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Allgemeines Aktuelle Diskussiom
Hanns-Seidel-Stiftung e.V.: Vom Sektenmarkt zum Psychomarkt. Politische
Studien. Zweimonatsschrift für Politik und Zeitgeschehen Heft 346,
47. Jahrgang, März/April 1996. 8,80 DM, ISBN 3-928561-54-5,
Altwerb-Verlag München. Mit Beiträgen von W. Behnk, J. Keltsch,
H. Gasper, J. Nicolai, N. Reinke, Franz Wohllebe, G. Klosinski, J. Eiben,
H.-J. Beckers
Der Band zeigt mit dem irreführenden, einen Trend behauptenden, programmatisch gemeinten Titel, welche Positionen gegenwärtig die Debatte zu bestimmen versuchen und wie selbst im Umkreis einer christlich-konservativen Partei eine Diskussion hin zu Methoden und Erscheinungsformen die Auseinandersetzung mit religiösen und ideologischen Inhalten (Totalitarismus!) verdrängen möchte. Einige Gegenstimmen. Gut: H.J. Beckers, der das auch in einigen Beiträgen durchschimmernde Feindbild "Sektenbeauftragte" mit "Einblicken in Aufgaben, Selbstverständnis und Berufsalltag eines kirchlichen Beauftragten für Sektenund Weltanschauungsfragen" widerlegt.
T.G.
Die Untersuchung handelt nicht von "charismatischen" Gruppen der neopfingstlerischen "Charismatischen Bewegung". Sie geht vielmehr der Fragestellung nach, welche Faktoren das Interesse an und/oder den Eintritt und das Verbleiben in unterschiedlichen neueligiösen Gruppierungen und Sekten begünstigen. Es wird versucht, den Einfluß der beiden Hauptfaktoren "Disposition" und "Beeinflussung durch die Gruppierung" zu gewichten und ihr Zusammenwirken aufzuzeigen.
Children of God (ChoG) ("Die Familie")
Rachel Sand (Pseudonym): Kindheit und Jugend bei den "Kindern Gottes". Mit
einer Einführung von H. Hemminger und W. Thiede. EZW-Information Nr.
131, IV/1996, ISSN 0085-0357, DM 1,50 plus Porto
Endzeit
Jochen Eber: Das Jahr 2000. Christen vor der Jahrtausendwende. Mit einem
Vorwort von Victor Winteler. 79 S., Brunnen / CLS Baden. ISBN
3-7655-6806-6
Das Büchlein kann zur Versachlichung und Entkrampfung beitragen. Grundfragen der christlichen Zeitrechnung und christlicher Endzeiterwartung werden in gedrängter, aber übersichtlicher Form behandelt. Sympathisch, weil für Kleinschriften nicht selbstverständlich und sehr hilfreich sind die umfangreichen Anmerkungen, die Ansatzpunkte zur eigenen Beschäftigung mit den Themen geben können. T.G.
Jehovas Zeugen Videofilm für den Unterricht
"Im Schatten des Wachtturms". Die Zeugen Jehovas. Ein Film von Sven
Hartung. 26 min., VHS, Farbe, EFS 1995. Sendetermin 21.11.1995, S-Zett
Magazin auf Vox
Dieses recht teure Buch ist das Werk eines Lobbyisten. Harald Wiesendanger, selbst Herausgeber eines parapsychologischen "Psi-Pressedienstes", will den circa 5000 Geistheilern in Deutschland den Weg zur Anerkennung in Wissenschaft, Politik und öffentlichem Gesundheitswesen bahnen. Dabei gibt der Autor einen umfassenden und natürlich unkritischen Überblick über die grenzenlose Vielfalt der praktizierten Methoden: vom klassischen Handauflegen bis zur Laienoperation auf jenseitige Durchgaben hin, von Fetischen wie heilkräftig aufgeladenen Stanniolkugeln bis hin zur gut katholischen Wallfahrt nach Lourdes.
