Scientology-Kampagne (III)

Hamburger Expertin Caberta (SPD) verteidigt bayerisches Vorgehen gegen Scientology

Interview mit Ursula Caberta y Diaz
Abwehrmaßnahmen gegen die Scientology-Organisation hat der Freistaat Bayern beschlossen. Ab 1. November 1996 müssen Bewerber für den Öffentlichen Dienst in einem Fragebogen über ihre möglichen Beziehungen zur SO Auskunft geben. Beamtenanwärter könnten sonst in einen Loyalitätskonflikt zwischen demokratischem Staat und totalitärer SO und somit in Widerspruch zu ihren Dienstpflichten kommen. Disziplinarverfahren können eingeleitet werden, wenn ein Beschäftigter des Öffentlichen Dienstes seine Kontakte zur SO nicht einstellt. Staatliche Aufträge dürfen nur an Firmen vergeben werden, die versichern, nichts mit der SO zu tun zu haben und nicht die Technologie des Scientology-Gründers Hubbard anzuwenden. Dies soll vor allem Unternehmensberatungen, Personal- und Managementschulungen, Computer- und Softwareberatung sowie Fortbildungsveranstalter betreffen. Scientology hat rechtliche Schritte gegen die bayrische Staatsregierung angekündigt und beim Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte bereits Protest erhoben. In ihrer Polemik spricht die totalitäre SO von "Berufsverboten" und wirft dem Bayerischen Innenminister Günther Beckstein "totalitäre Intoleranz" vor. Die bayerischen Maßnahmen sind im Zuge der Scientology-Kampagne auch in die parteipolitische Auseinandersetzung geraten. Nicht nur von Scientologen und ihren bestellten Verteidigern, sondern auch von Wohlmeinenden sind die Maßnahmen der Bayerischen Landesregierung kritisiert und zum Teil mit dem Radikalenerlaß der Regierung Willy Brandt (1972) verglichen worden. Das damals von der DKP geprägte Kampagnenwort "Berufsverbot" macht vor allem im Ausland die Runde. Ist Bayern zu weit gegangen? Liane von Billerbeck fragte dazu die Leiterin der "Arbeitsgruppe Scientology" beim Hamburger Senat, Frau Ursula Caberta (SPD): Mach was anderes!
Liane von Billerbeck:
In Bayern sollen Beschäftigte und Anwärter des Öffentlichen Dienstes ihr Verhältnis zu Scientology offenlegen. Hat Bayern damit ein Problem?
Ursula Caberta:
Offenbar ist das so. Aber die wollen das sehr differenziert handhaben. Es soll Gespräche geben, in denen sich diese Menschen erklären können. Diese Gespräche sollen auch Hilfen sein: Mach was anderes! Der Beschluß ist ohne Grund diffamiert worden, weil man ihn für den bayrischen Holzhammer hielt.
LvB:
In Bayern sollen jetzt auch keine Staatsaufträge mehr an scientology-nahe Firmen vergeben werden.
U. Caberta:
Das muß doch gemacht werden. Jahrelang wurde gesagt, Scientology sei eine politische Herausforderung, und die Politik müsse sich kümmern. Jetzt reagiert der Staat, und nun treten irgendwelche Leute auf, die meinen: Das ist aber zu heftig!
LvB:
Die ehemalige Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger sagte, man hole quasi den Radikalenerlaß aus der Kiste.
U. Caberta:
Das ist Unsinn. Von Scientology geht eine große Gefährdung der Menschen aus, die von deren Techniken manipuliert werden. Diese Gefahr läßt sich nicht wegwischen.
LvB:
Was sagen Sie denn Ihrem Parteifreund Willfried Penner, der geäußert hat, es gebe keine gesicherten Erkenntnisse, daß Scientology verfassungsfeindlich sei?
U. Caberta:
Lieber Willfried Penner, halt dich aus Diskussionen raus, von denen du nichts verstehst.
LvB:
Welche Maßnahmen sollten nach Ihren Erfahrungen jetzt bundesweit getroffen werden?
U. Caberta:
Alles, was auf der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen wurde: Es muß überprüft werden, ob Gewerbeerlaubnisse für Scientology-Vereine erteilt werden können. Man muß sich die Arbeitsverhältnisse ansehen. Außerdem sollten Ermittlungsbehörden verstärkt geschult werden. In vielen Behörden ist unbekannt, daß Scientologen häufig kriminell werden müssen, um an das Geld für ihre Kurse zu kommen.
Wir danken der Berliner Zeitung für die Abdruckerlaubnis.