Seite 10 weiter Seite 11 (8 KB) | BERLINER DIALOG 13, 2-1998 - Michaelis
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DEUTSCHLAND |
von Frank Nordhausen und Liane von Billerbeck
Der Vorschlag klingt ein bißchen nach John Wayne. "Kurt Fliegerbauer muß diese Stadt verlassen", sagt Dieter Riemann. "Eine andere Lösung gibt es nicht." Riemann ist SPD-Stadtrat im sächsischen Zwickau. Kurt Fliegerbauer stammt aus München, ist Immobilienhändler und gilt als der größte private Investor in Zwickau. Er ist ein Mann mit Meriten, hochgeachtet und hochgeehrt - soweit der äußere Schein. Doch am 18. Februar legte Fliegerbauer während einer Veranstaltung der Autoren dieses Artikels zum Thema "Psycho-Sekten" auf drängende Fragen des Publikums ein klares Bekenntnis ab: "Ja, ich bin Mitglied von Scientology". Gut funktionierende Technologie
Es bestünden aber "keine Zusammenhänge" zwischen seiner Firma und Scientology, deren Methoden er in einem Fernsehinterview gleichwohl als "gut funktionierende Technologie" bezeichnete. Sonderabschreibung Ost
Auf dem Rechtsweg dürfte indessen wenig zu machen sein. Kurt Fliegerbauer ist in Zwickau fest etabliert. Er ist ein Geschäftsmann, der die Vorteile der Sonderabschreibung-Ost zu nutzen versteht. Mit seiner Firma "Schloß Osterstein Verwaltungs GmbH" erwarb er seit 1993 rund 200 Gründerzeithäuser in der historischen Altstadt, um sie zu sanieren und dann teuer zu verkaufen. Da er auch denkmalgeschützte Gebäude wieder aufmöbelt, erwarb er sich einen Ruf als Wohltäter der Stadt. Leuchttürme im Vogtland Fliegerbauer verkehrt freundschaftlich mit zahlreichen Politikern und Wirtschaftsgrößen der Region. Er trat als Sponsor für eine Theatergruppe und eine Sendung im Lokalfernsehen "Zwickau TV" auf. Er bot der Stadt an, das Gewandhaus zu sanieren und ein "Museum der modernen Kunst" einzurichten. Er verlegte einen prachtvollen Bildband über Zwickaus Architektur und kassierte als Lohn für seine Mühen um das Stadtbild im vergangenen Juli den begehrten Architekturpreis der Stadt. "Sie haben Leuchttürme gesetzt, Herr Fliegerbauer", jubelte Vizebürgermeister Dietmar Vettermann (CDU) bei einem Fest im vergangenen September, auf dem der Investor sein hundertstes in Zwickau renoviertes Haus feierte; unter den Gratulanten hochrangige Scientologen wie der Schockmaler Gottfried Helnwein, mit dem Fliegerbauer eng befreundet ist. Nachweislich WISE
Die Lobgesänge sind um so erstaunlicher, da seit zwei Jahren durch Recherchen der Autoren dieses Artikels auch in Zwickau bekannt ist, daß Kurt Fliegerbauer Scientology keineswegs nur als Privatvergnügen betreibt. Nachweislich unterwarf er sich in einer "Geschäftsangelegenheit" dem Schiedsspruch eines Scientology-Gerichts ("WISE Charter Committee"); es ging um die Sanierung eines Hauses, mit der der Käufer, der Scientologe Reinhard Danne, nicht einverstanden war. Mehrere Zeugen sagen inzwischen aus, daß Fliegerbauer in seiner Firma regelmäßige "Statistik-Treffen" abhalte, die Angestellten einer unverhältnismäßigen Überwachung unterziehe und den Betrieb streng nach "Org-Board" organisiere - wie in der HubbardManagement-Technologie vorgeschrieben. "Er ist ein absoluter Machtmensch und duldet keinen Widerspruch", urteilt ein ehemaliger Mitarbeiter. Imageschaden trotz harten Ringens
Auch die Basis der in Zwickau regierenden CDU wird nun unruhig. Der CDUStadtrat Frank Seidel sagt: "Ich kann doch mit dem Teufel keine Geschäfte machen, nur weil er mir ein Problem vom Hals schafft." Und der Zwickauer Bundestagsabgeordnete Michael Luther (CDU) forderte nach dem überraschenden Coming out Fliegerbauers, daß öffentlich Bedienstete sowie Mitarbeiter von Parteien und Wohlfahrtsverbänden in Zwickau erklären sollen, nicht in Verbindung mit Scientology zu stehen. Firmen sollten nur dann mit öffentlichen Aufträgen bedacht werden, wenn sie ebenfalls eine solche Erklärung unterschreiben. Damit will Luther "ein Unterwandern gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Strukturen durch Scientology in der Zwickauer Region verhindern".
(Ausführliche Darstellung der Entstehung des Zwickauer Scientology-Skandals in: |
Liane von Billerbeck, 40, studierte Journalistik in Leipzig und war Kulturredakteurin bei der Neuen Berliner Illustrierten und beim extramagazin. Sie arbeitet jetzt als freie Journalistin, u. a. als Hörfunk- und Fernsehmoderatorin für den ORB.
Frank Nordhausen, 41, arbeitet nach dem Studium der Philosophie, Germanistik und Geschichte in Berlin als Journalist und forscht über den geheimnisvollen deutsch-mexikanischen Schriftsteller B. Traven. |
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