Die Rezension

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Gesucht: Theologisch verantwortete Apologetik

von Mark Meinhard

  1. Supermarkt der Heilsbringer
  2. Wer darf sich überhaupt zu Sekten äußern?
  3. Darstellungen aus kirchlicher Sicht
  4. Was hat die kirchliche Apologetik noch zu bieten?
  5. Was zu wünschen übrig bleibt
  6. Anmerkungen

Supermarkt der Heilsbringer

Wilhelm Knackstedt: Supermarkt der Heilsbringer. Was hat die Kirche noch zu bieten?, RB-Taschenbuch 530, R. Brockhaus Verlag Wuppertal 1996, ISBN 3-417-20530-1, DM 14,90

Das Angebot von Büchern über Sekten und ähnliche Gruppen wächst beständig und ist eigentlich nur noch für wenige Fachleute überschaubar. Zu diesen Fachleuten (in der Regel die "Sektenbeauftragten" oder "Weltanschauungsbeauftragten" der Landeskirchen) gehöre ich nicht, sondern ich studiere ev. Theologie und verfolge dabei (soweit mir das möglich ist) die "Sektenszene" ein wenig.

Diese Tatsache hat mich in letzter Zeit immer stärker zu der Frage geführt: "Was ist das spezifisch Theologische und Kirchliche im Umgang mit Sekten?", besser vielleicht: "Was ist eine christliche Position und wo bietet sie mehr oder gar anderes als andere Positonen?".

Wer darf sich überhaupt zu Sekten äußern?

Auch die Diskussion, wer sich überhaupt zu "Sekten" äußern darf, verschärft sich zusehends. Allzuoft wird der Kirche und ihren Beauftragten fehlende Objektivität und sogar Unsachlichkeit vorgeworfen: sie griffen die anderen nur an, um ihre angebliche Monopolstellung zu verteidigen. Sie trieben üble Hetze. Daß solcherlei Äußerungen in aller Regel blanker Unsinn sind und meist auch nur von der Inkompetenz und Unsachlichkeit jener Leute Zeugnis gibt, die sich so auslassen, muß hier nicht dargelegt werden.

Jedoch bleibt die Frage nach der spezifisch christlichen kritischen Darstellung der Gruppierungen, und hiermit meine ich eine deutlich erkennbaren christlichen Modus der Behandlung des Themas. Wie unterscheiden sich eine solche Herangehensweise etwa von der psychologisch-medizinischen1) oder der religionswissenschaftlichen2) und anders motivierten Auseinandersetzungen3)?

Darstellungen aus kirchlicher Sicht

Grob kann man nach meiner Beobachtung im kirchlichen Bereich zwei Formen apologetischer Veröffentlichungen ausmachen:

1. Die Behandlung einzelner, spezieller Gruppen4) mit Darstellung der Lehre, Geschichte und allgemeiner Kritik aus christlicher Sicht.

2. Das Aufgreifen einzelner Themen und ihre theologische Behandlung.5) Als Beispiel mag hier die Besprechung des Toronto-Segens im Berliner Dialog 2-96, S. 18ff dienen. Zu dieser Gruppe möchte ich aber auch viele spezifische EZW-Veröffentlichungen6) zählen. Beide Weisen haben ihre je eigene Notwendigkeit und ergänzen sich im Idealfall. Jedoch scheint mir die letztere insgesamt deutlich unterrepräsentiert zu sein. Ich halte das für einen entscheidenen Mangel. Denn so bleibt der einzelne Christ, im Bezug auf die grundlegenden Aspekte seines Christseins herausgefordert, meist alleingelassen.

Ich meine dabei nicht die konkrete seelsorgerliche Beratungssituation, sondern ein allgemeines und verständliches Vermögen, Auskunft zu geben, über die Hoffnung, die in uns ist (vgl. 1 Petrus 3,15). Von dieser Grundlage her, so wäre es jedenfalls mein Wunsch, ließen sich die vielen und im Einzelnen so unterschiedlichen Gefahren und Entgleisungen, die die Sekten mit sich bringen, deutlicher und gewissenhafter, erkennen und benennen. Der Versuch, solch eine Grundlage schriftlich als einfach zu lesendes und verständliches Buch zu fixieren, scheint mir bisher nur zu selten unternommen.

Dies trifft erst recht auf kaum vorhandene Veröffentlichungen aus der Universitätstheologie zu. Das Thema Sekten hat auch im Studium meiner Erfahrung nach nur sehr marginalen Charakter und wird in den theologischen Betrachtungen meist ausgespart oder sehr dilettantisch verhandelt.

Was hat die kirchliche Apologetik noch zu bieten?

Einige der Probleme, um die es mir geht, werden deutlich an dem neuen Buch "Supermarkt der Heilsbringer. Was hat die Kirche noch zu bieten?" des Beauftragten für Weltanschauungsfragen der EvangelischLutherischen Landeskirche Hannovers, Wilhelm Knackstedt .

Endlich ist ein solches Buch da, um die Debatte anzustoßen. Knackstedt ist gerade um den grundsätzlichen Bereich kirchlicher Apologetik bemüht, will Antworten des Glaubens für die Auseinandersetzung bereitstellen. Seinem engagierten Buch merkt man an, daß es aus praktischer Notwendigkeit entstanden ist. In seinen Beispielen und Hinweisen legt es Beweis ab vom kompetenen Umgang des Autors mit der Problematik.

