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BERLINER DIALOG 17, 2-1999 Johannis - Martini

 BERICHTE

Satanismus und Polizei
Probleme der Ermittlungsarbeit
von Wolfgang Bauch

In Deutschland ebenso wie weltweit ist das Interesse an Vorfällen im Zusammenhang mit - wenn vielleicht auch nur vermutetem - Satanismus groß. Dies trifft insbesondere auf die Medien zu. Dabei ist es manchmal schwer, an den Tatsachenkern heranzukommen.
Für die Auseinandersetzung mit den vermeintlichen oder tatsächlichen Straftaten, für die polizeiliche Ermittlung, sind Fakten gefragt. Wolfgang Bauch, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) im Land Brandenburg, hat sich auf der Informations- und Arbeitstagung "Okkultismus/Satanismus"-Gemeinschaftsveranstaltung des Bildungsministeriums und der Landeszentrale für Politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern am 3. Juni 1999 im Schweriner Schloß zu polizeilichen Aspekten des Themas geäußert und sein Referat dem Berliner Dialog zur Verfügung gestellt.
  -Red.

Am 20. November 1998 berichtete die "Lausitzer Rundschau" davon, daß ein spielender Junge auf einer Wiese nahe der kolumbianischen Stadt Pereira die Leichen von mindestens 23 Kindern entdeckt hat. Die Jungen und Mädchen waren offenbar vor ihrem Tod gefoltert worden. Sie könnten nach Behördenangaben Opfer satanistischer Kulte oder von Sexualverbrechern geworden sein. Auch sogenannte soziale Säuberungen durch Todeschwadrone könnten nicht ausgeschlossen werden. Bei aller Tragik des Falles war Näheres eben nicht bekannt, gemeldet wurden Interpretationen, wenn man so will: Spekulationen.

Satanismus1

Foto: Solveig Prass, EBI Leipzig

Getitelt jedoch wurde mit "Satanskult" und dies setzt sich im Bewußtsein der Rezipienten fest.
Am 09.02.1999 berichtete "Bild" unter der Überschrift "Todeskandidat warnt: Laßt die Finger von Satans-Sekten!" über die Hinrichtung des 32jährigen Sean Sellers im Staatsgefängnis von Oklahoma. Sellers soll mit sechzehn Jahren den Angestellten eines Supermarkts, kurz darauf seine Mutter und seinen Stiefvater erschossen haben. Vor seiner Hinrichtung habe er sein Vermächtnis auf Tonband gesprochen: "Der Satan hatte mein ganzes Leben beherrscht. Doch in den Jahren in der Todeszelle habe ich nachgedacht. Mein Ziel ist, Jugendliche vor okkultistischen Sekten zu bewahren. Ich habe mich oft gefragt, warum ich diese drei Menschen getötet habe. Es tut mir unendlich leid. Das Gefängnis hat mich vom Satan befreit. Hier bin ich ein guter Christ geworden."

(1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Aufbahrungsstätte, Beisetzungsstätte oder öffentliche Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt oder wer dort beschimpfenden Unfug verübt.

(3) Der Versuch ist strafbar.
(Q: §168 StGB)

Angesichts derartiger Meldungen, die eher sensationell aufgemacht als tiefgründig recherchiert erscheinen, fragt sich, wie sich das Lagebild in Deutschland aus polizeilicher Sicht darstellt. Vorausgeschickt werden muß, daß Fälle wie die eingangs geschilderten hier nicht auf der Tagesordnung stehen. Gleichwohl gibt es das Phänomen Satanismus.
Aus polizeilicher Sicht ist Satanismus nur dann von Interesse, wenn konkrete Straftatbestände verwirklicht worden sind. Gesetzliche Aufgabe der Polizei ist neben der Gefahrenabwehr im Rahmen der Polizeigesetze des Bundes und der Länder die Strafverfolgung. Handlungsgrundlage im letztgenannten Falle sind das Strafgesetzbuch (StGB) und die Strafprozeßordnung (StPO).
Damit die Polizei im Rahmen der Strafverfolgung tätig werden kann, muß immer der Verdacht begründet sein, daß gegen einen bestimmten Tatbestand des Strafgesetzbuches verstoßen worden sein könne. Hier ist etwa an §168 StGB "Störung der Totenruhe" zu denken.

