1985, zu Friedrich-Wilhelm Haacks 50. Geburtstag, hatte ich das Vorwort zu dem vermutlich nur unter Insidern bekannten Buch "Eindeutig zwischen den Stühlen", einer Art Festschrift geschrieben. Es hieß da:
"Apologetik ist ein unbequemes Geschäft. Nicht nur, weil kirchenferne Liberale dahinter ein trotziges letztes Aufbäumen einer todgeweihten Organisation sehen; und nicht nur, weil Apologeten von ihren außerkirchlichen Gegnern gern als ,Bluthunde-, ,Inquisitoren- und ,Hexenjäger- verunglimpft werden; auch innerhalb der Kirche haben sie manchmal wenig Freunde. Einerseits wirft man ihnen vor, sie würden den doch so notwendigen Dialog erschweren, will aber nicht zugeben, daß eben sie es sind, die erst die Gesprächsebene für einen sachgerechten Dialog ermöglichen. Andererseits hält man ihnen entgegen, daß sie sich mit Dingen befassen, die für das Wohl und Wehe der Kirche insgesamt marginal seien und keine größere Beachtung verdienten, will aber nicht eingestehen, daß diese ,marginalen- Dinge die Ränder der Kirche längst aufgeweicht und weite Teile der Mitte in einen Sumpf verwandelt haben.
Theologische Schönfärberei, wissenschaftliches Spießertum und verfehlte Selbsteinschätzung sind die übelsten Gegner, die ein Apologet in den eigenen Reihen seiner Kirche vorfinden kann. Freilich wird er sich fragen müssen, wie es dann um seine eigene Selbsteinschätzung bestellt ist. Soll er vor schäumenden und bösartigen Gegnern kluge Vorsicht walten lassen, gepaart mit schlichtem Anstand? Oder soll er in heiligem Zorn die Fälscher aus dem Haus des Herrn jagen? Soll er mit trockenen papierenen Verlautbarungen, die niemanden trösten und niemanden verletzen, der Zeit hinterherlaufen und den Lorbeer derer entgegennehmen, die den Totstellreflex für lebendige Theologie halten? Oder soll er sich der Saalschlacht aussetzen mit Haut und Haar und damit für alle Müden, Verzweifelten und Orientierungslosen in dieser Kirche ein Garant sein für jene ecclesia militans, die sie in theologischen Spezifika so sehr vermissen?
F.W. Haack im Oktober 1990 in Naumburg
Foto: DCI, Aarhus
,Sie sind ja Lutheraner! Dieser voller Empörung erhobene Vorwurf gegen Friedrich-Wilhelm Haack kam aus dem Mund eines evangelischen Gläubigen. Anlaß war eine öffentliche Informationsveranstaltung. Das Zitat wäre so belanglos wie sein Anlaß, - wenn es eben nicht auch symptomatisch wäre für die Orientierungskrise innerhalb und außerhalb der Kirche. Kirche ist in Gefahr, verwässert zu werden, abzugleiten ins definitorische Abseits, ins diffus Religiöse. Dem Apologeten muß daran gelegen sein, Religion aber an Kirche zu binden. Denn ,Kirche von Religion zu trennen, heißt darauf verzichten, das Religiöse vom Wahnsinn zu trennen- (so der in diesem Zusammenhang wohl unverdächtige Thomas Mann).
Die Konsequenz der nicht lauen und leisetreterischen sondern eindeutigen Apologetik ist es, zwischen den Stühlen zu sitzen. Da ist es nicht bequem. Aber eine Kirche, die unter dem Anspruch angetreten ist, auch Ärgernis zu sein, bietet ihren mutigsten Vertretern keine Ruhepolster an. ..."
Manfred Ach, 48,
Studiendirektor i.K., Verleger, Literat und Dichter, lebt
bei München. Heute schreibt er uns: "Neben meinem Beruf tue ich heute
noch mein Mögliches im Rahmen des Verlags, den ich mit Inge Haack
weiterführe. Nächstes Jahr feiert dieser Verlag der ARW sein
20-jähriges Bestehen. Aber das ist ein anderes Kapitel."
Seine Erinnerungen an die Zeit mit F. W. Haack sind unter dem Titel "Das geht nicht spurlos an einem vorüber - Rückblick auf einen Lebensabschnitt" auf S. 25-32 in dem Jubiläumsband der Münchener Elterninitiative nachzulesen: Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus e.V. (Hg.): 20 Jahre Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus,
Dokumentations-Edition 26 der ARW,
Postfach 500 107, 80971 München,
ISBN 3-92789023-5, 212 S.