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BERLINER DIALOG 24-25, 1/2-2001

 

Ende eines Schneeballes
Die Geschäfte des Scientologen Reed Slatkin
von Tilman Hausherr

Daß Scientologen auch Straftaten begehen, um der Organisation entsprechende Geldmittel zukommen lassen zu können, stellte ein deutsches Gericht bereits 1996 fest.(1) Am 2. Mai 2001 tauchte in der "Los Angeles Times" die Meldung auf, daß ein "Reed Slatkin" von Investoren verklagt werde, Konkurs eingereicht habe und daß gegen ihn wegen massiven Betruges ermittelt werde.

Sein Name war in Kreisen der Scientology-Kritiker bereits bekannt: Slatkin war bei dem durch Scientologen gegründeten Internet-Anbieter "Earthlink" ein Investor der ersten Stunde gewesen und damit zum Multimillionär geworden.
Er wird heute beschuldigt, ein Schneeballsystem betrieben zu haben, d.h. daß vorhandene Investoren Einkünfte durch die Einzahlungen neuer Investoren bekamen. Der Betrug soll eine Größenordnung von über einer halben Milliarde Dollar haben.

Unter den etwa 500 Opfern sind teils Scientologen, darunter viele Prominente u.a. aus der "Scientollywood"-Szene, und sogar Arthur Hubbard, ein Sohn von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard, zum Teil wohlhabende Leute aus seinem Bekanntenkreis, sowie auch sein Stiefvater und sein Privatpilot.

Vergangenheitskorrektur
Nach Bekanntgabe des Konkurses werden im Internet skurrile Versuche der Geschichtsfälschung entdeckt.(2)
Auf einer Internet-Seite des Kultur-Vereins "Sings like Hell" (3)  ließ einer der gegen Slatkin klagenden Investoren sein Bild wegretouchieren. (4)  Bei einer anderen Seite, auf der ein Mädchen stolz geschrieben hatte, sie habe durch "ihren Onkel Reed Slatkin" zu Scientology gefunden, steht nun nur noch "mein Onkel", ohne Namensangabe. Und zwei Leute, die bisher Slatkin als Arbeitgeber in ihren Lebensläufen angegeben hatten, haben diesen Hinweis nun auch entfernt. (5; 6)

Schneeballbetrug als "Dienst am Nächsten"
Da in den USA Gerichtsakten üblicherweise öffentlich sind, kamen schnell Einzelheiten der kriminellen Energie Slatkins ans Licht. So hatte er Investoren erzählt und ihnen entsprechende "Dokumente" vorgelegt, daß deren Gelder in der Schweiz angelegt worden seien, und dort wegen einer Geldwäsche-Ermittlung vorübergehend blockiert seien. Zwei der Investoren gaben eigene Ermittlungen in Auftrag, die die entsprechenden Dokumente als plumpe Fälschungen entlarvten. (7)
Bereits im Jahr 2000 hatte Slatkin Probleme mit der Börsenaufsicht bekommen. Diese ermittelte gegen ihn seit 1997, weil er Geld für Investoren verwaltet hatte ohne die erforderliche Zulassung zu besitzen. Anfang 2000 wurde er deswegen für längere Zeit vernommen. (8) Nach seinen Qualifikationen befragt, erklärte er, daß er ein "Geistlicher" von Scientology sei, und berichtete dann, daß er seit seinen 14. Lebensjahr mit Scientology zu tun habe. Er meinte, er verwalte Gelder für andere als eine Art "Dienst am Nächsten", unter anderem, um anderen Scientologen finanziell zu helfen, und er bestritt, daß er dies gewerblich machen würde.

Das Gericht setzte inzwischen einen Konkursverwalter ein, (9) um festzustellen was noch zu retten ist. Das Vermögen von Slatkin beträgt nicht einmal 10% der Forderungen seiner Gläubiger. Besonders pikant ist daß der Konkursverwalter die Möglichkeit hat, von Investoren, die in den letzten vier Jahren durch das Schneeballsystem profitiert haben, die Herausgabe von Geldern zu erzwingen.

