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BERLINER DIALOG 18-19, 3/4-1999 - Epiphanias 2000

Buch- und Medienhinweise

Bücher und Medien können für die Aufnahme in unsere Literatur- und Medienhinweise an die Redaktion des BERLINER DIALOG, Heimat 27, D-14165 Berlin eingesandt werden. Abdruck vorbehalten. Eine zusätzliche, mehr oder weniger ausführliche Besprechung über den Buchhinweis hinaus behält sich die Redaktion vor.

Anthroposophie
Reinkarnation bei Rudolf Steiner

Helmut Zander: Reinkarnation und Christentum. Rudolf Steiners Theorie der Wiederverkörperung im Dialog mit der Theologie. 318 S., Schöningh Verlag, Paderborn, 1995, ISBN 3-506-79769-7.

Friedrich Rittelmeyer
Gerhard Wehr: Friedrich Rittelmeyer. Sein Leben - Religiöse Erneuerung als Brückenschlag. 326 S., Stuttgart, Verlag Urachhaus, 1998

Eine Biographie über Friedrich Rittelmeyer war überfällig, Gerhard Wehr hat sie im anthroposophischen Verlag Urachhaus/Freies Geistesleben veröffentlicht. Bei allen derzeitigen Diskussionen über Dialog und Abgrenzung ist es wichtig, über diese Persönlichkeit, seinen Lebensweg, seine Theologie und seinen Versuch, Christ und Anthroposoph zu sein, Näheres zu erfahren. Und Wehr, der bekennt, daß er sich dieser Gestalt des "Brückenbauers" (so eine mehrfach wiederkehrende, Charakterisierung Rittelmeyers) fast sein Leben hindurch nahe gefühlt hat, bringt sicherlich die erforderlichen Voraussetzungen einer empathischen Nachzeichnung und vorsichtigen Deutung dieses Lebens und seines Werkes mit. Wahrscheinlich sieht sich der Verfasser selbst in einer ähnlichen Position des Brückenbauers zwischen evangelischer Kirche und Theologie einerseits und der Anthroposophie und der Christengemeinschaft andererseits.
So ist ein Buch entstanden, das auch derjenige, der anthroposophischem Denken kritisch gegenübersteht, mit Gewinn lesen kann: es wäre noch lesbarer, wenn der Autor darauf verzichtet hätte, immer wieder raunend auf große Schicksalszusammenhänge zu verweisen bzw. in den ersten Kapiteln, die den evangelischen Pfarrer skizzieren, auf Anzeichen einer noch kommenden Erfüllung, eines noch größeren Werkes usw. hinzuweisen. Vielleicht finden sich hier Kompromisse an den anthroposophischen Verlag und dessen Klientel, vielleicht wird mit solch "geisteswissenschaftlichem" (anthroposophischem) Beiwerk die Freiheit zu kritischen Äußerungen zu dem führenden Anthroposophen und ersten Priester der Christengemeinschaft erkauft: seine nationalistische Einstellung zu Beginn des 1. Weltkrieges, die Rittelmeyer allerdings noch während des Krieges korrigiert, sowie seine taktische Position gegenüber dem Nationalsozialismus, die zu korrigieren der bereits 1938 Verstorbene keine Gelegenheit mehr hatte.
