Scientology-Kampagne (II)

Die Hand, die ihn füttert... Der Pop-Künstler Gottfried Helnwein und sein merkwürdiges Verhältnis zu Scientology

von Frank Nordhausen und Liane von Billerbeck

Einleitung

Schwarze Hippiemähne, Stirnband und Sonnenbrille - das ist der exzentrische Gottfried Helnwein. Der einstige Schockmaler aus Wien ist inzwischen arriviert, hat große Ausstellungen und gestaltet Bühnenbilder. Doch seit etwa drei Monaten agieren Helnwein und seine Freunde vor allem in den Medien. Sie erzählen von einer fast unglaublichen Rufmordkampagne. Verschwörer wollen angeblich den Maler vernichten; deshalb würde er als "Oberpriester" der Scientology-Sekte verleumdet. Die Folge: Galeristen zögen sich zurück, Ausstellungen würden abgesagt. Sind das Hirngespinste, ein neuer Gag des Provokateurs, oder hat er wirklich mächtige Feinde?Die Hand, die ihn füttert... Der Pop-Künstler Gottfried

Helnwein und sein merkwürdiges Verhältnis zu Scientology

Der wahre Hintergrund der Affäre hat nichts mit Gerüchten zu tun, sondern mit einem Gerichtsurteil, das erst jetzt bekannt wurde. Doch über dessen Inhalt wollte der Künstler nicht so gerne reden, als er am 8. Oktober bei "Boulevard Bio" Platz nahm; Thema: "Geächtet und ausgegrenzt". Ohne Stirnband und ein bißchen nervös erzählte er lieber wieder die Geschichte seiner Verfolgung. Weil er in seiner Jugend neben Yoga und Zen-Buddhismus auch mal ein paar Scientology-Kurse besucht habe, werde er nun von "Sektenjägern" gehetzt, die keine Gelegenheit ausließen, ihn als Scientologen zu "enttarnen". Seine Burg in der Nähe von Köln, so behaupteten seine Gegner, sei "gar kein Atelier, sondern ein Tarn-Atelier", er würde Menschen per "Gehirnwäsche" und "Zwangshypnose" in die Sekte holen.

Unbekannte Einbrecher auf Burg Brohl?

Dem treuherzig nickenden Alfred Biolek versicherte Helnwein, Unbekannte hätten sogar bei ihm eingebrochen; später seien Sammler vor ihm gewarnt worden. Als Hintermänner der "Kampagne" vermutet er hysterische Pfarrer, die in ihren Kirchlein säßen und auf "späte Rache" für seine blasphemischen Bilder und seine Kritik am Katholizismus sännen. So entstehe ein Klima, "das mich lieber ins Ausland gehen läßt", sagte Helnwein. Danach erschien die Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer und nannte den Künstler ein "edles Wild", das geschlachtet werde, weil seine Kunst so provokativ sei.

Helnweins Geschichten hatten zuvor schon Spiegel-TV und Herbert Riehl-Heyse in der Süddeutschen Zeitung kolportiert. Für Ursula Caberta, die Scientology-Beauftragte des Hamburger Senats, sind die Aussagen jedoch "absoluter Unsinn". Caberta, die zu der "Bio"-Sendung erst ein-, dann aber wieder ausgeladen wurde, sagt: "Helnwein wird nicht verfolgt. Wir stellen nur kritische Fragen." Anlässe dafür gab es zuhauf. Fast keine der Erzählungen des Malers hält einer kritischen Überprüfung stand.

Wichtigster Werbeträger trauert um Hubbard

Gottfried Helnwein, der nie Scientologe gewesen sein will, war in Wahrheit zwanzig Jahre lang der wichtigste Werbeträger der Organisation in Deutschland. Immer wieder wurde er in Scientology-Publikationen abgebildet und zitiert. "Scientology hat bei mir eine Bewußtseinsexplosion ausgelöst", sagte er schon 1975 in der Sektenpostille "College". Als der Scientology-Guru L. Ron Hubbard 1986 starb, kondolierte der Maler mit anderen in einer ganzseitigen Anzeige in der FAZ: "Hubbard hat nicht nur Künstler inspiriert, sondern auch das Leben vieler Menschen bereichert."

Helnwein-Bilder schmückten wiederholt die Titelbilder scientologischer Publikationen, beispielsweise der "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte"; das amerikanische Sekten-Blatt "Source" listete ihn und seine Frau jahrelang als regelmäßige Kursteilnehmer auf. Auch das "Impact"-Magazin der "International Association of Scientologists" (IAS) führte den Maler und seine Familienangehörigen lange Zeit in der exklusiven "Patron"-Liste - ein "Patron" hat mindestens 40.000 Dollar für die "Kriegskasse" gespendet, mit der die Organisation ihre Kritiker und Feinde bekämpft. Noch 1993 bezeichnete ihn das scientologische Hochglanzblatt "Celebrity" als "Class-IV Auditor", also als trainierten Verhörspezialisten.

