Der Sänger, der sich früher Prince nannte (heute "Tafkap") will zur Jahrtausendwende die ganze Nacht durchfeiern. Auch für viele andere ist die Zahl 2000 Grund, schon heute eine gigantische Silvesterparty zu planen. Doch in den Buchhandlungen finden sich neben Ratgebern wie "Silvester 1999" mit den "besten Tips und Ideen für die Jahrtausendfeier" Katastrophen-Kursbücher wie "Weltuntergang 1999".
Auch die SAT.1.-Serie Millennium geht von der Prämisse aus, daß zum Ende des Jahrtausends das Böse immer stärker wird. Zukunftsängste und die weltweit depressive Stimmung motivieren Serienkiller und andere Psychopathen zu Überstunden, die von einer mysteriösen Polizei-Gruppe namens "Millenniumfinal abgebaut werden. Anscheinend hat sich auch Millennium-Schöpfer Chris Carter (.Akte X") intensiv in die Traktätchen alter und neuer Weltuntergangspropheten vertieft, um zu prüfen, ob nicht möglicherweise das letzte Stündlein der Menschheit überhaupt geschlagen hat.
Hopi-Indianer
Und tatsächlich: Wer sucht, wird auch fündig. Zum Beispiel in den Mythen der
amerikanischen Hopi-Indianer. Danach erscheint ein heller "gelber Stern"
sieben Jahre vor der Zerstörung der Welt am Himmel. Einige Apokalypse-Fans
wollen besagten Stern in dem Kometen "Hale- Bopp" erblickt haben, der im
Frühjahr 1997 einige Wochen lang mit bloßem Auge zu sehen war und viele
Menschen faszinierte. Würde diese Interpretation stimmen, käme der
Weltuntergang im Jahr 2004. Allerdings beobachten die Astronomen jedes Jahr
rund zwei Dutzend Kometen. Ein berühmter Vetter von "Hale-Bopp" ist etwa
der "Halleysche Komet", der sich regelmäßig alle 76 Jahre unserem blauen
Planeten nähert. Zuletzt besuchte uns der "Halleysche Komet" 1986. wäre er
der Unheilskünder aus der Hopi-Mythologie, hätte die Welt schon 1993
untergehen sen.
Planetenkette
Einige Astrologen haben für das Jahr 2000 eine sogenannte "Große
Planetenkonstellation" ausgerechnet. Das bedeutet, daß die neun Planeten
unseres Sonnensystems wie an einer Perlenkette aufgereiht in einer Linie
stehen. Dies könne angeblich schwere Beben und verheerende Flutwellen auf
der Erde auslösen. Kein Grund zur Sorge, meint dagegen der Physikprofessor
und Leiter der Berliner Archenhold-Sternwarte, Dieter B. Herrmann. Per
Computer-Simulation hat er die vermeintliche "Killer-Konstellation"
analysiert. Sein Fazit: "Die Kräfte, die dabei zusätzlich auf die Erde
einwirken, entsprechen dem Gewicht einer Stubenfliege, die auf einem
fahrenden 15- Tonnen-LKW landet." Übrigens hatten wir die gleiche Anordnung
der Himmelskörper schon einmal im Jahr 1982. Auch damals passierte nichts
- außer vielleicht, daß Deutschland das Finale der Fußball- WM in Spanien
verlor.
Nostradamus
Der Star einer breiten Kaffeesatz-Front, die munter im Drüben fischt und als
jüngstes Gerücht das jüngste Gericht halluziniert, bleibt indes
unangefochten der berühmte Seher Nostradamus. Wann immer es eine
Katastrophe, einen Krieg oder ein Attentat zu kommentieren gibt, greift vor
allem die Boulevard-Presse gerne auf diesen billigen Autor zurück. Denn der
Großmeister aller Fern-Seher ist bereits seit 500 Jahren tot. Und Tote
verlangen in der Regel kein Honorar.
Den eigentlichen Weltuntergang datierte Nostradamus zwar erst auf das Jahr 3797. Doch soll 1999 immerhin der "große König des Terrors" erscheinen und einen furchtbaren Krieg auslösen.
Woher konnte Nostradamus das vor einem halben Jahrtausend schon wissen? Zumal der französische Seher noch viele andere verblüffende Vorhersagen gemacht hat. So zum Beispiel die Gründung des Staates Israel: "Zurückgekehrt, finden sie die befestigten Orte ohne Verteidigung. Sie besetzen den Ort, der bis dahin unbewohnbar war. Wiesen, Häuser, Felder, Städte nehmen sie nach Belieben. Hunger, Seuche, Krieg, lange Mühe für wenig Land" (Vers 19 der III. Centurie).
