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BERICHTE

BERLINER DIALOG 15, 4-1998 - Epiphanias

"Die Welt will an Wunder glauben"
Amerikas Star-Prediger Benny Hinn auf Tour
von Uta Kroder

Der amerikanische Wunderheiler Benny Hinn ist wieder einmal in Deutschland. "Miracle Crusade" nennt der fundamentalistisch-christliche Prediger seine Tournee, bei der er diesmal am 25./26.09.1998 die Grugahalle in Essen mit ca. zehntausend Gläubigen und Neugierigen füllte. Der 45jährige, der schon oftmals von Kritikern und Medien wegen seines üppigen Lebensstils und seiner angeblichen Heilungen angegriffen wurde, meinte auch diesmal Hunderte von Menschen von schweren Krankheiten in Gottes Namen befreit zu haben. Sein Auftritt legte jedoch eher offen, wie leicht Massen zu manipulieren und zu bewegen sind. Und ebenso, daß sich seine Einstellung in Sachen Finanzen trotz aller öffentlichen Bekenntnisse, er habe von der Verkündigung eines 'Wohlstandsevangeliums' abgelassen, im Grunde nicht geändert hat.
Benny Hinn gehört sicherlich seit langem zu den großen Fernsehpredigern in den Vereinigten Staaten, aber auch zu den umstrittenen.

Zwischen 12 Millionen Dollar, so rechnen Kritiker aus, und 116 000 Dollar - so seine Anhänger - werden Benny Hinns Jahreseinkünfte eingeschätzt.
Der 45jährige bewegt nicht nur Menschenmassen, sondern auch Gelder - und beides in Großformat. Auch an diesem Wochenende betonte der Prediger die Wichtigkeit der Finanzen: Eine Stunde alleine predigte er während des vierstündigen Gottesdienstes über Geld, und betonte ebenfalls sehr geschickt, wie wichtig es sei, seine Organisation finanziell zu unterstützen. Während die Kollekteneimer gefüllt wurden, säuselte im Saal die Lobpreismusik im Schummerlicht und schuf eine unterstützende Atmosphäre.
Immerhin: Die beiden Gottesdienste am Freitag und Samstag waren gratis, nur das Seminar am Samstag vormittag kostete. Und zwar mehr als Nerven. Nach einer Stunde aufputschender Musik begannen bereits - im Schnelldurchlauf - die ersten Heilungen: Herzkrankheiten, Diabetes, Asthma, Lungenkrebs, Rückenbeschwerden, Hüftschäden und Allergien wurden laut Benny Hinns Heilig-Geist-Offenbarungen geheilt. Hunderte von Menschen kamen an die Bühne, um von ihren wundersamen Heilungen zu berichten, die jedoch näher betrachtet meist etwas dubios erschienen. Kopfschmerzen waren auf einmal verschwunden, Rückenbeschwerden ebenfalls. Ein Taubstummer wird von seiner Mutter auf die Bühne gebracht, die von seiner Heilung überzeugt ist: Die Überprüfung vor Ort zeigt sich jedoch eher obskur, denn der Taubstumme gibt jene normalen Lall-Laute von sich, zu denen Taubstumme eben manchmal fähig sind. Ein kleiner Junge, der Asthma hat, wird von Benny Hinn aufgefordert, quer durch die Halle zu rennen, um seine Heilung zu bezeugen. Aufgepeitscht durch den Applaus aller, rennt er wieder schwer atmend zur Bühne zurück. Auch am Abend im Gottesdienst der selbe Ablauf: Eine Frau im Rollstuhl steht auf und wackelt schwerfällig mit sichtbaren Schwierigkeiten über die Bühne. Ihre Krücken, die sie mitunter benutzte, werden in die Luft gehoben, um den Sieg und die Heilung Jesu zu bezeugen. Niemand sieht, daß die Frau, nach ihrem Auftritt erschöpft, im Schatten der Bühne wieder an Krücken läuft. Vermutlich wird sie heute wieder im Rollstuhl sitzen.
Auch das sogenannte 'Ruhen im Heiligen Geist', bei dem Menschen angeblich von der Kraft Gottes überwältigt werden und nach hinten fallen, wird von Benny Hinn sehr durchschaubar gehandhabt: Er streckt seine Hand aus, und schubst die betreffenden Gläubigen einfach nach hinten. Diejenigen, die um ihr Gleichgewicht zu halten, einfach einen Schritt nach hinten gehen, berührt Benny Hinn nur kurz und weicht mit Ablenkungsmanövern etwaigen Komplikationen in Sachen Heilig-Geist-Verbindung aus. Nach vier Stunden 'Konditionierung' funktioniert dieses Umfallen auch auf Distanz hin: 'In the name of God: Touch' schreit der Prediger in das Mikrofon, streckt seine Hand aus, und Menschen fallen im Dominoeffekt reihenweise um. Ein Mann vor uns in der Reihe zittert seit einer Viertelstunde am ganzen Körper, eine Frau in einer anderen Reihe macht eine Kniebeuge nach der anderen. Hinter uns spricht ein Amerikaner fast ununterbrochen in Zungen - Lall-Laute, die als göttlich-eingegebenes Gebet gedeutet werden. Wir stellen uns in eine Reihe von Rußlanddeutschen, die vor die Bühne gerufen wurden. 'Touch', schreit er wieder, doch nichts geschieht, aus was für Gründen auch immer. Schnell segnet er lieber die anwesenden Kinder.
Was mit den vielen Rollstuhlfahrern ist, die nicht geheilt wurden, ist fraglich. Benny Hinns kurze Predigt läßt keinen Zweifel daran, daß jemand, der unter dem Einfluß des Heiligen Geistes steht, nicht krank wird. "Jesus war nie krank", betont er.





