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BERLINER DIALOG 17, 2-1999 Johannis - Martini

 UPDATE

Bemerkenswerte Veränderungen, Personalien und Nachrichten

Europa
Europarat fordert Hilfen für Sektenopfer besonders in Osteuropa
Mit einem einstimmigen Entschluß hat der Europarat in Straßburg am 22. Juni die Bildung nationaler Hilforganisationen für die Opfer von Sekten und deren Familienangehörigen gefordert. Besonders in osteuropäischen Ländern sollte die Schaffung derartiger Organisationen gefördert werden, hiess es in dem Entschluß der parlamentarischen Versammlung des Europarats. Die Parlamentarier forderten außerdem, die Öffentlichkeit verstärkt über die Tätigkeit religiöser, esoterischer und spiritueller Gruppen zu informieren. Auf diese Weise solle sie vor Übergriffen wie Misshandlungen, Vernachlässigungen, Indoktrinierungen und Gehirnwäsche geschützt werden.

Vergebliche Intervention des US-Kongresses gegen Europaratsbeschluß
Vor der Debatte hatte der amerikanische Kongress in einem Brief die Abgeordneten der 41 Europaratsländer aufgefordert, gegen diese Entscheidung zu stimmen.  (Q: u.a. Neue Züricher Zeitung vom 23.06.99)

Frankreich
Sektenbeauftragter bedroht
Der Sektenbeauftragte der französischen Regierung, Alain Vivien, mußte unter Polizeischutz gestellt werden, nach dem er seit September 1998 Drohungen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt war. Der ehemalige Staatssekretär im Außenministerium war seit November Leiter einer interministeriellen Gruppe, die sich mit den zahlreichen Sekten in Kulten in Frankreich befassen soll. Die Scientology Organisation hatte im Namen der "Verteidigung religiöser Minderheiten" wiederholt die Auflösung des Gremiums gefordert. (Quelle: AFP 13.Januar 1999)

Freidenker
Humanistischer Verband verliert Prozeß: Keine Körperschaft des Öffentlichen Rechts
Der Humanistische Verband (HVD) erhält keine Körperschaftsrechte und erhält auch nicht die geforderte höhere Förderung vom deutschen Bundesland Berlin . Dies hat das Berliner Verwaltungsgericht am 3. Juni 1999 entschieden. Zur Begründung verwies das Gericht auf die geringe Zahl von 555 Mitgliedern des HVD. Zudem hat nach Auffassung des Gerichts das Land Berlin schon mit den bisherigen Millionen-Zahlungen gegen das Haushaltsrecht verstoßen. (Az. VG27 A 179.98 und 58.98). Nach Ansicht des Gerichtes aber bietet der Verband nicht die für eine Körperschaft des Öffentlichen Rechts notwendige "Gewähr der Dauer" und "keine hinreichende finanzielle Stabilität". Die Freidenker-Organisation will nun prüfen, ob der Verband vor dem Oberverwaltungsgericht Berufung einlegt. (Q: u.a. Berliner Zeitung vom 4.6.99)

Kirche
Neue Struktur der kirchlichen Apologetik in der Nordelbischen Kirche
Mit Ende 1998 ist der langjährige Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen in der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (NEK), Pastor Detlef Bendrath, in den Ruhestand getreten. Die Dienststelle in Lübeck ist aufgelöst worden. Die gesamte Sekten- und Weltanschauungsarbeit der NEK ist jetzt in ihrem Amt für Öffentlichkeitsdienst in Hamburg konzentriert worden. Dort arbeiten jetzt zwei Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen weiter, Pastorin Dr. Gabriele Lademann-Priemer und Pastor Jörn Möller. Sie haben das Archiv von Pastor Detlef Bendrath übernommen und werden auch seine Arbeit weiterführen. Die Anschrift der kirchlichen Beauftragten in Nordelbien lautet jetzt:
Arbeitsstelle für Sekten- und Weltanschauungsfragen,  c/o
Die aktuellen Kontaktdaten der Arbeitsstelle für Sekten- und Weltanschauungsfragen Hamburg finden Sie in der Religio-Datenbank

