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BERLINER DIALOG 26, 1-4 2002 - Epiphanias 2003

 

Die "Kirche des Letzten Testaments" (Vissarion­Sekte)
Aus einem amtlichen, 1999 in Irkutsk erschienenen Handbuch

In der zweiten Hälfte des Jahres 1994 wurde aus den Reihen der Anhänger Vissarions der Vorschlag gemacht, eine "Ökologische Versuchssiedlung" zu gründen. Die Kreisverwaltung Kuragino im Gouv. Krasnojarsk stellte der Gruppe zur Errichtung einer ökologischen Versuchssiedlung (für etwa 120 Familien) aus ihrem Waldbestand 250 Hektar Land zur Verfügung... Praktisch wird die Einhaltung einer sehr rigorosen Diät verlangt, die Schwangeren und Kindern die notwendigsten Stoffe vorenthält; stillende Mütter dürfen die Säuglinge nicht einmal mit Muttermilch nähren.
Nach Aussagen von Ärzten ist es bereits zu einigen Fällen von Auszehrung fanatischer Adepten Vissarions gekommen. Entbindungen werden im Wasser (in einer gewöhnlichen Tonne) vollzogen; Kinder impfen zu lassen und auch im Krankheitsfalle Medikamente zu sich zu nehmen ist verboten. Der Sektengründer hat Fälle von Selbstmord unter seinen Anhängern bestätigt; seiner Ansicht nach sei das eine völlig akzeptable Möglichkeit aus dem Leben zu gehen. Experten meinen, man müsse auch Massen­Selbstmord unter den Anhängern Vissarions befürchten - wenn wegen fehlender Finanzen die Stadt der Auserwählten nicht errichtet werden könne und die Sektenmitglieder dann nicht mehr die Möglichkeit hätten, an ihren früheren Wohnort zurückzukehren. Immerhin gibt es einige 'Predigten' von "Vissarion", wo er den Suizid rechtfertigt.
Zu den wichtigsten Aktivitäten der Gruppe stellt die Verbreitung einerseits von Video­ und Audiokassetten mit Predigten Vissarions und andererseits von Literatur der Sekte dar, womit Anhänger geworben werden sollen.
Nach Angaben der Leitung der "Kirche des Letzten Testaments" zählt die Sekte 50.000 Anhänger in 83 Ortschaften der Russischen Föderation und des Auslandes. In Wirklichkeit jedoch ist mit 10.000 Sekten­Mitgliedern zu rechnen, von denen die Hälfte im Gouvernement Kransojarsk lebt; die anderen leisten in vielen Städten Rußlands Missionsarbeit.
Torop­Vissarion behauptet, die "Große Heilige Wiedervereinigung" aller existierenden Konfessionen herbeizuführen. Seine Lehre ist praktisch ein Mischmasch aus Kosmologie, Christentum und Joga. Er weist dem Christentum - allerdings in sehr entstellter Form - eine führende Rolle zu. Seine Hauptthesen lauten: Der Schöpfer des Alls (das Absolute) besteht aus Materie, in ihm ist weder Gut noch Böse; Schöpfer der menschlichen Seele ist der Himmlische Vater, er hat das Gute gemacht; er ist der Quell des Lebensgeistes, der als er sich mit der Energie des Herzens der Mutter­Erde vereinigt hatte - dem Sohn Gottes das Leben schenkte. Es gibt einen Himmel und eine Hölle.
Aus dem Hinduismus ist die Seelenwanderung übernommen. Seelen, die das ihnen Bestimmte erfüllt und sich geistig entwickelt haben, gelangen ins Paradies. Wer aber zu keinem geistigen Wachstum befähigt ist, findet sich in der Hölle wieder. Der Mensch verkörpert sich auf der Erde bis zu zehnmal - und jedes Mal erhält er die Chance, sich geistig weiterzuentwickeln. Es gibt auch einen Virus des Bösen, der allein auf der Erde und nur unter den Menschen lebt. Dieser Virus ist der Teufel. Ihn haben die Menschen hervorgebracht - genauer gesagt: ihre sündhaften Absichten. Der Gedanke des Menschen ist Materie; er geht nie verloren; böse Gedanken bringen böse Geister hervor. ..."
Diesem pseudochristlichen totalitären Kult steht der 'neue Messias' Torop-Vissarion vor. Nach verschiedenen Angaben findet derzeit ein Prozeß der Verschmelzung von Anhängern Vissarions und der 'Weißen Bruderschaft' statt. ...
Irkutskie religioznye ob-edinenija. Spravocnik [Religiöse Vereinigungen in Irkutsk. Handbuch], Vierteljährliches Informationsbulletin, hrsg. vom Staatlichen Institut für soziale Initiativen, Irkutsk 1999, S.86-89.
Übersetzung: Gerd Stricker


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