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BERLINER DIALOG 16, 1-1999 - Ostern

Beitritt und Ausstieg
Dreieinhalbjährige Abhängigkeit von der Mun-Bewegung
Von einem Vater berichtet

Anfang April 1993 startet Peter (*) vor Beginn seines Studiums alleine (der eingeplante Freund war ausgefallen) per Flugzeug in die USA. Sein Ziel: Drei Monate lang die USA von Ost nach West kennenzulernen. Wenn möglich, wollte er das Land zwischen New York und Los Angeles mit einem Auto durchkreuzen. Zur Hochzeit seiner Schwester Anfang Juli 1993 wollte Peter wieder zurück sein.

Neue Freunde, die sich sehr gut auskennen
4 Tage nach dem Abflug meldete sich Peter telefonisch aus New York, daß er gut angekommen sei. Eine Übernachtung in der Jugendherberge war nicht möglich, da diese geschlossen war. Er hat aber zwei junge Studenten kennengelernt, die sich sehr gut in New York auskennen.
Danach hören die Eltern 8 Wochen lang nichts mehr von ihrem Sohn. Sie machen sich daher große Sorgen, daß ihrem Sohn etwas zugestoßen sein kann. Verabredet war, daß er sich alle zwei Wochen bei den Eltern meldet.
Über Abbuchungen auf dem Visakonto können die Eltern aber feststellen, daß Peter sich noch im Bereich von New York aufhalten muß, da regelmäßig Geld von seinem Konto abgebucht wird.
(*) Name von der Redaktion geändert

Der erste Brief im Juni beruhigt
Der erste Brief von Peter erreicht uns Anfang Juni. Wir sind jetzt wieder beruhigt, da Peter schreibt, daß er jetzt einen Job gefunden hat, regelmäßig Gartenarbeit macht und Swimmingpools reinigt. Peter ist über die Offenheit und Ehrlichkeit der Menschen in New York begeistert.
Danach folgt eine Karte aus Washington.
Dann ein Telefongespräch Mitte Juni: "Ob ihr, liebe Eltern, dafür Verständnis aufbringen würdet, wenn ich nicht zur Hochzeit meiner Schwester nach Hause komme!"
Der nächste Brief folgt Anfang August zum Geburtstag des Vaters.
Ende Oktober kommt der nächste Brief: Peter hat in einem Cafe zwei junge Studenten kennengelernt - wohnt auch schon länger bei ihnen - und hat jetzt einen Job in einer Bar. Daher hat er jetzt auch mehr Zeit, an den Wochenenden Fahrten zu unternehmen nach Washington, Gettisburry und Boston. Mit gleichem Brief kommt ein Bild von Peter - die langen Haare, früher sein ganzer Stolz, sind abgeschnitten!
Anfang November ruft Peter nachts um 4 Uhr mit der Telefonkarte eines Freundes zu Hause an. Wir versuchen ihm klarzumachen, daß wir uns große Sorgen um ihn machen. Außerdem weisen wir ihn nochmals darauf hin, daß er illegal in Amerika ist und sein Visum schon längst abgelaufen ist.
Peter lacht nur sehr viel am Telefon und beruhigt uns damit, daß ein amerikanischer Führerschein das Problem der Illegalität schon längst gelöst habe!

"Habe vor kurzem die CARP kennengelernt"
In regelmäßigen Abständen folgte dann nur noch die "Pflichtpost".
Mitte April 1994, nach einem Jahr Aufenthalt in den USA, kommt auf unser sehr starkes Drängen und Fragen ein Brief, in dem Peter erklärt, daß er vor kurzem Leute von CARP kennengelernt hat. Am 5.Juli 1994 folgt ein am Telefon versprochener Brief. Peter teilt uns nun mit, daß er jetzt im Besitz der 'Divine Principles' ist. Er möchte diese jetzt unbedingt noch weiterstudieren.
Gleichzeitig schiebt er unser Besuchsangebot von Mitte August 1994 auf Anfang Januar 1995 hinaus. "Projekte" für den Herbst und auch schon für Weihnachten bringen ihn in Zeitdruck!

