Fünf Jahre gibt es nun die "Konferenz über Religionsfreiheit und Menschenrechte" in Deutschland. Am 30. Mai 1991 tagte in Deutschland erstmals die scientologisch initiierte "Konferenz über Religionsfreiheit und Menschenrechte" in einem Berliner Hotel. Beinahe hätte niemand von der Konferenz Notiz genommen, wenn nicht einer der prominenteren Teilnehmer, Prof. Erich Geldbach, das Anliegen der Konferenz zu seiner Sache gemacht hätte und kirchliche Stellen und Privatpersonen mit seiner fünfseitigen "Mitteilung" über die Konferenz eingedeckt hätte.
In dem Einladungspapier zur ersten Konferenz hatte es gelautet: "Aus Anlaß der verbreiteten aktuellen religiösen Intoleranz in der Bundesrepublik Deutschland lädt Sie die Scientology-Kirche Deutschland zu einer Konferenz über Religionsfreiheit und Menschenrechte ein". Konferenzredner waren neben dem bereits erwähnten Dr. Erich Geldbach der Scientologe Franz Riedl, Prof. Littell aus den USA, der die Eröffnungsrede hielt sowie die "Zusammenfassung" und "Schlußzusammenfassung" übernahm; der Scientologe Jakob Haramgaal, ebenfalls aus den USA angereist; der Pressesprecher der Krishna-Gesellschaft in Deutschland, Michael Holznagel (Diviratha Das); Norbert Thiel von der Mun-Bewegung ("Direktor der Vereinigungskirche Berlin"); die Scientologin N.N.; Dr. Franke von den "Kindern Gottes"; ein Herr Wilke, der als "Präsident der Rosenkreuzer" bezeichnet wurde, sowie eine Frau Berthold und ein Herr Gomoll, die als "beisitzende Gäste" die Pressestelle des "Universellen Lebens" vertraten.
Wie man Kult-Kritik mit Nazipolitik in Verbindung bringt
Zum Abschluß der Veranstaltung war ein "Phototermin einer Delegation
mit der Resolution am Kleinen Wannsee" vorgesehen. Damit wollte man in
demagogischer Absicht den angeblichen Zusammenhang und die Gleichartigkeit
der Kritik an Psychokulten und Gurubewegungen mit der Politik der Nazis, die
in einer Villa am Großen Wannsee die Vernichtung des jüdischen
Volkes geplant hatten, herstellen.
PR für die Scientology-Konferenz
Vermutlich hätte kaum jemand von dieser scientologischen
Winkelveranstaltung erfahren, wenn nicht Geldbach eine Woche später
sein Rundschreiben herausgebracht hätte. In diesen umfänglichen
"Mitteilungen" an Kirchenleitungen und Dienststellen schreibt Geldbach allen
Ernstes, daß die Kritik an Jugendreligionen, Psychokulten und
ähnlichen Gruppen mit "Verfolgung von Sondergemeinschaften" zu tun
habe. Er rechtfertigt in diesem Schreiben nicht etwa seine Teilnahme an der
von den Scientologen einberufenen Konferenz in Berlin am 30. Mai 1991,
sondern identifiziert sich in seinem Brief ohne jede Einschränkung mit
den Intentionen der scientologischen Veranstalter; so macht er sich u.a. die
Behauptung zu eigen, die kritische Haltung des Bundeslandes Hamburg zu
Scientology stelle einen Verstoß gegen Artikel 9 und 10 der
Europäischen Menschenrechtskonvention dar.
PR-Versand über kirchlichen Freistempler Obwohl dies, wie später gesagt wird, eine "Privatäußerung" sei, versendet der (freikirchliche) EKD-Angestellte seinen - außen mit keinem anderen Absender versehenen - Brief am 7. 6. 91 über die Freistempleranlage des "Evangelischen Bundes Bensheim", was bei Empfängern zunächst den Eindruck einer offiziösen Zusendung durch diese EKD-nahe Institution erweckt.
Von mir telefonisch am 15. 8. 1991 zu seinem Brief befragt, entschuldigt Geldbach zwar dies "Versehen", und erklärt seine Teilnahme an der Scientology-Konferenz in Berlin mit der Begründung, Prof. Littell aus den USA habe ihn eingeladen. Tatsächlich wurde diese Scientology-Tagung aber natürlich von Scientology einberufen, organisiert und durchgeführt.
Nun könnte der hochbetagte Franklin D. Littell sein Alter und mangelnde Information über die aktuelle Lage zur Entschuldigung für seine Instrumentalisierung anführen. Geldbach selbst war aber spätestens seit der Teilnahme an der Berliner Scientology-Tagung nicht unwissend, denn wie er mir selbst am 22.8.91 schreibt, erfuhr er bei der Konferenz, "daß die Einladung, die ich aber erst in Berlin erhielt, von einem Scientologen unterzeichnet war... Ich kannte auch unter den Teilnehmern vorher nur Herrn Thiel von der VK" (Anm.: VK --> Mun-Bewegung).
