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BERLINER DIALOG 24-25, 1/2-2001

 BERICHTE

Ein Brief aus London
von Ursula MacKenzie

London, im September 2001
Britannien ist bestimmt nicht das einzige Land mit Lebensraum für alle möglichen seltsamen Gruppen und Grüppchen, die in die Sektenbranche passen, aber mehr oder weniger harmlos sind. Dazu gehört die Panacea Society, gegründet 1926, mit Sitz in einer vornehmen Villa in Bedford.

Hüter der Schatzkiste
Die Gruppe wartet auf die Wiederkehr Christi und hütet bis dahin eine zentnerschwere Kiste, verschnürt und versiegelt, die die Botschaften von Gott an Joanna Southcott, einer "Prophetin" des 18. Jahrhunderts, enthält, sowie weitere Prophezeiungen und Instruktionen.
200 Jahre lang bemühen sich ihre Jünger schon, den jeweiligen Erzbischof von Canterbury zu bewegen, in Begleitung von 24 Bischöfen zu erscheinen, um die geheimnisvolle Kiste zu öffnen. Bisher erhielten sie nichts als dankende Absagen.
Größeres Interesse als bisher die Erzbischöfe von Canterbury zeigen jetzt aber die "Charity Commissioners", was wiederum die Aufmerksamkeit der Presse erregte. Die Panacea Society ist nämlich eine "registered Charity" (eine eingetragene wohltätige Gesellschaft) und als solche verpflichtet, nun auch irgend etwas Wohltätiges zu tun oder zu finanzieren. Das war anscheinend bisher nicht geschehen, obwohl die Gruppe über ein Vermögen von £15 Millionen verfügt. Um weiterhin auf der Charity­Liste zu bleiben, mußte die Gruppe eine Auktion von Wertgegenständen veranstalten und den Erlös wohltätig investieren.

Öko-Kommune Findhorn am Ende?
Wer nur zu gern davon etwas erben würde ist die Findhorn Foundation in Schottland, gegründet 1962 in einem Wohnwagen von Eileen und Peter Caddy und seitdem aufgestiegen - wie jemand treffend ausdrückte - zum "Vatican of New Age". Obwohl die Öko­Kommune mit den berühmten riesigen Kohlköpfen viele Touristen anzog, darunter Filmstars wie Shirley McLaine, Burt Lancaster und Hailey Mills, scheint sie jetzt in finanziellen Schwierigkeiten zu stecken und braucht dringend mehr Kredit von der Bank of Scotland. Die eigentlichen Dorfbewohner von Findhorn haben kein Mitleid. In all den fast 40 Jahren haben sie sich nie mit ihren NewAge­Nachbarn angefreundet. Im Gegenteil. Sie lehnen sie stark ab und würden sich sehr freuen, wenn sie jetzt ihr Land verkaufen und abziehen müßten. Es ist jedoch anzunehmen, daß die Kommune noch genug reiche Gönner mobilisieren kann, um das zu verhüten.

Shri Mataji Nirmala Devi
Die "heilige Mutter" von Sahaja Yoga, hielt am 14.Juli ihr jährliches Treffen in der Royal Albert Hall. Im allgemeinen zeigen Medien dafür wenig Interesse, aber diesmal brachte "The Independent" am Vortag einen sehr kritischen Artikel mit Beiträgen von Sektenexperten und ehemaligen Mitgliedern. Blinder Gehorsam, Bruch mit den eigenen Familien und die Pflicht, sich von Kindern zu trennen, um sie in den Sektenschulen in Rom und Dharamsala, Indien, aufwachsen zu lassen, sind einige der Streitpunkte. Ob der Artikel Leser abhielt, zur Albert Hall zu gehen, ist zu bezweifeln, da das Publikum gewöhnlich fast nur aus Sahaja Yogis besteht.

Livingstone und Scientology
Im Einklang mit den meisten Londonern habe ich sehr viel für unseren Bürgermeister Ken Livingstone übrig. Tony Blair war zwar schon immer gegen ihn und wollte durchaus nicht, daß er Bürgermeister würde. Die Londoner waren sich jedoch einig und gaben mit ihrer Wahl dem Herrn Premierminister gewissermaßen einen Nasenstüber.
Ken hat nicht übermäßig viel Macht, aber wo er etwas zu sagen hat, trifft er befürwortenswerte Entscheidungen. So verabschiedete er z.B. die Verkäufer von Taubenfutter auf dem Trafalgar Square. Tauben en masse richten allerhand Schaden an, und sie nahmen wirklich zu sehr überhand. Ken nannte sie "geflügelte Ratten", und gab nicht nach, auch als sogenannte Tierfreunde sich laut für die Tauben einsetzten. Weit wichtiger war aber, daß Ken Livingstone auch den Scientologen den Trafalgar Square verbot. Sie hatten eine große Narconon-Kundgebung geplant. Es sollte viel Musik dabei geben und viele Zeugenberichte von angeblich durch Narconon kurierten Drogensüchtigen.
Ken hatte Folgendes dazu zu sagen: "Ich habe der 'Scientology Church' Erlaubnis verweigert, Trafalgar Square für ihre Antidrogenkampagne zu benutzen, weil es sich um eine unbewiesene Kurmethode handelt, die gefährlich sein könnte. Bestimmt wird der Platz während meiner Amtszeit für alle möglichen Veranstaltungen, einschließlich politischer Demonstrationen, benutzt werden, die ich nicht unbedingt befürworte. Es wäre jedoch unverantwortlich, wenn ich zuließe, daß er zum Werbeschauplatz für ein nicht anerkanntes medizinisches Programm würde, das Drogenexperten für besorgniserregend halten. Keine Aktivitäten dieser Gruppe können mich überzeugen, daß mehr dahinter steckt als eine zynische Werbemethode für die Lehren von Scientology."
Good Old Ken! Ein Sprecher für Scientology sagte natürlich, daß Livingstone falsch beraten worden sei. Aber auch die "Charity Commissioners" halten sich bei Scientology zurück. Bisher wurde Scientology bei uns nicht als Religion anerkannt und hat kein Anrecht auf den erwünschten 'charitable status'.

Muns Reputation
Das BBC 2­Fernsehen brachte in der Serie ‚Reputations' (Charakterbilder) einen 50­Minutenbericht über Mun, San Myung (englische Schreibweise: Sun Myung Moon). Ex­Munies (Muns ehemalige Schwiegertochter einbegriffen) sagten sehr überzeugend gegen den koreanischen ,Messias' aus, und die Sprecher für den Cult, unter anderem Pak, Bo Hi, Muns rechte Hand, unterstrichen ungewollt und unbewußt die negative Einschätzung der anderen. Alle Sprecher waren Koreaner oder Amerikaner. Europäer wurden nicht befragt, was den Vorteil hatte, daß Eileen Barker und Gleichgesinnte nicht zu Wort kamen. Man rechnet in Bälde wieder mit einem Einreisegesuch Muns. Das ‚Reputations' ­ Programm könnte evt. dazu beitragen haben, daß der neue Home Secretary (Innenminister) es seinen Vorgängern nachtut und die Einreise verweigert.


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