Von Anfang an belogen
Bei unserem Besuch im Februar 1995 erfahren wir dann persönlich von Peter, daß er uns von Beginn an belogen hat:
Gleich in den ersten Tagen in New York ist Peter von Mun-Leuten (CARP) angesprochen worden. Schon nach kurzer Zeit des Zweifelns wurden ihm die Ziele der Studentengruppe CARP so verständlich gemacht, daß er sich entschloß, entsprechende Kurse zu belegen. Während dieser Kurse wurde Peter so stark indoktriniert, daß er sehr bald sogar bereit war, seine eigenen Eltern zu belügen!
Da wir immer volles Vertrauen zu unserem Sohn hatten, war es also gar keine Schwierigkeit für die Gruppe, uns zu hintergehen und mit der Wahrheit stark zeitversetzt und nur stückweise herauszurücken.
Trotz unserer großen Sorgen um unseren Sohn hat die Gruppe ganz gezielt daran gearbeitet, uns bewußt zu täuschen! Daher kam auch erst nach einem Jahr das Bekenntnis von Peter, Kontakte zur CARP und MunBewegung zu haben.
Für die CARP in USA ist die Illegalität der Jugendlichen kein Problem. Der amerikanische Führerschein reicht der Organisation aus, die jungen Leute für sich arbeiten zu lassen.
Bei der Mun-Bewegung und ihrer "Vereinigungskirche" heiligt der Zweck die Mittel! Um das große Endziel dieser Organisation zu erreichen, darf auch gelogen und betrogen werden.
Bis April 1994, d.h. ein ganzes Jahr, waren wir im guten Glauben, daß sich Peter mit Jobs und guten Verbindungen "durchschlägt".
Uns war vorher nichts von Kulten oder "Jugendsekten" in den USA, wie z.B. CARP oder Mun-Bewegung, bekannt. Daher war Peter ebenfalls nicht darauf vorbereitet, und ging dieser Organisation ganz einfach in die Falle!

Informationen von Elterninitiativen
Erst als uns das Wort CARP genannt wurde, erkannten wir, daß hier etwas nicht stimmen konnte. Erst jetzt holten wir uns Informationen bei der örtlichen evangelischen Kirche, bei Elterninitiativen, bei Herrn Heinemann in Bonn und bei Personen, die mit diesen Dingen schon länger zu tun hatten.
Das Buch von Steven Hassan Ausbruch aus dem Bann der Sekten und Aufklärungsvideos haben uns ebenfalls weitergeholfen, herauszufinden, was mit Peter wirklich geschehen ist.
Ein Vortrag in München von einem ehemaligen Mitglied des "Lifespring"-Kults aus den USA zeigte uns auf, wie es möglich ist, junge Menschen in solche Kulte zu bekommen.
Jetzt waren wir richtig aufgeklärt, hatten aber von nirgendwo gehört, wie man dem Sohn helfen könnte, sich aus diesem "Bann der Sekte" zu befreien! Die überwiegende Meinung war, da kann man wenig machen, oder man muß eben Geduld haben usw. usw.
Die einzige Alternative wäre evtl. eine Entführung gewesen, so wie sie schon vielfach beschrieben worden ist. Solches Vorgehen wird aber mit psychischen Folgeschäden der Betroffenen in Verbindung gebracht!
Wir versuchten nun auch, Verbindung zu ehemaligen Kultmitgliedern zu bekommen. Dabei stellten wir fest, daß es genügend Beispiele gab, bei denen sich Sektenund Kultmitglieder von ihrem Kult trennten, ohne psychischen Schaden davongetragen zu haben.
Das wichtigste war nun für uns, gerade weil wir wußten, daß unser Sohn in einem gefährlichen Kult ist, den Kontakt nicht abbrechen zu lassen!