Parteien
CDU/CSU für Umsetzung: Rot-Grüne Bundesregierung soll Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission "Sog. Sekten und Psychogruppen" zügig umsetzen.
Ein Jahr nach der Vorstellung des Endberichts der Enquete-Kommission "Sog. Sekten und Psychogruppen" erklärten die Vorsitzende der CDU/CSU-Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Maria Eichhorn MdB, und der Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für "Sog. Sekten und Psychogruppen", Klaus Holetschek MdB:
"Seit nunmehr fast auf den Tag genau einem Jahr liegt der Endbericht der Enquete-Kommission "Sog. Sekten und Psychogruppen" vor. Diese hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Phänomen der sogenannten "Sekten und Psychogruppen" zu untersuchen. Ferner wurden Handlungsempfehlungen aufgestellt, deren Ziel die Sicherung und Durchsetzung schutzwürdiger Interessen einzelner Bürger oder des Staates auf Grundlage des Grundgesetzes waren und sind. Die Diskussion über die sogenannten Sekten und Psychogruppen kann allerdings auch nach der Vorlage des Endberichts nicht als beendet angesehen werden. Nach wie vor gibt es unter den Bürgerinnen und Bürgern einen großen Informationsbedarf, was insbesondere auch auf die Ausweitung des sog. Psychomarktes zurückzuführen ist. Staatliche Wachsamkeit in diesem Bereich ist weiterhin gefragt! Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die rot-grüne Bundesregierung die aufgestellten Handlungsempfehlungen umzusetzen gedenkt. Denn bisher ist keine einzige Handlungsempfehlung der Enquete-Kommission von der rot-grünen Bundesregierung umgesetzt worden. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, das Thema angemessen zu behandeln und die aufgestellten Handlungsempfehlungen, so zum Beispiel die Einrichtung einer Stiftung mit der Funktion als Ombuds-Stelle sowie die Beratung eines "Verbraucherschutzgesetzes vor Scharlatanen auf dem Psychomarkt", zügig in Angriff zu nehmen. Ferner ist von den Bundestagsfraktionen zu prüfen, ob nicht die Einrichtung einer Arbeitsgruppe des Ausschusses für Familie, Jugend, Frauen und Senioren notwendig ist, die sich zusammen mit jeweils zu ladenden Experten nochmals mit den Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission intensiv beschäftigt und gegebenenfalls weiteres veranlaßt. Des weiteren ist dieses Thema auch auf europäischer Ebene zu behandeln, wie dies der Europarat auch kürzlich gefordert hat. Außerdem plant die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein Gespräch mit den zuständigen Sektenbeauftragten der Landtagsfraktionen sowie Experten, um die Handlungsempfehlungen eingehender zu erörtern."  (Q: Pressedienst CDU/CSU Fraktion im Bundestag, 24.6.99)

GRÜNE
Falsche Fälle aus dem Hut gezaubert
Bericht von Thomas Gandow
Im Zusammenhang mit der Arbeit der Enquete-Kommission des 13. Deutschen Bundestages hat es eine sehr kritische Positionsbestimmung aus dem Bereich der Partei "Bündnis 90/Die Grünen" gegen kirchliche Sektenbeauftragte und gegen Betroffenen-Hilfsorganisationen (Elterninitiativen) gegeben.
Dabei sollen die kritischen Betroffenen als "Apostaten" stigmatisiert und die Kirchen in ihrem Engagement in diesem Feld als "Interessengruppe" abgestempelt werden. Statt die problematischen Gruppen und Bewegungen zu kritisieren, sollen "runde Tische" geschaffen werden. Andere "Fachleute" sollen dann Mediation zwischen konkurrierenden religiösen Gruppen bieten, aber auch Mediation zwischen den Kulten und Sekten und den "Aussteigern". Diese Argumentation hat sich auch im Sondervotum der Grünen zum Endbericht der Enquete-Kommisssion niedergeschlagen.
Begründet und gestützt wird diese Argumentationslinie in einem Gutachten, das der (kirchliche) hessen-nassauische Sekten- und Weltanschauungsbeauftragte Dr. Fritz Huth im März 1998 außerdienstlich für "Bündnis 90/ Die Grünen" angefertigt hat. Seine diesbezügliche Darlegung gipfelte in der Ausführung "Schließlich sind mir Fälle bekannt, wo sogenannte 'Sekten-Opfer' über Jahre von Weltanschauungs-Beauftragten auf unzähligen Veranstaltungen 'vorgeführt' wurden, in dem Moment, wo sich eine andere Deutung ihrer eigenen Geschichte entwickelte, die mit der der Weltanschauungs-Beauftragten nicht mehr übereinstimmte, aber 'fallengelassen' wurden. Es geht hierbei auch um den 'Betroffenheitskult', der nichts mit objektiver Aufklärung, sondern mit Sensations-Mache und Effekthascherei zu tun hat.
Das kann so weit gehen, daß Vertreter/innen verschiedener Anschauungsweisen, z.B. über die Scientology-Organisation, sich öffentlich über Jahre hinweg 'bekriegen', beleidigen und verletzen. Hier ist die Frage zu stellen, ob die 'Operationalisierung' von Menschen, die durch ihren Kontakt mit 'sogenannten Sekten und Psychogruppen' geschädigt sind, durch Interessensgruppen in unserer Gesellschaft hinnehmbar ist."

