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BERLINER DIALOG 21, 2-2000 Michaelis


Interview mit Ilse Hruby zu ihrer Ehe mit einem Scientologen
Interview am 20.9.2000 für den Berliner Dialog von Tilman Hausherr

Wie lerntest Du Deinen Mann kennen?
Unser Kennenlernen war "arrangiert", ich wußte nichts davon.
Die Scientology-"Geistliche" Margit Margreiter hatte uns verkuppelt.
Er kam als Handwerker zu mir und wollte mein Badezimmer renovieren.

Foto: privat

Ilse

Wie war so der erste Eindruck?
Ich lernte meinen späteren Mann als sympathischen und einigermaßen gut gepflegten Menschen kennen. Er strahlte einen ungewöhnlichen und gewinnenden Optimismus aus, ich wußte damals noch nicht, daß dies ein künstlich erzeugter Kulissen-Optimismus war, den er da zur Schau trug. Er mit Sicherheit auch nicht. Ich konnte zum damaligen Zeitpunkt absolut nicht erkennen, daß dieser Mann fremdbestimmt denkt und agiert.

Wann und wie stellte sich heraus, daß etwas "anders" war?
Nach und nach. In der ersten Zeit unserer Beziehung war natürlich alles so ausgerichtet, als ob es kein schöneres Leben geben sollte, doch im Verlauf unseres Zusammenlebens kam eben sukzessive hervor, daß da ein Störfaktor ist, den ich vorerst nicht zuordnen konnte. Ich bemerkte auch, daß ich ihm nicht so wichtig war, wie er mir.
Ihm war seine "Religion" eindeutig wichtiger als ich und nicht nur das. Auch seine Familie war ihm nicht wirklich wichtig.

Wie und wann hast Du Dich über Scientology informiert?
Zum einen erzählten mir seine Freunde und seine Familie nach und nach über Ereignisse, die vor meiner Zeit passiert sind und zum anderen wurde ich zunehmend neugieriger und auch mißtrauischer.
Ich kaufte mir Renate Hartwigs erstes Buch in einem Buchladen. Als es Peter entdeckte, gab es furchtbaren Krach. Er meinte, diese Frau ist eine Lügnerin und sei deswegen schon mehrfach mit Erfolg von Scientology verklagt worden. Ich entgegnete ihm damals, wenn nur 10% dessen stimmen sollte, was in diesem Buch steht, dann sei das schon schlimm genug. Überdies war ich total entsetzt von dem, was ich da über die "Religion" meines Mannes zu lesen bekam. Mein zweiter Versuch, mir Informationen über die Scientology - "Religion" zu holen führte mich in das Büro der Erzdiözese Wien zur Frau Dr. Valentin. Die Informationen, die ich von Frau Dr. Valentin bekommen habe, halfen mir wieder ein Stück in dem Puzzle weiter, welches ich für mich begann über Scientology anzufertigen.
Zumindest ab diesem Zeitpunkt wußte ich, worum es ging und mir wurde klar, daß ich was tun mußte um nicht selbst einvernahmt zu werden.
Die Scientologen hatten mich zu diesem Zeitpunkt sehr mit "Love-Bombing" eingedeckt und ich muß zugeben, daß ich sehr knapp davor war, ein Mitglied von Scientology zu werden - nur um meine Ehe zu retten und um den Frieden in der Familie wieder herzustellen.

Nahm er das Buch weg?
Er wollte es mir wegnehmen, als er es fand, aber ich brachte es zu Freunden, zu unserem Vermieter. Der las es ebenfalls und meinte dann in einem ziemlich aufgebrachten Telefonat: Mit dem ich es da zu tun hätte, das wäre sowas wie eine Mafia, die einem das Gehirn wegrationalisiert und die Konten plündert. Sein Leitspruch aber war, als er mich nach dem Verbleib meines Ehemannes fragte: "Ist er (Peter) schon wieder bei den Klingonen?"