Benny Hinn, geboren im Dezember 1952, wuchs in Jaffa, Israel, mit seinen Eltern Costadi und Clemence Hinn und seinen fünf Brüdern und zwei Schwestern auf, und berichtet selbst von frühen Gottesvisionen. Griechisch-orthodox, besuchte er jedoch eine private katholische Schule und wurde von Nonnen dort unterrichtet. Benny Hinn schildert in seinem Buch 'Guten Morgen, Heiliger Geist' seinen Außenseiterstatus als Kind und Jugendlicher, bedingt durch sein Stottern. Im Juli 1968 emigrierten er und seine Familie nach Toronto, Kanada. Dort bekehrte er sich, beeindruckt durch die Wunderheilerin und Predigerin Kathrin Kuhlmann, von der er bis heute sichtlich beeinflußt wurde. Heilungen, und Phänomene wie das 'Ruhen im Geist' und das Lachen im Geist', unkontrolliertes Lachen angeblich unter dem Eindruck des Heiligen Geistes, lernte er bei ihr kennen. Heute leitet er seine eigen-gegründete Gemeinde 'World Outreach Center' mit ca. 7000 Mitgliedern und 12 000 Gottesdienstbesuchern in Orlando, Florida.
Als Tele-Evangelist erreicht er geschätzte 15 Millionen Menschen bei seinen wöchentlichen Fernsehauftritten.

Seine biographischen Angaben zogen jedoch bisweilen Zweifel nach sich: Angaben, sein Vater, wäre Bürgermeister von Jaffa gewesen, sind schlichtweg falsch. Ein Constadi Hinn ist niemals in diesem Amt registriert worden. Auch Taufangaben sind nicht wahrheitsgemäß. Laut Hinn wurde er vom Patriarch Benedictus I getauft und erhielt von ihm sogar seinen Namen. Patriarch Benedictus wurde jedoch erst 1958, sechs Jahre nach Hinns Taufe überhaupt ernannt.


