Seite 19-21 n_rechtsweiter Seite 22 ( 9 KB) n_links Start-Seite 1

DOKUMENTATION

BERLINER DIALOG 16, 1-1999 - Ostern

Wenn Wunschblasen platzen
Kann die Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewußtsein durch innerkirchliche
Sprachregelungen ihr Sektenimage überwinden?

An dieser Stelle hatten wir vor kurzem Überlegungen von Prof. Georg Schmid veröffentlicht, ob und wie die ISKCON, die "Internationale Gesellschaft für KrishnaBewußtsein", "ihr Sektenimage überwinden" könne. Zum Schluß seines mit zahlreichen Zitaten des ISKCON-Gründers belegten Beitrages (1) führte Prof. Schmid aus:
"Kritikloser Gurugehorsam, Bevormundung der Frau, Gewaltanwendung im Dienst für Gott und ähnliche religiöse Vorurteile und aggressive Maximen waren und sind in vielen Kulturen und Glaubenswelten sprituelle und moralische Katastrophen, die in entsprechenden Umständen zu religiösen Tugenden erklärt wurden und werden. Während aber andernorts da und dort mit wachsender Selbsterkenntnis die Katastrophe bereits als Katastrophe wahrgenommen wird, scheint die Gesellschaft für Krishna-Bewußtsein noch weit von dieser Erkenntnis entfernt zu sein.
Die Gesellschaft für Krihsna-Bewußtsein versucht in unseren Tagen ihr Sektenimage abzulegen und sich als liberale Form altindischer Spiritualität zu präsentieren. Diese Absicht ist löblich.

Aber wenn die Gesellschaft für Krishna- Bewußtsein sich von den sektenhaften Tendenzen in ihrer Vergangenheit verabschieden will, so muß sie im wesentlichen auch Lehren und Erkenntnisse ihres Meisters Prabhupada verabschieden. Und von diesem Mut ist bisher in der Gesellschaft für Krishna-Bewußtsein noch nichts zu spüren. Das Wort des Meisters ist immer noch über jede Kritik erhaben."

Podium1a

Redaktionelle Schwierigkeiten des vergangenen Jahres führten dazu, daß der BERLINER DIALOG 3-98 erst Mitte Januar ausgeliefert werden konnte. So kam er "zufällig" und wie bestellt und äußerst passend zu den Jubiläumsfeierlichkeiten der ISKCON, die am 29. und 30. Januar in Köln eine Tagung zum Thema "30 Jahre ISKCON in Deutschland - Rückblick und Ausblick" im StadtRaum, Köln abhielt.
Auch der Beitrag von Prof. Dr. Georg Schmid aus dem BERLINER DIALOG floß nun in die Debatte ein. Überraschenderweise wurde aber von einer Psychologin, die sich hauptberuflich in der "Sektenberatung" engagiert, nicht gefragt, ob Schmids Anfragen berechtigt sind, sondern was man "dagegen", also gegen die Veröffentlichung solcher Positionen, innerkirchlich tun könne.
Mit dabei war ein erlauchter Kreis von Diskutanten auf dem Podium und im Publikum. (2)
Wir dokumentieren im Folgenden mitgeschriebene Auszüge aus dieser Podiusmdiskussion. (3)
Wir beschränken uns dabei auf den Teil der Diskussion, der sich direkt auf den BERLINER DIALOG 3-98 bezieht und eine Art Antwort auf die Überlegungen der Redaktion darstellt, die wir unter der Überschrift "Szene im Wandel" auf S. 10 des Heftes 3-98 niedergelegt hatten bzw. die Passagen, die indirekte Kritik an den von Prof. Schmid vorgetragenen Gedanken zur Wandlungsfähigkeit der ISKCON enthalten.

