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| BERLINER DIALOG 24-25, 1/2-2001 |
Religiös motivierter Terrorismus |
Ich werde mich der heiligen Armee anschließen Um allen Missetätern poa zu geben.
Terrorismus als religiöse Handlung
Es handelt sich bei ihm aber um einen religiösen Terrorismus im engeren Sinne, der nicht nur religiös motiviert ist, sondern seine Aktionen selbst als religiöse Handlungen versteht. Für den Terrorismus sind Stellvertreter- und Ersatz-Handlungen (z.B. Geiselnahmen, Angriff auf Botschaftsgebäude) typisch. Im religiösen Terrorismus werden solche Angriffe zu symbolischen Handlungen im strengen Sinne. Symbole (von gr. symballein: zusammentreffen) sind mehr als ein Bild; in ihnen treffen das Bild und das Vergegenwärtigte verdichtet, fast in Wesenseinheit zusammen. Sie bedürfen keiner Deutung mehr.
Totaler Terrorismus
Zum ersten Mal in der Geschichte hantierte eine religiöse Extremgruppe mit Waffen, die tendenziell den Weltuntergang herbeiführen können - und dies auch sollten. [...] |
Literaturhinweise zum religiösen Terrorismus |
Druck auf die Tokioter Stadtverwaltung
Es waren aber nicht nur die Empfehlungsschreiben, die zur schließlichen offiziellen Registrierung von AUM Shinri-Kyo in Japans Hauptstadt Tokio führten. Für eine Anerkennung als "religiöse Vereinigung" war und ist es in Tokio erforderlich, daß eine solche Vereinigung
Die Stadtverwaltung wollte die Organisation zunächst nicht als religiöse Vereinigung anerkennen, da es Beschwerden von betroffenen Eltern und Aussteigern gab, die angaben, daß AUM ausstiegswillige Mitglieder entführe und sie und ihre Familienmitglieder auch körperlich attackiere.
Der Medienskandal
Organisiertes Verbrechen, Polizei und Armee Zu betonen ist auch die Anziehungskraft, die die finanziellen und technischen Möglichkeiten der Sekte auf orientierungslose junge Wissenschaftler, Techniker und Ärzte in Japan hatten.14
Rußland - Offener Markt AUM Shinri-Kyo ließ auch Mitglieder ihrer Privatarmee in geheimen Trainingszentren des russischen Militärgeheimdienstes GRU ausbilden. Dies besagt ein Bericht der "Komsomolskaja Prawda", die behauptet, der Kreml sei voll darüber informiert gewesen.16 Für jeden Auszubildenden sollen 20.000 Dollar pro zehn Tage bezahlt worden sein. So hätten 20 AUM-Mitglieder einen Lehrgang in der Zeit vom 3. bis 13. Mai 1994 auf dem Übungsgelände der Tamaner Panzerdivision im Moskau-nahen Narofominsk absolviert. Insgesamt hätten mindestens 60 Japaner eine solche Ausbildung erhalten. Als Ausbilder sollen erfahrene Mitarbeiter der GRU- Terrorismusabteilung fungiert haben. Ihre Informationen will "Komsomolskaja Prawda" von "aus verständlichen Gründen nicht genannten Quellen" beim russischen Geheimdienst FSB erhalten haben. Der Fall sollte damals an ein Gericht übergeben werden. Nach Angaben der "Komsomolskaja Prawda" hätten die Ermittler der Staatsanwaltschaft allerdings die Weisung gehabt, "nicht zu tief zu bohren".
Laut "Komsomolskaja Prawda" liefen die "Ausbildungsaufträge über die in Moskau ansässige Russisch-Japanische Universität, die am 13. November 1991 auf Jelzins Weisung eingerichtet wurde. Die Universität sei vom damaligen Sonderbeauftragten des russischen Präsidenten Jeltzin für Tschetschenien, Oleg Lobow, betreut worden. Faktisch sei sie vom KGB- Oberst Alexander Murawjow geleitet worden.
"Es bleibt keine andere Wahl, als zum Terrorismus überzugehen"
Ein Jahr lang sprach der Guru immer wieder von Sarin und Giftgasanschlägen. So im März 1994, als er in diesem Zusammenhang erklärte: |
Vorbereitungen |
Nach Beschwerden und Presseberichten über Sarinspuren in Bodenproben aus Kamikishiki ließ Asahara die Anlagen schließen . Vor den Durchgang zur Gasfabrik ließ er eine riesige Shiva-Statue und eine Buddha-Figur aufstellen. Polizei und Wissenschaftler stoppten bei ihren Untersuchungen und Besichtigungen an dieser Stelle, die ja doch erkennbar religiös und unverdächtig erschien, weil sie es nicht wagten, die Religionsfreiheit der AUM Shinri-Kyo anzutasten. [...]
Willst Du ewigen Frieden, bereite Untergang vor
Creeds and Deeds
Nur eine gründliche Beschäftigung mit den Lehren einer Gruppe wie AUM Shinri-Kyo gibt einen Schlüssel ab für die Beurteilung möglicher Entwicklungen, die Deutung und Bedeutung von Gewalt in einer Gruppe, und ermöglicht die Abschätzung von Risiken und Bedrohungen der Allgemeinheit. [...]
