Wir waren in New York dann auch sehr überrascht, daß Peter, der extra von Atlanta nach New York geflogen war, uns ganz alleine und ohne jegliche Begleitung vom Flughafen abholte.
Peter stellte uns seinen direkten Vorgesetzten im "New Yorker", einem großen Muneigenen Hotel im Zentrum von New York City, vor.
Wir erhielten im gleichen Hotel ein Zimmer und konnten noch am gleichen Abend ohne weitere Begleitung, gemeinsam mit unserem Sohn, New York anschauen.
Muns Geburtstagsfeier
So blieb es auch die nächsten Tage. Wir haben sogar eine Geburtstagsfeier von Herrn Mun, bei der er persönlich anwesend war, besucht.
Am nächsten Tag wurde uns ein Gespräch mit Herrn Dr. Kaufmann vorgeschlagen, der Executive Direktor der Inter-Religious Federation for World Peace ist.
In einem vierstündigen Gespräch, in Anwesenheit von Peter, seinem Vorgesetzten und einer Dolmetscherin wurde uns versprochen, dafür Sorge zu tragen, daß Peter endlich eine Greencard erhält, damit er 'legal' für die "Vereinigungskirche" arbeiten kann. Mit Stolz wurde uns auch berichtet, daß Peter es nun im Januar geschafft hat, zum Leiter eines Mobilen Fundraising Teams (MFT) aufzusteigen.
Trotz beteuernder Versprechungen tat sich in den nächsten Wochen und Monaten bezüglich der Legalität von Peter nichts, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Personalausweis und auch der Paß von Peter schon abgelaufen waren. Das bedeutete: Peter war jetzt völlig illegal, ohne jegliche gültige Papiere in den USA.
Die Frage, warum Peter nicht auch einmal wieder nach Hause kommen wollte, beantwortete er mit größtem Desinteresse. Außerdem habe er sowieso keine Zeit dafür.
Massenblessing
Bei der Verabschiedung nach 3 Tagen in New York versprach Peter seiner Mutter noch, nicht an der Massenhochzeit ("Blessing") im nächsten Jahr teilzunehmen.
Im August 1995 erhielten wir dann die Nachricht von Peter, daß er sich nach "reichlicher" Überlegung nun doch dazu entschlossen habe, sich bei der Massenhochzeit trauen zu lassen. Er wurde nun also Ende August mit einer Japanerin geblesst, sie mit seinem Bild in Japan - er mit ihrem Bild in New York. Er hatte sie noch nie gesehen; sie konnte nicht einmal englisch sprechen.
Begründet hat Peter uns Eltern diesen Schritt folgendermaßen: "Ich habe dafür gebetet, daß mir eine möglichst schwierige Aufgabe von Gott gestellt wird und daß ich an dieser Aufgabe wachsen kann, um besser zu werden als meine Eltern und sogar Gott!"
Uns wurde immer klarer, daß bei solcher Verirrung keine Diskussion, kein Psychologe, keine leiblichen Eltern oder auch Theologen helfen konnten.
Zudem hatten wir bei Besuchen von ehemaligen Mun-Anhängern bzw. CARP-Mitgliedern der "Vereinigungskirche" in Deutschland und auch im Ausland erfahren, daß ein Kultmitglied sich einfach verschließt, wenn die Diskussion "zu weit" geht.
Wir greifen ins Wespennest
Somit gab es jetzt nur noch ein Ziel für uns: Wir greifen nur einmal ins Wespennest, aber dann greifen wir richtig und fest zu! Wir bereiteten jetzt alles auf den Tag X vor, wenn unser Sohn vielleicht doch einmal nach Hause kommen sollte.
Frühere Freunde von Peter wurden jetzt mit in den Plan eingeweiht. Diese Freunde brachten wir auch mit ehemaligen Kultmitgliedern zusammen, um sie auf die schwierige Situation einzustimmen und Verständnis für unser Verhalten zu wecken.