"30 Jahre ISKCON in Deutschland - Rückblick und Ausblick"
Ausschnitt aus einer "Interreligiösen Podiumsdiskussion" am 29. Januar 1999

Frau Roderigo (AJS Köln) fragte nach dem "eigentlichen Thema" der Veranstaltung, nämlich dem "interreligiösen Dialog". Was werde dafür getan, daß diese Dialogbereitschaft gefördert wird?
Sie richtete ihre Frage ganz besonders an Herrn Dr. Hummel als "Vertreter" der Kirche und lobte:

"Ich fand Ihren Vortrag heute morgen sehr gut. Das möchte ich gerne bekennen, der hat mir sehr gut gefallen. Sie haben Stichworte gesagt, die mir im Gedächtnis geblieben sind: Sie haben sich sehr vehement dagegen gewandt, daß es zu einer Perpetuierung des alten Images kommt.
Nun möchte ich Sie etwas fragen: Ich habe gestern den BERLINER DIALOG auf den Schreibtisch bekommen, für den verantwortlich zeichnet Ihr Kollege, Herr Pfr. Thomas Gandow."

In dem ganz neuen BERLINER DIALOG (4) gebe es einen Artikel von Herrn Professor Dr. Georg Schmid, "und in dem wird nichts anderes getan als die Perpetuierung eines alten Images".

Frau Roderigo (AJS) kritisierte, es würden "seitenweise Zitate von Prabhupada herausgefiltert", die in dieser Zusammenschau erschrecken ließen. Dies würde, sagte Frau Roderigo (AJS) auch "eine aufgeklärte Frau wie mich" zusammenzucken lassen. Wenn das hier wiedergegebene z.B. das Frauenbild der ISKCON sei, dann könne sie ja eigentlich nicht weiter mit Alice Schumann von der Öffentlichkeitsabteilung der ISKCON in den Dialog treten. Statt nun aber an Frau Schumann die Frage zu richten, ob diese Prabhupad-Zitate stimmen und wie die Frauen in der ISKCON zu diesen Äußerungen ihres Gurus stehen, wandte sie sich an Dr. Hummel:

"...was wird dagegen getan innnerkirchlich?..."
"Ich frage nun, was wird dagegen getan innnerkirchlich?"
Wenn diese Art von kritischen Veröffentlichungen von Seiten der Kirche "Standard" wäre, würde ihrer Meinung nach keine Bereitschaft zum Dialog geweckt werden.

Schmid, CH

Besser qualifizierte oder schlechter qualifizierte Kritik?
Prof. Dr. Georg Schmid, Schweiz
Foto: privat

"Was passiert innerkirchlich, um diese doch sehr auseinanderklaffenden Standpunkte zu klären?"
Dr. Hummel antwortete auf die Frage nach dem ISKCON-Artikel von Prof. Schmid wörtlich:
"Nach meiner Meinung ist das Nebeneinander von besser qualifizierter Kritik an solchen Gruppen und schlechter qualifizierter Kritik ein durchgängiges Phänomen nicht nur bei den Kirchen."
Es solle sich nicht so anhören als seien die Kirchen immer nur die Scharfmacher gewesen. Vielmehr sei es oft so, daß eben gerade die Medien die Vorgaben leisteten, mit denen "wir uns" - es war nicht deutlich, ob damit "die Kirchen", EZW oder das tagenden Forum gemeint war sich "nur mühsam" auseinandersetzen könnten; "wir" hätten teilweise sogar "sehr kräftig gegen anstinken" müssen.

"...sehr kräftig dagegen anstinken..."
Im Übrigen hätten "wir in der EZW seit Jahrzehnten versucht, den Sektenbegriff aus dem Verkehr zu ziehen", es sei nur einfach nicht gelungen.
Das liege in gewisser Weise auch an Veröffentlichungen über bestimmte radikale Gruppen, z.B. wenn auf einmal die Selbstvernichtung des Sonnentemplerordens oder "diese Kinderquälerei" bei der Thakar Sing-Gruppe passiert oder die "Giftgasanschläge in Tokio", dann würden "die Leute einen Schreck" bekommen und in den Zeitungen würde "überall dick 'Sekten'" stehen. Gegen diesen "öffentlichen Sektenbegriff ist schlechterdings nicht anzukommen", das sei die Erfahrung der EZW.