Insgesamt stellt Wehr ein Bild eines sensiblen Theologen vor den Leser hin, der an den Zeitnöten nicht vorüberging, sondern ein feines Sensorium für die Suche der ihm begegnenden Menschen hatte und selbst bemüht war, die großen Entwicklungen seiner Zeit nicht zu übersehen. Dabei wird deutlich, in welche geistigen Auseinandersetzungen und Umwälzungen ein evangelischer Theologe zwischen 1880 und 1938 hineingestellt war: in den Kampf zwischen orthodoxen ("positiven") und liberalen Theologen auf dem Rittelmeyer die liberale Position bezogen hat - nicht ohne weiterhin auf der Suche nach spiritueller Tiefe für sein Leben und Glauben zu bleiben. Immer wieder verweist Wehr darauf, daß Rittelmeyer mittels der Anthroposophie vom Jesus zum Christus gefunden habe - in der Folge des gleichnamigen Vortragszyklus' von Steiner, aber auch im Gehen des anthroposophischen Übungsweges und im Aufnehmen der Steinerschen Ausführungen zu den Evangelien. Hier muß kritisch eingewandt werden, daß Wehr zu stark die anthroposophische Sichtweise der zeitgenössischen Theologie wiedergibt. Natürlich ist die liberale Theologie stark am historischen Jesus interessiert gewesen - aber es gab doch schon damals den innertheologischen Widerspruch! Die Suche nach dem Christus, soweit er nicht von Jesus getrennt wird und zu einer "geistigen Wesenheit" mutiert (wie bei Steiner) muß nicht von der evangelischen Kirche wegführen - weder damals noch heute.
In den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges und der Nachkriegszeit verstärkt sich diese Suche - die Kontakte zu Staehelin und K.B. Ritter, die Gegnerschaft zur dialektischen Theologie wie zum religiösen Sozialismus sind markante Punkte auf diesem Weg. Daß Rittelmeyer dann bei Rudolf Steiner sein Lebensziel gefunden hat, ist doch ein Beispiel dafür, wie sich ein vielseitiger und anerkannter Mensch auf der Suche nach einer zeitgenössischen Philosophie, mit deren Hilfe der Glaube ausgedrückt werden soll, verrennen kann. Die Bereitschaft, für eine kleine Gemeinschaft auf der Grundlage anthroposophischen Schauens und Steinerscher "Christusschau" die anerkannte Position innerhalb der evangelischen Landeskirche zu verlassen, ehrt Rittelmeyer als persönlich glaubwürdig und konsequent. Welche Bedeutung dieser Schritt für die Familie gehabt hat, wird von Wehr mehrfach angeschnitten, aber leider nie ausgeführt.
Daß er in seinen späteren Schriften, in denen er als Erzoberlenker der Christengemeinschaft und als Repräsentant der Anthroposophie in Deutschland spricht, offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, Kritik an Steiners "Erkenntnissen" sachlich aufzunehmen, sondern, wie Wehr zeigt, immer wieder von "Vorurteilen", negativen Gefühlen, Verunglimpfungen usw. spricht, zeigt, daß eine Verengung des Weges erfolgt und nicht ohne Wirkung geblieben ist: nur noch eine Perspektive ist ihm möglich, anderes kann nicht mehr gelten.
So steht das Lebensbild Rittelmeyers in Wehrs Buch in vielen Ambivalenzen vor dem (nichtanthroposphischen) Leser. Und die Erfahrung des Vaters von Rittelmeyer "daß seine (des Sohns) ganze Redeweise in Predigten und Vorträgen nicht klarer und verständlicher geworden ist, sondern geschraubter, gesuchter, schwer verständlich ... Das ist nicht Friedrichs Geist und Sprechweise, sondern Steinersche Geist und Steinersche Sprechweise" (S. 166) teilt sich auch dem Leser von Rittelmeyers Büchern vor und nach seiner "Lebensbegegnung" mit Steiner mit.
Jan Badewien