Poa - Morden als geistlicher Beistand
Der Begriff für diese geistliche, seelsorgerliche Sterbebegleitung wurde als Erklärung des "Unfalltodes" von Naoki Ochi anscheinend erstmals eingesetzt. Ochi wollte aus der Gruppe austreten. Daraufhin diagnostizierte Asahara bei ihm karmische Belastungen, die durch eine spezielle "geistliche Übung", in Wirklichkeit wohl eher eine Strafaktion, beseitigt werden sollte: Ochi wurde mit gefesselten Beinen kopfüber aufgehängt. Als er das Bewußtsein verlor und schließlich aufhörte zu atmen, wurde dies als die Erreichung von Samadhi, Erleuchtung, interpretiert. Die Verantwortliche wurde damit beruhigt, sie habe gewissermaßen Erleuchtungshilfe, eben poa, geleistet. Die Leiche Ochis wurde eingeäschert, die Asche wurde im Ausguß weggespült. Sein Verschwinden wurde anderen aus der Gruppe damit erklärt, er sei "in die Welt" zurückgegangen.
Im Februar 1994 erzählte Asahara bei einer Rede in China von einer Vision, in der die Götter ihm geweissagt hätten, er werde von 1997 an als Kaiser von Japan herrschen. Er setze hinzu: |
In der Broschüre "Vajrayana Resolution" hieß es konsequenterweise: Ich werde allen Missetätern poa geben Ich werde allen Missetätern poa geben Ich werde allen Missetätern poa geben Ich werde alles tun, was für die Erlösung der Welt notwendig ist ... Ich werde das gesamte Vajrayana praktizieren ... Ich werde mit dieser Praktik nicht aufhören, auch wenn ich daran sterbe ... Ich werde Vajrayana praktizieren, ohne mir Gedanken zu machen. Jetzt, wie es in der Bibel steht, kommt endlich der Tag Harmageddons. Ich werde mich der heiligen Armee anschließen Um allen Missetätern poa zu geben. Ich werde ein, zwei, vielen bösen Menschen poa geben. Poa ist die Erlösung der Welt. Poa ist verdienstvoll. Das Praktizieren von poa wird mich in die höchste Welt führen.4 |
Inspirationen
Möglicherweise ließ sich AUM Shinri-Kyo bei dem zur Abwehr der Polizei-Untersuchungen vom 22. März am 20. März vorgenommenen Anschlag von einer Stelle aus der "9. Sitzung" der "Protokolle" inspirieren, wo es heißt:
Das Ende - nur ein Zwischenspiel In einem Interview Ende Mai 1995 sagte der japanische Innenminister sogar, wenn die massiven polizeilichen Maßnahmen und Durchsuchungen, die am 22. März begannen, bis Oktober verschoben worden wären, "wäre die Existenz der japanischen Nation auf der Kippe gewesen". |
Wie es weiterging Erstaunlich ist, daß es selbst nach dem Anschlag vom 20. März 1995 und dem Beginn der polizeilichen Durchsuchungsmaßnahmen mit den Terroraktionen noch weitergehen konnte: 30. März 1995 Anschlag auf Takaji Kunimatsu, Chef der nationalen Polizeibehörde und Leiter der Ermittlungen, 5. Mai 1995 Kommandogruppen deponieren mehrere Plastiktüten mit Cemikalien, die Hydrogenzyanid (Zyklon B) freisetzen sollen, an der U-Bahnstation Shinjuku. 16. Mai 1995 Briefbombe an das Büro des Gouverneurs von Tokio, Yukio Aoshima, nachdem der erklärt hat, er werde die Anerkennung von AUM als Religionsgemeinschaft revidieren. Der Sekretär wird beim Öffnen des Briefes verletzt. 4. Juli 1995 versuchter Gasangriff in zwei U-Bahn- und einer Eisenbahnstation mit Plastikbeuteln, wieder mit Zyklon B. Das Distriktsgericht Tokio entschied am 30. Oktober 1995, der AUM Shinri-Kyo den 1989 verliehenen Status als anerkannte Religionsgemeinschaft zu entziehen. Die Freiheit zu "religiösen Aktivitäten wurde durch diese Entscheidung nicht berührt. Große Teile des beträchtlichen Besitzes der Gruppe ( allein der Wert der Immobilien wurde auf ca. 30 Millionen geschätzt) soll formal an Einzelpersonen überschrieben worden sein. 1999 verabschiedete das japanische Parlament zwei Gesetze, die eine strengere polizeiliche Überwachung "aller Gruppen, die in den letzten zehn Jahren in Massenmord verwickelt waren ermöglichen sowie eine Vermögensübertragung an einen Opferfonds verlangen sollen. Die AUM-Bewegung besteht weiter, hat ihren Namen auf Anweisung des Gurus, der angeblich nicht mehr ihr Guru ist, in "Aleph" geändert.1 Im Frühjahr 2000 stellte sich heraus, daß AUM-Firmen nicht nur zahlreiche Regierungsstellen mit Computern beliefert hatte, sondern für das Bau- Post- und Bildungsministerium auch die Software entwickelt und geliefert hatten, ebenso wie die Computersysteme für Verteidigungsministerium und Tokioter Polizei. |
Fazit
Thesen zum religiösen Terrorismus
Was lief schief
Konsequenzen Pfr. Thomas Gandow, 55, Berlin, ist Kirchlicher Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen in Berlin-Brandenburg, Herausgeber des Berliner Dialog und Vizepräsident des Dialog Center International in Aarhus, Dänemark. |
Anmerkungen
1 Aus der Broschüre "Vajrayana Resolution", wiedergegeben von Hidetoshi Takahashi in: Aum kara no kikan ("Die Rückkehr von Aum," Tokio 1996, S. 162f; deutsch zitiert nach Lifton, S. 99. |
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