Der Brief aus Moskau
Betr: Angebliche Behinderung der Heilsarmee in Rußland

von Alexander Dvorkin

In letzter Zeit hört man immer wieder über "Behinderung der Aktivitäten religiöser Organisationen in Rußland", die angeblich durch das neue Gesetz "Über die Gewissensfreiheit und Religiöse Organisationen" verursacht werden. Diese Gerüchte sind einfach nicht wahr: entweder werden sie von schlecht informierten Leuten verbreitet oder wir haben es mit der gezielten Desinformationskampagne zu tun, die von den Kulten und ihren willigen Fellowtravellern betrieben wird.

Das neue Gesetz hat neue Regeln für ALLE religiösen Organisationen in Rußland festgelegt. JEDE einzelne religiöse Organisation, die sich im Lande betätigt, muß sich bis zum 31. Dezember 1999 neu registrieren lassen. (Selbst die Russisch- Orthodoxe Kirche). So weit ich weiß, hat sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine einzige darum bemüht.

Erst nachdem eine Organisation ihre Neu-Registrierung beantragt haben und die Registrierung ihr verweigert werden würde, könnten wir über die angeblichen Behinderungen reden. Außerdem würde, entsprechend den Vorkehrungen, die das neue Gesetz vorsieht, im Falle der Verweigerung der Registrierung einer religiösen Organisation der Fall (automatisch) vor ein Gericht kommen, das entscheiden würde, ob die Verweigerung der Ein- tragung gerechtfertigt wäre.

All dies heißt jedoch noch nicht, daß eine religiöse Organisation wie die Heilsarmee nicht da und dort einige Schwierigkeiten mit dieser oder jener Provinzverwaltung haben könnte. Das Problem ist nämlich, daß in der Zeit, als das alte Gesetz über Gewissensfreiheit noch in Kraft war, die Kulte und die proselytierenden ausländischen Gruppen sich so gut wie unkontrolliert im Lande verbreitet haben. Einige von ihnen benehmen sich sehr arrogant. Sogar die Heilsarmee, die im Westen zumeist bekannt ist für ihre wohltätigen Aktivitäten, hat in Rußland eine sehr aktive und von vielen als geschmacklos empfundene Abwerbung unter Russisch-Orthodoxen betrieben.

Solche Aktivitäten haben zu sehr schwerwiegender Beunruhigung unter den Leuten geführt. Das erklärt, warum die Provinzverwaltungen, denen die Schwächen des damals geltenden Gesetzes bewußt wurden, während der letzten zwei Jahre begannen, ihre eigenen Gesetze zu machen um die Aktivitäten der totalitären Kulte und der bisher in ihren Regionen unbekannten abwerbenden ausländischen Missionare einzuschränken.

Auch dieser Regelungs-Wildwuchs führte unvermeidlich zu der Annahme des neuen Bundesgesetzes über die Gewissensfreiheit und die religiösen Organisationen: Man muß sich nur klarmachen, daß einige dieser örtlichen Gesetze sehr strikt waren, sodaß das neue Bundesgesetz keineswegs wie ein Donnerkeil vom Himmel auf ahnungslose Leute niederging, sondern daß es die bereits bestehenden Konflikte eher entschärft hat.

Erst die Zeit wird zeigen, was das Ergebnis all dieser Ereignisse sein wird. Aber eine Sache ist schon jetzt klar: Die destruktiven Kulte sind sehr unglücklich darüber, wie die Dinge in Rußland laufen, und sie versuchen deshalb angestrengt, zu beweisen, daß es in Rußland eine fortgesetzte religiöse Verfolgung gibt, besonders gegen solche Religionsgemeinschaf- ten, die eine sehr gute internationale Reputation haben.

Darum möchte ich dazu raten, nicht auf unbestätigte Gerüchte und hysterische Alarmrufe aus unklaren Quellen zu vertrauen.

Keine Einschränkung für Adventisten

Auch die Adventisten, eine Religionsgemeinschaft auf dem Weg von der christlichen Sekte zur Freikirche, genießt in Rußland alle Freiheiten. Das russische Justizministerium bestätigte auf Wunsch der Euro-Asien-Division der Adventisten, daß sie die Kriterien des neuen Religionsgesetzes erfülle. Die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten besteht seit 110 Jahren auf russischem Territorium. Heute haben die Adventisten in der russischen Föderation ca. 42.000 erwachsene Mitglieder in 370 "Adventgemeinden".
(Q: APD 11/97)

Bischof Kretschmar (St. Petersburg) zum Russischen Religionsgesetz

Der Bischof der Ev.-Luth. Kirche in Rußland, der Ukraine, Kasachstan und Mittelasien, D. Georg Kretschmar, äußert sich in einem Leserbrief an die Zeitschrift "Glaube in der 2. Welt" (11-97) nicht nur skeptisch und abwartend zum neuen Russischen Religionsgesetz: "Sicher hätte ich einige Rückfragen, manches sehen Sie, wie mir scheint, etwas zu optimistisch. Aber von den so einseitigen Berichten in der sonstigen Presse hebt sich ihr Beitrag höchst wohltuend ab, denn in der Tat war das bisher gültige Religionsgesetz revisionsbedürftig. Man wird auch schlicht sagen müssen, daß die Gesetzgebung aufs Ganze einfach an die europäische Tradition angepaßt wird, wenngleich das bisweilen in einer Form geschieht, die dann doch mancherlei Bedenken hervorruft. Einige wenige Anstöße hat die jetzt unterschriebene und damit gültige Fassung des Gesetzes noch erhalten. Entscheidend wird sein, wie es angewandt wird ... Wir werden das Gesetz auf den Synoden ... vorzustellen haben und wohl auch einige Ängste besänftigen können."

(Bischof Kretschmar bezieht sich auf einen Beitrag von Gerd Stricker in Glaube in der 2. Welt 7/8-1997, zu bestellen bei Glaube in der 2. Welt, Bergstr. 6, Postfach 9, CH-8702 Zollikon, Fax 01-3914426. Wir hatten aus diesem Artikel Strickers im BD 3-97 zitiert und werden weiter berichten - auch über Stimmen zum Gesetz und die Medienberichterstattung. - Red.

LESERBRIEF

von Udo Hahn
Erlauben Sie mir zu dem Beitrag von T.G. (Berliner Dialog 3/1997 S. 7) folgende Anmerkungen: Otto Freiherr von Campenhausen, der frühere Präsident des Kirchenamtes der EKD, hat sich zur Frage der russischen Religionsgesetzgebung zu keinem Zeitpunkt im "Rheinischen Merkur" geäußert. Gemeint sein kann lediglich ein Beitrag von Axel Freiherr von Campenhausen, Mitherausgeber des "Rheinischen Merkur" und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, der in einer Herausgeberkolumne u.a. auch auf die Vorgänge in Rußland Bezug nahm.

Es wäre schön, wenn Sie Ihre Leser über diesen Irrtum aufklären könnten.

Und noch eine Bitte: Beim "Rheinischen Merkur, handelt es sich nicht um einen Wochenzeitschrift, sondern um eine Wochenzeitung.

Mit freundlichen Grüßen

Udo Hahn

Ressortleiter Evang. Kirche

Herr Hahn hat Recht. Der von Pfr. Thomas Gandow (T.G.) in seinem Kommentar kritisierte Beitrag u.a. zur Situation in Rußland stammte tatsächlich von Axel Freiherr von Campenhausen, dem Mitherausgeber des "Rheinischen Merkur" und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD. Wir bedanken uns für die kollegiale, freundliche Korrektur und bitten, die Verwechselung zu entschuldigen. - Red.