Und daß sogar die Erfindung der Neutronenbombe, die bekanntlich Menschen tötet, aber Gebäude und Geräte unversehrt läßt, wird mit folgendem Vers des Nostradamus bewiesen:
"Zurückgekehrt, finden sie die befestigten Orte ohne Verteidigung. Sie besetzen den Ort, der bis dahin unbewohnbar war. Wiesen, Häuser, Felder, Städte nehmen sie nach Belieben. Hunger, Seuche, Krieg, lange Mühe für wenig Land." (Vers 19 der III. Centurie).
Auch die Liebschaft des ehemaligen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy mit der Schauspielerin Marylin Monroe blieb Nostradamus nicht verborgen: "Plötzlich wird man sich mächtig erschrekken, von den Obersten werden die Ursachen der Affäre vertuscht. Und die feurige Dame wird letztendlich nicht mehr zu sehen sein. Nach und nach werden die Großen verärgerter" (Vers 65 der V. Centurie).
Auch vor dem Aids-Virus verschloß Nostradamus seine titanische Pupille nicht. Beleg: "Plötzlich wird man sich mächtig erschrecken, von den Obersten werden die Ursachen der Affäre vertuscht. und die feurige Dame wird letztendlich nicht mehr zu sehen sein. Nach und nach werden die Großen verärgerter." (Vers 65 der V. Centurie).
Ein und derselbe Vers - zwei völlig unterschiedliche Deutungen. Der Nostradamus-Experte Ray Nolan zum Beispiel sieht in der "Feurigen Dame" eindeutig Marilyn Monroe. Und zwar wegen ihres bekannten Films "Manche mögen's heiß". Für den deutschen Astrologen und Nostradamus-Interpreten Kurt Allgeier dagegen hört sich dieser Vers so an, "als wurde das plötzliche Auftauchen der Krankheit Aids geschildert: Niemand weiß, woher das Virus kam. Zuerst versuchte man sie (ihren Ursprung?) zu verschweigen. Dann setzte die große Angst ein. Schließlich werden auch die verantwortlichen tief besorgt sein." Kein Wunder also, daß nach dem Willen seiner publizistischen Ausbeuter der Renaissance- Pestarzt und Astrologe aus Saint Remy in der Provence immer recht hat. Wenigstens im nachhinein.
Überall dort aber, wo die Nostradamus- Fans Zukünftiges aus seinen skurrilen Vierzeilern herauslesen wollen, wird's unfreiwillig komisch. So heißt es zum Beispiel im 40. Vers der VI. Centurie: "Um den großen Durst zu löschen, wird der Große aus Mainz seinen Ämtern enthoben. Die von Köln werden sich so laut beklagen, daß der große Hintern in den Rhein gestürzt wird." Sagt man von Bundeskanzler Helmut Kohl nicht, daß er Probleme gerne aussitzt? Genau: Dieses Verslein im Stil einer Büttenrede sagt eindeutig seinen Sturz vorher - meinen jedenfalls einige Nostradamus-Deuter.
Die Sache mit der runden Zahl
Kuriosum am Rande: Ausgerechnet die angebliche Massenhysterie im
"Schreckensjahr" 999 und zur ersten Jahrtausendwende christlicher
Zeitrechnung, die heute oft als Beleg für die Wahrscheinlichkeit ähnlicher
kalendergebundener Ängste gilt, ist von Historikern mittlerweile als
Mythos, als "romantisierende Erfindung aus dem 16. Jahrhundert" entlarvt
worden1;2.
Außerdem: Hätten sich beispielsweise die Araber in unserem Kulturbereich durchgesetzt, würden wir erst im Jahr 1417 leben. Und wäre das Römische Reich nicht untergegangen, schriebe man bereits das Jahr 27495.
1533 errechnete ein Student aus Lochau das "genaue" Datum des Weltuntergangs
- angeblich anhand der biblischen Johannes- Offenbarung. Als seine
Voraussage nicht eintraf, wurde das unglückliche Mathematik-Genie von
seinen Nachbarn mit Steinen beworfen. Außerdem verlor er seinen Job als
Kirchendiener.
1761 bestimmte ein Soldat namens William Bell das Ende der Welt für den 5.
April. Und tatsächlich schlug das Schicksal unbarmherzig zu: Am 6. April
wurde Bell ins Irrenhaus gesteckt.