Buddhismus
Zen-Buddhismus
Brian (Daizen) A. Victoria: Zen, Nationalismus und Krieg. Eine unheimliche Allianz. 399 S., 48,- DM, Theseus Verlag, Berlin, 1999.

Tibetischer Buddhismus
Michael von Brück: Religion und Politik im Tibetischen Buddhismus. 238 S.,
Kösel Verlag, München, 1999, ISBN 3-4666-20445-3.
Colin Coldner: Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs, 455 S., Alibri Verlag, Aschaffenburg, 1999, ISBN 3-932710-21-5.
Victor und Victoria Trimondi (Herbert und Mariana Röttgen): Der Schatten des Dalai Lama. Sexualität, Magie und Politik im tibetischen Buddhismus, 816 S., Patmos Verlag , Düsseldorf, 1999, ISBN 3-491-72407-4.

Cults und Sekten
Psychologische Aspekte
Hartmut Zinser/Gerhard Schwarz/Babett Remus: Psychologische Aspekte neuer Formen der Religiosität. Veröffentlichungen am Religionswissenschaftlichen Institut der FU Berlin. 86 S., Medien Verlag Köhler, Tübingen, 1997, ISBN 3-932694-10-4.

Leo Booth: Wenn Gott zur Droge wird. Missbrauch und Abhängigkeit in der Religion. Schritte zur Befreiung. 332 S., Kösel Verlag, München, 1999, ISBN 3-466-36528-7.

Das anzuzeigende Buch kommt aus dem Amerikanischen. Das erklärt manche Eigenheiten und Beschreibungen, die auf unsere religiöse Kultur und unsere kritische Auseinandersetzung mit der eigenen religiösen Tradition so nicht zutreffen. Der Autor spiegelt sich immer wieder im Glanz, den Begriff des "religiösen Mißbrauchs" erfunden zu haben und er hält sich für mutig, wenn er ihn immer und immer wieder heranzieht. Das ist eigentlich auch schon der Inhalt des Buches, wenn man ihn koppelt mit einem äußerst negativen Vorverständnis von aller (institutionalisierten) Religion. Tilman Mosers "Gottesvergiftung" hat die von Booth beschriebenen Phänomene exakter, klarer dargestellt - Phänomene einer zu engen religiösen (christlichen) Sozialisation, die im späteren Leben zu psychischen Problemen führen kann.
Während Mosers Ausführungen autobiographisch ansetzen und damit authentisch sind, erfährt der Leser bei Booth vorgefaßte negative Klischees über Religion. Ein Beispiel. In dem Kapitel "Gut und Böse: Wie uns die Religion definiert" (S. 37ff) benützt Booth ein Zitat von Erich Fromm, in dem die Ambivalenz von Religion beschrieben wird zu einer (von Fromm nicht intendierten!) Trennung von Religion und Spiritualität: "Ich verstehe Religion im Wesentlichen als eine Reihe von Menschen gemachter Grundaussagen über Gott, die auf einen Lehrer oder Propheten zurückgeführt werden. Spiritualität hingegen verstehe ich als den Prozeß, in dem ein Mensch zu einer positiven und schöpferischen Person heranreift. Diese Definition erlaubt es, nicht nur organisierte Religionen zu betrachten, sondern jedwede Gruppe und jedes Glaubenssystem, das Störungen hervorbringt oder dysfunktional gebraucht wird" (S. 37). Religion wird also sofort mit Störung und Dysfunktionalität verbunden. Weiter heißt es: "Ich gelange zunehmend zu der Überzeugung, daß viele der religiösen Botschaften, die uns - nicht allein durch die jüdisch-christlichen Religionen, sondern durch die meisten Religionen der Welt - vermittelt worden sind, dermaßen verdreht, falsch interpretiert oder falsch verstanden wurden, daß sie uns keineswegs näher zu Gott, Allah, Buddha oder dem Großen Geist gebracht haben. Sie erzeugten vielmehr eine spirituelle Leere, eine gewaltige Kluft, die uns von Gott trennt" (S. 38).

Wer einen gewissen Anspruch an die Fähigkeit zur Differenzierung stellt oder in einem Buch mit solch hochtrabendem Titel eine gewisse Kenntnis des behandelten Gegenstands (in diesem Fall der Religionen) erwartet, kann spätestens hier das Buch aus der Hand legen. Er bzw. sie wird nichts versäumen.
Wer allerdings Vorurteile eines Therapeuten, der sich "Father" nennt - zu welcher Konfession er gehört, wird nicht gesagt - hören will, mag das Buch weiterlesen. Die Heilsbotschaft gegen die religiöse Abhängigkeit und den religiösen Mißbrauch, den der Autor wohlgemerkt nicht in irgendwelchen Extremgruppen, sondern in (fast?) allen organisierten Religionen festgestellt haben will, besteht in einer Adaption des Zwölf-Schritte-Programms der Anonymen Alkoholiker - die Leo in Bewältigung seines Alkoholismus (s. 199) kennengelernt hat. "1. Wir gaben zu, daß wir unserer Religion oder anderen dysfunktionalen Glaubensvorstellungen gegenüber machtlos waren - daß unser Leben nicht mehr zu meistern war.... 3. Wie faßten den Entschluß, unseren Willen und unser Leben der Sorge einer Spirituellen Kraft - wie wir diese Spirituelle Kraft verstanden - anzuvertrauen" (S. 204f).