Die Polizei kann verständlicherweise nur solchen Sachverhalten nachgehen, die ihr auf dem Wege der Anzeigenerstattung oder durch eigene Feststellungen bekannt werden. Hier stehen wir vor dem Problem des sogenannten Dunkelfeldes. Aus den verschiedensten Gründen, - bei den hier diskutierten Delikten wird vielleicht an Scham oder Angst vor negativer Presse zu denken sein - , werden nicht alle Straftaten angezeigt. Wie groß dieses Dunkelfeld ist, vermag ich nicht einzuschätzen.
Grundsätzlich gilt, daß die Häufigkeit der Anzeigenerstattung im Verhältnis zur Schwere der Tat steht: Delikte der Schwerstkriminalität werden eher angezeigt als Bagatelldelikte. Andererseits werden eher geringfügige Delikte dann der Polizei gemeldet, wenn die Anzeigenerstattung Voraussetzung für eine Schadensregulierung durch die Versicherung ist. Bei Einbrüchen - hier in Kirchen - wird also eher mit einer Anzeigenerstattung zu rechnen sein als bei Delikten geringerer Schwere.
Bei der Zahl der angezeigten Straftaten mit möglichem satanistischen Hintergrund stellt sich die Frage, ob dieser Hintergrund denn auch wirklich erkannt worden ist. Es gilt die an sich lapidare Tatsache, daß man nur erkennen kann, was man auch kennt.
Klar ist, ein Hakenkreuz kennt jeder und kann jeder zuordnen. Bei Zeichen, die indiziell auf Satanismus hindeuten, sieht dies schon anders aus. Hier sind in der Polizei doch noch erhebliche Informationsdefizite zu verzeichnen, wenn man dies auch sicher nicht pauschal sagen kann.

Die Informationsdefizite sind im übrigen kein alleiniges Problem der neuen Bundesländer. So ist ein Fall massiver Grabschändungen im Jahre 1997 aus dem Saarland bekannt, mit dem die ermittelnden Beamten Neuland betraten. Sie faßten ihre Erfahrungen in einer Druckschrift zusammen, die sich als Hilfe für künftige Ermittlungen bei gleich gelagerten Sachverhalten versteht.
Leider gehen derartige Erfahrungen - nicht nur auf diesem speziellen Gebiet - im Polizeialltag allzu oft unter oder werden nur lokal verbreitet. Auf diesen hilfreichen Bericht des Kriminaldienstes der Polizeiinspektion Köllertal bin ich jedenfalls nur zufällig aufmerksam geworden.

Bleiben uns für die Beurteilung des Lagebildes aus Sicht der Polizei die Straftaten, die angezeigt werden und deren möglicher satanistischer Hintergrund erkannt wird.

