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BERLINER DIALOG 18-19, 3/4-1999 - Epiphanias 2000

Stichwort: Sri Chinmoy Bewegung
von Joachim Valentin

Gründer Sri Chinmoy (Chinmoy Kumar Ghose, *1931), ist Guru einer kleinen reformhinduistischen Bewegung, die jedoch eine große Öffentlichkeitswirksamkeit erzielt. Aufgrund einer Vision des 13-jährigen im Ashram Sri Aurobindos wird das vielfältige Wirken Sri Chinmoys als "Manifestation des höchsten absoluten Bewußtseins" verstanden. 1964 war er nach New York gegangen.

Selbstdarstellung
In New York bietet er seit 1970 Meditationskurse im Gebäude der Vereinten Nationen an und nennt sich "Director of the United Nation Meditation Group" ohne tatsächlich eine offizielle Funktion zu bekleiden. Ebenso irreführend sind seine medienwirksam inszenierten Kontakte zu einflußreichen und angesehenen Persönlichkeiten, die von ihrer Hochschätzung des Gurus meist erst aus der Presse erfahren.


Chinmoy 2

Das "Transzendentale Bild" Chinmoys

Quellenkunst und Friedensläufe
Sportliche, künstlerische und andere Höchstleistungen (Sri Chinmoy malte angeblich in kürzester Zeit Zehntausende von Bildern, komponierte Tausende von Liedern etc. und verlangt immer wieder auch von seinen "Disciples" Marathonläufe, Kanalschwimmen und Gewichtheben zu praktizieren) sowie die immer wieder auf Befehl des Meisters inszenierten Friedensläufe und Friedenskonzerte sind weitere Mittel der Publicity.

Lehre und Praxis
Lehrsystem und Meditationstechnik bleiben im Rahmen des hinduistischen sog. Bhakti Yoga, werden jedoch mit eher sportlich zu nennenden Elementen des Kundalini Yoga angereichert. Die Schüler sind aufgefordert "all ihre Dunkelheit und Unreinheit" auf ihn zu werfen, indem sie dreimal täglich alleine und in Ortsgruppen (Centres) vor dem Photo des in Trance versunkenen Gurus meditieren. Außerdem ist eine Reise pro Jahr zum Guru nach New York obligatorisch. Ziel der Meditation ist das "völlige Einssein (Oneness) mit dem Höchsten", "man wird zum Entzücken selbst".

Chinmoy 1

Gurubindung
Auffällig und jenseits der für den Hinduismus üblichen Guruverehrung ist die intensive Bindung an Sri Chinmoy durch Externalisieren des eigenen Ich in ihn hinein und die Verwendung des Eigennamens "Chinmoy" als Mantra. Konsequent spiegelt sich die absolute Stellung des Guru in der totalen Gehorsamsforderung an die Schüler: "Fasst mein Verlangen von jetzt an bitte als göttlichen Befehl auf [...] Wenn ihr mir nicht gehorcht, revoltiert ihr gegen den Willen des Supreme [der höchsten Gottheit] in mir [...] Dann werdet ihr völlig verloren sein."

Stellung zum Christentum
In seiner Stellung zu den christlichen Kirchen folgt Sri Chinmoy den neovedantischen Ideen des Reformhinduismus: Alle Religionen seien gleichberechtigte Wege zum Heil, seine Meditation sei eine auch für Christen nützliche Technik. Jesus Christus wird jedoch als Avatar, als wiedergekommener Krishna verstanden. Damit wird Jesus ebenso seiner Einzigartigkeit beraubt wie die christliche Religion.

"Quellenkunst" - Bildchen
Chinmoys aus der Adventszeit 1974,
die vermutlich einen Weihnachtsesel und einen Nikolaus darstellen sollen.

Chinmoy 3B

Chinmoy 3A

Probleme
Die Bindung an Sri Chinmoy kann durch den hohen zeitlichen Aufwand für Meditation, die hohen Anforderungen an den Lebensstil (indische Kleidung, strenger Vegetarismus, kein Alkohol, kein Rauchen) sowie durch die strikten Gehorsamsforderungen eine massive Beeinträchtigung bedeuteten. Häufig wird die bisherige Berufstätigkeit aufgegeben und die Mitarbeit in einem der bewegungseigenen Betriebe (Madal Bal, Divine Enterprises, Blue Gol Music Bird etc.) angetreten.
Weder die immer wieder veranstalteten "Friedensläufe" oder "Friedenskonzerte" noch die gern angebotenen Vortragsveranstaltungen zur Einführung in Meditationstechniken sind unterstützungswürdig. Kirchliche Räume können dafür nicht zur Verfügung gestellt werden.

Weiterführende Literatur
* Th. Gandow, Guru Chinmoy und die Sri Chinmoy Bewegung. "Oneness-Home-Friedenslauf" / "Friedenskonzerte" / "UNO-Meditation". München 1993.
* Hummel, Reinhart, Gurus, Meister, Scharlatane, Freiburg-Basel-Wien 1996.
* siehe auch Berliner Dialog 3/4-99, S.31ff.


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