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BERLINER DIALOG 17, 2-1999 Johannis - Martini

 OSTEN

Ein Problem mit Scientology im Hause Luschkow
Bericht von Frank Nordhausen

Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow hatte ein Problem. Es hieß Sergej Dorenko. Wochenlang warf der bekannte Journalist, der im Jelzin-nahen Fernsehsender ORT ein Politikmagazin moderiert, dem Stadtoberhaupt Korruption, Vetternwirtschaft und Mafia-Kontakte vor. Eine unangenehme Geschichte, zumal im Wahlkampf um die Nachfolge des Staatspräsidenten, für die Luschkow als aussichtsreicher Kandidat gilt. Also engagierte der Bürgermeister eine neue Justiziarin, die Moskauer Anwältin Galina Krylowa, und beauftragte sie, eine Verleumdungsklage gegen den Journalisten vorzubereiten. Seither hat Luschkow ein noch größeres Problem.
Denn die 37-Jährige gilt nicht nur als die wichtigste juristische Vertreterin internationaler Sekten in Russland, sie sitzt auch im Kuratorium der "Citizens Commission on Human Rights" (CCHR) in den USA. Bei dieser Organisation handelt es sich um eine hundertprozentige Tochter von Scientology, deren Ziel es ist, die Erde von Psychiatern zu "befreien".
Sektenexperten warnen einmal mehr vor einer möglichen Einflussnahme der Scientologen auf die russische Politik. "Der Bürgermeister ist entweder schlecht informiert, oder jemand versucht, ihn zu kompromittieren", sagt Alexander Dvorkin, Sektenbeauftragter der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau, über die neue Justiziarin. "Krylowa wird von Scientology als Trojanisches Pferd benutzt. Darüber hinaus repräsentiert sie eine Koalition totalitärer Kulte." Tatsächlich hat Krylowa sämtliche wichtigen Prozesse für Sekten aller Art in den letzten Jahren in Russland geführt - und meist verloren.
So vertrat sie 1995 die japanische Giftgas-Sekte Aum Shinrikyo, als Elterninitiativen deren Verbot erstritten. Auch für die koreanische Mun-Sekte, die Hare-Krishnas und die Zeugen Jehovas war sie tätig. Vor allem aber arbeitete sie für Scientology, wobei ihr Einsatz weit über anwaltliche Pflichten hinausging. Die Scientologen nahmen sie in das Kuratorium von CCHR auf und druckten in ihrer Zeitschrift "Scientology News" 1997 ein Foto von "Kämpfern gegen die Psychiatrie" bei einer kalifornischen Sekten-Gala. Krylowa stand in der ersten Reihe.

Scientology unterliegt in Russland derzeit verstärkter Beobachtung durch die Justiz. Nach diversen Razzien ermitteln Staatsanwälte gegen Top-Manager der Sekte in verschiedenen Städten. Am 6. Oktober verfügte ein Moskauer Gericht die Schließung des "Humanitären Hubbard-Centers", der größten Scientology-Filiale Russlands, wegen Geldwäsche, illegaler Geschäftspraktiken und der Verletzung von Bürgerrechten; über den Widerspruch der Scientologen ist noch nicht entschieden. Rechtsbeistand der Sekte war wie üblich Galina Krylowa.
Russische und deutsche Sektenexperten warnen nun vor einem erneuten Versuch der Organisation, "Einfluss auf die russische Politik zu nehmen und Informationen über Spitzenpolitiker zu sammeln", so der Berliner evangelische Sektenbeauftragte Thomas Gandow. Krylowa sei auf Grund ihrer Funktion "eindeutig eine Person, die von Scientology ferngesteuert wird".

Seit 1989 hat die Sekte immer wieder Kontakte zu russischen Politikern geknüpft. Im März 1998 berichtete die "Berliner Zeitung", dass der neu ernannte Premierminister Sergej Kirijenko Scientology-Kurse besucht hatte. Fachleute befürchteten damals Erpressungsversuche der Scientologen. "Die Verbindung Luschkows mit Krylowa ist ein handfester Skandal", sagt jetzt der russische Sektenbeauftragte Dvorkin. "Politisch könnte das für ihn sehr gefährlich werden."
(Erstveröffentlichung in der Berliner Zeitung vom 11.11.1999; hier ungekürzt dokumentiert mit freundlicher Genehmigung von Autor und Redaktion der Berliner Zeitung.)


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