Satanismus2
Foto: Solveig Prass, EBI Leipzig

Um für ein Lagebild recherchieren zu können, wird zu allererst an die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zu denken sein. Bedauerlicherweise muß man beim genaueren Betrachten feststellen, daß eine Erhebung nach Straftaten "Störung der Totenruhe" nicht möglich ist. Dieser Tatbestand landet neben anderen statistisch im Sammelbecken "Sonstiges". Auch eine Auswertung unter dem Aspekt der Tatorte (Friedhof, Kirche...) läßt die PKS nicht zu. Unter dem Gesichtspunkt, das die PKS durch die Innenminister des Bundes und der Länder regelmäßig politisch ausgewertet und der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt wird, stellt sich die Frage, weshalb eine Aussage zu Störungen der Totenruhe nicht möglich ist. Es mag dahingestellt bleiben, ob hieran kein besonderes politisches Interesse besteht.
Für viele andere Straftaten oder sonstige Ereignisse von besonderer Bedeutung gibt es mehr oder weniger spezielle polizeiinterne Meldewege. Zu erwähnen sind die sogenannten WE-Meldungen ("Wichtige Ereignisse") und der Kriminalpolizeiliche Meldedienst (KPMD-Meldungen). Hier erfolgt die Meldung durch die bearbeitende Polizeidienststelle an das jeweilige Innenministerium und/oder Landeskriminalamt. Die in Rede stehenden Ereignisse sind jedoch ganz überwiegend nicht meldepflichtig. Gleichwohl ist natürlich Ermessen vorhanden.
In der Praxis besteht jedoch das aus Sicht der Arbeitsbelastung durchaus nachvollziehbare Bedürfnis, die Anzahl der insoweit zusätzlich belastenden Meldungen möglichst gering zu halten. Damit geht die Tendenz dahin, nur wirklich brisante und zumeist öffentlichkeitswirksame Vorfälle "nach oben" zu melden. Es sei denn, es ergeht "von oben" eine besondere Festlegung für diese Art von Delikten. Es ist durchaus vorstellbar und vor allem bei entsprechendem innenministeriellem Interesse auch durchsetzbar, eine Art Sondermeldedienst "Störungen der Totenruhe/Angriffe auf Kirchen und Friedhöfe/Straftaten mit satanistischem Bezug" einzuführen.
Dazu bedürfte es nach meinem Dafürhalten keiner gesonderten Meldewege, die Nutzung der vorhandenen würde hinreichen. In einzelnen Bundesländern bzw. auch anlassbezogen gibt es derartige Verfahrensweisen. So werden durch das Landeskriminalamt Brandenburg "Störungen der Totenruhe" gesondert erfaßt und ausgewertet, vorausgesetzt natürlich, daß sie auch nach dort gemeldet werden. Immerhin wurden auf diese Art und Weise allein im Jahre 1996 im Land Brandenburg 55 Störungen der Totenruhe an das Landeskriminalamt gemeldet, davon 35 durch das Polizeipräsidium Cottbus. Ob dies aber daran liegt, daß sich die Cottbuser Polizei im besonderen Maße engagierte - hier hatten sich diese Straftaten gehäuft - oder besonders meldefreudig war, ist der Statistik nicht zu entnehmen.
Zusammenfassend bleibt aus meiner Sicht festzustellen, daß es bundesweit kein polizeiliches Lagebild für Straftaten mit satanistischem/okkultem Hintergrund gibt.
Zu diesem Fazit ist auch die 1996 vom Deutschen Bundestag (13. Wahlperiode) eingesetzte Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" gekommen.  (siehe Kasten rechts)

Dem Fazit der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen.

"Zu den Ergebnissen ist anzumerken, daß Straftaten mit okkultem bzw. satanistischem Hintergrund in den meisten Landeskriminalämtern nicht gesondert erfaßt werden. Ausnahmen bilden hier das Land Niedersachsen und das Land Brandenburg. Das Land Berlin hat eine Nachrichten- und Sammelstelle zum Thema 'sogenannte Sekten' eingerichtet, und es besteht eine Meldepflicht für Straftaten mit rituellem Hintergrund. Der Freistaat Sachsen erfaßt datenmäßig gegen kirchliche Einrichtungen gerichtete Straftaten unter besonderer Berücksichtigung durch 'satanistische' Tätergruppen. Das Landeskriminalamt des Landes Nordrhein-Westfalen stellt in einer Sonderauswertung zum Thema 'Okkultismus/Satanismus' aus dem Jahre 1995 fest, daß es sich beim Satanismus mehr um ein qualitatives als ein quantitatives Problem handele. Hinweise auf einzelne schwerwiegende Straftaten hätten nicht verifiziert werden können. Die Anzahl der Delikte, die dem jugendzentristischen Satanismus zuzurechnen seinen, steige allerdings. Man sehe zur Zeit zwar keinen konkreten Handlungsbedarf, trotzdem sollten die Aktivitäten und Strömungen in diesem Umfeld besonders sorgfältig beobachtet werden. Bei den bekanntgewordenen Straftaten handelt es sich um Körperverletzungen, Nötigung, Störung der Totenruhe, (gemeinschädliche) Sachbeschädigung, Brandstiftung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sowie auch Vergewaltigung und sexuelle Nötigung. Inwiefern diese Straftaten aber eindeutig als Ausdruck okkulter oder satanistischer Glaubensüberzeugungen oder Gruppen zu interpretieren sind, muß häufig offen bleiben. Eine Recherche im kriminalpolizeilichen Meldedienst hinsichtlich der oben genannten Straftaten im Zusammenhang mit Okkultismus/Satanismus in Nordrhein-Westfalen verlief negativ. Wie auch bei anderen Straftaten, die mit konfliktreichen neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen in Zusammenhang stehen, gibt es allerdings auch hier ein Defizit bei den Ermittlungsbehörden."
(vgl. Bundestagsdrucksache 13/10950 vom 09.06.1998, Seite 47)