Hast Du Kurse/Techniken von Scientology mal selbst ausprobiert?
Ja. Ich habe drei kleine Kurse (Statistik-Kurs, Geld und seine Dynamiken, und einen Kurs über den fairen Austausch von Bohnen) wohl mehr als Gefallen für meinen Mann gemacht und dann festgestellt, daß es der pure Schwachsinn ist. Als ich dann jeweils meine Kurse abgeschlossen hatte, wurde ich natürlich von den Kursüberwachern bestätigt, wie toll ich doch sei und wie schnell ich vorankomme usw. (Kunststück bei dem Niveau der "Kursunterlagen") - nur da und dort hätte ich ja noch was zu erledigen, da wären noch Defizite aufzuarbeiten, mit einem Wort, wie üblich wollte man mir den nächsten und übernächsten Kurs bereits verkaufen. Es kamen Vorschläge, ich sollte doch Kurse machen wie das "Auf und Ab im Leben" oder den "Kommunikationskurs". Übrigens, alle meine drei Kurse bezahlte ich nicht selbst, die wurden mir von meinen Ehemann finanziert. Weiters kam der Vorschlag, ich könnte doch in der Org. arbeiten als sogenanntes Staff-Member und viele Gewinne dabei erzielen. Ich meinte nur, ich bin doch kein Mitglied von Scientology und wolle es auch nicht werden. Da gab es wieder mal lange Gesichter wie schon des öfteren.

Versuchte Scientology Dich zu werben?
Ja. Erstaunlich, die gaben einfach nicht auf. Mehrfach und immer wieder, mit diversen Schmeicheleien und natürlich mit den gängigen Hubbard-Lobpreisungen und wie toll doch die Tech von Scientology funktioniert, es sei doch die einzige wirkliche Wissenschaft vom Wissen wie man weiß, wollten sie mich dazu kriegen doch ein Mitglied dieses Kultes zu werden. Mein Mann Peter wird clear werden, sagte man mir eindringlich und seinen Weg auf der Brücke machen und für mich ist es nur ein Nachteil, wenn ich nicht auch versuchen würde meine Persönlichkeit und mein Leben zu verbessern.

Gab es Versuche seitens der Scientology-Org Einfluß auf das Eheleben zu nehmen?
Was hatte Vorrang?
Natürlich war unser Eheleben von Scientology gesteuert, aber dahinter zu kommen, dauerte auch einige Zeit. Es gab absolut keine tabuisierte Zone, diese Ehe wurde komplett überwacht, was mit den absolut genauen Berichten meines Ehemannes leicht möglich war. Vorrang hatte für meinen Ehemann eindeutig die Scientology-Organisation.
Wenn es mal galt, sich für Aktivitäten in der Org. oder für Unternehmungen mit mir und/oder der Familie zu entscheiden, dann ging die Entscheidung in 90% der Fälle für Scientology aus. Ich hatte dann meist das Nachsehen, aber auch daran gewöhnte ich mich mit der Zeit. Priorität hatten auch die Vorschriften und die Vorgaben sowie die Richtlinien von Scientology. So zeichnete er peinlich genau auf, wie sich die intimsten Details in unserem Eheleben abspielten, er fertigte o/w writeup Berichte an, die dann in der Org. abgeliefert und gesammelt wurden. Ich gehe davon aus, daß ich nicht alle Berichte meines Ex-Mannes gefunden habe und ich möchte mir gar nicht ausmalen, was in diesen dokumentiert wurde und vor allem wer das alles gelesen hat. Ich führte - lange Zeit ohne mein Wissen, denn die Berichte fand ich erst zu einem späteren Zeitpunkt - ein nahezu komplett transparentes Eheleben für eine vollkommen undemokratische Organisation.
Man könnte sagen, ich hatte das Gefühl, mit 35 Menschen verheiratet zu sein.

Scientology ist bekanntlich anti-wissenschaftlich, besonders "anti-Medizin".
Konntest Du dies spüren?
Ich mußte mir immer wieder anhören, daß Psychiater und auch Psychologen Schwerverbrecher seien, die die Menschen zerstörten. Interessanterweise konnte mir mein Mann nie den Unterschied zwischen Psychiatern und Psychologen erklären, wenn ich ihn danach fragte. Aber auf die beiden Berufsgruppen schimpfen, das konnte er nahezu perfekt. Selbst die einfachsten Medikamente wurden als Drogen bezeichnet, die Menschen süchtig machten. Als ich ihn darauf ansprach, wie denn das gehen soll, ein Diabetiker ohne Insulin oder ein herzkranker Mensch ohne seine Herzmedikamente, da meinte er, diese Erkrankungen könne man durch "Beistände" "handhaben".
Bei einer gemeinsamen Rundreise durch Kalifornien mit Peters Chef Urs U. meinte dieser sehr verächtlich zu mir, er wisse ganz genau wie AIDS zustande kommt und er sei der einzige Mensch auf dieser Welt, der dies so genau erforscht habe. Logischerweise wisse er überdies auch das Meiste über diese Erkrankung; die Ärzte wissen nichts davon und überdies sind die Ärzte und Wissenschaftler arrogante Trottel.