"Wir haben in der EZW seit Jahrzehnten versucht, den Sektenbegriff aus dem Verkehr zu ziehen..."
Deshalb habe wohl auch die EnqueteKommission "weil dieser Sektenbegriff so aktuell und vielsagend und bekannt ist", nicht darauf verzichten können.
Er wolle nochmals sagen, man möge mit der Kritik "nicht immer nur die Kirche in Augenschein nehmen!"
Er selbst habe neulich sogar "einen Schreck" bekommen, als er auf dem Büchertisch seiner Kirchengemeinde als einziges Sektenbuch das von Hugo Stamm fand. Hummel meinte: "Hugo Stamm ist an sich ein Journalist und richtig schön säkular, und er müßte gegenüber religiösen Phänomenen sehr neutral sein." Das Schlimme sei, daß er das eben nicht sei, "sondern er ist schlimmer als alle anderen in vieler Hinsicht". Allerdings sagte Hummel "es gibt noch Schlimmere!"

"...es gibt noch Schlimmere"
Wer z.B. den Unterschied zwischen Mantrasingen und Chanten einerseits und Gehirnwäsche andererseits nicht begreife, "der soll lieber seine Finger aus diesem Geschäft lassen".

Friedrich-Wilhelm Haack "war ein ganz genialer Typ..."
Hummel kam dann auf die Frage nach dem BERLINER DIALOG zurück und sagte "Ich muß also sagen, ich halte ihn nicht und ich habe ihn nicht gelesen".
Was sich eingebürgert habe im Bereich kirchlicher Sektenarbeit sei "ein starkes Element von Einzelkämpfertum. Das war ja bei dem verstorbenen Friedrich Wilhelm Haack (5) genauso, der war ein ganz genialer Typ und hatte die große Gabe, alles auf den Punkt zu bringen, und wenn er nett sein wollte, konnte er sehr nett sein, er wollte aber nicht immer."

"Aber das Problem mit Haack war..."
"Aber das Problem mit Haack war, daß er natürlich dauernd Krach mit seiner Kirchenbehörde hatte, aber die Kirchenbehörde hat gegen den Mann einfach nichts ausrichten können, denn er hatte seine Öffentlichkeit."

"...bei Haack antelefoniert, nicht bei der EZW. Und das ist das Problem."
Wenn irgendwo eine neue Einschätzung gefragt war, dann hätten die Medien "bei Haack antelefoniert, nicht bei der EZW. Und das ist das Problem."
Bestimmte "charismatische Gestalten in diesem Bereich" würden nicht nur zum Telefonhörer greifen, sondern damit "das Heft des Handelns und Wirkens an sich" reißen und die Presse sei dann froh darüber, daß sie "so'n paar Leute mit 'nem Kämpferheiligenschein" habe; "und dann geht's los!"

Unvermittelt kam Dr. Hummel dann auf einen der Herausgeber des BERLINER DIALOG, Pfr. Thomas Gandow, zu sprechen und sagte voraus: "Der Berliner Kollege hat meines Erachtens die Zukunft nicht für sich". Er, Hummel, habe nämlich das Gefühl, die Enquete-Kommission sei gerade zur richtigen Zeit gekommen. Die Stimmung könne jetzt umzuschlagen beginnen. Aber nur "wenn alle darauf achten und wir in dieser Richtung gemeinsam wirken". Das alte "Sektenklischee" habe sich verbraucht. Wörtlich setzte Dr. Hummel hinzu:

Kontinuität von Springfeld zu Dehn?
"Ich glaube, daß dieser gemäßigte Kurs der EZW, wie ich ihn heute Morgen vorgestellt habe, mit großer Kontinuität von Alfred Springfeld (6) 1972 bis zu Ulrich Dehn 1998, ganz konstant den Kurs einhält, nach einem inneren Kompass." Das werde sich auf die Dauer durchsetzen.
Bei den Kirchenregierungen und Kirchenbehörden etc. Sei das sowieso so, "die leiden doch alle unter diesen Einzelkämpfern und wissen nur, daß sie nichts gegen sie ausrichten können".
Schließlich fragte Dr. Hummel: "Klang das zu negativ? Muß ich noch etwas Positives über den BERLINER DIALOG sagen?"