Besuch in New York
So gab es schließlich auch einen brieflichen Gedankenaustausch, der letztlich zu einem Besuch von uns Eltern, Anfang Februar 1995, in New York führte.
Natürlich hatten wir auch Verbindungen mit Ausstiegsberatern in USA aufgenommen. Ebenfalls hatten wir zu diesem Zeitpunkt gute Beziehungen zu einer amerikanischen Studentin, die in Washington lebte und uns ebenfalls helfen wollte. Da aber keiner genau wissen konnte, wie dieser Besuch abläuft, entschieden wir uns kurzfristig dazu, gar nichts zu unternehmen.
Vielmehr nahmen wir uns vor, die "bewilligten" drei Tage des Wiedersehens in New York mit unserem Sohn zu genießen und nichts zu unternehmen, was auch nur den geringsten Verdacht geschürt hätte, daß wir an Ausstiegsgespräche denken könnten.

NewYork

Wir waren in New York dann auch sehr überrascht, daß Peter, der extra von Atlanta nach New York geflogen war, uns ganz alleine und ohne jegliche Begleitung vom Flughafen abholte.
Peter stellte uns seinen direkten Vorgesetzten im "New Yorker", einem großen Muneigenen Hotel im Zentrum von New York City, vor.
Wir erhielten im gleichen Hotel ein Zimmer und konnten noch am gleichen Abend ohne weitere Begleitung, gemeinsam mit unserem Sohn, New York anschauen.

Muns Geburtstagsfeier
So blieb es auch die nächsten Tage. Wir haben sogar eine Geburtstagsfeier von Herrn Mun, bei der er persönlich anwesend war, besucht.
Am nächsten Tag wurde uns ein Gespräch mit Herrn Dr. Kaufmann vorgeschlagen, der Executive Direktor der Inter-Religious Federation for World Peace ist.
In einem vierstündigen Gespräch, in Anwesenheit von Peter, seinem Vorgesetzten und einer Dolmetscherin wurde uns versprochen, dafür Sorge zu tragen, daß Peter endlich eine Greencard erhält, damit er 'legal' für die "Vereinigungskirche" arbeiten kann. Mit Stolz wurde uns auch berichtet, daß Peter es nun im Januar geschafft hat, zum Leiter eines Mobilen Fundraising Teams (MFT) aufzusteigen.
Trotz beteuernder Versprechungen tat sich in den nächsten Wochen und Monaten bezüglich der Legalität von Peter nichts, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Personalausweis und auch der Paß von Peter schon abgelaufen waren. Das bedeutete: Peter war jetzt völlig illegal, ohne jegliche gültige Papiere in den USA.
Die Frage, warum Peter nicht auch einmal wieder nach Hause kommen wollte, beantwortete er mit größtem Desinteresse. Außerdem habe er sowieso keine Zeit dafür.

Massenblessing
Bei der Verabschiedung nach 3 Tagen in New York versprach Peter seiner Mutter noch, nicht an der Massenhochzeit ("Blessing") im nächsten Jahr teilzunehmen.
Im August 1995 erhielten wir dann die Nachricht von Peter, daß er sich nach "reichlicher" Überlegung nun doch dazu entschlossen habe, sich bei der Massenhochzeit trauen zu lassen. Er wurde nun also Ende August mit einer Japanerin geblesst, sie mit seinem Bild in Japan - er mit ihrem Bild in New York. Er hatte sie noch nie gesehen; sie konnte nicht einmal englisch sprechen.
Begründet hat Peter uns Eltern diesen Schritt folgendermaßen: "Ich habe dafür gebetet, daß mir eine möglichst schwierige Aufgabe von Gott gestellt wird und daß ich an dieser Aufgabe wachsen kann, um besser zu werden als meine Eltern und sogar Gott!"
Uns wurde immer klarer, daß bei solcher Verirrung keine Diskussion, kein Psychologe, keine leiblichen Eltern oder auch Theologen helfen konnten.
Zudem hatten wir bei Besuchen von ehemaligen Mun-Anhängern bzw. CARP-Mitgliedern der "Vereinigungskirche" in Deutschland und auch im Ausland erfahren, daß ein Kultmitglied sich einfach verschließt, wenn die Diskussion "zu weit" geht.

