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Des Heilers lahme Hände
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Handauflegen ist ein uraltes Ritual, ein Zeichen der Zuwendung, das Leiden lindern oder gar Krankheiten heilen soll. Heutige Handaufleger geben sich mit dem Symbolgehalt aber nicht zufrieden. Zumindest jene der westlichen Welt beanspruchen vielmehr eine wissenschaftliche Grundlage für ihre Methode: Krankheiten gleich welcher Art sollen durch eine Störung des "menschlichen Energiefelds" entstehen. Eine Idee, die an mancherlei Östlich-Esoterisches erinnert, vor allem aber an Mesmers Magnetismus, über den sich schon ein zeitgenössisches Singspiel lustig machte, Mozarts "Cosi fan tutte". Im Englischen heißt das Handauflegen "Therapeutic Touch" (TT); der Terminus hat also eine ähnliche Bedeutung wie der deutsche. Die heutigen Hand-Heiler bewegen ihre Hände aber meist berührungsfrei dicht über dem Körper des Heilungssuchenden. Sie geben sich überzeugt davon, menschliche Energiefelder mit den Händen wahrnehmen und die Störungen positiv beeinflussen zu können. Ob sie aber ein solches "Energiefeld" überhaupt spüren, sollte es dies tatsächlich geben, ist vor kurzem zum ersten Mal wissenschaftlich untersucht worden. Wie man bei diesem umfangreichen Experiment vorging und was es ergab, hat eine der angesehensten medizinischen Zeitschriften der Welt publiziert: das "Journal of the American Medical Association" (Band 199, Seite 1005-1010). Beteiligt waren 21 freiwillige Versuchspersonen, fast durchweg Frauen aus nichtärztlichen medizinischen Berufen, meist Krankenschwestern. Sie saßen in einer Versuchsanordnung, die ihre eigenen Hände vor ihnen verbarg. Auf der anderen Seite einer Trennwand mit Aussparungen für die hindurchgestreckten Hände der Heilerinnen saß Emily Rosa, die das Experiment auch entworfen hatte. Sie ließ ihre eigene Hand acht bis zehn Zentimeter entweder über der rechten oder aber über der linken Hand der Versuchspersonen schweben, je nachdem, wie ein Münzwurf es entschied. Nur bei 44 Prozent der insgesamt 280 Tests konnten die Heilerinnen die Hand der Experimentatorin richtig orten. Diese Trefferquote hing nicht davon ab, wie lange eine Versuchsperson das Handheilen schon ausübte (bis zu 27 Jahre). Mit diesem Ergebnis. Das noch unter der Zufallswahrscheinlichkeit liegt, falle die fundamentale Behauptung der Heiler in sich zusammen, sie könnten ein "menschliches Energiefeld" spüren und manipulieren, stellen die Verfasser des Berichts fest. Da es überdies keine überzeugenden Wirksamkeitsnachweise für das Verfahren gebe, halten sie seine Anwendung für überflüssig. Daß eine renommierte medizinische Zeitschrift sich damit überhaupt befaßt, ist erstaunlich, denn meist wird die breite irrationale Unterströmung von der wissenschaftlichen Medizin ignoriert. Aber "Therapeutic Touch" ist in Amerika ein Massenphänomen. Selbst in einer Kirche der Wall Street wurde mit Flugblättern dafür geworben. In den Vereinigten Staaten praktizierten mehr als vierzigtausend Handheiler, heißt es in dem Bericht. Als aber eine Stiftung einen Preis von einer dreiviertel Million Dollar für jeden aussetzte, der seine Fähigkeit zum Erspüren "menschlicher Energiefelder" zu demonstrieren imstande sei, meldete sich nur eine einzige Frau. Sie scheiterte, und als die Stiftung den Preis auf 1,1 Millionen Dollar erhöhte, kam trotz intensiver Bemühungen überhaupt kein Anwärter mehr. So muß es als Glücksfall betrachtet werden, daß Emily Rosas Studie zustande kam. Die Autoren des Berichts führen dies darauf zurück, daß die Experimentatorin zu Beginn dieser Studie (vor zwei Jahren) erst neun Jahre alt war. Sie hatte die Versuchsanordnung für eine Art "Jugend-forscht"-Projekt im vierten Schuljahr entworfen. Ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter, unter ihnen ein Statistiker, äußern die Vermutung, die Heilerinnen seien nur deshalb zur Teilnahme bereit gewesen, weil ein argloses Kind sie testete. Bei der kleinen Emily befürchteten sie nicht die skeptische Haltung erwachsener Forscher. Hätten sie das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern gekannt, wären sie gewarnt gewesen: Es war ein Kind, das ganz sachlich feststellte, der Kaiser habe ja gar nichts an.
Mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Redaktion übernommen aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, |
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