Frau Roderigo entgegnete: "Nein!". Sie sei zu 95% mit ihm einer Meinung, aber sie wolle noch mehr über seine Einschätzung von Einzelkämpfern wissen. Denn die würden sehr gerne in den Medien gesehen werden, hätten ein öffentliches Publikum und könnten die "Dialogbereitschaft maßgeblich beeinflussen". Wenn zum Beispiel solche Veröffentlichungen (wie der Artikel von Prof. Schmid) oder solche Stimme (wie der BERLINER DIALOG) laut werde, dann stelle sich die Frage, "wie weit ist es wirklich mit der Dialogbereitschaft" von Seiten der Kirche.

Ihre Frage ziele darauf, "was macht jetzt bei Ihnen die Evangelische Kirche" sozusagen im "intrareligiösen Dialog", damit eine positive Dialogbereitschaft gestärkt werde. Denn es gebe nun mal diese Einzelkämpfer, die das Bild bisher bestimmen würden.

Einzelkämpfer

Einzelkämpfer bestimmen das Bild:
Pfr. Gandow,
4. Von rechts, bei einer Konferenz in Ungarn

Wenn die Phantasie durchgeht "...dann geht es teilweise hoch her"
Hummel antwortete:
"Ich weise noch einmal darauf hin, das geschieht in der Regel gar nicht durch einen Dialog sondern durch Zitierung des betreffenden Herren in die Amtsstuben der Kirchenbehörden und dann geht es teilweise hoch her."
Er stellte fest: "Die Kirchenbehörden wollen das nicht"; sie wollten natürlich auch keine Klagen auf den Hals haben und darum gebe es ein ganz berechtigtes Eigeninteresse der Kirchenbehörden, "die Wellen der Konflikte nicht zu hoch schlagen zu lassen"

"...was die Krishna-Bewegung gegenwärtig macht, ist im Prinzip völlig richtig..."
Gerade deshalb riet er dazu, sich "nicht zu sehr auf den innerkirchlichen Dialog zu verlassen". "Das muß teilweise ausgekämpft werden". Hummel fügte hinzu "was die Hare Krishna- Bewegung gegenwärtig macht, ist im Prinzip völlig richtig und das einzige Mittel an dieser Stelle um weiter zu kommen" indem man sage: "Wir haben ein Stück unserer Vergangenheit abgelegt, und wir bedauern das und wir erhoffen nun auch von der anderen Seite ein Echo darauf"
Das sei eine Position, mit der man an die Kirchen herantreten könne. Und damit könne man unter Umständen erreichen, daß "die Einzelkämpfer sich aus dem Dialogbereich selbst abmelden". Dann könnten "andere Foren, runde Tische und andere Kanäle der Information und Kommunikation" entstehen. Dadurch könne dann auch "interreligiöser Frieden" hergestellt werden.
Man solle so einen "Pazifizierungsdialog" starten. Dazu müßten sich alle "selbst pazifizieren". "Hare Krishna tut das". Die Kirchen müßten es auch tun. Er habe sich schon immer dafür eingesetzt, nicht erst seitdem er Ruheständler sei. Er sei schon lange dafür, die "Änderungsprozesse in Hare Krishna" anzuerkennen. Das habe er bereits 1994 getan, "da war ich noch Chef der EZW".