Ebenso fragten wir sorgfältig bei Bekannten nach einer Wohnung, die es ermöglichen würde, auch über mehrere Tage eine intensive Beratung vorzunehmen.
Wir gaben die Hoffnung einfach nicht auf, daß unser Sohn eines Tages doch nach Hause kommen würde!
Dann erhielt Peter von seiner Schwester die Einladung zur Taufe des zweiten Kindes. Er sollte sogar Taufpate sein und es wäre doch eine tolle Überraschung für die Eltern, wenn er wirklich käme!
Ende August 1996 erhielten wir von unserer Tochter dann die Nachricht, daß Peter sich tatsächlich entschieden habe, an der Taufe teilzunehmen.
Von nun an lief die Organisation auf Hochtouren. Wir suchten weltweit nach Beratern und Helfern, die zu diesem Termin einsatzbereit sein konnten.
Daß wir unseren Plan erst nach der vollzogenen Taufe durchführen wollten, bedeutete natürlich drei Tage lang äußerste Konzentration und Anspannung für alle Beteiligten, aber ganz besonders für uns Eltern. Es durfte für Peter nicht der leiseste Hauch einer geplanten Konfrontation mit ehemaligen Mitgliedern oder gar Ausstiegsberatern zu erkennen sein.
Später bestätigte Peter uns auch, daß er sofort auf und davon gewesen wäre, wenn ihm etwas diesbezüglich zu Ohren gekommen wäre!
Nach der Taufe lief dann alles andere genau nach Plan ab. Wir Eltern waren das hohe Risiko "Alles oder Nichts" eingegangen. Wir hatten keine Mühen und Kosten gescheut, obwohl wir wußten, der kleinste Fehler konnte alles kaputt machen.
Peter sollte mit uns in die Wohnung von Bekannten kommen. Zu seiner großen Überraschung traf er dort seine besten Freunde aber u.a. auch Freunde aus der Mun-Bewegung. Sogar diejenigen, die Peter ganz am Anfang in New York kennengelernt hatte. Seine eigenen Rekrutierer hatten allerdings zwischenzeitlich schon die "wahre Familie" wieder verlassen.
Die Zusammenarbeit all der Freunde und Berater klappte wirklich gut. Peter war an allen Informationen sehr interessiert. Scheibchen für Scheibchen merkte Peter immer mehr, wie ihn sein "wahrer Vater" Mun an der Nase herumgeführt hat. Die Argumente unserer Berater und Helfer waren so stichhaltig, daß Peter jetzt gar nicht verstehen konnte, so von der "Vereinigungskirche" und Herrn Mun reingelegt worden zu sein.
Nach einigen Tagen rief Peter dann seinen Leiter in USA an, um sich offiziell von der "Vereinigungskirche" abzumelden. Sein geplanter Abflugtermin war ohnehin schon längst verstrichen.
Daß Peter dieses alles auch erst einmal psychisch verarbeiten mußte, war uns von vornherein klar. Aus diesem Grund besuchte Peter nach einigen Wochen einen Psychologen, der sich mit Kulten bestens auskennt und der ein sehr langes und ausführliches Gespräch mit Peter führte. Mit sehr viel Erfahrung und zahlreichen Begegnungen mit Sektenmitgliedern war er der richtige Mann für Peter. Nach etwa einem Jahr konnte Peter dann seine Berufsausbildung beginnen.
Wir Eltern und alle Beteiligten sind froh und glücklich, daß es uns gelungen ist, Peter ohne psychische und physische Schäden aus dieser Bewegung herauszuholen.
Übrigens erhielt Peter ca. ein halbes Jahr lang täglich einen Brief von seiner "Braut" aus Japan. Das arme Mädchen war sicherlich von Schuldgefühlen überladen und fühlte sich mitschuldig daran, daß Peter sie und die Mun-Bewegung für immer verlassen hat.
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