Ritueller Mißbrauch
Bevor ich auf einige Defizite bei den Ermittlungsbehörden eingehe, möchte ich mögliche Bezüge des Polizeialltages zum Okkultismus /Satanismus aufzeigen:
"Ritueller Mißbrauch" wird in der Öffentlichkeit regelmäßig im Zusammenhang mit Satanismus diskutiert. Wir verstehen darunter Formen sexueller, physischer und psychischer Übergriffe auf Kinder und Jugendliche, zumeist wohl weiblichen Geschlechts. Die Meinungen über das tatsächliche Ausmaß derartiger Delikte gehen weit auseinander. Auch die bereits erwähnte Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages hat sich mit dieser Problematik auseinandergesetzt.

Satanismus3
Foto: Solveig Prass, EBI Leipzig

Demnach wird von (angeblichen?) Opfern immer wieder von folgenden Handlungen und Ritualen berichtet:
* Tieropfer, * Vergewaltigungen, * Folterung,
* Beschmieren der (nackten) Frauen mit Tiergedärmen,
* Essen von Fäkalien usw.,
* Töten von Säuglingen, die eigens zu diesem Zweck von weiblichen Kultmitgliedern ausgetragen werden bzw. aus Dritte-Welt-Ländern oder Osteuropa eingeschmuggelt werden und
* Video-Dokumentation der Handlungen.

Auch unter Berücksichtigung der (eher spärlichen) Erkenntnisse der Landeskriminalämter darf bezweifelt werden, ob ritueller Mißbrauch tatsächlich - zumindest in der von vielen angenommenen Quantität - vorhanden ist. Gleichwohl halte ich es für erforderlich, daß die Ermittlungsbehörden jedweden Hinweisen mit der gebotenen Sensibilität und Intensität nachgehen.

Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Vor einigen Jahren wurde einer Ermittlungsbehörde des Landes Brandenburg bekannt, daß eine Gymnasiastin regelmäßig im Rahmen satanistischer Kulte sexuell mißbraucht werde. Zudem bestand der Verdacht, daß sie durch unbekannte Täter und auch in diesem Zusammenhang der Prostitution zugeführt werde. Der Kontakt zu dem Mädchen, das sich seiner Lehrerin anvertraut hatte, gestaltete sich als außerordentlich schwierig. Dies erschien nachvollziehbar, sollten doch Lehrer, Polizisten und andere Personen des öffentlichen Lebens zu den Satanisten gehören. Von Anfang an stellte sich die Frage, ob die Schilderungen einen realen Gehalt haben oder der - möglicherweise krankhaften - Phantasie der Geschädigten entsprangen. Jedenfalls wurde durch Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei sehr personal- und zeitintensiv ermittelt. Für die Ermittlungen hätte es gewissermaßen den Durchbruch bedeutet, wenn man den oder die Tatorte hätte finden können. Jedoch wich die Geschädigte immer dann aus, wenn es konkret werden sollte. Parallel zu den laufenden Ermittlungen berichtete sie immer wieder über neuerlichen Mißbrauch. Letztendlich entschieden sich die Ermittlungsbehörden dazu, die Geschädigte für eine gewisse Zeit zu observieren. Obwohl ausweislich der lückenlosen Beobachtung durch die Polizei nichts Verdächtiges festzustellen war, berichtete die Geschädigte, im fraglichen Zeitraum wiederum entführt worden zu sein. Die Ermittlungen wurden letztendlich eingestellt. Der hier nur andeutungsweise geschilderte Fall ist aus mehrerlei Hinsicht interessant: Zum einen haben Staatsanwaltschaft und Polizei die Hinweise nicht von Vornherein als "Spinnerei" abgetan. Trotz gewisser Widerstände - es ist vor allem im Zusammenhang mit der Personalsituation nicht unproblematisch, Ermittlungskapazitäten ohne handfeste Argumente über längere Zeit zu binden - wurde sehr intensiv ermittelt. Dabei wurden alle rechtlichen und taktischen Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung ausgeschöpft. Darüber hinaus wurden die ermittelnden Beamten erstmals mit dem Problemfeld möglichen rituellen Mißbrauchs konfrontiert, was insoweit lehrreich war.
So konnten und mußten beispielsweise Kontakte zu Sektenbeauftragten der Kirchen geknüpft werden, die grundsätzlich für alle Beteiligten von Nutzen sein können, auch in anderen Fällen. Mit Blick auf den Ausgang der Ermittlungen besteht allerdings die Gefahr eines "negativen Lerneffektes". Es fragt sich, ob künftig bei gleicher Ausgangslage wiederum so hartnäckig ermittelt werden wird. Vielleicht hat sich ja bei den Ermittlern oder deren Vorgesetzten irgendwo im (Unter-) Bewußtsein die Erkenntnis festgesetzt, daß ritueller Mißbrauch doch nur - soll heißen: in jedem Fall - Spinnerei ist...