Wie wirkte sich Scientology auf Deinen Sohn aus, d.h. kam Dein Mann mit ihm zurecht?
Mein Sohn kam ziemlich schnell zu mir, schon zu einem Zeitpunkt als ich noch gar nicht bereit war, die Dinge rund um Peters "Religion" zu hinterfragen, und meinte, "der ist komisch." Anlaß für diese Aussage war ein Vorfall bei dem sich mein Sohn seinen Kopf sehr schmerzhaft an einem Bücherregal im Schlafzimmer gestoßen hat. Folgendes passierte: Ich durfte meinen Sohn nicht trösten oder nachsehen ob er vielleicht eine blutende Wunde hat. Stattdessen nahm mein Mann meinen Sohn, ging mit ihm zu der Stelle an dem Bücherregal, an dem er sich gestoßen hat und presste die schmerzende Stelle am Kopf gegen das Regal. Dabei sagte er zu meinem Sohn, der Schmerz würde nun in das Bücherregal zurückkehren, was natürlich nicht passierte. Ebenso machte er es mit seinem Sohn, der sich beim Spielen in der Wiese das Knie angeschlagen hatte. Das Knie wurde an die Stelle im Rasen gepresst und dem kleinen Buben wurde gesagt, daß der Schmerz nun dort ins Gras zurückkehren würde. Auch in diesem Fall durfte das Kind nicht getröstet werden, es wurde mit ihm gar nicht gesprochen.

Wie wirkte sich Scientology finanziell aus?
Katastrophal, die Verschuldung meines Mannes war bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung enorm, stieg dann stetig an, auch teilweise weil die Firma ohne erkennbaren Ertrag arbeitete, und weil auch die Scientology-Kurse sehr teuer waren. Am Ende der Ehe war der Schuldenstand meines Ehemannes bei offiziellen 2,2 Mio. ATS (ca. 160.000 ¤) angelangt. Das wahre Ausmaß seiner Verschuldung habe ich mit Sicherheit nie gewußt, obwohl ich die Buchhaltung seiner Firma machte, doch einige Summen werden immer unklar bleiben.

Wie zerbrach die Ehe schließlich?
Am 20. Oktober 1998 kam der Trennungsbefehl, die sog. Separation-Order von der Scientology-Org. in Wien. Die Buchhaltung wurde augenblicklich an die Firma Z. übergeben und er hatte sich umgehend von mir zu trennen. Zugegeben hat er das natürlich nie und nach Scientologenmanier alles abgestritten.

Wie ist Dein Eindruck des staatlichen Beratungsangebotes in Österreich und von unabhängigen Beratungsstellen?
Schwer zu sagen, als frisch Betroffener suchst Du natürlich effektive Hilfe und durchläufst verschiedene Selbsthilfegruppen und auch offizielle Beratungsstellen für Sektenprobleme. Mein erster Kontakt in der Scheidungs- und Trennungszeit war mit einem Mitarbeiter der GSK (Gesellschaft gegen Sekten und Kultgefahren in Wien) von dort aus lernte ich Aussteiger und Betroffene kennen, die mittlerweile in der Aufklärung um Sekten und Kultgefahren sehr engagiert arbeiten.
Von überall bekam ich ein bisschen Wissen, mit dem ich dann wieder ein Stückchen weiterkam. Ich kaufte mir in dieser Zeit auch viele Bücher, ohne genau zu wissen, wer denn die Autoren wirklich waren, ich las ein Buch nach dem anderen und es wurde mir vieles klar und es schauderte mich, im welchem Umkreis ich fast 4 Jahre verbracht habe.

Wie ist die Berichterstattung der Medien?
In Österreich echt sehr wenig, es scheint so, als hätte man hier Angst, das Thema Scientology öffentlich in den Medien aufzugreifen. Ca. einmal im Jahr gibt es einen TV-Bericht. Kritische Zeitungsartikel sind ebenfalls eine ausgesprochene Rarität. Da sind uns die deutschen Medien sehr weit voraus, dort werden die Dinge im Zusammenhang mit Scientology aufgegriffen und auch in den Mund genommen.