Auch der Brunnenbauer Alois Irlmaier aus der bayerischen Grenzstadt
Freilassing erregte um 1950 mit seinen endzeitlich geprägten
Beschreibungen eines dritten Weltkrieges viel Aufsehen. Er schrieb zum
Beispiel: "Das Meer bekommt große Löcher, und wenn das Wasser zurückkommt,
reißt es die Inseln vor der Küste weg." Oder: "Nach der Katastrophe wird es
wärmer, und bei uns werden die Südfrüchte wachsen." Doch diese Visionen sind
offenkundig stark von der Diskussion um die Atomwaffen in den vierziger und
fünfziger Jahren beeinflußt. Ähnlich wie dem "Mühlhiasl" schwante auch
Alois Irlmaier ein Verblassen der christlichen Religion und des Glaubens.
Seine Vorhersage "Sie werden wieder zu Christus und der Gottesmutter
zurückkehren, und das wird ihre Leiden abkürzen" forderte seine
Zeitgenossen zur Umkehr auf.
Sogenannten Volkssehern wie Alois Irlmaier oder dem "Mühlhiasl" würde man
sicherlich Unrecht tun, wenn man sie als "Spinner" abtäte. Beide hielten
in ihren Visionen einen Teil des Lebensgefühle ihrer Zeit fest. Das, was
in ihnen gärte und sie bewegte, konnten sie aber nur als einigermaßen
wirre Droh-Botschaften zum Ausdruck bringen4.
Falls nichts Unvorhersehbares passiert, wie zum Beispiel ein gigantischer
Kometeneinschlag, wird wohl keiner von uns das Ende der Welt erleben.
Physiker gehen davon aus, daß die Aktivität der Sonne in etwa 1,2 Milli-
arden Jahren um dreißig Prozent steigen wird. Das bedeutet: Alles Wasser auf
der Erde verdunstet, das Klima kippt.
1 Damian Thompson: "Das Ende der Zeiten.
Apokalyptik und Jahrtausendwende-,
München 1997
2 Frank Möller, Rainer Gries, Enno Bünz
(Hrg.): "Der Tag X in der Geschichte", Stuttgart 1997
3 Hans Gasper/Friederike Valentin: "Endzeitfieber"
Freiburg 1997
4 Friedrich-Wilhelm Haack: "Psi/Parapsycholgie",
münchner Reihe, München 1987
5 Susanne Vieser, Fritz Pachot: "Silvester
1999", Düsseldorf
Allezeit ist Endzeit
Endzeitstimmung ist auch kein Privileg von sogenannten "Wendejahren".
Anscheinend hatten die Menschen zu allen Zeiten das Gefühl, ein Strafgericht
Gottes stehe unmittelbar bevor. Zu vielen Jahren der vergangenen zwei
Jahrtausende findet sich eine Weltuntergangs-Prognose. So bauten 1524 die
Menschen überall in Europa Boote und Archen, weil einige Hellseher eine
neue Sintflut angekündigt hatten.
Woher kommt die Lust am Untergang?
Die Geschichte der Weissagungen ist die Geschichte einer großen, nie
getilgten Angst3. Besonders im Zeitalter von Aids und Ebola-Virus, von
Öko-Krise und drohendem Klima-Kollaps, von Kernspaltung und
Gen-Manipulation scheint sich die kommende Jahrtausendzäsur zu einem
Happening der Schwarzseher auszuwachsen. Auch die Unübersichtlichkeit und
zunehmende Unkontrollierbarkeit aller Verhältnisse trägt mit dazu bei.
Sehr oft auch spiegeln die Weissagungen und Visionen von Sehern und
selbsternannten Propheten vor allem deren eigene Befürchtungen und Ängste
wider. So etwa bei dem "Mühlhiasl", der um 1800 als Klostermüller in
Niederbayern lebte und mit richtigem Namen vermutlich Matthias Lang
hieß. Der "Mühlhiasl" sagte den "großen Krieg" für die Zeit vorher, "wenn
die Weiberleut daherkommen wie die Gänse und Spuren hinterlassen wie die
Geißen", und wenn "der Glaube so klein wird, daß man ihn unter den Hut
hineinbringt". Anscheinend hatte der Klostermüller schlicht Angst vor
modischen Veränderungen und rief zur Rückkehr zum einfachen und frommen
Leben auf.
Aussichten
In einem Punkt sind sich indes volkstümliche Waldpropheten, Star-Fernseher
wie Nostradamus und moderne Wissenschaftler völlig einig: Unsere Erde wird
untergehen. Die Frage ist nur, wann.