Anmerkungen
(1) Prof. Dr. Georg Schmid: 'Bei allem, was man tut, sich vom Guru führen lassen': Wie kann die Gesellschaft für KrishnaBewußtsein ihr Sektenimage überwinden? in: BERLINER DIALOG 3-98, S. 11-14
(2) Öffentliche Veranstaltung (55,- DM Eintritt) der Akademie für Vaishnava-Kultur zum Thema "30 Jahre ISKCON in Deutschland - Rückblick und Ausblick" im StadtRaum, Köln. Teilnehmer an der Podiumsdiskussion waren u.a.:
- Dr. Jürgen Eiben, ein promovierter Sozialwissenschaftler und Mitglied der SektenEnquete-Kommission des vorigen Bundestages
- Werner Höbsch , Erzbistum Köln, Abt. Jugendseelsorge
- Dr. Reinhart Hummel, Ev. Theologe, ehem. Leiter der EZW
- Dr. Angelika Köster-Loßack Bundestagsabgeordnete für "Bündnis90/Grüne" und Mitglied der Sekten-Enquete-Kommission des vorigen Bundestages.
- "Saunaka Rsi das" (nom de guerre; der richtige Name des Öffentlichkeits(!)beauftragten des ISKCON-Kommunikationsbüros für Europa aus Irland konnte von der Redaktion leider nicht ermittelt werden).
Als Diskussionsleiter fungierte Dr. Fritz Huth, Sektenbeauftragter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, der sich seine Moderatorensporen als Mitglied des Organisationskomitees der "5. Europäischen Hindu-Konferenz" der von Kritikern in Indien als "hindufaschistisch" klassifizierten Vishwa Hindu Parishad (VHP) verdient hatte.
(3) Die vollständige Diskussion und die Referate sollen nach unseren Informationen eines Tages von der ISKCON mit einer umfänglichen Broschüre dokumentiert werden.
(4) Gemeint ist der Artikel von Prof. Dr. Georg Schmid im BERLINER DIALOG 3-98, S. 11-14; vgl. Anm. 1)
(5) Pfr. Friedrich-Wilhelm Haack, * 11. August 1935 † 4. März 1991, war Beauftragter der Ev.-Luth. Landeskirche Bayerns für Sekten- und Weltanschauungsfragen. Er hat nicht nur zu Lebzeiten Freund und Feind bewegt, sondern verunsichert manche Gemüter noch heute, die die Begegnung mit ihm nur als Infragestellung eigener Positionen erinnern. Herausgeber und Redaktion sind an F.W. Haacks achtem Todestag bewegt und stolz, zu erfahren, daß zur Charakterisierung des BERLINER DIALOG ausgerechnet an diesen mutigen Christusstreiter erinnert wird. "Gedenkt an Eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schauet an und folgt ihrem Glauben nach." Hebräer 13,7
(6) Hier hat das Gedächtnis Herrn Dr. Hummel wieder einen Streich gespielt: Pfr. Alfred Springfeld (†), Ehrenmitglied des Leiterkreises der KLB, war niemals Mitarbeiter der EZW, sondern nebenamtlicher Sektenbeauftragter der Ev. Luth. Kirche in Hamburg und Mitglied des Arbeitskreises Religiöse Gemeinschaften der VELKD; in dieser Eigenschaft und auf dem Hintergrund seiner Erfahrungen mit ISKCONBetroffenen in Seelsorge und Beratung konzipierte er den ersten kritischen Artikel über die Krishna-Bewegung im Handbuch Religiöse Gemeinschaften (HRG) der VELKD.