Zur Genesung gehört dann ein neuer spiritueller Weg - und der "Abschied vom alten Gott" (S. 237ff), dem man, wie rührend, ein Abschiedsbrieflein schreiben soll: "Sage diesem Gott, daß du nicht mehr daran interessiert bist, daß er/sie/es für dich arbeitet, denn du bist gerade dabei, ein Bewerbungsgespräch mit einem neuen Gott zu führen ... Dann verabschiede dich von deinem alten, "dysfunktionalen Gott" (S. 249).

Von den Kriterien, die "Father Leo" im letzten Teil seines Buches für die praktische Therapie "religiösen Mißbrauchs" nennt, sind sicherlich einige im Blick auf destruktive Kulte bedenkenswert: so die "Weigerung, zu denken, zu zweifeln oder Fragen zu stellen" - doch wenn man seine Zielrichtung im Blick hat, nämlich nicht Sekten, fanatische Sondergruppen, sondern ganz "normale" Mitglieder von großen Religionsgemeinschaften, wird die schiefe Perspektive wieder deutlich. Die Kriterien: Strenges Befolgen von Vorschriften, Zwanghafte Teilnahme an Gottesdiensten, Missionen oder Evangelisationen (was heißt "zwanghaft"?), Andere zum Glauben bekehren, Zeugnis ablegen usw. (S. 256) bestätigen noch einmal. Wie weit von ihm religiöse Abhängigkeit bzw. Dysfunktionalität gefaßt wird. Die drastischen Beispiele, mit denen das Buch garniert ist, zeigen zudem, daß der Verfasser selbst jenen "Schwarz-Weißen-Glaubensvorstellungen" (S. 256) verhaftet ist, die er doch therapieren möchte.

Insgesamt ein Buch, das zu kaufen und zu lesen sich nicht lohnt; im Kösel Verlag wäre ein differenzierteres und kompetenteres Buch zu erwarten gewesen.    Jan Badewien

Erfahrungsberichte
Kirsten Vogel: Grenzverlust. Wie ein Psychokult funktioniert. 275 S., 36,80 DM, Patmos Verlagshaus, Düsseldorf, 1999, ISBN 3-491-72419-8.

Grundsatzfragen
Hannes Stein: Moses und die Offenbarung der Demokratie. 193 S., Rowohlt Verlag, Berlin, 1998, ISBN 3 871343250.

Guruismus
Katrin Gergen / Christoph Simon / Hanna Günther: Jesus und die Gurus. Arbeitstexte zur religiös-weltanschaulichen Information und Diskussion, Nr. 7, September 1998, Religions- und Weltanschauungsfragen im Erzbischöflichen Seelsorgeamt, Okenstr. 15, 79108 Freiburg.

Kirche
Dr. Jens Petersen: Die Kirchensteuer. Eine kurze Information. 48 S., 6,50 DM, Dr. Jens Petersen Eigenverlag, 3. Aktualisierte Auflage, Bezug: Dr. Petersen, Im Tannengrund 3, 30900 Wedemark.

Konfessionskunde
Reinhard Frieling/Erich Geldbach/Reinhard Thöle: Konfessionskunde. Orientierung im Zeichen der Ökumene. 240 S., 35,- DM, W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart, ISBN 3-17-015528-8.

Lexika
Christoph Auffarth/Jutta Bernard/Hubert Mohr (Hrsg.): Metzler Lexikon Religion. Gegenwart - Alltag - Medien. Band 1, Abendmahl - Guru.532 S., Metzler Verlag, Stuttgart, 1999, ISBN 3-476-01551-3.

Osteuropa
Detlef Pollack/Irena Borowik/Wolfgang Jagodzinski (Hrsg.): Religiöser Wandel in den postkommunistischen Ländern Ost- und Mitteleuropas. 585 S., 58,- DM, Ergon Verlag, Würzburg, 1998, ISBN 3-932004-76-0.

Politik
Bruce Hoffman: Terrorismus - der unerklärte Krieg. Neue Gefahren politischer Gewalt. 321 S., S. Fischer Verlag, Frankfurt, 1999, ISBN 3-10-033009-9.

