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BERLINER DIALOG 13, 2-1998 - Michaelis

DEUTSCHLAND

Wieder Aufregung um den "Paten von Zwickau"
von Frank Nordhausen und Liane von Billerbeck

Der Vorschlag klingt ein bißchen nach John Wayne. "Kurt Fliegerbauer muß diese Stadt verlassen", sagt Dieter Riemann. "Eine andere Lösung gibt es nicht." Riemann ist SPD-Stadtrat im sächsischen Zwickau. Kurt Fliegerbauer stammt aus München, ist Immobilienhändler und gilt als der größte private Investor in Zwickau. Er ist ein Mann mit Meriten, hochgeachtet und hochgeehrt - soweit der äußere Schein. Doch am 18. Februar legte Fliegerbauer während einer Veranstaltung der Autoren dieses Artikels zum Thema "Psycho-Sekten" auf drängende Fragen des Publikums ein klares Bekenntnis ab: "Ja, ich bin Mitglied von Scientology".
Das Geständnis schlägt seitdem hohe Wellen in Zwickau. Es bringt die örtlichen Politiker noch stärker in Verlegenheit, als sie es ohnehin schon sind. Bisher hielt man sich in Zwickau an die Parole: "Es gibt Vorwürfe, aber keinen Beweis." Man verschloß einfach die Augen vor der Tatsache, daß der "potente Geschäftsmann" Mitglied einer "verbrecherischen Geldwäscherorganisation" ist, wie Arbeitsminister Norbert Blüm die Scientologen tituliert. Schließlich hatte Fliegerbauer immer wieder beteuert, seit seine Scientology-Verbindung vor zwei Jahren aufflog: "Ich habe dort lediglich mal ein paar Kurse besucht."

Gut funktionierende Technologie

Es bestünden aber "keine Zusammenhänge" zwischen seiner Firma und Scientology, deren Methoden er in einem Fernsehinterview gleichwohl als "gut funktionierende Technologie" bezeichnete.
Jetzt reagieren die Zwickauer Politiker. "Was gedenkt die Stadtspitze zu unternehmen, um das Image einer Scientology-Hochburg abzuwehren?" fragte Dieter Riemann im Stadtparlament. Er forderte den Oberbürgermeister Rainer Eichhorn (CDU) auf, "entsprechende Rechtsmittel einzusetzen, um dem Treiben von Scientologen in unserer Stadt endlich ein Ende zu bereiten."

Sonderabschreibung Ost

Auf dem Rechtsweg dürfte indessen wenig zu machen sein. Kurt Fliegerbauer ist in Zwickau fest etabliert. Er ist ein Geschäftsmann, der die Vorteile der Sonderabschreibung-Ost zu nutzen versteht. Mit seiner Firma "Schloß Osterstein Verwaltungs GmbH" erwarb er seit 1993 rund 200 Gründerzeithäuser in der historischen Altstadt, um sie zu sanieren und dann teuer zu verkaufen. Da er auch denkmalgeschützte Gebäude wieder aufmöbelt, erwarb er sich einen Ruf als Wohltäter der Stadt.
Doch der "Pate von Zwickau", wie ihn manche nennen, ist keineswegs unumstritten. Viele Bauunternehmer der Region sind von seinen Aufträgen abhängig. Immer wieder gibt es Klagen, er drücke aufgrund seiner marktbeherrschenden Position die Preise; zahlreiche Subunternehmer fühlen sich durch seine Geschäftsmethoden geschädigt. Zugleich verstand er es, ein filigranes Netzwerk von Kontakten und Abhängigkeiten zu knüpfen -, "wie die Mafia von Palermo", meint Dieter Riemann.

Leuchttürme im Vogtland

Fliegerbauer verkehrt freundschaftlich mit zahlreichen Politikern und Wirtschaftsgrößen der Region. Er trat als Sponsor für eine Theatergruppe und eine Sendung im Lokalfernsehen "Zwickau TV" auf. Er bot der Stadt an, das Gewandhaus zu sanieren und ein "Museum der modernen Kunst" einzurichten. Er verlegte einen prachtvollen Bildband über Zwickaus Architektur und kassierte als Lohn für seine Mühen um das Stadtbild im vergangenen Juli den begehrten Architekturpreis der Stadt. "Sie haben Leuchttürme gesetzt, Herr Fliegerbauer", jubelte Vizebürgermeister Dietmar Vettermann (CDU) bei einem Fest im vergangenen September, auf dem der Investor sein hundertstes in Zwickau renoviertes Haus feierte; unter den Gratulanten hochrangige Scientologen wie der Schockmaler Gottfried Helnwein, mit dem Fliegerbauer eng befreundet ist.