Dennoch verbreitete Geldbach eine Woche nach der nun auch für ihn eindeutig von Scientology gesteuerten Konferenz sein Rundschreiben mit der nun wissentlich falschen Information, die Konferenz sei von Littell "einberufen worden". Scientology und die Teilnahme von Scientologen wird in seinem Schreiben auch mit keiner Silbe erwähnt.
Zweite Konferenz
Was ich damals noch nicht wußte, und was Geldbach in scheinbarer
Ausführlichkeit seines Berichts vom 22.8.91 über die erste,
Berliner Scientology-Konferenz an mich (er schreibt mir die Namen der
- wenigen - Konferenzteilnehmer u.a.m.) übergeht: Inzwischen hatte, mit
mindestens 20 Teilnehmern, bereits eine weitere solche Konferenz in
Frankfurt am Main am Sonnabend, 27. Juli 1991, stattgefunden.
Federführend war diesmal die Mun-Bewegung. Und diesmal hatte Geldbach
selbst das Hauptreferat gehalten - im offiziellen Programm der Mun-Konferenz
ausgewiesen als "Wissenschaftlicher Referent am Konfessionskundlichen
Institut Bensheim", also Teilnehmer in offizieller Funktion als Mitarbeiter
einer EKD-Einrichtung.
Lange Liste
Die heute hier vorliegende Teilnehmerliste, von den Konferenzorganisatoren
herausgegeben, war im ganzen länger und breiter geworden und
zählte, teilweise mit Funktionen, auch Theologen, Pfarrer und
kirchliche Mitarbeiter auf, darunter Dr. Roger Töpelmann, "Pastor und
Journalist" aus Frankfurt/Main, hervorgetreten auch als "Pressereferent" des
Frankfurter Kongresses der Vishwa Hindu Parishad (VHP); Prof. Dr. Erich
Geldbach, Dr. theol., über den es heißt: "Professur in Marburg.
Wissenschaftlicher Referent am Konfessionskundlichen Institut Bensheim"; Prof. Dr. Jürgen Redhardt, Professor für Theologie in Gießen, bereits hervorgetreten als Referent für die Mun-Bewegung. Die Konferenz-Initiatoren von Scientology wurden diesmal repräsentiert durch die bekannte N.N., Barbara Lieser, ScientologyÖffentlichkeitsarbeit Frankfurt/Main und Franz Riedl, damals Pressesprecher der Scientologen. Auch die Munbewegung war stärker vertreten, offensichtlich, weil man erkannt hatte, daß diese Konferenz besonders den beiden umstrittensten Kulten nützlich sein konnte. Präsent waren Liselotte M. Perrotet, Repräsentantin von NEW-ERA und "Begründerin des Forums Religion und Weltgestaltung"; Bernhard Reimir, Journalist für Mun-Zeitschriften; Harald Spies, Pressesprecher der Mun-Bewegung; Norbert Thiel, ehem. Pressesprecher der Munbewegung und "Direktor der Vereinigungskirche Berlin"; sowie Markus Zonis, "Sprachforscher" und für die Mun-Bewegung als Redner hervorgetreten.
Von den anderen "New Religious Movements" entsandte immerhin drei Teilnehmer die ISKCON: "Dash Avatar" und "Tribanga Das" sowie Michael Holznagel, ihren Pressesprecher. "Hafiz", ein zur Osho/Bhagwan-Bewegung gehörender Rechtsanwalt, der für die faktisch nicht mehr bestehende "Religionsgemeinschaft" der Bhagwan-Anhänger nach wie vor gegen die Bundesrepublik prozessierte, durfte nicht fehlen.
Von den Konferenzen haben sich nach unserer Kenntnis öffentlich nachträglich nur eine Frau Birlenberg, die "nur aus Informationszwecken" teilnahm, sowie inzwischen der ISKCON-Sprecher Holznagel abgesetzt, der bemängelte, daß es nicht um "Religion" ging und "nicht effektiv" war. Ein Vertreter der adventistischen Zeitschrift "Gewissen und Freiheit" war zwar auf der Liste aufgeführt worden, hatte aber an der Konferenz nicht teilgenommen.
Teilnahme-Rechtfertigung
Soweit zu sehen ist, haben die Teilnehmer und Referenten aus
kirchlich-freikirchlichem Raum immer behauptet, in erster Linie ihre eigenen
Meinungen und Ansichten dort vertreten zu haben. In den entsprechenden
Konferenz-Berichten und Resolutionen war davon nicht viel die Rede. Hier
zählte einfach der Name, der den Scientologen und Mun-Organisatoren zu
Werbezwecken dienlich sein sollte. Mit ihrer Teilnahme und der Genehmigung
zur Verwendung ihres Namens werden die beteiligten Personen für den
scientologisch-munistischen Zusammenschluß, sein Auftreten und seine
Veröffentlichungen mitverantwortlich. Sie geraten aber auch selbst
dadurch in Probleme, daß die Finanzierung solcher Unternehmungen meist
im Dunkel liegt, und diejenigen, die sich aus dieser Quelle tränken
lassen, in zwielichtige Abhängigkeit geraten können. Zumindest
werden solche Konferenzen auf (materielle und physische) Kosten der
jugendlichen Geldsammler durchgeführt.
