Wie sich die Parteien einigen, sei egal. Es sei ein Schaden entstanden. Dieser müsse aufgearbeitet werden. "Dies ist das Material aus dem Kriege gemacht werden! Geht den Weg der Verzeihung, Vergebung, Komplettierung." So das Resumee eines Anwesenden am Ende einer Veranstaltung, die für die von Hannes Scholl gegründete Gesellschaft eine neue Weichenstellung bedeuten dürfte.
München am 15. Januar 1996, 19.30 Uhr, Sachsenkamstr., in den Räumen der Hannes Scholl Gesellschaft (HSG): 70 - 80 Personen, die meisten wahrscheinlich Mitglieder der HSG, im Alter von ca. 5 - 65 Jahren, fanden sich ein, um einer Abrechnung beizuwohnen, die die Gründe für die Spaltung der Hannes-Scholl-Gesellschaft offenlegen wollte. Unter der Federführung von N. N. (Name der Redaktion bekannt), bis vor kurzem noch Lebensgefährtin von Hannes Scholl und führendes Mitglied der HSG, ist ein Teil der Führungscrew Anfang Januar diesen Jahres nach einem gemeinsamen Aufenthalt in Ägypten abgesprungen.
Fünf von ihnen, N. N. (Name der Redaktion bekannt) selbst stand nicht auf dem Podium, verlasen, in Anwesenheit von Scholl, abwechselnd ein Papier, um den Anlaß für die bestehenden Differenzen darzustellen.
Dies sei kein Diskussionsabend, wurde die Veranstaltung eröffnet. Es sollten vielmehr die Beweggründe für den Ausstieg genannt werden, auch um die Vergangenheit mit neuen Augen zu sehen.
Von einem treu weiter auf der Seite von Hannes Scholl stehenden Mitglied wurden wir vor der Veranstaltung gewarnt: Es werde eine Schlammschlacht geben, bei der wir eine Menge zu schreiben bekämen. Wir sollten aber doch bitte beide Seiten hören, um uns ein vernünftiges Bild machen zu können. Was herauskam, war eine sehr emotional vorgetragene Abrechnung mit einem Mann, der die Vortragenden anscheinend zu tiefst enttäuscht haben muß.
So wie der Vortrag, war die gesamte Situation äußerst emotional. Durch ständige Umarmungen vor der Veranstaltung unter den meisten Anwesenden wurde Solidarität und Einheit trotz Zwist kundgetan. Was an den diversen Vorwürfen der Realität entspricht und was nicht, kann an dieser Stelle nicht festgestellt werden. Schon deswegen nicht, da eine detaillierte Erwiderung zu den einzelnen Punkten von seiten Scholls nicht vorliegt. Fazit der Vorwürfe: Hannes Scholl wird von den enttäuschten Aussteigern seine spirituelle Kompetenz abgesprochen.
Und Fakt ist: Ein Teil seiner höheren Mitarbeiter ist abgesprungen, der Geschäftsführer hat sein Amt niedergelegt, es kam zu einem tiefen Riß.
Nach Verlesen der Anschuldigungen herrschte gemeinsames Schweigen, alle Zuhörer zeigten betretene Gesichter. Die Ankläger verließen dann ohne weiteres Aufsehen den Raum, eine Diskussion sollte nicht stattfinden. Ein Mitglied trat aus dem Publikum ans Podium. Es drängte auf Verzeihung, Vergebung, "Komplettierung". Die noch Anwesenden applaudierten. Ein Transparent wurde hochgehalten: "Liebe, die da endet, wo der Schmerz beginnt, bleibt profan. (Emanuel)".
Nach der Veranstaltung führten wir ein Gespräch mit Hannes Scholl selbst im ersten Stock seines Zentrums unter Teilnahme einiger seiner treuen Mitglieder.
Er könne uns noch nicht sagen, wie er sich zur Zeit selbst sehe, er sei noch auf der Suche. Er könne uns aber sagen, was er nicht sei. In erster Linie habe er nie vorgehabt, ein Guru zu sein, (auch wenn er innerhalb seiner HSG die Initiation seiner Anhänger mittels Shaktipat durchgeführt hat). Scholl gestand aber dennoch ein, daß er von einigen seiner Mitglieder als Guru betrachtet wurde, er sei zu einem Guru gemacht worden. Damit sei aber jetzt Schluß, so wie überhaupt mit einigen Punkten aus der Vergangenheit.
Auf die Frage, wie er sich denn die Zukunft der HSG vorstelle, konnte er noch keine klare Antwort geben. In erster Linie ginge es jetzt darum, den Schaden so gering wie möglich zu halten und den Verpflichtungen gegenüber den Kursteilnehmern, die schließlich schon bezahlt hätten, nachzukommen. Ob und wie die Gesellschaft weiterbestehen werde, könne zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht konkret gesagt werden. In Zukunft soll auf alle Fälle eine Trennung zwischen den Trainings und dem "Weg" (Einweihung, Einweihungstempel) stattfinden. Wie neueste Erfahrungen aus Berlin zeigten, seien die Kurse durchaus unabhängig von seiner Person durchzuführen. Er habe aus Berlin durchweg positive Nachrichten über den Verlauf einiger Trainings, die dort Anfang Januar 1996 stattfanden, erhalten. Eigentlich sei alles ja nur ein Beziehungskistenproblem, aber jetzt müsse man erst einmal sehen, wie die Miete bezahlt werden könne.
Expansionsbestrebungen jetzt auch nach Berlin lassen aber vermuten, daß die Hannes Scholl Gesellschaft - in einem neuen Gewand - weiterbestehen wird.
AYURA/HANNES SCHOLL Hannes Scholl, als Dressman aus der Fernsehwerbung bekannter Philosoph, Autor und Trainer für "Ontologie", Jahrgang 1959, gründete nach einer Rundreise durch verschieden Gruppen und Bewegungen, (u.a. Reinkarnationstherapie, MukatanandaAschram, Babaji, EST u.a.) eigene Gruppen wie "Möglichkeit e.V." und bietet "Präsenz-", "Beziehungs-" und "Geld-Trainings". Scholl fordert von seinen Anhängern kompromißlos die Loslösung aus Familie und Beruf. Nur der "identitätsfreie" Mensch sei schöpferisch. "Mit Lebenshilfe oder ganzheitlicher Spiritualität hat Scholls ... Projekt nichts zu tun, wohl aber mit sektiererischer Verblendung, Manipulation und skrupelloser Geschäftemacherei durch ein ausbeuterisches Schneeballsystem". (Behnk, 1996)
Kritische Literatur: |
Ilse Kroll, 60,
Beraterin und Sekretärin für Sektenund Weltanschauungsfragen in
München
Dipl. Sozialpädagoge Bernd Dürholt, 32,
arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro des Bayrischen Kirchlichen Beauftragten
für Sektenund Weltanschauungsfragen