Nachdem es über den Sommer und Herbst in England nicht allzuviel zu berichten gab, kündigte unerwartet Mun, San Myung, der Führer der Mun-Bewegung, seinen Besuch an. Am 4. November wollte er 1200 Anhänger unter Ausschluß der Öffentlichkeit im Queen Elizabeth II Conference Centre (gegenüber vom Parlamentsgebäude) mit einer Ansprache beglücken.
Sektenexperten, besorgte Politiker und natürlich Munie-Eltern und ehemalige Mitglieder fürchteten, daß diese Versammlung der Auftakt zu einer neuen Werbeaktion sein könnte. Schließlich kommt Vater Mun nicht "nur mal so zum Kaffee" vorbei.
Viele wurden beim Innenministerium vorstellig, und es gelang, den Home Secretary (Innenminister) Michael Howard zu der Entscheidung zu bewegen, Mun als "undesirable alien" (unerwünschtem Ausländer) die Einreise zu verweigern. Muns letzter Besuch in England fand 1978 statt. 1981 wollte er wiederkommen, aber Willy Whitelaw, der damalige Home Secretary, gab ihm keine Einreisegenehmigung. In dem Jahr hatte die Mun-Bewegung ihr größtes Eigentor geschossen, als sie einen Mammutprozeß gegen die Daily Mail anfing und verlor. Sie mußte nicht nur die entstandenen hohen Kosten tragen, sondern auch damit leben, daß durch den Prozeß sehr viele Hintergrund- informationen über die Mun-Bewegung bekannt wurden.
Diesmal wandte sich die Mun-Bewegung an das Obergericht und fand tatsächlich einen Richter, Mr. Sedley, der Michael Howards Einreiseverbot für gesetzeswidrig hielt. Der Home Secretary hätte Mun erklären müssen, warum er unerwünscht ist, und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Die Mun-Bewegung triumphierte und nahm die Vorbereitung der Veranstaltung wieder auf, aber Howard bestand auf dem Einreiseverbot und meinte, Justice Sedleys einschränkende Bedingungen für ein Einreiseverbot wären ihm neu.
So kam es dazu, daß Mun seinen Visumantrag zurückzog. Aber Mark Brann, Mun-Rechtsanwalt und anscheinend z.Zt. Vorsitzender der zur Mun-Bewegung gehörenden britischen "Vereinigungskirche", kritisierte die Einstellung von Howard scharf und äußerte sich im Sinne von "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben". Vor dem nächsten Einreiseantrag sollen fürsprechende Aussagen gesammelt werden, und zwar von Staatsmännern, Nobel-Preisträgern, Akademikern und Geistlichen.
Für diese Herrschaften kommt nun eine Abrechnung. Mun wird nun alle die zur Kasse bitten, die seine Einladungen zu kostenfreien oder honorierten Konferenzen in exotischen Lokalitäten angenommen haben, oder die sich an Weltreisen beteiligten und/oder für Ansprachen reichlich honoriert wurden. Dazu gehören namhafte Leute wie George Bush und Edward Heath und viele Wissenschaftler und sogar prominente Kirchenleute.
Es gibt für sie ein Dilemma: Sollen sie im Interesse der Allgemeinheit "die Hand beißen, die sie gefüttert hat", oder sollen sie klein beigeben und etwas ganz Neutrales sagen, oder gar etwas Mun Unterstützendes?
Die erste Stimme gibt es schon im Druck: Prof. Eileen Barker von der London School of Economics stellt sich hinter Mun, indem sie sagt:" Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß Rev. Mun sich sozial- oder gesetzeswidrig verhalten wird. Man sollte niemandem das Land verbieten wegen seines Glaubens. Das geht gegen Religionsfreiheit" (Guardian, 2.11.1995).
Jeder, der auch nur ein bißchen Bescheid weiß über die Mun-Bewegung und ihre Vereinigungskirche - und Prof. Barker weiß viel... - ist sich darüber klar, daß es bei Muns Einreiseverbot nicht um Religion geht, sondern um die Methoden, mit denen seine Organisation arbeitet. Dazu gehören Betrug, Ausbeutung und Gedankenkontrolle. Es gibt genug Fälle, oft sehr trauriger Art, die beweisen, daß die propagandistische Selbstdarstellung der MunBewegung nicht mit den Tatsachen übereinstimmt.
Es ist außerdem allgemein bekannt, daß es bei dieser Organisation um Macht und Geld geht und um Einfluß in Politik, Wirtschaft und Bildungswesen, was natürlich nicht bedeutet, daß das überbeanspruchte Fußvolk dafür verantwortlich ist. Viele davon sind nicht so glücklich, wie ihr uniformiertes Lächeln vortäuscht, sondern voller Zweifel, Furcht und Schuldkomplexe.
Der Anspruch der Mun-Bewegung, eine christliche Kirche zu sein, erregte anfangs große Proteste von Seiten der Geistlichkeit in England. Heute sind diese Stimmen nicht mehr so laut, obwohl die Situation mit dem Wachsen von Muns Macht ernster geworden ist. Auch im kirchlichen Bereich konnte Mun Fürsprecher und Unterstützer gewinnen mit dem Prinzip "Mit Speck fängt man Mäuse", wenn auch auf diplomatische, manchmal fast unmerkliche Art.
Muns Einreiseversuch zeigt, daß das westliche Europa wieder in seinem Interesse gestiegen ist. Jeder, dem die Wohlfahrt von jungen Menschen am Herzen liegt, sollte klar Stellung nehmen und öffentlich äußern, daß dies Interesse einseitig und schädlich ist. ( Anm. der Redaktion: Näheres zum Einreiseversuch Muns in Deutschland und der Ukraine im Update, S. 24 ff.
Ursula MacKenzie, 65, stammt aus Chemnitz und lebt seit 1955 in England. Nach über 16 Jahren Arbeit für FAIR (Family, Action, Information & Rescue), die britische Elterninitiative, die zugleich Beratungsund Hilfsdienst für Familien und Freunde von Kultbetroffenen ist, lebt sie jetzt im Ruhestand in London und schreibt exklusiv für den BERLINER DIALOG ihre regelmäßige Kolumne.