Diese Argumentation ist dann im Sondervotum der Grünen und in der praktischen Politik der Grünen gegenüber kirchlichen Sektenbeauftragten und gegenüber Sektenaussteigern wirksam geworden und in das Sondervotum der Grünen zum Endbericht der Enquete-Kommission des 13. Deutschen Bundestages eingeflossen.
Verschiedene kirchliche Beauftragte waren der Meinung, daß es sich hier neben einem Angriff auf die Betroffenen vor allem um die Desavouierung der kirchlichen Beauftragten handelt und zwar durch einen dienstrechtlich relevanten Vorwurf. Man könnte den Anwurf sogar als den für ordinierte Seelsorger schwerwiegenden öffentlichen Vorwurf des Bruchs ihres Ordinationsversprechens und der Verletzung ihrer Hirtenpflicht betrachten.
Da diese Vorwürfe eine unerträgliche Belastung der Zusammenarbeit mit Betroffenen, aber auch mit Kollegen darstellt, habe ich Herrn Dr. Huth um Stellungnahme gebeten. Er hat mir mit Schreiben vom 11.12.1998 mitgeteilt "Mit dem von Ihnen zitierten Satz aus meinem Gutachten für Bündnis 90/Die Grünen habe ich nicht Sie gemeint".

Dr. Huth hielt aber daran fest, daß es Kollegen gebe, die sich entsprechend verhalten hätten und weigerte sich, weitere Entlastungen zu erteilen, "da auf diese Weise - sozusagen 'via negationis' - sich der Kreis der betreffenden Kollegen/innen immer mehr eingrenzen läßt."

Inzwischen hat Herr Dr. Huth zu seinem Gutachten erklärt:
"Ich habe keine Erkenntnisse, die die zitierte Behauptung auf Seite 40 stützen;
mir sind keine Fälle bekannt, wo sogenannte 'Sekten-Opfer' über Jahre von Weltanschauungs-Beauftragten auf unzähligen Veranstaltungen 'vorgeführt' wurden, in dem Moment, wo sich eine andere Deutung ihrer eigenen Geschichte entwickelte, die mit der der Weltanschauungs-Beauftragten nicht mehr übereinstimmte, aber 'fallengelassen' wurden.
Ich möchte auf diesem Hintergrund den erwähnten Satz aus meinem Gutachten nicht weiter aufrechterhalten und nehme ihn als unzutreffend und unwahr zurück".