Hoffman ist Direktor des Washingtoner Büros der Rand Corporation und Leiter der dortigen Abteilung für Terrorismusforschung. Die hervorragend sachkundige Studie definiert den Begriff Terrorismus, stellt den ethno-nationalistischen und separatistischen Terrorismus ebenso wie die "Internationalisierung des Terrorismus" vor und hat ihre Mitte in einem ausführlichen und umfangreichsten Kapitel über "Religion und Terrorismus". Denn Hoffman hält Religion für den wichtigsten Impetus des internationalen Terrorismus im letzten Jahrzehnt und bringt zahlreiche Belege für die Stichhaltigkeit dieser Einschätzung, aber auch Überlegungen zu Gegenstrategien. Hinzu kommen Kapitel über "Terrorismus, Medien und öffentliche Meinung", sowie über die "Psychologie des modernen Terrorismus: Taktiken, Ziele und Techniken". Ein Ausblick über "Terrorismus heute und morgen" sowie ausführliche Anmerkungen, eine erschöpfende Bibliographie und ein Register schließen das Buch ab. Das Buch ist ein "Muß" für jeden, der sich in Kirche, Politik oder Schutzeinrichtungen mit konfliktträchtigen (religiösen) Gruppen zu befassen hat...    T.G.

Verfassungschutz: Bestandsaufnahme und Perspektiven. Beiträge aus Wissenschaft und Praxis. 430 S., Mitteldeutscher Verlag, Halle, 1998, ISBN 3-932776-48-8.

Religiöse Erfahrung
Dorothee Sölle: Mystik und Widerstand - "Du stilles Geschrei". 370 S., 44,- DM. Hoffmann und Campe Verlag, 4. Aufl., Hamburg, 1998, ISBN 3-455-08583-0.

Scientology
Thomas Kruchem: Staatsfeind Scientology. 431 S., Koehler & Amelang Verlag, München, 1999, ISBN 3-7338-0227-6.

Erstaunlich, daß ein renommierter Verlag sich dieses PR-Buch unterjubeln ließ. Hat auch der Autor in Naivität gehandelt? Darüber gibt es noch Diskussionen. Erstaunlich, wer alles bei Interviews beteiligt war. Von den Texten her scheint mir, daß nur Ursula Caberta schon beim Interview den Braten gerochen hat.    T.G.

Das System Scientology. Wie Scientology funktioniert. 25 Fragen mit Antworten. Juli 1998, Bayerisches Staatsministerium des Innern, Odeonsplatz 3, 80539 München.

Verschiedenes
Tod, Sterben, Trauern
Birgit Lambers: Rat und Hilfe für den Trauerfall. Was muß ich wissen, was ist zu tun? 203 S., Kösel Verlag, München, 1999, ISBN 3-466-34413-1.

Rainer Hauke: Ratgeber Trauerfall. Informationen aus christlicher Sicht. Wichern-Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-88981-103-5.

Esperanto
Ulrich Matthias: Esperanto - Das neue Latein der Kirche. Die internationale Sprache im Dienst der Verständigung unter evangelischen und katholischen Christen. Armin Gmeiner Verlag, Meßkirch, 1999, ISBN 3-926633-39-5.

Verschwörungstheorien
Jeffrey L. Sammons (Hrsg.): Die Protokolle der Weisen von Zion. Die Grundlage des modernen Antisemitismus - eine Fälschung; Text und Kommentar., 128 S., 29,- DM, Wallstein Verlag, Göttingen 1998.

Norman Cohn: Die Protokolle der Weisen von Zion. Der Mythos der jüdischen Weltverschwörung. 347 S., 48,- DM, Elster Verlag, Baden-Baden/Zürich 1998.

Hadassa Ben Itto: Die Protokolle der Weisen von Zion. Anatomie einer Fälschung; aus dem Englischen von Helmut Ettinger und Juliane Lochner. 419 S., 49,90 DM, Aufbau-Verlag, Berlin 1998.

