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BERLINER DIALOG 13, 2-1998 - Michaelis

ELTERNINITIATIVEN

FAIR bleiben!
Was Frau MacKenzie wirklich vortrug
Auszug aus den Votragsunterlagen von Ursula MacKenzie zu ihrem Beitrag
bei der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages

(...)
Die Lage in der Sektenberatung in Großbritannien

Im Gegensatz zu der Bundesrepublik und anderen europäischen Staaten, gibt es in Britannien keine öffentliche Sektenberatung. Weder Staat, Kommunalverwaltungen oder Kirchenleitungen setzen sich dafür ein. Es gibt keine öffentlichen Informations- oder Warnschriften, geschweige denn zuständige Dienststellen.
Die Beratung, mühselig durch Spenden finanziert, stützt sich sehr auf Personen, deren unermüdliche Arbeit unbezahlt ist. Einige bekommen private Zuwendungen.
Es gibt im ganzen Land kaum mehr als sieben anerkannte Beratungsstellen. Einige von ihnen werden von nur ein oder zwei Personen geleitet. Alle haben aber langjährige Erfahrung und sind überlaufen mit Anfragen; alle brauchten dringend finanzielle Zuschüsse.
Einige Berater sind evangelikal ausgerichtet, andere sind prinzipiell 'neutral'. Zu diesen gehört FAIR (Family Aktion Information and Rescue), deren Informationsbüro ich 14 Jahre lang ehrenamtlich leitete.
(Das Word "Rescue" wurde kürzlich durch "Ressource" ersetzt. Wir wurden zu oft -völlig unberechtigt!- beschuldigt, daß "Rescue" Kidnapping und Deprogrammierung bedeuten sollte.)
Z.Zt. ist FAIR ohne eigenes Büro und sogar ohne eigenen Telefonanschluß in Folge eines Sektenprozesses. Die Beratung geht trotzdem weiter, und es mangelt nicht an Anfragen. Alle Berater sind überarbeitet. Bezahlter Nachwuchs wäre dringend nötig.
Bis 1987 leitete das Home Office (Innenministerium) Anfragen betreffs Sektenproblemen an FAIR weiter. Danach wandte es sich plötzlich von uns ab. Es war das Jahr der Gründung von INFORM, einer von der Regierung finanzierten Dienststelle für Sekteninformation (nicht "Beratung"), geleitet von Dr. Eileen Barker, heute Soziologin an der London School of Economics. Die Aufgabe von INFORM sollte es sein, die wahre Natur dieser Gruppen bloßzustellen. Auch Kirchen zeigten Interesse und gaben finanzielle Zuschüsse. Obwohl es bereits seit Jahren eine Forschungszentrale für "neue religiöse Bewegungen" im King's College London gab, gelang es Dr. Barker - ehemals Schauspielerin von Beruf - viele zu überzeugen, daß es vor INFORMs Gründung keine zuverlässige Sekteninformation gegeben hätte.
Dr. Barkers Teilnahme an 18 Mun-Konferenzen auf Kosten der "Vereinigungskirche" war vielen bekannt. Die Mun-Bewegung lobte die Regierungsinitiative in einer ihrer Schriften in einem Artikel "Welcome INFORM".
INFORM fing an, Seminare zu halten, bei denen eingeladene Sektenvertreter unkritisiert sprechen durften, eine Gelegenheit, die sie nur zu gern wahrnahmen.
Ratsuchende Eltern bekamen die Auskunft, daß der Eintritt in einen Kult nichts Schlimmes wäre und daß kaum jemand lange dabei bliebe. Behauptungen, die sich nicht mit FAIR's Erfahrung dekken.
Im März 1993 organisierte INFORM ein grosses 6-tägiges Seminar, zu dem auch unerfahrene Sektenforscher aus Osteuropa eingeladen wurden. Auf diesem Seminar wurden die Grenzen des Annehmbaren überschritten: Kultvertreter, vor allem Heber Jentzsch, Leiter von Scientology in Amerika, benutzten die Gelegenheit zu unverhüllter Propaganda. Darüber wäre viel Kritisches zu sagen. Anscheinend sah nun auch das Home Office ein, daß solche Veranstaltungen nicht der Aufgabe, "die wahre Natur der Bewegungen bloßzustellen", entsprachen, und die Bezuschussung von INFORM wurde gestrichen.
Trotzdem hat Dr. Barker weiterhin viel Einfluß und wird oft als 'Expertin' herangeholt, um vor Gericht auszusagen. Ihre Aussagen sind nie gegen die Kulte gerichtet.

Wie sieht die Zukunft aus

Die britischen Sekten- und Kult-Beratungsstellen können in der jetzigen Lage keinerlei Fortschritt sehen. Wir brauchen dringend Unterstützung. Da wir sie im eigenen Land nicht zu bekommen scheinen, strecken wir Fühler aus nach Europa, in der Hoffnung auf größere Zusammenarbeit. Dazu gibt es bereits eine Vorgeschichte: Richard Cottrell, damals Europa-Abgeordneter, gelang es 1984, eine gemeinsame Resolution im Europa-Parlament zu erreichen, in der Kriterien zum Schutz der Bevölkerung vor sektenartigen Organisationen enthalten sind. Die 13 Kriterien beziehen sich in der Hauptsache auf Anwerbung von Rekruten und die damit verbundenen Methoden. Die Aspiranten sollten nach der Resolution des Europaparlaments das Recht haben, ungehindert auszutreten, mit ihren Familien Kontakt zu behalten, ihre Ausbildungen zu beenden usw. Ein wichtiger Punkt war auch die Erlaubnis von Bedenkzeit vor dem Eintritt.
Richard Cottrell's Kriterien sollten von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Dies ist bedauerlicherweise nirgends geschehen.
FAIR und CIC (Cult Information Centre) sind die britischen Gruppen, die sich FECRIS angeschlossen haben (Federation Europeénne des Centres de Recherche et d'Information sur le Sectarisme), einer noch sehr jungen Organisation unter der Leitung von Dr. Jaques Richard, Paris. In diesem Zusammenschluß wollen Beratungsstellen aus 8 Ländern gemeinsam die Kultprobleme angehen, Informationen sammeln und auf der Grundlage der Menschenrechtskonvention auf 'Verbraucher-Schutz' dringen.

Abschlussgedanken

Es wird so viel über Religionsfreiheit gesprochen, geschrieben und gestritten im Zusammenhang mit Sekten und Psychogruppen. FAIR hat immer die Einstellung vertreten, daß der Glaube dieser Gruppen nicht der Anklagepunkt ist. Es handelt sich vielmehr um die von ihnen angewandten Methoden und dabei in der Hauptsache um betrügerische Werbung, Ausbeutung (vor allem der eigenen Mitglieder) und Mind Control-Techniken.
Wie immer sich die Lage sonst verändert haben mag - diese drei Methoden werden weiterhin benutzt und tragen dazu bei, daß der Strom von Anfragen und Beschwerden unglücklicher Eltern bei den Beratungsstellen nicht versiegt.
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