Er hat dies in einem Schreiben an einige Elterninitiativen mitgeteilt. Damit sind auch alle seine anderen Vorwürfe eines angeblichen "Betroffenheitskultes" und der angeblichen "Operationalisierung von Menschen" vom Tisch.
Leider gibt es zur Zeit noch keine Hinweise darauf, daß diese Rücknahme einer entscheidenden Passage in dem Gutachten von Dr. Huth als unwahr auch zu einer Revision der Bewertung des Problemfelds durch die Grüne Parteiführung führen wird.  (Eigener Bericht BD 2-99)

Satanismus
Nazipropaganda und Satanismus
Hendrik M. muß wegen Nazi-Propaganda wieder ins Gefängnis. Das Amtsgericht in Eisenach verurteilte den 23jährigen zu einer Haftstrafe von acht Monaten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
1993 hatte der heutige Student mit zwei Freunden seinen 15 Jahre alten Mitschüler Sandro B. ermordet. Der 23jährige saß deswegen bereits gut fünf Jahre hinter Gittern. Jetzt trug er bei einem Konzert im thüringischen Behringen NS-Symbole an seiner Kleidung und rief gemeinsam mit anderen Nazi-Sprüche. (vgl. BD 4-98, S.24)
Der Richter warf dem Verurteilten vor, nichts dazugelernt zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Monate Haft gefordert, während die Verteidigung eine Geld- oder Bewährungsstrafe gefordert hatte. (Oranienburger Generalanzeiger, 15.7.99)

Transzendentale Meditation (TM)
Weiter Standort Berlin gesucht bei

Die Transzendentale Meditation sucht nach Maklerberichten auch im Umland von Berlin eine Immobilie mit Unterbringungsmöglichkeiten für 1.000 bis 1.500 Personen für ein bis zwei Jahre. Dabei sollen Speiseräume mit ca. 500 Sitzplätzen, Schulungsräume, Versammlungshallen und Sporthallen mit 2.000 qm Nutzfläche sein. Das "Vedische Friedenskorps" denkt an leerstehende Schulungsanlagen, militärisch genutzte Gebäude, ehemalige DDR-Ferienlager, oder ähnliches.
In der letzten Zeit hatte es auch - Ende Oktober gescheiterte - Bemühungen gegeben, eine "Maharishi Universität" in Rheinsberg zu etablieren. Mehr als 200 Millionen DM sollten hierfür eingesetzt werden.
(Eigener Bericht BD 9.11.1999)

STIFTUNG WARENTEST weiter kritisch gegenüber TM
Die TM-Bewegung setzt in letzter Zeit immer wieder angeblich unterstützende Äußerungen der Berliner STIFTUNG WARENTEST zur Werbung ein. Tatsächlich hat die STIFTUNG WARENTEST jedoch bereits in der Hauszeitschrift test 3/98 S. 7 zu dieser Inanspruchnahme wie folgt Stellung genommen:

"Die STIFTUNG WARENTEST hat sich in der Vergangenheit mehrfach zum Verfahren der Tanszendentalen Meditation geäußert, am ausführlichsten in dem Handbuch 'Die Andere Medizin. Nutzen und Risiken sanfter Heilmethoden'.
Hier wird darauf hingewiesen, daß TM im Rahmen des sogenannten Maharishi Ayur-Veda eingebettet ist in ein 'totales Programm zur Rettung der Welt'. Zitat: 'Die mit dem Maharishi Ayur-Veda verknüpften Bewußtsteinstechnologien der Transzendentalen Meditation sind abzulehnen'. Auch bemängelten wir die Gefahr psychischer Folgeschäden bei labilen Menschen. Vor diesem Hintergrund möchten wir klarstellen, daß die Ausführungen zu TM in unserem Handbuch 'Herz und Kreislauf. Vorbeugen, erkennen, heilen.' keinesfalls als Neubewertung zu verstehen sind. Vielmehr wird in dem Kapitel 'Verschiedene Entspannungstechniken' auf eine Studie der international anerkannten 'American Heart Association' zur TM verwiesen, die einen blutdrucksenkenden Effekt von Meditation belegt. Die kritische Einstellung der STIFTUNG WARENTEST in Bezug auf TM bleibt davon jedoch unberührt."

In einem Schreiben an den Herausgeber des Berliner Dialog heißt es weitergehend zu der mißbräuchlichen Behauptung einer angeblichen Unterstützung der Stiftung in der TM-Werbung:
"Die Verbreitung, die das "test"-Heft findet, und die Art und Weise, wie unsere Klarstellung optisch plaziert ist, ...ist ... geeignet, um die Wettbewerbswidrigkeit weiterer Werbung juristisch zu bewirken."
(Q: Schreiben Stiftung Warentest vom 16.07.1998)


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