Die sogenannten "Protokolle der Weisen von Zion" behaupten von sich, die Veröffentlichung geheimer Pläne einer jüdischen Weltverschwörung zu sein. Heute weiß man, daß es sich um eine antisemitische Fabrikation vom Ende des vorigen Jahrhunderts handelt. Es gibt verschiedene literarische, zum Teil romanhafte Vorlagen, teils mit, teils ohne antisemitische Komponenten. Die angezeigten Bücher stellen Vorlagen und Quellen sowie Entstehung und Wirkung dieser üblen Mystifikation dar. Die Autoren bzw. Herausgeber fordern jeweils "Abwehr" und "Gegenmaßnahmen" gegen die Hetzschrift und ihre Wirkung.
Frau Ben-Itto, früher Richterin am Obersten Gerichtshof von Israel und Botschafterin bei den Vereinten Nationen Präsidentin der Internationalen Vereinigung jüdischer Anwälte und Juristen schreibt als Widmung ihres Buches "Die meisten meiner Verwandten kamen im Holocaust um. Ihre Gräber sind unbekannt, kein Stein erinnert an sie. Möge dieses Buch ihr Grabmal sein." In ihrem Vorwort heißt es: "Man hat mir immer wieder gesagt, es sei falsch, eine Unwahrheit verbieten zu wollen, wenn sie einmal gedruckt ist und zwischen zwei Buchdeckeln steht. Eine Lüge wie diese müsse dann eben auf dem 'Marktplatz der Ideen' bekämpft werden. Die Ereignisse, die mein Buch schildert, geben diesen Menschen unrecht. Eine vorsätzliche Lüge ist keine 'Idee'. Sie kann aber leicht zu eienr gefährlichen Waffe werden. Wer sie benutzt. trägt nicht zur Meinungsfreiheit bei. Im Unterschied zu anderen Waffen wird diese Lüge niemals zur Selbstverteidigung eingesetzt. Daher gibt es keinen Grund, sie für zulässig zu erklären. Sie muß verboten werden wie andere Waffen, die geeignet sind, massenhaften Tod und Zerstörung zu bringen.
Ich bin der festen Überzeugung, daß Lügen und Verleumdungen, die ganze Menschengruppen zu Sündenböcken stempeln, Haß gegen sie schüren, ihre Tötung und Ausrottung propagieren, nicht als 'freie Rede' geschützt werden dürfen. Dieses Buch fordert von denjenigen, die meine Auffassung nicht teilen, sie mögen eine realistische Alternative aufzeigen."
Ben-Itto weist darauf hin, daß auch in dem 95-seitigen "Handbuch der Angst" der Aum-Shinrikyo kurz vor dem Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn aus den "Protokollen" zitiert wurde.
Möglicherweise ließ sich die Aum Shinrikyo von einer Stelle aus den "Protokollen" inspirieren, wo es heißt :
"Für diesen Fall haben wir ein letztes, furchtbares Mittel in der Hand, vor dem selbst die tapfersten Herzen erzittern sollen. Bald werden alle Hauptstädte der Welt von Stollen der Untergrundbahnen durchzogen sein. Von diesen Stollen aus werden wir im Falle der Gefahr für uns die ganzen Städte mit den Staatsleitungen, Ämtern, Urkundensammlungen und den Nichtjuden mit ihrem Hab und Gut in die Luft sprengen." - hier zitiert nach Sammons, der auch darauf hinweist, daß es in Japan neuerdings eine ganze Gattung antijüdischer Schriften gibt, die oft Motive aus den "Protokollen" verwenden bzw. umarbeiten.

Eine freie Adaption der hetzerischen Fälschung zu Lasten einer Gruppe stellt das scientologische, vermutlich von L. Ron Hubbard selbst verfaßte Pamphlet "Gehirnwäsche. Eine Zusammenfassung des Russischen Handbuchs über Psychopolitik" dar.
[Hubbard, L. Ron?: Brain-Washing. A Synthesis of the Russian Textbook on Psychopolitics. The American Saint Hill Organisation, Los Angeles, 1955].
Hier werden den Psychiatern als Gruppe menschenfeindliche Handlungen und Bestrebungen als Werkzeuge und Drahtzieher einer kommunistisch-psychiatrischen Weltverschwörung zugeschrieben.    T.G.

