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| BERLINER DIALOG 17, 2-1999 Johannis - Martini BERICHTE |
Satanismus und Polizei
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In Deutschland ebenso wie weltweit ist das Interesse an Vorfällen im Zusammenhang mit - wenn vielleicht auch nur vermutetem - Satanismus groß. Dies trifft insbesondere auf die Medien zu. Dabei ist es manchmal schwer, an den Tatsachenkern heranzukommen. Am 20. November 1998 berichtete die "Lausitzer Rundschau" davon, daß ein spielender Junge auf einer Wiese nahe der kolumbianischen Stadt Pereira die Leichen von mindestens 23 Kindern entdeckt hat. Die Jungen und Mädchen waren offenbar vor ihrem Tod gefoltert worden. Sie könnten nach Behördenangaben Opfer satanistischer Kulte oder von Sexualverbrechern geworden sein. Auch sogenannte soziale Säuberungen durch Todeschwadrone könnten nicht ausgeschlossen werden. Bei aller Tragik des Falles war Näheres eben nicht bekannt, gemeldet wurden Interpretationen, wenn man so will: Spekulationen. | Foto: Solveig Prass, EBI Leipzig |
Getitelt jedoch wurde mit "Satanskult" und dies setzt sich im Bewußtsein der Rezipienten fest. | (1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. |
Angesichts derartiger Meldungen, die eher sensationell aufgemacht als tiefgründig recherchiert erscheinen, fragt sich, wie sich das Lagebild in Deutschland aus polizeilicher Sicht darstellt. Vorausgeschickt werden muß, daß Fälle wie die eingangs geschilderten hier nicht auf der Tagesordnung stehen. Gleichwohl gibt es das Phänomen Satanismus.
Die Polizei kann verständlicherweise nur solchen Sachverhalten nachgehen, die ihr auf dem Wege der Anzeigenerstattung oder durch eigene Feststellungen bekannt werden. Hier stehen wir vor dem Problem des sogenannten Dunkelfeldes. Aus den verschiedensten Gründen, - bei den hier diskutierten Delikten wird vielleicht an Scham oder Angst vor negativer Presse zu denken sein - , werden nicht alle Straftaten angezeigt. Wie groß dieses Dunkelfeld ist, vermag ich nicht einzuschätzen. |
Die Informationsdefizite sind im übrigen kein alleiniges Problem der neuen Bundesländer. So ist ein Fall massiver Grabschändungen im Jahre 1997 aus dem Saarland bekannt, mit dem die ermittelnden Beamten Neuland betraten. Sie faßten ihre Erfahrungen in einer Druckschrift zusammen, die sich als Hilfe für künftige Ermittlungen bei gleich gelagerten Sachverhalten versteht. | Foto: Solveig Prass, EBI Leipzig |
Um für ein Lagebild recherchieren zu können, wird zu allererst an die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zu denken sein. Bedauerlicherweise muß man beim genaueren Betrachten feststellen, daß eine Erhebung nach Straftaten "Störung der Totenruhe" nicht möglich ist. Dieser Tatbestand landet neben anderen statistisch im Sammelbecken "Sonstiges". Auch eine Auswertung unter dem Aspekt der Tatorte (Friedhof, Kirche...) läßt die PKS nicht zu. Unter dem Gesichtspunkt, das die PKS durch die Innenminister des Bundes und der Länder regelmäßig politisch ausgewertet und der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt wird, stellt sich die Frage, weshalb eine Aussage zu Störungen der Totenruhe nicht möglich ist. Es mag dahingestellt bleiben, ob hieran kein besonderes politisches Interesse besteht. Dem Fazit der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen. |
"Zu den Ergebnissen ist anzumerken, daß Straftaten mit okkultem bzw. satanistischem Hintergrund in den meisten Landeskriminalämtern nicht gesondert erfaßt werden. Ausnahmen bilden hier das Land Niedersachsen und das Land Brandenburg. Das Land Berlin hat eine Nachrichten- und Sammelstelle zum Thema 'sogenannte Sekten' eingerichtet, und es besteht eine Meldepflicht für Straftaten mit rituellem Hintergrund. Der Freistaat Sachsen erfaßt datenmäßig gegen kirchliche Einrichtungen gerichtete Straftaten unter besonderer Berücksichtigung durch 'satanistische' Tätergruppen. Das Landeskriminalamt des Landes Nordrhein-Westfalen stellt in einer Sonderauswertung zum Thema 'Okkultismus/Satanismus' aus dem Jahre 1995 fest, daß es sich beim Satanismus mehr um ein qualitatives als ein quantitatives Problem handele. Hinweise auf einzelne schwerwiegende Straftaten hätten nicht verifiziert werden können. Die Anzahl der Delikte, die dem jugendzentristischen Satanismus zuzurechnen seinen, steige allerdings. Man sehe zur Zeit zwar keinen konkreten Handlungsbedarf, trotzdem sollten die Aktivitäten und Strömungen in diesem Umfeld besonders sorgfältig beobachtet werden. Bei den bekanntgewordenen Straftaten handelt es sich um Körperverletzungen, Nötigung, Störung der Totenruhe, (gemeinschädliche) Sachbeschädigung, Brandstiftung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sowie auch Vergewaltigung und sexuelle Nötigung. Inwiefern diese Straftaten aber eindeutig als Ausdruck okkulter oder satanistischer Glaubensüberzeugungen oder Gruppen zu interpretieren sind, muß häufig offen bleiben. Eine Recherche im kriminalpolizeilichen Meldedienst hinsichtlich der oben genannten Straftaten im Zusammenhang mit Okkultismus/Satanismus in Nordrhein-Westfalen verlief negativ. Wie auch bei anderen Straftaten, die mit konfliktreichen neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen in Zusammenhang stehen, gibt es allerdings auch hier ein Defizit bei den Ermittlungsbehörden." |
Ritueller Mißbrauch | Foto: Solveig Prass, EBI Leipzig |
Demnach wird von (angeblichen?) Opfern immer wieder von folgenden Handlungen und Ritualen berichtet: Auch unter Berücksichtigung der (eher spärlichen) Erkenntnisse der Landeskriminalämter darf bezweifelt werden, ob ritueller Mißbrauch tatsächlich - zumindest in der von vielen angenommenen Quantität - vorhanden ist. Gleichwohl halte ich es für erforderlich, daß die Ermittlungsbehörden jedweden Hinweisen mit der gebotenen Sensibilität und Intensität nachgehen.
Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Vor einigen Jahren wurde einer Ermittlungsbehörde des Landes Brandenburg bekannt, daß eine Gymnasiastin regelmäßig im Rahmen satanistischer Kulte sexuell mißbraucht werde. Zudem bestand der Verdacht, daß sie durch unbekannte Täter und auch in diesem Zusammenhang der Prostitution zugeführt werde. Der Kontakt zu dem Mädchen, das sich seiner Lehrerin anvertraut hatte, gestaltete sich als außerordentlich schwierig. Dies erschien nachvollziehbar, sollten doch Lehrer, Polizisten und andere Personen des öffentlichen Lebens zu den Satanisten gehören. Von Anfang an stellte sich die Frage, ob die Schilderungen einen realen Gehalt haben oder der - möglicherweise krankhaften - Phantasie der Geschädigten entsprangen. Jedenfalls wurde durch Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei sehr personal- und zeitintensiv ermittelt. Für die Ermittlungen hätte es gewissermaßen den Durchbruch bedeutet, wenn man den oder die Tatorte hätte finden können. Jedoch wich die Geschädigte immer dann aus, wenn es konkret werden sollte. Parallel zu den laufenden Ermittlungen berichtete sie immer wieder über neuerlichen Mißbrauch. Letztendlich entschieden sich die Ermittlungsbehörden dazu, die Geschädigte für eine gewisse Zeit zu observieren. Obwohl ausweislich der lückenlosen Beobachtung durch die Polizei nichts Verdächtiges festzustellen war, berichtete die Geschädigte, im fraglichen Zeitraum wiederum entführt worden zu sein. Die Ermittlungen wurden letztendlich eingestellt. Der hier nur andeutungsweise geschilderte Fall ist aus mehrerlei Hinsicht interessant: Zum einen haben Staatsanwaltschaft und Polizei die Hinweise nicht von Vornherein als "Spinnerei" abgetan. Trotz gewisser Widerstände - es ist vor allem im Zusammenhang mit der Personalsituation nicht unproblematisch, Ermittlungskapazitäten ohne handfeste Argumente über längere Zeit zu binden - wurde sehr intensiv ermittelt. Dabei wurden alle rechtlichen und taktischen Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung ausgeschöpft. Darüber hinaus wurden die ermittelnden Beamten erstmals mit dem Problemfeld möglichen rituellen Mißbrauchs konfrontiert, was insoweit lehrreich war. |
Friedhofsschändungen
Vermißtenfälle
Jugendprobleme
Okkulte Fahndungshilfe |
Polizeiliche Defizite
Hinweise für die ErmittlungsarbeitHinweise für die Ermittlungsarbeit Wird bei der Untersuchung von Tatorten menschliches Blut gefunden, so sollte nicht versäumt werden, dieses nach entsprechender Untersuchung in die DNA-Analyse-Datei (bekannt auch als Gendatenbank) einzustellen, um sie mit den an anderen Tatorten erhobenen Genprofilen und den Profilen einliegender Personen abgleichen zu können. Abschließend sei der Hinweis gestattet, daß gerade auch bei Satanisten geprüft werden sollte, ob im Einzelfall die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, diese in die DNA-Analyse-Datei aufzunehmen. Hieran sollte etwa in solchen Fällen, wie bei den schon erwähnten "Neubrandenburger Kirchenräubern" gedacht werden. Ich halte dies für eine sinnvolle Möglichkeit, künftige Straftaten gerade auf diesem speziellen Gebiet aufzuklären. Informations- und Arbeitstagung "Okkultismus/Satanismus" Gemeinschaftsveranstaltung des Bildungsministeriums und der Landeszentrale für Politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, 3. Juni 1999, Schweriner Schloß, Arbeitsgruppe "Polizeiliche Sicht" Wolfgang Bauch, Cottbus, ist Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Landesverband Brandenburg. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter ist der gewerkschaftliche Berufsverband der Angehörigen der deutschen Kriminalpolizei und anderer in der Kriminalitätsbearbeitung tätiger Polizeiangehöriger. Er ist ein selbständiger Berufsverband und parteipolitisch unabhängig. Der BDK ist ein Gesamtverein, der sich in ehrenamtlich tätige Landesverbände gliedert. |
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