Wir greifen ins Wespennest
Somit gab es jetzt nur noch ein Ziel für uns: Wir greifen nur einmal ins Wespennest, aber dann greifen wir richtig und fest zu! Wir bereiteten jetzt alles auf den Tag X vor, wenn unser Sohn vielleicht doch einmal nach Hause kommen sollte.
Frühere Freunde von Peter wurden jetzt mit in den Plan eingeweiht. Diese Freunde brachten wir auch mit ehemaligen Kultmitgliedern zusammen, um sie auf die schwierige Situation einzustimmen und Verständnis für unser Verhalten zu wecken.
Ebenso fragten wir sorgfältig bei Bekannten nach einer Wohnung, die es ermöglichen würde, auch über mehrere Tage eine intensive Beratung vorzunehmen.
Wir gaben die Hoffnung einfach nicht auf, daß unser Sohn eines Tages doch nach Hause kommen würde!
Dann erhielt Peter von seiner Schwester die Einladung zur Taufe des zweiten Kindes. Er sollte sogar Taufpate sein und es wäre doch eine tolle Überraschung für die Eltern, wenn er wirklich käme!
Ende August 1996 erhielten wir von unserer Tochter dann die Nachricht, daß Peter sich tatsächlich entschieden habe, an der Taufe teilzunehmen.
Von nun an lief die Organisation auf Hochtouren. Wir suchten weltweit nach Beratern und Helfern, die zu diesem Termin einsatzbereit sein konnten.
Daß wir unseren Plan erst nach der vollzogenen Taufe durchführen wollten, bedeutete natürlich drei Tage lang äußerste Konzentration und Anspannung für alle Beteiligten, aber ganz besonders für uns Eltern. Es durfte für Peter nicht der leiseste Hauch einer geplanten Konfrontation mit ehemaligen Mitgliedern oder gar Ausstiegsberatern zu erkennen sein.
Später bestätigte Peter uns auch, daß er sofort auf und davon gewesen wäre, wenn ihm etwas diesbezüglich zu Ohren gekommen wäre!
Nach der Taufe lief dann alles andere genau nach Plan ab. Wir Eltern waren das hohe Risiko "Alles oder Nichts" eingegangen. Wir hatten keine Mühen und Kosten gescheut, obwohl wir wußten, der kleinste Fehler konnte alles kaputt machen.
Peter sollte mit uns in die Wohnung von Bekannten kommen. Zu seiner großen Überraschung traf er dort seine besten Freunde aber u.a. auch Freunde aus der Mun-Bewegung. Sogar diejenigen, die Peter ganz am Anfang in New York kennengelernt hatte. Seine eigenen Rekrutierer hatten allerdings zwischenzeitlich schon die "wahre Familie" wieder verlassen.
Die Zusammenarbeit all der Freunde und Berater klappte wirklich gut. Peter war an allen Informationen sehr interessiert. Scheibchen für Scheibchen merkte Peter immer mehr, wie ihn sein "wahrer Vater" Mun an der Nase herumgeführt hat. Die Argumente unserer Berater und Helfer waren so stichhaltig, daß Peter jetzt gar nicht verstehen konnte, so von der "Vereinigungskirche" und Herrn Mun reingelegt worden zu sein.
Nach einigen Tagen rief Peter dann seinen Leiter in USA an, um sich offiziell von der "Vereinigungskirche" abzumelden. Sein geplanter Abflugtermin war ohnehin schon längst verstrichen.
Daß Peter dieses alles auch erst einmal psychisch verarbeiten mußte, war uns von vornherein klar. Aus diesem Grund besuchte Peter nach einigen Wochen einen Psychologen, der sich mit Kulten bestens auskennt und der ein sehr langes und ausführliches Gespräch mit Peter führte. Mit sehr viel Erfahrung und zahlreichen Begegnungen mit Sektenmitgliedern war er der richtige Mann für Peter. Nach etwa einem Jahr konnte Peter dann seine Berufsausbildung beginnen.

Wir Eltern und alle Beteiligten sind froh und glücklich, daß es uns gelungen ist, Peter ohne psychische und physische Schäden aus dieser Bewegung herauszuholen.
Übrigens erhielt Peter ca. ein halbes Jahr lang täglich einen Brief von seiner "Braut" aus Japan. Das arme Mädchen war sicherlich von Schuldgefühlen überladen und fühlte sich mitschuldig daran, daß Peter sie und die Mun-Bewegung für immer verlassen hat.


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