Was würdest Du anderen Leuten raten, die in einer Beziehung mit einem Scientologen /Scientologin sind oder eingehen wollen?
So schlimm es auch klingen mag: Finger weg! Kopieren Sie alles, was es gibt, bewahren Sie die Unterlagen nicht zu Hause auf, sondern in einem Bankschließfach zu dem nur Sie Zutritt haben. Wenn schon mal eine Beziehung zu einem/einer Scientologen/Scientologin besteht, suchen sie zeitgerecht Hilfe bei den div. Beratungsstellen auf, besorgen sie sich Wissen, denn das werden sie brauchen.

Wann und wodurch entstand die Idee, ein Buch zu schreiben?
Das kam nicht auf einmal, aber nach und nach reifte dieser Gedanke heran, eines Tages begann ich alles zusammenzuschreiben über die Erlebnisse meiner Ehe und zeigte es dann einer Wiener Journalistin, die schon jahrelang in der Szene recherchiert. Sie meinte, es wäre sehr gut, müßte aber noch überarbeitet werden. Sie wurde dann eine meiner beiden Co-Autorinnen und ich bin beiden Damen sehr dankbar, daß sie nicht aufgehört haben mir Mut zumachen. Warum ich es dann letztendlich geschrieben habe: Ich wollte aufzeigen was Scientology im kleinsten Familienkreis, der Ehe, anrichtet und wie schnell ein nicht-scientologischer Ehepartner, der sich nicht anpassen lässt, als Wegwerfartikel im Mülleimer landet, wenn er nicht so funktioniert wie es sich die Scientology Organisation vorstellt.

Wie hast Du Dich während und nach der Scheidung gefühlt?
Während der Scheidungszeit lebten mein Mann und ich bereits getrennt, es war eine sehr traurige Zeit für mich, ich mußte mich täglich dazu zwingen weiterzumachen, meinen Sohn zu versorgen und zu betreuen und zur Arbeit zu gehen. Ich fühlte mich bestohlen und betrogen um eine Ehe-Beziehung für die ich eigentlich so lange sie bestand, immer kämpfte. Letztendlich mußte ich einsehen, daß der Gewinner bei diesem Kampf schon von Anfang an fest stand, nämlich die Scientology-Organisation.

Gelang es Dir nach diesen Jahren, wieder eine neue Beziehung einzugehen?
Nicht gleich, eigentlich dachte ich mir, ich würde alleine bleiben, ich könnte nie mehr Liebe geben und Liebe entgegennehmen. Es war lange Zeit so, daß ich meinte ich liebe meinen Ex-Mann noch immer, doch es war sicherlich zum Teil Mitleid mit ihm und auch mit mir selbst, weil ich es nicht verstehen konnte, daß eine Organisation mehr Macht über einen Menschen besitzt, als es die Liebe eines Ehepartners vermag. Heute fast zwei Jahre nach der Trennung habe ich wieder einen sehr liebenswerten, intelligenten und hübschen Mann an meiner Seite und es ist mir mit seiner Hilfe gelungen, einen Schlußstrich unter mein Lebenskapitel: "Meine Ehe mit einem Scientologen" zu ziehen - doch vergessen werde ich es wohl nie können.



Hruby, Ilse: Meine Ehe mit einem Scientologen. Mit einer theoretischen Einführung von El Awadalla und Maria Susanne Klar. Gütersloher Verlagshaus, 2000, DM 16,80; ISBN 3-579-01145-6
Mit der Schwiegermutter im Haus zu leben gilt allgemein als Horror; noch schlimmer ist es aber, statt dessen die Scientology-Organisation als "dritte Partei" in der ehelichen Wohung zu haben.
Offensichtlich entstand dieses Buch zu einem Zeitpunkt, zu dem Ilse ihren Mann immer noch liebte, und todtraurig war daß sie ihn verloren hatte. Sie hatte einen Mann geheiratet um festzustellen, daß er fremdbestimmt war und versuchte über vier Jahre diese Ehe zu retten - letzendlich ohne Erfolg, da sie sich stetig weigerte, scientologisch zu denken.
Es bleibt die Hoffnung, daß das Erlebnis von Ilse für andere als ein warnendes Beispiel dient und ähnliche Schicksale verhindern wird.
Das Buch wird eingeleitet durch eine leicht verständliche Kurzbeschreibung von Scientology, von zwei anderen Frauen geschrieben, nämlich der über Österreich hinaus bekannten El Awadalla, und "Marie-Susanne Klar", die seit Jahren in der Aufklärung aktiv sind.
So können auch uninformierte Leser schnell verstehen, worum es bei dieser Gruppierung geht und wie sie arbeitet. Außerdem gibt es ein Glossar, in dem die Scientology-eigenen Wörter erläutert werden.       TH


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