dank erfolgreicher Geschäfte vorzeitig zur Ruhe setzen konnte, habe sein Geld auf betrügerische Weise mit Schuldverschreibungen von Entwicklungsländern, vor allem Nigerias, verdient. (Sächsicshe Zeitung, 2.6.2000) Obwohl diese Anschuldigungen der bekannten scientologischen Manie folgen, bei allen Kritikern irgendwo eine kriminelle Seite zu wittern, scheinen die Vorwürfe nicht gänzlich aus der Luft gegriffen zu sein. Denn auch "Transparency International", eine Organisation zur Korruptionsbekämpfung, bestätigt ohne Namensnennung, daß es illegale Transaktionen im Zusammenhang mit nigerianischen Schuldverschreibungen gegeben habe. Während die aufgeschreckte Berliner Kirchenverwaltung nun eigene Nachforschungen anstellen will, zeigt sich Gandow schon vorab von der Unschuld seines Preisträgers überzeugt. Derartige Geschäfte hätten zwar stattgefunden, doch seien sie "einzig und allein zum Vorteil des nigerianischen Volkes gewesen". Auf keinen Fall habe sich Minton persönlich bereichert.
(Der Tagesspiegel, 3.6.2000)
... Interessanter als die Frage nach der Preiswürdigkeit einzelner Personen ist die Tatsache, daß das Bürgerkomitee sich ausdrücklich an den traditionsreichen Aachner Karlspreis anlehnt. Dieser soll jährlich "für den wertvollsten Beitrag im Dienste der europäischen Einigung und Gemeinschaftsarbeit, im Dienste der Humanität und des Weltfriedens" vergeben werden. Im Grundsatztext des Bürgerkomitees wird hingegen festgestellt, man setze sich "für Menschenrechte und Religionsfreiheit in den USA und weltweit ein und engagiert sich in der Auseinandersetzung insbesondere gegenüber neuen totalitären Organisationen". Inhaltlich Gemeinsames läßt sich hier kaum erkennen, aber darum dürfte es dem Komitee, dessen Preisvergabe u.a. die AGPF, Rüdiger Hauth, Ingo Heinemannn, Norbert Pothoff, Renate Rennebach, Eduard Trenkel und Hartmut Zinser unterstützt haben, auch weniger gegangen sein. Es war wohl vielmehr der reine Anlaß, der dazu bewogen hat, sich als "Alternative" zu präsentieren. Denn eine bessere Möglichkeit, einen Publicity-Gag zu prodizieren und auf sich aufmerksam zu machen, wird sich dem Bürgerkomitee so schnell nicht wieder bieten: Ein prominenter "Scientology-Freund", der partout die deutsche Besserwisserei und die unerbetenen Ratschläge zwecks Anti-Sekten-Maßnahmen in God's own country nicht zur Kenntnis nehmen will, kann an den Pranger gestellt und mit einem "echten Vorbild" konfrontiert werden. Ein solcher Effekt wäre etwa mit einem vom Namen her sinnvolleren "Friedrich-Wilhelm-Haack-Gedächtnispreis" schwerlich zu erzielen gewesen. Leider steht zu befürchten, daß das Bürgerkomitee künftig mangels passender Reime sein Publikum nicht mehr so einfallsreich wie diesmal zu unterhalten vermag.
Spirita 1/99 (ca. September 2000)
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