Seite 21 n_rechtsweiter Seite 22 ( 7 KB) n_links Start-Seite 1

BERLINER DIALOG 21, 2-2000 Michaelis

Interreligiöser Monolog
Bericht und Kommentar von Tilman Hachfeld

Am Abend des 28. Juni 2000 fand sich, eingeladen von "Nirwana Events", eine große Zuhörerschaft in der Gethsemanekirche in Berlin Prenzlauer Berg ein, um für 25 bzw. 28 DM einer Begegnung von Dorothee Sölle und dem vietnamesischen buddhistischen "Thây" (Lehrer) Thich Nhat Hanh beizuwohnen.
"Christliche Theologin trifft buddhistischen Lehrer in einer evangelischen Kirche".
Aber anscheinend war es für die Veranstalter, die die Kirche gemietet hatten, nötig, sie zu verändern: Leise, an buddhistische Tempelklänge erinnernde Musik, Räucherkerzen, vor dem Altarraum ein Kreis von Ruten- und Bambuspfählen, der Boden mit Blüten bestreut, eine vietnamesische Glocke, das Rednerpult für Frau Sölle und zentral ein höheres Podest mit Sitzkissen für den Thây mit golden schillerndem Stoff überzogen. Dass Frau Sölles Kleid farblich dazu passte, war Zufall.
Thich Nhat Hanh ließ auf sich warten; so hatten zwei Personen die Gelegenheit, sich als "Nirwana Events" zu outen. Beim Einzug des Thây mit Gefolge, alle in dunkelbrauner Klostertracht, erhob sich der größere Teil des Publikums ehrfurchtsvoll und es konnte beginnen.
Prof. Feldtkeller, zuständig für Religions- und Missionswissenschaft und Ökumenik an der theologischen Fakultät der Humboldt-Universität, stellte beide Referenten des Abends mit aufeinander bezogenen biographischen Portraits vor.
Anschließend verlas ein Berliner Meditationslehrer den Text von den Emmausjüngern aus Lukas 24.
Dorothee Sölle ging von diesem Text aus, von der zerstörten Hoffnung der Jünger und der Erfahrung von Auferstehung, die eine Lebenserfahrung wird, wenn wir uns auf anderes als das Rationale, Sachliche einlassen, und damit auf das wirkliche Leben, das allen versprochen und in den Begegnungen der Liebe zu erfahren ist, die "anderen Menschen das Leben wärmen". Der Kampf gegen Hunger, Sklaverei, Ausbeutung und Tyrannei gehören dazu. Dabei griff sie auch den zentralen Begriff der Lehre Thich Nhat Hanhs, die "Achtsamkeit", auf, den sie verbunden sehen will dem Grundbegriff der abrahamitischen Religionen, der Gerechtigkeit.
Darauf ging Thich Nhat Hanh in seiner Rede mit keinem Gedanken ein. Eingeleitet und an wichtigen Stellen akzentuiert von Glockentönen, sprach er über die verschiedenen Dimensionen des Lebens mit seinem bekannten Bild von der Welle, die erfahren soll, dass ihre höhere Dimension das Wasser ist. Er betrachtete in seiner ganzen Rede nur das einzelne Individuum ohne jeden sozialen Bezug, ohne auf die Frage des Leidens und der Ungerechtigkeit einzugehen. Die "Achtsamkeit", in der man jedes Tun als solches tut und nicht nebenher, z. B. Wasser trinken oder über den Erdboden gehen, führt zur Erfahrung der höheren Dimension.
Was er vortrug, war buddhistische Meditationslehre ohne Seelenwanderung, aber artikuliert mit christlichem Vokabular. Da wird aus der Erfahrung der Einheit der Dimensionen das Reich Gottes und Gott bzw. Jesus selber. Jesus als der Weg (Joh. 14, 6.) ist der Weg zur meditativen Einheit, und seine Auferstehung ist sein Fortbestehen in einer anderen Seinsweise, das es letztlich unwichtig, ja ganz überflüssig macht, daß er geboren wurde und starb. Und am Schluß doch noch auf Lukas 24 eingehend pries er als Höhepunkt und Ziel das Nirwana, das "Entschwinden".
Und entschwand, dies gesagt, selber.
Er verließ sein Podest und mit seinen Begleitern die Kirche. Die im Programm vorgesehene Meditation und das Gespräch der beiden Vortragenden miteinander und mit dem Publikum fand nicht statt.

Dorothee Sölle, von den Veranstaltern in einen für sie viel zu großen Sessel neben oder eigentlich zu Füßen des Thây plaziert, hatte sich einige Notizen gemacht, wohl um im Gespräch dort einzuhaken, wo das soziale Defizit der Rede und die Verkehrung christlicher Begriffe offenbar wurden. Aber statt dieses Gespräch zu moderieren blieb Prof. Feldtkeller nur übrig, die Veranstaltung als beendet zu erklären.
Die Veranstalter zeigten sich bestürzt. Dennoch bleibt angesichts der ganzen Inszenierung und des abrupten Schlusses das schale Gefühl, dass hier ein Kirchengebäude und eine bekannte christliche Theologin für eine buddhistische Missionsveranstaltung missbraucht worden sind.
Das interreligiöse Gespräch mit dem Buddhismus ist wichtig, nicht nur angesichts seiner Ausbreitung hierzulande. Das gegenseitige Infragestellen, etwa der westlichen Lebensweise hier oder der sozialen Komponente dort, wäre gewiss hilfreich. Aber vorher sollte man klären, wie es wirklich ein Gespräch werden kann.

Brennende Herzen

25 Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben!
26 Mußte nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?
27 Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war.
28 Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen.
29 Und sie nötigten ihn und sprachen:
Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben.
30 Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen.

31 Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen.
32 Und sie sprachen untereinander:
Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?
33 Und sie standen auf zu derselben stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren;
34 die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen.
35 Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, als er das Brot brach.

Lukas 24, 25-35

Tilman Hachfeld ist Pfarrer der Französischen Kirche zu Berlin.
Zu fragen bleibt vieles, z.B.:
Wie Evangelische Akademie und EZW (!) in die Rolle eines Mitveranstalters geraten konnte?
Welche Rolle spielte Prof. Feldtkeller?   Wer wurde da mit wem geködert?
Und: Wußte die Gethsemanegemeinde, daß die Gemeinde des Berliner Doms die Veranstaltung abgelehnt hatte?    - Red.


Seite 21 n_rechtsweiter Seite 22 ( 7 KB)
n_oben Anfang

n_links Start-Seite 1