Unstrittig ist die Beobachtung, daß es bisweilen unerklärliche Heilungen gibt, strittig dagegen die Erklärungsversuche: Selbstheilungskräfte des Körpers, psychische Wirkungen ("Placebo-Effekt") oder gar steuerbare Psi-Effekte? Bei gewisser Kritik an manchen extremen Auswüchsen und Mißbräuchen läßt Wiesendanger keinen Zweifel an der Wirksamkeit jenseitiger Kräfte gelten, seien sie nun göttlichen oder dämonischen Ursprungs oder Ausdruck einer ungreifbaren, nichtsdestotrotz gezielt einsetzbaren "spirituellen Energie". Die scheinbar pragmatische Suche nach ungewöhnlichen Heilmethoden transportiert hier zugleich ganz offen ein okkult-magisches Weltbild.
Lutz Lehmhöfer
R. Bettschart, G. Glaeske, K. Langbein, R. Saller, Chr. Skalnik: Bittere
Naturmedizin. Wirkung und Bewrtung der alternativen Behandlungsmethoden,
Diagnoseverfahren und Arzneimittel. Verlag Kiepenheuer und Witsch,
Köln 1995 (2)
Rosalind Coward: "Nur Natur?" Die Mythen der Alternativmedizin. Eine
Streitschrift. Aus dem Englischen von Thomas Lindquisr. Verlag Antje
Kunstmann, München 1995. 240 S., DM 29,80
Irmgard Oepen (Hrh.): Unkonventionelle medizinische Verfahren. Diskussion
aktueller Aspekte. 337 S., 20 Tabellen, 58 Abbildungen. Gustav Fischer
Verlag Stuttgart-JenaNew York 1993 ISBN 3437-00725-4
Hg. Stiftung Warentest in Zusammenarbeit mit Krista Federspiel und Vera
Herbst: Die andere Medizin. Nutzen und Risiken sanfter Heilmethoden. 302
S., zahlreiche Abbildungen und Schautafeln. Berlin 1992 (2.)
Parawissenschaften
Herbert Schäfer: Poltergeister und Professoren.
Über den Zustand der Parapsychologie. Fachschriftenverlag Dr. jur. H.
Schäfer, Bremen, 305 S. ISBN 3-925730-18-4
Mit kriminalistischem Gespür und juristischer Exaktheit geht der im Bereich der Bekämpfung von Okkult-Kriminalität nicht unbekannte Dr. Schäfer einigen der bekanntesten Spukfälle der Bundesrepublik nach und entlarvt sie als geschickte Betrügereien, die von parapsychologischen "Wissenschaftlern" vorschnell als "Psi-Phänomene" gedeutet wurden. Das Buch stellt so in gewisser Weise einen kritischen Nachruf auf den als "Spuk-Professor" bekannt gewordenen, 1991 verstorbenen Prof. Bender, Freiburg dar.
Die dokumentarische Darstellung erlaubt einen tiefen Einblick in die Verstrickungen zwischen parapsychologischer Forschung, Opfern, Tätern und Gefoppten. Ist schon dies für die betroffenen Schabernack-Forscher peinlich genug, gelingt es dem Autor darüberhinaus auch, manipulierte Forschungsergebnisse aufzudecken und eigennützige Motive zu entlarven.
Willi Röder
Scientology
Innenministerium des Landes NordrheinWestfalen, Abteilung Verfassungsschutz
(Hrsg.): Scientology eine Gefahr für die Demokratie. Eine Aufgabe
für den Verfassungsschutz? Düsseldorf 1996;
Bezugsmöglichkeit: Innenministerium NRW, Postfach 10 30 13, D-40021
Düsseldorf
Das Innenministerium des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen legt in dieser Broschüre die gutachterliche Ausarbeitung des Dr. Hans-Gerd Jaschke, bislang Universität Frankfurt/Main, jetzt Berlin über verfassungsfeindliche Tendenzen in Scientology vor. Im Vorwort des verantwortlichen Innenministers F.J. Kniola heißt es: "Die Vorstellung der Scientology-Organisation von der Gesellschaft und die Mittel, mit denen Scientology versucht, Entscheidungsträger in Gesellschaft, Wirtschaft und Staat an sich zu binden, werfen die Frage auf, inwieweit diese Bestrebungen mit der Autonomie des Einzelnen und der Souveränität des Volkes wichtige Grundlagen unserer freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung bekämpfen." Das Gutachten über Aspekte der Demokratieund Verfassungsfeindlichkeit der Scientology-Organisation aus der Sicht eines deutschen Politikwissenschaftlers bringt zwar dem Kenner nicht viel Neues. Erstaunlich ist die recht schmale Literaturbasis, auf der es