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| BERLINER DIALOG 22, 3-2000 Martini
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Entscheidung des Verfassungsgerichts ... verdient Zustimmung |
Bis zum Ende der Kaiserzeit genossen die beiden großen Kirchen in Deutschland Rechtsvorteile (Privilegien), an denen neue kleine Religionsgemeinschaften keinen Anteil hatten. Ausdruck dafür war der Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er vermittelt zahlreiche dem öffentlichen Recht vorbehaltene Vorteile und Organisationsmöglichkeiten, von denen der Laie oft nur das Kirchensteuerrecht kennt, von dem übrigens die kleinen korporierten Religionsgemeinschaften (etwa Freikirchen) zum Teil keinen Gebrauch machen. Seit 1919 steht allen Religionsgemeinschaften dieser Status auf Antrag zu. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Jahr 1997 der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V. den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts versagt. Zwar erfüllte diese Religionsgemeinschaft die beiden Kriterien der betreffenden Verfassungsbestimmung (Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 5 der Weimarer Reichsverfassung): Durch ihren Gesamtzustand (Verfassung) und die Zahl der Mitglieder bot sie die Gewähr der Dauer. Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin vermißte aber die für die Inanspruchnahme einer solchen Privilegierung vorausgesetzte besondere Loyalität zum Staat, weil diese Religionsgemeinschaft, die ihre Standhaftigkeit in den beiden deutschen Diktaturen mit Blutzeugen unter Beweis gestellt hat, politische Wahlen generell ablehnt, ohne freilich dem Staat seinen Gehorsamsanspruch abzusprechen. Auf die Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 19. Dezember das Verfahren noch einmal an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen. Es lehnt die in der Verfassung nicht genannte Voraussetzung einer besonderen Loyalität zum Staat als Zulassungsvoraussetzung ab.
Ob die "Zeugen" Körperschaft werden, ist noch nicht sicher Die besondere Bedeutung dieser Entscheidung tritt hervor, wenn man von dem relativ harmlosen Anlaß den Blick auf andere denkbare Bewerber um den Körperschaftsstatus richtet. Das Bundesverfassungsgericht fordert eine in Einzelheiten des tatsächlichen Gesamtzustands eindringende, also nicht schematische Einschätzung der betreffenden Religionsgemeinschaft. Daß diese sich rechtstreu erweisen müsse, hat die einschlägige Literatur schon bisher angenommen. In der neuen Entscheidung spricht das Bundesverfassungsgericht erstmals aus, daß neben Verfassung und Zahl der Mitglieder als Kriterien für die Gewähr der Dauer "weitere, in Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 5 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung nicht ausdrücklich genannte Voraussetzungen erfüllt sein" müssen und daß sich über den Wortlaut dieser Bestimmung hinaus "weitere Einschränkungen aus dem Zusammenhang des Grundgesetzes" ergeben. "Daß es mit den geschriebenen Verleihungsvoraussetzungen nicht sein Bewenden haben kann", werde im Ergebnis auch in Rechtsprechung und Literatur nicht bezweifelt.
Es bleibt beim vertrauten Rechtszustand Es bleibt deshalb bei dem vertrauten Rechtszustand: Alle Religionsgemeinschaften haben das Recht, den Körperschaftsstatus zu beantragen. Sie erhalten ihn (wie schon Dutzende bisher), wenn sie die Bedingungen der Verfassung erfüllen. Eine Prüfung ihres Verhaltens (nicht ihres Glaubens) durch staatliche Behörden wird wie bisher sicherstellen, daß der Friede im Lande nicht durch unseriöse Bewerber gestört wird. (idea) Prof. Dr. Axel Freiherr von Campenhausen ist Staats- und Kirchenrechtler und ehemaliger Präsident der Klosterkammer Hannover. idea-Pressedienst 2/2001, 4. Januar 2001, S. II-III; Abdruck mit freundlicher Genehmigung. |
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