Kommentar
Genau hier aber liegt der Hase im Pfeffer. Es ist bestürzend und peinlich, daß ein ehemaliger kirchlicher Mitarbeiter, der pensionierte Leiter der EZW, Pfr. Dr. Hummel, auf der Veranstaltung einer umstrittenen Gurubewegung mit angeblichem kirchlichem Insiderwissen und u.a. mit dem offiziellen Anspruch, die Problemsicht einer EKD-Institution darzustellen, strategische Ratschläge gibt und dabei Kollegen- und Kirchenschelte betreibt. Sein Thema laut Programm: "Entwicklung der ISKCON aus der Sicht der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen".
Hummels hier dokumentierte Auslassungen fielen in der offiziellen "Podiumsdiskussion mit den Referenten"; eine Diskussion nach den einzelnen Vorträgen fand nicht statt. Seine Ausführungen in der Diskussion, im institutionellen "wir" gehalten, müssen bis zur Erklärung des Gegenteils wohl wie sein Vortrag der von Hummel dargestellten "Sicht der EZW" zugerechnet werden.

Fragen
Die hier dokumentierten Argumentationen bei der ISKCON-Podiumsdiskussion sind Beispiel dafür, wie Realitätsverleugnung möglich wird, wenn man mit vorgefaßten Meinungen nicht nur an eine Bewegung wie die ISKCON ("im Wandel"), sondern mit Scheuklappen und Vorurteilen auch an kritische Beiträge herangeht.

Es ergeben sich eine Menge Nachfragen:
? Kann man im Jahre 1999, wenn man bemüht ist um differenziertes, auch nur ansatzweise wissenschaftliches Herangehen, das Phänomen des Vaishnaismus und der Krishna-Bewegung im weiten Sinne einerseits, der prolematischen ISKCON-Organisation andererseits, selbst in einer Diskussion, unter dem laienhaften Begriff "Hare Krishna" zusammenfassen?
Es ist zu vermuten, daß sich hier mehr als semantisches Ungeschick verbirgt, möglicherweise wenigstens die versäumte Aufarbeitung der letzten zehn Jahre Organisationsgeschichte der ISKCON und der übrigen, nicht zu diesem Kult-Konzern gehörenden Krishna-Bewegung.
? Können Absichtserklärungen und Selbstdarstellungen einer Organisation die Grundlage für eine kirchliche Positionsgewinnung abgeben? Reichen sie wirklich aus?
? Muß nicht reflektiert werden, was mit verschwundenen und aus dem Verkehr gezogenen "Dialog-Partnern" geschehen ist, wie z.B. mit dem bisher für das Gespräch mit Kirchen und ihren Sektenbeauftragten allzuständigen Herrn Dirk Büchner?
? Warum kann der Eindruck vermittelt werden, es habe Kinderquälerei nur bei der Thakar-Singh-Gruppe gegeben und der durch das Wirken radikaler anderer Gruppen vermittelte schlechte Eindruck sei zu Unrecht auf die ISKCON übertragen worden?
? Kann man zur Zeit über die kirchliche Haltung zur ISKCON überhaupt reden, ohne die Frage des Kindesmißbrauchs auch nur anzusprechen?
? Was macht ausgerechnet die aufdringlichsten, problemüberhäuftesten, konfliktträchtigsten unausgegorensten Gurubewegungen und Organisationen zu MußPartnern für "interreligiösen Dialog" und "Runde Tische"?

Wir wollen diese Fragen an dieser Stelle nicht vertiefen und etwa darüber rechten, ob die "aus der Sicht der EZW" gegebene Präsentation ausreichend sachkundig und für die ISKCON selbst hilfreich war.

Kirchliche Interna
Eine Frage aber sollte erlaubt sein: Kann es wirklich im Sinne eines EKD-Institutes sein, daß bei einer gegnerischen oder jedenfalls nicht-kirchlichen Werbe-Veranstaltung phantasierte oder reale kirchliche Interna mit dem Anspruch institutioneller Kompetenz ausgeplaudert werden? Wir werden versuchen, diese Frage mit dem neuen Leiter der EZW, Herrn Dr. Hempelmann anzusprechen und zu klären. - Red.


Seite 19-21 n_rechtsweiter Seite 22 ( 9 KB)
n_oben Anfang

n_links Start-Seite 1