erstellt werden konnte die englisch-amerikanische kritische Literatur fehlt ganz, F.W. Haacks Bücher (Scientology Magie des 20. Jahrhunderts; Scientology, Dianetik und andere Hubbardismen) werden verschwiegen, obwohl die Strukturmerkmale der Jugendreligionen und Psychokulte, wie sie Jaschke nach Meyer referiert, von Haack übernommen wurden ("rettendes Prinzip", "gerettete Familie", "rettender Meister" usf.) und Haack in diesen Veröffentlichungen den totalitären Charkter der Scientology-Organisation bereits beschrieben hatte. Auch die Position der Elterninitiativen in der Auseinandersetzung mit Scientology wird völlig verzeichnet (angeblich war sie zunächst nur auf "Rückgewinnung der Kinder" gerichtet). Diese Akzentuierung wird z.T. durch die Einordnungen und Wertungen im Vorwort Kniolas wettgemacht und korrigiert. Trotz einiger Mängel und Inkonsequenzen, die sicherlich mit der Schnelligkeit zu erklären sind, in der das Gutachten erstellt werden mußte, ist es ein wichtiger Beitrag für die deutsche und internationale Diskussion, besonders in Osteuropa, um die Scientology-Organisation als neue Form des politischen Extremismus zu begreifen. Denn Jaschke hat aus der Sekundärliteratur, aus Presseinterviews und bereits vorliegenden kritischen Kompendien wichtige Zielpunkte für politische Kritik an Scientology und dem Hubbardismus zusammengestellt und in den politikwissenschaftlichen Diskussionskontext (Totalitarismus etc.) gestellt.
T. G.
Der ausgebildete Waldorflehrer Heiner Barz, heute tätig am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Freiburg und bekannt geworden durch seine umstrittene, von der AEJ finanzierte Studie zu "Jugend und Religion", stellt hier auf eigenartige Weise seine durchaus positive Sicht der Waldorfpädagogik vor. Ehrlicher wäre diese Veröffentlichung als ein Steiner-Lesebuch mit verbindenden Texten von Barz deklariert worden. Denn in fast jedem Kapitel geht die Darstellung Barz' über in seitenlange Steiner-"Zitate" einschließlich deren Anmerkungen, ohne daß diese Übernahme z.B. typografisch kenntlich gemacht würde, sodaß man dies alles doch auch inhaltlich Barz zurechnen muß.
Barz behauptet, die Konzepte der Waldorfpädagogik würden durch heutige erziehungswissenschaftliche und entwicklungspsychologische Erkenntnisse bestätigt. Kritische Stimmen werden abgefertigt als "polemische Dokumente", auch die kirchliche Kritik wird nur verkürzt und verzeichnet angedeutet. Immerhin werden eine evangelische und eine römisch-katholische Anlaufstelle für Beratung mit Anschrift angegeben.
Die Literaturempfehlungen erwähnen ohne Titelnennung "ein gutes Dutzend Bücher von mehr oder weniger erbitterten Gegnern" und nennen kein einziges "nichterbittertes" und "nichtgegnerisches" kritisches Buch weil es keine gibt? Oder weil jeder, der nicht "dafür" schreibt, als "mehr oder weniger erbitterter Gegner" zählt? Stattdessen weisen die Literaturempfehlungen vierzehn bereits bekannte, ausschließlich anthroposophie- und waldorfnahe Schriften aus.
Barz sieht die "fruchtbare Erziehungspraxis" der Waldorfschule eher in der "konsequenten Umsetzung eines bestimmten Menschenbildes" begründet als in "einer vermeintlich überlegenen Erkenntnismethode". Wer jedoch so hartnäckig wie Barz daran vorbeizuspielen versucht, daß genau dies Menschenbild Steiners eben auf einer bestimmten -okkultenWeltanschauung beruht, wer die philosophisch-erkenntnistheoretischen Traktate Steiners einerseits in der "Rubrik 'Gehirn-Jogging' zu verbuchen" und damit herunterzuspielen versucht, sie zugleich aber seitenlang abdruckt und ihre Ergebnisse und Konsequenzen unkritisch referiert und sie z.B. "durchaus auch rein seelenhygienisch als hilfreiche Übungen" auffassen und so retten will, der muß sich wieder einmal den Vorwurf der Taschenspielerei gefallen lassen.
T. G.