Nachweislich WISE

Die Lobgesänge sind um so erstaunlicher, da seit zwei Jahren durch Recherchen der Autoren dieses Artikels auch in Zwickau bekannt ist, daß Kurt Fliegerbauer Scientology keineswegs nur als Privatvergnügen betreibt. Nachweislich unterwarf er sich in einer "Geschäftsangelegenheit" dem Schiedsspruch eines Scientology-Gerichts ("WISE Charter Committee"); es ging um die Sanierung eines Hauses, mit der der Käufer, der Scientologe Reinhard Danne, nicht einverstanden war. Mehrere Zeugen sagen inzwischen aus, daß Fliegerbauer in seiner Firma regelmäßige "Statistik-Treffen" abhalte, die Angestellten einer unverhältnismäßigen Überwachung unterziehe und den Betrieb streng nach "Org-Board" organisiere - wie in der HubbardManagement-Technologie vorgeschrieben. "Er ist ein absoluter Machtmensch und duldet keinen Widerspruch", urteilt ein ehemaliger Mitarbeiter.
Fliegerbauer hat bislang vermutlich mehr als 50 Millionen Mark Gewinn in Zwickau erzielt. Zugleich hat er als "Operierender Thetan" der Stufe VII, "Lebenszeit-Mitglied" der "International Association of Scientologists" (IAS) und regelmäßiger Besucher der Scientology-Kaderschmiede FLAG in Florida erhebliche Summen in die Kassen der Organisation gezahlt. Ein Fliegerbauer-Bauleiter versuchte noch 1997, Subunternehmer für Scientology zu werben. Der Vertrieb der Häuser läuft über die gut geölte Scientology-Immobilien-Maschine im KölnBonner Raum, in Baden-Württemberg und in Bayern. Fliegerbauers Kompagnon in Zwickau, der Münchner Scientologe Günther von Jan, steht laut internen Dokumenten in Verbindung mit dem Scientology-Geheimdienst OSA. Und immer wieder tauchen Scientologyleute als Mitarbeiter oder Geschäftsfreunde in Zwickau auf. Das Vorgehen der Scientologen in Zwickau nennt die Hamburger Scientology-Beauftragte Ursula Caberta "geradezu exemplarisch für das Streben der Organisation nach Geld, Einfluß und Macht". Und Pfarrer Gandow spricht von einer "scientologischen Landnahme in ungeahntem Ausmaß".

Imageschaden trotz harten Ringens

Auch die Basis der in Zwickau regierenden CDU wird nun unruhig. Der CDUStadtrat Frank Seidel sagt: "Ich kann doch mit dem Teufel keine Geschäfte machen, nur weil er mir ein Problem vom Hals schafft." Und der Zwickauer Bundestagsabgeordnete Michael Luther (CDU) forderte nach dem überraschenden Coming out Fliegerbauers, daß öffentlich Bedienstete sowie Mitarbeiter von Parteien und Wohlfahrtsverbänden in Zwickau erklären sollen, nicht in Verbindung mit Scientology zu stehen. Firmen sollten nur dann mit öffentlichen Aufträgen bedacht werden, wenn sie ebenfalls eine solche Erklärung unterschreiben. Damit will Luther "ein Unterwandern gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Strukturen durch Scientology in der Zwickauer Region verhindern".
Er wird wohl auch im eigenen Haus kehren müssen. Als die Scientology-Verbindung vor zwei Jahren aufflog, erklärte der Zwickauer Stadtrat, keine kommunalen Grundstücke mehr an Kurt Fliegerbauer zu verkaufen. Tatsächlich wurde dies von der Stadtspitze jahrelang hintertrieben. Die Stadt Zwickau verkaufte seitdem drei Immobilien an den Münchner Scientologen, und Fliegerbauer konnte von der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GGZ seit 1995 sogar weitere sieben Gebäude erwerben, eines davon noch in diesem Jahr. Im Aufsichtsrat der GGZ sitzen Oberbürgermeister Eichhorn, Vizebürgermeister Vettermann und zahlreiche Stadträte. "In jedem Fall ist erst nach hartem Ringen verkauft worden", verteidigt Vettermann die Geschäfte. Man habe nur in "Zwangslagen" Immobilien veräußert, und "niemals leichtfertig". In Zukunft werde man aber wohl "vorsichtiger sein" müssen. Es wird schwer werden, den Imageschaden zu begrenzen.
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(Ausführliche Darstellung der Entstehung des Zwickauer Scientology-Skandals in:
Frank Nordhausen, Liane v. Billerbeck: Psycho-Sekten. Die Praktiken der Seelenfänger. Ch. Links Verlag 1997.)

Liane von Billerbeck, 40, studierte Journalistik in Leipzig und war Kulturredakteurin bei der Neuen Berliner Illustrierten und beim extramagazin. Sie arbeitet jetzt als freie Journalistin, u. a. als Hörfunk- und Fernsehmoderatorin für den ORB.
Frank Nordhausen, 41, arbeitet nach dem Studium der Philosophie, Germanistik und Geschichte in Berlin als Journalist und forscht über den geheimnisvollen deutsch-mexikanischen Schriftsteller B. Traven.

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Liane von Billerbeck und Frank Nordhausen