In den vielen Zeitungsartikeln zum Thema hat sich Slatkin nie selbst geäußert. Der einzige Kommentar kam immer von seinem Anwalt, nämlich daß Slatkin mit den Ermittlern "kooperieren" würde. Der Konkursverwalter warf Slatkin jedoch vor, sich bisher nur zweimal mit ihm getroffen zu haben. Auf einer Versammlung mit Gläubigern verweigerte Slatkin die Aussage, um sich nicht selbst zu belasten. (10)
Beamte des FBI und der Steuerbehörde haben inzwischen bereits mehrmals die Räume von Reed Slatkin und anderen Verdächtigen durchsucht. Bis Redaktionsschluß (18.10.2001) wurde jedoch noch keine Anklage erhoben. Außerdem wurde eines der Büros der Börsenaufsicht beim Terroranschlag vom 11.9. zerstört.

Ähnliche Fälle
Ein anderer amerikanischer Scientologe, Benjamin Franklin Cook, der ebenfalls ein Schneeballsystem betrieb, wurde bereits angeklagt und sitzt in Untersuchungshaft und Scientology mußte aufgrund eines Gerichtsbeschlusses 1,8 Millionen Dollar zurückzahlen.(11) In einem ähnlichen Fall einer anderen "Kirche", der "Greater Ministries International Church", wo 18.000 Investoren um insgesamt eine halbe Milliarde betrogen wurden, wurde der Haupttäter zu 27 Jahren Haft verurteilt.(12)
Auch "richtige" Kirchen sind nicht immun: Um zu verschleiern, daß durch gefallene Grundstückspreise der Wert ihrer Besitztümer gesunken war, hatte die seit 1948 existierende "Baptist Foundation of Arizona" auf die Schneeballmethode "umgestellt". Drei Beteiligte haben sich bereits vor Gericht schuldig bekannt, gegen fünf weitere ist Anklage erhoben worden. (13)


Anmerkungen
1 Beschluß des OVG NRW, Az: 10 L 1942/94 http://www.religio.de/bluem.html
2 Diese "Korrekturen" sind dokumentiert unter http://www.slatkinfraud.com/erased.shtml . Daß dies überhaupt bekannt wurde liegt daran weil die auch beim Autor sehr geschätzte Suchmaschine "Google.com" eine Kopie von den Seiten speichert die es indexiert.
3  http://singslikehell.com  
http://free.freespeech.org/t1kk/elnk_scam/reedslatkin_poitras.htm .
Laut "Esquire" vom Oktober 2001 geschah dies auf Wunsch von Poitras
5 http://www.slatkinfraud.com/googles/jeffreydonovan.htm
6 http://www.slatkinfraud.com/biz.shtml
7  http://www.slatkinfraud.com/docs/gullyhard_affidavit.htm sowie
   http://www.slatkinfraud.com/docs/stedman_declare.htm
8  http://www.slatkinfraud.com/depo_jan.htm    und   http://www.slatkinfraud.com/depo_feb.htm
9 Auch der Konkursverwalter hat seinen Internet-Auftritt: http://www.slatkin-investors.com
10 http://www.slatkinfraud.com/articles/wsj_july31.htm Der Artikel nennt auch das Vermögen (44.67 Millionen) und die Schulden (576 Millionen) von Slatkin.
11 http://www.slatkinfraud.com/cook_01.htm
12   http://www.sptimes.com/News/080701/TampaBay/Church_leader_gets_27.shtml
13 http://www.abpnews.com/abpnews/story.cfm?newsId=2734

Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels, der vorab am 26.8.2001 in der Internet-Zeitung "Telepolis" erschien.
Ein großer Dank gebührt "t1kk" sowie seinen Helfern für das Recherchieren, Aufbereiten und Sortieren vieler Informationen unter http://www.slatkinfraud.com

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Tilman Hausherr, 36, ist Software-Entwickler und verfaßt für den BERLINER Dialog das regelmäßige net.update.
Seine eigene Webseite steht auf: www.xenu.de .


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