Friedhofsschändungen
Friedhofsschändungen, zum geringeren Teil - wie Ende 1998 in Neubrandenburg - auch Einbrüche in Kirchen, machen die Masse der der Polizei bekannt werdenden Delikte mit möglichem satanistischem Bezug aus. Neben dem Kennen, respektive Erkennen, der entsprechenden Indizien kommt nach meinem Dafürhalten einer professionellen kriminaltechnischen Untersuchung der Tatorte eine besondere Bedeutung für die Aufklärung und Beweisführung zu. Bei Einbrüchen in Kirchen dürfte dies weniger ein Problem sein, jedoch bei Friedhofsschändungen. Allzu oft wird in der Polizeipraxis aus Gründen, die den Rahmen dieses Beitrages sprengen würden, davon Abstand genommen, entsprechende Experten für die Tatortuntersuchung hinzuzuziehen.

Vermißtenfälle
Im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Vermißtenfällen berichten Angehörige oder Freunde gelegentlich über merkwürdiges Verhalten des Vermißten in der letzten Zeit. Manchmal wird explizit von Sekten (im weitesten Sinne) gesprochen, ohne daß dann nähere Angaben zu der mutmaßlichen Sekte gemacht werden können. Gleichwohl sollte die Kriminalpolizei solchen Hinweisen nachgehen. Dies kann schon bei der eigentlich zum Standard gehörenden Besichtigung des letzten bekannten Aufenthaltsortes des Vermißten geschehen. Im Zweifel sollten die Ermittlungsbeamten Kontakt zu sachkundigen Kennern der Szene herstellen, beispielsweise zu Sektenbeauftragten der Kirchen oder - so vorhanden - speziellen staatlichen Stellen.
Gleiches trifft auf mögliche Motive bei Selbsttötungen zu.

Jugendprobleme
Gelegentlich tauchen - vor allem bei Jugendlichen - auch fragliche Druckerzeugnisse auf, die Erwachsene - etwa besorgte Eltern - nicht einordnen können und die auf Satanismus hindeuten. Manchmal handelt es sich "nur" um Texte aus der Black- oder Death-Metal-Szene. Auch hier kann oftmals schon dadurch geholfen werden, indem man an die Sektenbeauftragten der Kirchen verweist. Aus polizeilicher Sicht wird dies jedenfalls in solchen Bundesländern ein gangbarer Weg sein, in denen es keine originär zuständigen staatlichen Stellen, wie etwa die Sekteninformationsstelle in Mecklenburg-Vorpommern, gibt.

Okkulte Fahndungshilfe
Hier noch ein aus Sicht der Polizei nicht ganz ernst zu nehmendes Beispiel: Im Zusammenhang mit Fahndungsaufrufen nach bekannten oder unbekannten Tätern melden sich gelegentlich telefonisch oder schriftlich Damen - oft aus dem Süden der Bundesrepublik - und geben Hinweise, die sie durch Befragen des Pendels erlangt haben. Diese Hinweise finden sich in den Ermittlungsakten wieder und selbstverständlich auch in der Gesamtzahl der bei der Polizei eingegangenen Hinweise, die bei schweren Straftaten regelmäßig der interessierten Öffentlichkeit mitgeteilt wird. Damit ist das Pendel zumindest für die positive Darstellung polizeilicher Arbeit hilfreich. Schließlich wird ja allen Hinweisen nachgegangen...