Weihnachten
Dietrich Steinwede: Nun soll es werden Frieden auf Erden. Weihnachten. Geschichte, Glaube und Kultur, Großformat, 192 S., Patmos Verlag Düsseldorf 1999, ISBN 3-491-70315-8.

Es ist das schönste Weihnachtsbuch, das wir in diesem Jahr und vielleicht seit langem gesehen haben.

Der Preis ist saftig, aber angemessen: 78,- DM.

Magieranbetung

Magieranbetung. Katakombe der Priscilla, Rom. Epitaph der Serva. 3.Jh. Vatikanische Museen. (Abbildung aus dem Weihnachtsbuch)

Das Geld ist gut angelegt, denn der Band ist voller schöner Weihnachtsbilder, Lieder, Gedichte und die christliche Weihnacht meditierenden Texte; darunter sind erklärende, zum Teil auch meditative Bildbeschreibungen.

Steinwede bietet auch, wie es sich für einen Religionspädagogen gehört, Hintergrundinformationen und Deutungen zum Weihnachtsevangelium und zur Geschichte des Weihnachtsfestes.

Unglücklicherweise können wir nicht mit allen Deutungen und Legenden Steinwedes übereinstimmen. So mit vielen seiner religionsgeschichtlichen Ableitungen. Schon gar nicht aber mit seinen abenteuerlichen, längst von der wissenschaftlichen Volkskunde widerlegten Behauptungen über den Weihnachtsbaum.

Da fabuliert der Religionslehrer Steinwede doch tatsächlich ohne Wenn und Aber: "Der Brauch, einen immergrünen Baum zu schmücken, geht auf die vorchristliche Zeit der 'Zwölf Nächte' (25. Dezember bis 6. Januar) zurück. Am Tag der Wintersonnenwende (Jul-Fest) stellten die Germanen an ihren Häusern Bäume mit Kerzen auf, um die bösen Geister der Finsternis abzuschrecken".

Möglicherweise, muß man folgern, stammt der heute triebhaft befolgte kollektive Brauch, die Tanne im Vorgarten zu illuminieren, aus Germanenzeit! Wo haben die Vorväter nur die windfesten Kerzen hergenommen, möchte man eher wißbegierig als naseweis den Religionspädagogen fragen?

Dennoch: Unsere Empfehlung für dies schöne Weihnachtsbuch.   T.G.

Weltende
Rudolf Drößler: 2000 Jahre Weltuntergang. Himmelserscheinungen und Weltbilder in apokalyptischer Deutung. Echter Verlag, Würzburg 1999, ISBN 3-429-02097-2.

Rudolf Drößler widmet sich in seinem aufwendig gemachten und schön illustrierten Buch vor allem den spektakulären Himmelsvorgängen wie Sonnen- und Mondfinsternissen, Kometen und besonderen Planetenkonstellationen.

In seinem einleitenden Kapitel "Das Jahr 2000 und der Weltuntergang" verschweigt Drößler nicht, daß Kaiser Wilhelm II. per Dekret den Beginn des 20. Jahrhunderts wenigstens für Deutschland auf den 1. Januar 1900 festlegte und Walter F. Wislicenius 1905 "vom mathematisch-wissenschaftlichen Standpunkte aus" für eben diesen Jahrhundertbeginn plädierte. Drößler selbst plädiert "logischerweise" für den Beginn des neuen Jahrhunderts und Jahrtausends am 1. Januar 2001. Damit bleibt sein Buch auch im nächsten Jahr noch aktuell. Großzügig war auch Wislicenius: "Im übrigen ist die ganze Sache an sich so gleichgültig, daß man doch jeden, der lieber den 1. Januar 1901 als Jahrhundertanfang ansehen will, ruhig gewähren lassen sollte...".

Wir meinen: Am Ende des Jahrhunderts sollten wir ebenso großzügig sein. Darum lassen wir diesmal auch alle, denen die Millenniumssylvesterfeiern am 31.12.1999 und 1.1.2000 nicht genug waren, gewähren, wenn sie "logischerweise" und mit gutem Grund erst am 31.12.2000 und dann am 1.1.2001 nochmals auf die christliche Zeitrechnung anstoßen.    T.G.


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