Auch im Aufbau (Gliederung in vier Teile) entspricht es dieser Zielsetzung: Teil 1 beschreibt die Phänomene (S. 11-25) und reißt die Aufgaben der Kirche knapp an. Im 2. Teil werden entscheidende Hintergründe zum Verstehen des "warum" geliefert (S. 2754). Teil 3 (S. 55-108) bringt bewährte Kriterien zur Einordnung und bespricht die Chancen eines Ausstiegs. Teil 4 schließlich erwägt die christlichen Antworten, um einen verantworteten Umgang zu ermöglichen.

Gerade hier aber wirkt vieles leider noch seltsam unausgeführt und erst sehr vage angedeutet. Warum z.B. bleibt der Autor bei der Beschreibung "Gottes Bund mit dem Menschen" (S. 114ff) bei der alttestamentlichen Sicht (und der jüdischen Auslegung derselben) stehen und ergänzt diese zweifelsohne grundlegende Bedingung nicht durch die neutestamentlichen Aussagen über den neuen Bund Gottes mit dem Menschen, der durch Jesu Kreuzestod geschlossen wurde? Dieser eschatologische Heilsbund als Geschenk Gottes wird ja in unserer Kirche mit jedem Abendmahl für die Getauften bestätigt. Die Andeutungen Knackstedts (etwa S. 143 oder 156f) darüber bleiben mir leider zu vage.

Was zu wünschen übrig bleibt

Fast gänzlich vermißt man (vgl. aber S. 129ff) die trostspendende Aussage über die Gesamtheit der guten Schöpfung Gottes also gerade die Ablehnung eines dualistischen Rahmens für unser Weltgeschehen (inklusive der Ablehnung der Vorstellung, daß ein böser Gegengott die Materie geschaffen hätte).

Genauso hätte die Deutung des Bösen als "Nichts" (ebd.) ruhig noch etwas weiter biblischer fundiert ausgeführt werden können (vgl. schon die Erklärung des Paulus in 1 Kor 10 dazu!). Auf der anderen Seite aber täte man auch gut daran, die Schranken, die unserer Erkenntnis auf Erden gesetzt sind, konturenreicher zu zeichen: "Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin" (1 Kor 13,12) das gibt uns den Mut, auch das Zweifeln und das Ringen um die Wahrheit zuzulassen die lebenslange Auseinandersetzung im Gespäch mit den Mitmenschen. Für mich eine entlastende Aussage, die zum getrosten weiterfragen ermutigt.

Endlich fehlt mir die ausgeführtere Darstellung der Bedeutung des Kreuzes. Ist es doch schließlich das, was Markus in seinem Evangelium (durch die Geheimnistheorie) klar machen will: Wunder und Zeichen, Vollmacht und Kraft sind nur die eine Seite Jesu Christi, die andere Seite: das Leiden, der Tod und seine Auferstehung gehören unabänderlich dazu. Dieses Kreuz stellt auch uns und unsere "Leistungen" (auf die so viele Sekten stolz sind) täglich in Frage und weist uns zurück auf das Handeln, das von Gott in seiner Gnade kommt.

Ich bin mir darüber im Klaren: auch diese Beispiele sind herausgegriffen; sie können aber vielleicht andeuten, welch theologisches Potential zum Umgang mit den "Sekten" eigentlich vorhanden ist und auch gerade für die angefragte Gemeinde zum Nutzen gebracht werden könnte.

Knackstedts Verdienst wird dadurch jedoch in keiner Weise geschmälert: die Diskussion um diese Themen muß verstärkt geführt werden! Sein Buch ist jedem zu empfehlen, der sich nicht nur vordergründig mit den "Sekten" beschäftigen will, sondern der in der grundsätzlichen Auseinandersetzung steht.

Anmerkungen

1) Vgl. etwa Gunther Klosinski: Pyschokulte. Was Sekten für Jugendliche so attraktiv macht, München 1996 (=BsR 1143).

2) Vgl. etwa Thomas Schweer: Die Heilsversprecher. Der Kampf der Sekten um die Seelen, München 1996 (=Heyne Sachbuch 19/ 444).

3) Man vgl. die vielen "journalistischen" Veröffentlichungen. Aber auch die parapsychologischen und skeptischen Deutungen werden gerne aufgegriffen. Vgl. dazu etwa den Theologen Höhn ("Sympathie für den Teufel", Köln 1996), der in seiner Besprechung den Spritismus ausschließlich mit dem Carpenter-Effekt erklärt (vgl. S.30ff).

4) So z.B. die Münchener Reihe, auch die Reihe Apologetischer Themen u.a. Dazu zähle ich auch die vielen Nachschlagewerke, die mehrere Gruppen behandeln.

5) Z.T. trifft das z.B. auf die Reihe Unterscheidung zu, beschränkt auch auf die Reihe Claudius Kontur.

6) Vgl. etwa die Information Nr. 117 "Der christliche Glaube und das Paranormale" von H.-J.Ruppert. Dazu gehört auch die Buchveröffentlichung "Okkultismus" vom gleichen Autor , der einen eigenen großen Teil für theologische Texte von anderen Autoren reserviert hat.


Mark Meinhard, stud. theol., 24,
Studium in Erlangen, Greifswald, Berlin und Heidelberg, ist Mitarbeiter einer missions- und religionswissenschaftlichen Arbeitsgruppe in Erlangen, die Anfang Mai die Broschüre "Sehnsucht nach Heil" über Sekten und religiöse Gruppen in Erlangen publiziert hat.

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