Hinn behauptet, daß etwa 1000 Menschen auf jedem 'Kreuzzug' geheilt werden. Kritiker versuchen seit langem, dies zu überprüfen, scheitern aber daran, daß Hinn und die Mitarbeiter seiner Organisation keine Belege dafür herausgeben wohl auch nicht können. Angeblich ausführliche ärztliche Untersuchungen werden nur bis eine Woche nach der Veranstaltung durchgeführt. Nach diesen erfolgt bereits die Veröffentlichung der Heilungsberichte. Der 'National & International Religion Report' berichtet bereits im September 1987 von der Lebensgefahr, die von Hinns Wunderheilungen ausgeht: Während einer Veranstaltungsreihe 1986 in Oklahoma City starb die 85jährige Ella Peppard, nachdem während der Veranstaltung jemand, der angeblich im Heiligen Geist umstürzte, auf sie fiel und ihre Hüfte gebrochen wurde. Daß gerade bei Krankheiten wie Multiple Sklerose und Asthma teilweise Verbesserungsschübe eintreten können und zum normalen Krankheitsbild gehören, wird nicht bedacht. Es erscheint eher absurd, wenn ein Aidskranker am Knie geheilt wird und auf der Bühne dafür gefeiert wird. "Die Welt will an Wunder glauben", verkündete Hinn laut - womit er zweifelsohne recht hat.
Das Christian Research Institute in den USA kritisiert ihn schon seit vielen Jahren. Benny Hinn geht mit dieser Kritik eher selbstbewußt um, und deutlich verkündet er seine Drohungen gegen Kritiker:
,Seid vorsichtig! Eure Kleinen könnten wegen Eurer Dummheit leiden. (...). Ihr hört das, da gibt es Männer und Frauen in Südkalifornien, die mich angreifen. Ich werde Euch jetzt, unter der Salbung Gottes, sagen, daß ihr das in Euren Kindern erntet, wenn ihr nicht aufhört. Ihr werdet niemals gewinnen. (...) Und Eure Kinder werden leiden. Wenn Ihr Euch um Eure Kinder sorgt, hört damit auf, Benny Hinn zu attackieren. Ihr attackiert mich im Radio jeden Abend, ihr werdet dafür zahlen und Eure Kinder werden es auch. Hört das von den Lippen des Dieners Gottes. Ihr seid in Gefahr. Bereut! Oder der allmächtige Gott wird seine Hand ausstrecken. Rührt meinen Gesalbten nicht an!"
Theologische Inhalte spielen bei Benny Hinn eher eine untergeordnete Rolle. Musik, Lobpreis, Heilungen - es sind Erlebnisse und emotionale Grenzerfahrungen, die er vermittelt und die seine Popularität und seinen Zulauf erklären. Zustrom erhielt Benny Hinn vor allem von den fundamentalistischen Gemeinden vor Ort:
Die Miracle Crusade in Essen wurde unterstützt von 38 charismatischen Gemeinden und Organisationen bundesweit, darunter die Berliner Gemeinde auf dem Weg, deren Glaubensrichtung ebenfalls auf Heilung ausgelegt ist; der von fundamentalistischen Ärzten und Krankenpersonal aufgebauten Organisation 'Christen im Gesundheitswesen', der 'Freien Christlichen Jugendgemeinschaft Lüdenscheid' sowie anderen führenden charismatischen Organisationen. Einzelgemeinden der International Gospel Churches, die Hinn unterstützen, besitzen ein Klientel aus Afrikanern und Amerikanern. Sämtliche Ordner und Mitarbeitende wirkten als ehrenamtliche Helfer.
Veranstaltungen wie diese gehören zum Glaubensalltag vieler charismatischer Christen, in deren Weltbild das persönliche Erfahren des Heiligen Geistes betont wird - oder das, was dafür gehalten wird. Theologische Inhalte sind eher plump zu nennen.
So beschreibt Hinn den biblischen Adam als ein 'super being', als 'ersten Supermann der lebte', der - da er die Herrschaft über die Erde innehatte - zu allen Superleistungen fähig war. Hinns Spekulationen über diese biblischen Zeiten sind dabei sehr konkret: "Adam could fly like a bird", "Adam could swim underwater and breathe like a fish".
Calvinistisch ist sein Weltbild vor allem, was Finanzen angeht: "Armut kommt von der Hölle", "Reichtum kommt vom Himmel", so lautet seine Schwarz-WeißBotschaft, die jegliches Leid mit einem Glaubensmangel und nichterbrachter Eigenleistung in Verbindung bringt.
Aufgrund der Kritik an seinem extravagantem Lebensstil, entschuldigte sich Hinn dafür, zuviel Wert auf materielles Wohlergehen gelegt zu haben. Laut der fundamentalistischen Zeitschrift 'Charisma' 83 1993, die im Jesus-Haus Düsseldorf publiziert wird und die ihn jetzt wieder bei seiner Veranstaltungsreihe unterstützte, trägt er nun "keine Rolex-Ringe mehr" und kündigte an, seinen Mercedes durch einen Lincoln zu ersetzen, damit die Gläubigen keinen Anstoß mehr daran nehmen. Von diesen angeblichen Änderungen spürte man als Zuhörer in der Grugahalle jedoch wenig: Munter und frei heraus plauderte Hinn über eine alte schwerreiche Dame, die er nur in der Erwartung besuchte, von ihr eine riesige Geldspende oder ihr Testament zu erhalten.
Alles in allem: Massenpsychologisch eine sehr professionell durchgeführte Sache: Bei vier Stunden baut sich bei den Gläubigen unter ständiger aufputschender Musik, Predigt und Gesang schnell ein erheblicher Erwartungsdruck auf, der sich schnell in körperlichen Symptomen ausdrücken kann. Das Vormittagsseminar - Einlaß um neun Uhr, Ende gegen 14:15 Uhr, arbeitete genau mit dieser stundenlangen Berieselung, die ohne Pause und Mittagsimbiß einfach erschöpfend war. Während des Seminars hinauszugehen, so riefen vorher freiwillige Ordner aus, wurde verboten. Auf die Frage warum, wurde nahegelegt, daß das den Heiligen Geist störe. Nach fünf Stunden habe ich aber einfach Hunger.

Als ich jedoch im Bemühen, möglichst wenige zu stören, aufstehe, um nach draußen zu gehen, werde von ich von einer Ordnerin angehalten, die mich zurückhält. "Entschuldigung, das ist verboten. Ist das denn wirklich nötig, daß Sie hinaus müssen?" "Ja", sage ich freundlich, "das ist es". 'Müssen Sie denn auf Toilette?' "Nein", sage ich, noch immer freundlich. "Aber ich bin heute sehr früh aufgestanden, und muß jetzt etwas essen." "Etwas essen?" werde ich gescholten. "Die Menschen kommen von so weit her, um hier zu sein, und Sie denken ans Essen?" Ich nicke. "Ich denke an Essen", sage ich. Und esse zur Belohnung gleich eine doppelte Currywurst.

Uta Anne Kroder, Jahrgang 68, Initiatorin des sektenkritischen Vereines BSCF (Beratung Sekten und christlicher Fundamentalismus) e.V.; Studium der Kath. Theologie, Historischen Ethnologie, Germanistik in Frankfurt/ Main, psychologische Zusatzausbildung bei der Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie (GwG), zur Zeit wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld.

Berliner Dialog 17, 2-1999

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