Beziehungen zwischen EKD und Baptisten belastet?
Prof. Geldbach soll nun auf einen theologischen Lehrstuhl der
Universität Bochum berufen werden. Dagegen sind starke Bedenken zu
äußern. Es geht dabei nicht um Geldbachs konfessionskundliche
Meinung über Sekten, Freikirchen und Landeskirchen, schon gar nicht um
seine Zugehörigkeit zu den Baptisten, sondern ausschließlich um
seine Kooperationsbereitschaft mit einer Psychoterrorgruppe wie Scientology
und mit der politreligiösen Mun-Bewegung. Die nicht nur vom
westfälischen Sektenbeauftragten kritisierten intensiven Kooperationen
Prof. Geldbachs mit Gruppen aus dem Feld der Jugendreligionen und
Psychokulte bis hin zu Scientology liegen weniger als fünf Jahre
zurück; seine vorausgegangene Teilnahme und Aktivität für die
Mun-Bewegung soll hier gar nicht erst angeschnitten werden. Es muß
deshalb sehr verwundern, daß der baptistische Bundesdirektor
Schäfer nun sogar behauptet, "eine Nähe Geldbachs zu Sekten habe
es nicht gegeben" (idea spektrum 17/96). Prof. Geldbach hat es in den
letzten Monaten verstanden, im Kampf für seine ganz persönliche
Karriere und Berufung auf den Bochumer Lehrstuhl "für Ökumenik und
Konfessionskunde" die Kritik an seinen kult-verbundenen Aktivitäten und
die singulären Probleme der Besetzung des Lehrstuhls in Bochum zum
Streitfall zwischen EKD und Freikirchen aufzumischen. Dies ist ihm teilweise
gelungen.
Diejenigen, die die Temperatur des konfessionellen Klimas zwischen EKD und Freikirchen an dieser Stelle messen wollen, lassen einige Punkte außer Acht:
1. Unbeschadet seiner Zugehörigkeit zu einer Freikirche ist Geldbach jahrelanger Mitarbeiter einer direkt der EKD zugeordneten Institution. Wie dennoch im Zusammenhang mit Geldbach von der Bundesleitung der Baptisten von Diskriminierung von Baptisten gesprochen werden kann, ist rätselhaft.
2. Wenn Herr Geldbach seine Teilnahme an den Scientologyund Mun-Konferenzen als engagierte Privatsache darstellt, wieso soll die Kritik an einem offensichtlich streitbaren und streitlustigen Privatmann das Verhältnis zwischen EKD und Freikirchen belasten?
3. Darüber hinaus ist zu fragen - und es wäre gut, wenn darüber zwischen Freikirchen und Landeskirchen nicht gestritten würde: Qualifiziert das menschliche und konfessionskundliche Unvermögen, zwischen ökumenischen Kontakten einerseits und der Indienstnahme durch totalitäre Organisationen andererseits zu unterscheiden, einen Wissenschaftler ausgerechnet für die Übernahme eines Lehrstuhls für Ökumene und Konfessionskunde an einer Universität?
4. Es geht also nicht um konfessionelle Geschmacksfragen oder kirchenpolitische Machtund Repräsentationsfragen, sondern um wirkliche Grundsatzentscheidungen. Und die dürfen nicht von vordergründigen interkonfessionellen diplomatischen Erwägungen abhängig gemacht werden, sondern sollten sich eher an der ökumenischen Penteli-Deklaration (vgl. BERLINER DIALOG 3 - 95) orientieren.
5. Die westfälische Landeskirche hat in der Frage ihrer Stellungnahme in der Berufungsangelegenheit nicht nur dem "freikirchlichen" Druck nachgegeben, um das zwischenkirchliche Verhältnis nicht zu strapazieren: Nach ihrem Selbstverständnis konnte sie sich in dieser Sache nur im Rahmen bestehender, staatskirchenrechtlicher Gegebenheiten äußern. Das bedeutet keinerlei Entlastung und Salvierung des bis zu einer eindeutigen Distanzierung und Rücknahme der Aussagen seines Briefes vom 7.6.91 als KultUnterstützer anzusprechenden Geldbach.
"Videant consules...!"
Es wäre absurd, wenn die nordrhein-westfälische Landesregierung
einerseits dafür optiert, Scientology wegen seiner
Unterwanderungsaktivitäten durch den Verfassungsschutz beobachten zu
lassen, andererseits einen Scientology-Unterstützer auf einen Lehrstuhl
zur Ausbildung u.a. von Religionslehrern beruft. Die politisch
Verantwortlichen sind jetzt gefragt. "Videant consules...!"
Seinen persönlichen "Standpunkt" schrieb diesmal auf: Pfr. Thomas
Gandow, 49,
Provinzialpfarrer für Sektenund Weltanschauungsfragen der EKiBB und
Herausgeber des BERLINER DIALOG.