Scientology wirbt mit Gottfried Helnwein

Quelle: Was sagen Künstler über Scientology in: "Was ist Scientology?, Seite 19 "Größter Durchbruch"

Angesichts solch enger Vebundenheit wundert es nicht, daß der Künstler 1990 in der Broschüre "L. Ron Hubbard - Der Autor und sein Werk" verkündete: "Scientology ist der größte Durchbruch in der Geschichte der Erforschung menschlichen Denkens und Verhaltens." Die Scientology-Zentrale in Los Angeles wirbt bis heute mit einem HelnweinZitat und seinem Konterfei auf einer großen Leuchtreklame. Und Helnweins Argumente, warum er seine Wahlheimat Deutschland jetzt verlassen wolle, passen genau in die aktuelle Propagandakampagne des Psycho-Kults. So sagte er kürzlich dem österreichischen Magazin "News": "Die haben in Deutschland Hunderttausende gefoltert und verbrannt, das haben sie auch mit den Juden gemacht.... Jetzt bekämpfen sie die Scientologen oder die Zeugen Jehovas, die schon in der Nazizeit vergast wurden." Wenn es jemals einen Scientology-Prominenten in Deutschland gab, dann den österreichischen Maler Gottfried Helnwein.

"Zack, werden sie wieder verteilt"

Auch ehemalige Sektenmitglieder aus Düsseldorf und Krefeld haben den Österreicher als guten SO-Kameraden in Erinnerung. Und eine österreichische ExScientologin berichtete jetzt im Internet, sie habe den Maler 1993 im FloridaHauptquartier "Flag" gesehen, in dessen Nähe er ein Haus besitzen soll. Doch merkwürdig: Seit etwa 1991 gibt der Künstler in der Öffentlichkeit das Stück: "Bin ich's oder bin ich's nicht?" Er behauptete plötzlich, und auch wieder bei Biolek, all die Veröffentlichungen seien "ohne sein Wissen" passiert; er habe der Scientology jetzt schriftlich untersagt, ihn weiterhin in ihren Publikationen zu zitieren. "Über zwanzig Jahre will er davon nichts gemerkt haben - wer soll das denn glauben?", wundert sich der Bonner Sektenexperte Ingo Heinemann. Eine Nachfrage bei Scientology förderte Erstaunliches zutage. Deren Sprecher Franz Riedl sagte uns: "Die Broschüren liegen bei uns in Stapeln herum, und zack, werden sie wieder verteilt." Wie das, wenn es gerichtlich untersagt wurde?

Gericht: "Gottfried Helnwein ist Scientologe"

Weil Helnwein jedoch nicht einen Beweis dafür bringen konnte, daß er die SO wirklich abgemahnt hatte, erlebte er im Juni vor Gericht sein Waterloo - und das ist wohl auch der Grund, warum er jetzt so stark in die Medien drängt. Helnwein war gegen die Scientology-Aussteigerin Jeanette Schweitzer vorgegangen, die ihn als Scientologen bezeichnet hatte. Doch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main urteilte letztinstanzlich: "Diese Behauptung ist wahr, denn Gottfried Helnwein ist Scientologe. Er bekennt sich jedenfalls zu dieser Organisation. Dies ergibt sich aus zahlreichen Umständen."

Sponsoring für Scientology-Organisationen

Das Verfahren förderte auch ein internes Schreiben der Frankfurter Scientology von 1992 zutage, wonach der Maler "sich bereit erklärt" habe, die limitierte Auflage einer Lithographie "zum Zwecke der Unterstützung von Narconon und OSA" auf den Markt zu bringen - das eine ist eine Scientology-Tarnorganisation, das andere der sekteneigene Geheimdienst. Helnwein räumte vor Gericht ein, die Aktion (und damit Scientology) unterstützt zu haben - aber das Geld, so sagt er spitzfindig, sei nur für Narconon bestimmt gewesen. Es ging - bei Verkauf aller Bilder um fast 900.000 Mark.

Steuerfahnder auf Burg Brohl

Wofür andere Gelder bestimmt waren, versuchen zur Zeit die Steuerfahnder in Koblenz herauszufinden, die im Frühjahr das Maler-Domizil Burg Brohl durchsuchten und dabei - wie jetzt durchsickerte - auf brisante Dokumente gestoßen sein sollen. Der Schlüssel zur Affäre Helnwein?

Sicher ist: Wer bei Recherchen auf besserverdienende Scientologen stößt, stellt oft fest, daß sie auch Helnwein-Bilder kaufen. Zeugen beichten, daß der Künstler 1993/94 immer wieder in Leipzig auftauchte, um Hubbard-Anhänger zu besuchen, die dort neben Immobilien auch seine Bilder sammeln. Die Gemälde seien "das beste, was die Gegenwart zu bieten hat", urteilte der schwerreiche Scientologe Klaus Kempe aus Düsseldorf in seinem Buch "Selfmademen und Millionäre". Und der Münchner Scientologe Kurt Fliegerbauer, der in Zwickau bereits über 160 Mietshäuser gekauft hat, besitzt auch teure Helnwein-Werke. Scientologen sind offenbar gute Kunden: Man beißt eben nicht in die Hand, die einen füttert.

Dieser Text erschien zuerst in einer gekürzten Fassung in der Berliner Zeitung am 14. Oktober 1996


Frank Nordhausen und Liane von Billerbeck

Liane von Billerbeck, 38, studierte Journalistik in Leipzig und war Kulturredakteurin bei der Neuen Berliner Illustrierten und beim extramagazin. Sie arbeitet jetzt als freie Journalistin, u. a. als Hörfunk- und Fernsehmoderatorin für den Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg.

Frank Nordhausen, 39, arbeitet nach dem Studium der Philosophie, Germanistik und Geschichte in Berlin als Journalist und forscht über den geheimnisvollen deutsch-mexikanischen Schriftsteller B. Traven.