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| BERLINER DIALOG 23, 4-2000 Epiphanias 2001 STANDPUNKTE |
Sektenberatung als Mediation - vor Beginn gescheitert?
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Der folgende Artikel wurde bereits im Januar 2001 verfaßt. Das zuständige OLG hat das Urteil, auf das hier Bezug genommen wird, zwischenzeitlich bestätigt. - Red. Ein Gericht (Anm.1) hat bestimmte Formen der Mediation als Rechtsberatung eingestuft. Die Werbung dafür hat das Gericht als unlauter nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) angesehen und untersagt.
Gegen unlautere Werbung aber kann jeder vorgehen, der sich als Konkurrent begreift.
Der Öffentlichkeit wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen Sektenberatung und Mediation erstmals durch den Bericht der Bundestags-Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" bekannt. Die Diplom-Psychologin Beate Roderigo hatte in einem Gutachten für die Kommission "ein Modell der Sektenberatung vorgeschlagen, in dem eine Einteilung in folgende drei Arbeitsbereiche vorgesehen ist: 'Information und Aufklärung', 'Psychologische Beratung/Therapie' und als neues Teilgebiet die 'Mediation'" (Anm. 2). In unserem Zusammenhang geht es um Beratung von Ratsuchenden. Der Ratsuchende muß sich keineswegs mit der Gruppe verständigen. Der Ehemalige kann ihr auch ohne jede Konfrontation einfach aus dem Weg gehen. Das ist der Normalfall. Angehörigen genügt meist die Information, also zu wissen, womit man es zu tun hat. Nicht zu vergessen diejenigen, die Seelsorge suchen und die sich ohnehin an die Beauftragten der Kirchen wenden, in aller Regel ohne jede Präferenz einer bestimmten Konfession. |
Was ist Mediation? |
Begriffliche Voraussetzung einer Vermittlung ist ein Konflikt, ein Streit. Die Streitenden müssen einem Vermittler einen Auftrag erteilen. Es muß also ein gemeinsames Interesse vorhanden sein. Andernfalls würde man sich nicht an einen Tisch setzen. Bei der Ehescheidung kann dies die Verteilung des Hausrates, des Sorgerechts für die Kinder oder des Mangels sein. Oder der Vermeidung hoher Kosten vor Gericht. Die Ausführungen im Enquete-Bericht dazu sind nebulös. Neben der "konkreten (außergerichtliche) Schlichtung von Konfliktfällen" könnte sich die Schlichtung laut Enquete-Bericht "vor allem auf eine geregelte(re) Austragung des Weltanschauungsstreits beziehen" (Anm. 4). Letzteres ist bloße Theorie. Immerhin erwähnt der Enquete-Bericht, daß in dem Roderigo-Gutachten festgestellt werde, "daß es (vermutlich angesichts der Schwere der Fälle) mit einer Ausnahme nicht möglich war, die betreffenden Gruppen im Sinn einer Mediation in den Beratungsprozeß mit einzubeziehen" (Anm. 5). Tatsächlich dürfte es in der Praxis nur äußerst selten die Möglichkeit geben, zwischen Sektenopfern und Sekten zu vermitteln. Der von neutraler Seite zu schlichtende "Weltanschauungsstreit" dürfte Seltenheitswert besitzen. Ich habe in 25 Jahren mit mindestens 30.000 Ratsuchenden gesprochen. Eine solche Anfrage war nicht darunter. Bei Konflikten zwischen Sekten und Ehemaligen geht es meist um konkrete Fragen: Vorenthaltener Lohn, Rentenversicherung, Zeugnis, Sorgerecht für Kinder, Abwehr von Belästigung. Sofern Hilfe durch Therapie gewünscht wird, muß der Therapeut entscheiden, ob die Hinzuziehung Dritter sinnvoll oder schädlich sein kann. In der alltäglichen Beratung sind neben Lebenshilfe und Verhaltenstips vor allem Informationen gefragt: über Anbieter und Angebote, über Risiken, Nebenwirkungen und Gefahren. |
Das Gerichtsurteil zur Frage der Abgrenzung Das Urteil wurde von Rechtsanwalt Markus Gante-Walter im Internet (Anm. 6) kommentiert, der sich beruflich mit Mediation befaßt. Er gibt Hinweise zu den Folgen, die das Urteil haben kann: "Die Mediationsszene muß Farbe bekennen und sieht sich einer gerichtlichen Qualitätskontrolle gegenüber. Das ist für uns alle zu begrüßen. ... Das Gericht fragt also ausdrücklich nach dem Wesen und der Natur der Mediation. Dies gilt es klar herauszuarbeiten. Zunächst ist es meine Auffassung, daß es nicht die Aufgabe des Mediators ist, den Parteien Ratschläge zu geben. Weder darf der Mediator auf weitere Fragen, die nach seiner Meinung behandelt werden sollen, hinlenken, noch darf er Lösungsvorschläge machen. Gerade diese Zurückhaltung macht die Position des Mediators im Gegensatz zum Schlichter und Schiedsrichter aus. Dies ist keine nur wissenschaftliche Frage, sondern ist eine Frage des Selbstverständnisses von Mediation und der zentrale Punkt, ob Mediation unter das Rechtsberatungsgesetz fällt oder nicht."
Bleibt die Frage, wer unter diesen Voraussetzungen Mediation in Anspruch nehmen will. |
Anmerkungen Ingo Heinemann ist Rechtsanwalt, befaßt sich seit 1971 mit Verbraucherschutz und Wettbewerbsrecht, seit 1975 auch mit Sekten. 1982 bis 1995 war er hauptberuflicher Geschäftsführer der AGPF, jetzt ist er deren geschäftführender Vorstand.
Literaturhinweis der Redaktion |
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