Polizeiliche Defizite
Polizeiliche DefiziteZum Schluß will ich noch auf einige von mir gesehene Schwachstellen polizeilicher Arbeit eingehen. Zunächst müssen - und das ist bereits mehrfach angeklungen - gewisse Defizite im Kenntnisstand der ermittelnden Beamten festgestellt werden. Hier meine ich gar nicht so sehr die Spezifik bei der Untersuchung von vermutetem rituellen Mißbrauch. Ich will mich auf Delikte wie Friedhofsschändungen beschränken, mit denen faktisch jeder vor Ort tätige Polizeibeamte konfrontiert werden kann. Ich halte es für angezeigt, daß alle Polizeibeamten über ein gewisses Grundlagenwissen verfügen, was die Symbolik des Satanismus anbelangt. Dies ist kein Problem etwa nur in Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg, sondern gilt nicht zuletzt auch für die alten Bundesländer. Hier ist die Polizeiführung gefordert, meine Kritik richtet sich mithin ausdrücklich nicht gegen den einzelnen Beamten. Ich möchte dies an einem Beispiel verdeutlichen:
Vor etwa drei Jahren wurde die Polizei in einer kleinen Brandenburger Stadt auf den Inhaber einer zumeist von Jugendlichen besuchten Kneipe aufmerksam. Gegen ihn richtete sich der Verdacht, eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen weiblichen Geschlechts - wenn auch ohne Gewalt - sexuell mißbraucht zu haben. Im Verlaufe der Ermittlungen wurden in den betreffenden Räumen der Gaststätte sehr eindrucksvolle Bilder mit eindeutig satanistischem Inhalt festgestellt.
Diese waren bei der Festnahme des Beschuldigten und bei der ersten Durchsuchung seiner Räumlichkeiten ganz einfach nicht bewußt wahrgenommen worden. Die Ermittlungen haben ergeben, das sei ausdrücklich erwähnt, daß dort kein "Satanskult" oder dergleichen stattgefunden hat. Gleichwohl war die recht eindeutige Symbolik in den Räumen der Gaststätte erst relativ spät als satanistisch geprägt erkannt worden. Allein dies soll mein Beispiel belegen.

Hinweise für die ErmittlungsarbeitHinweise für die Ermittlungsarbeit
Geht es darum, schwere Einzelstraftaten oder eine Straftatenhäufung zu untersuchen, müssen die Ermittlungsbehörden die Sachverhalte spezifisch analysieren. Auch dies geht eben nur dann, wenn man gewisse Indizien kennt, die auf Satanismus hindeuten und zugleich als Ermittlungsansatz dienen können. Einige seien aufgeführt:
* War Vollmond?
* oder Frühlings-, Sommer-, Winteranfang, Hexennacht (Walpurgisnacht) ?
* Haben Black oder Death Metal Bands in der Nähe gespielt?
* Wurden schwarz gekleidete Personen in der Nähe gesehen?
* Hat man Kleintiere oder Teile (z.B. Hühnerfüße) am Tatort gefunden?
* Wurden Fahrzeuge mit auffallenden amtlichen Kennzeichen festgestellt (besondere Bedeutung von "666"!)?

Wird bei der Untersuchung von Tatorten menschliches Blut gefunden, so sollte nicht versäumt werden, dieses nach entsprechender Untersuchung in die DNA-Analyse-Datei (bekannt auch als Gendatenbank) einzustellen, um sie mit den an anderen Tatorten erhobenen Genprofilen und den Profilen einliegender Personen abgleichen zu können. Abschließend sei der Hinweis gestattet, daß gerade auch bei Satanisten geprüft werden sollte, ob im Einzelfall die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, diese in die DNA-Analyse-Datei aufzunehmen. Hieran sollte etwa in solchen Fällen, wie bei den schon erwähnten "Neubrandenburger Kirchenräubern" gedacht werden. Ich halte dies für eine sinnvolle Möglichkeit, künftige Straftaten gerade auf diesem speziellen Gebiet aufzuklären.

Informations- und Arbeitstagung "Okkultismus/Satanismus" Gemeinschaftsveranstaltung des Bildungsministeriums und der Landeszentrale für Politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, 3. Juni 1999, Schweriner Schloß, Arbeitsgruppe "Polizeiliche Sicht"

Wolfgang Bauch, Cottbus, ist Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Landesverband Brandenburg.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter ist der gewerkschaftliche Berufsverband der Angehörigen der deutschen Kriminalpolizei und anderer in der Kriminalitätsbearbeitung tätiger Polizeiangehöriger. Er ist ein selbständiger Berufsverband und parteipolitisch unabhängig. Der BDK ist ein Gesamtverein, der sich in ehrenamtlich tätige Landesverbände gliedert.


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