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Jennifer Roth Der Weg der Glückseligkeit. Meine Jahre in einer totalitären Sekte, Fischer Taschenbuch 11081 (Reihe Lebenskrisen-Lebenschancen), ISBN 3-596-11081-5, 16,90 DM
Die Verfasserin, Jahrgang 1962, schloß sich 1982 für acht Jahre der Ananda-Marga-Bewegung an. Sie wurde Nonne ("Didi"), erlebte die Praktiken des Schlafentzugs, des Fastens auch ohne Wasser und andere Techniken der Ego- zerstörung wie z.B. das "Tick-Ticks"-Machen, zehn oder auch mehrere hundert Kniebeugen vor dem Bild "Babas", bei denen man sich mit überkreuzten Armen an die Ohrläppchen fassen muß, als Strafe für die Mißachtung der Vorschriften der "16-Punkte-Karte", aber auch die nicht gerade selten geübte Prügelstrafe "um Karma wegzunehmen".
Dennoch gelangt sie durch all dies zunächst zu immer größerer Hingabe an den Guru "Shri Shri Anandamurtiji", den "Baba, geliebten Vater" und seine Organisation.
Für Anandamurti und seine Bewegung geht sie schließlich nach Südkorea, wo sie unter hohem Leistungsdruck die Bewegung aufbauen soll, bis sie 1989/90 "am Ende ihrer Kraft, krank und unglücklich" die "Zweifel an dem unmenschlichen System nicht mehr verdrängen" kann und die Gruppe verläßt, um seit 1990 in Deutschland ein Psychologiestudium aufzunehmen.
In ihrem Buch schildert sie anschaulich und mit teilweise harten und deutlichen Worten, wie sie sich in kirchlichen Stellungnahmen in Deutschland bisher selten gefunden haben, die sich selbst als "soziospirituelle Bewegung" darstellende Ananda-Marga-Organisation als "zwielichtige" und "totalitäre Sekte".
Dabei solle ihr Buch gerade kein Beitrag zu der von ihr vermuteten "Anti-Sekten-Kampagne" "einiger Vertreter der Kirchen" sein, die ihrer Meinung nach "undifferenziert und intolerant alle außerchristlichen Religionen oder Weltanschauungen pauschal verurteilen oder ablehnen."
Heute kritisiert sie zwar vehement die Ananda-Marga-Organisation, gleichwohl bekennt sie: "Die tiefen Wahrheiten des Yoga dagegen haben für mich nichts von ihrer Bedeutung verloren." - Das Buch ist trotz dieser In- konsequenz eine wertvolle und zuverlässige Schilderung der Praktiken in der Ananda-Marga-Bewegung. Es stellt eine maßgebliche Korrektur mancher romantisierender Beschreibungen (und Beschönigungen) dar, wie sie auch von kirchlicher Seite in Deutschland gelegentlich weitergegeben wurden. Erstaunlich, daß diese Schilderungen, vielleicht weil sie nicht ins Klischee paßten, von kirchlichen "Hinduismus-Fachleuten" nicht aufgegriffen wurden.
Nachdem Guru Anandamurti ein Jahr nach dem Ausscheiden der Verfasserin im Oktober 1990 gestorben ist, hat es im Übrigen noch keine Anzeichen für einen tiefgreifenden Wandel oder Veränderungen in der Ananda-Marga- Bewegung gegeben. T.G.PAGE 34
Friedrich-Wilhelm Haack. Jugendreligionen. Zwischen Scheinwelt, Ideologie und Kommerz Durchgesehen und aktualisiert von Thomas Gandow München 1994, Heyne Sachbuch Nr. 19/5013, ISBN 3-453-07806-3, DM 14,90
Thomas Gandow Jugendweihe, Humanistische Jugendfeier München 1994, Münchener Reihe Bd. 661, ISBN 3-583-50661-8, DM 14,80
Thomas Gandow Mun-Bewegung. CARP, CAUSA und "Vereinigungskirche" des San Myung Mun München 1993, Münchener Reihe Bd. 656, ISBN 3-583-50656-1, DM 14,80
Vor wenigen Monaten erschütterte der Mord an dem Schüler Sandro B. die neuen Bundesländer. Drei 17jährige hatten ihren Mitschüler erdrosselt. "Kinder des Satans" nannte sich die Gruppe. L. von Billerbeck und F. Nordhausen haben den Fall recherchiert und auch die Details aufgedeckt, die nicht in den Illustrierten standen.
Liane von Billerbeck, Frank Nordhausen Satanskinder. Der Mordfall Sandro B. Berlin 1994, Ch. Links Verlag, ISBN 3-86153-076-7, DM 29,80
Der Fall und seine Hintergründe und weiteren Entwicklungen ist beispielhaft für eine ganze Generation von Jugendlichen und zeigt, daß mehr als genug hinter dem grusligen, aber von den Medien auch schnell abgehakten Thema "Satanismus" steckt, sogar Verbindungen bis hin zu rechtsextremen Nazi-Organisationen. T.G.
Rüdiger Hauth Hexen, Gurus, Seelenfänger. Wuppertal und Zürich 1994, ISBN 3-417-24132-4
Hauths neues Buch enthält in drei großen Abschnitten Darstellungen verschiedener, sonst selten gründlich dargestellter Gruppen und Bewegungen und benennt jeweils deutlich aus christlicher Sicht Kriterien und Maßstäbe zur Beurteilung. - "Der Osten kommt in den Westen" behandelt Guruismus, Yoga, Karma und Reinkarnation sowie als konkretes Beispiel einer Gruppe die Bewegung um Sathya Sai Baba. - "Zu den Sternen - und darüber hinaus" behandelt die Bewegung der modernen "Rosenkreuzer" mit ihren Untergruppen, das Universelle Leben und die Scientology-Organisation, also Gruppen bzw. Bewegungen mit mehr oder weniger esoterisch-gnostischem bzw. okkultem Anspruch, der sich beim "Hubbard- Kult" wie in neosatanistischen Gruppen in "Power" und struktureller Gewalt niederschlägt. - In einem dritten Teil "Neue Hexen - neue Heiden" behandelt der Autor kenntnisreich den Wicca-Kult, seine Entstehung und Weltanschauung und seine Rituale und Praktiken sowie die Szene der "Neu-Germanen". T.G.
Hansjörg Hemminger Das Duell der Gurus. Kriminalfälle aus dem Sektenmilieu Gießen 1994, Brunnen Taschenbuch 3488, ISBN 3-7655-3488-9, DM 17,95
Zehn auf tatsächlichen Ereignissen beruhende, durch eine Rahmenhandlung verbundene Kriminalstories des wissenschaftlichen Referenten in der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (Stuttgart) sollen nicht nur spannend unterhalten, sondern auch Praktiken in der Szene von Sekten und Gurus enthüllen. "Religiös verbrämte Geldschneiderei wird ebenso gezeigt wie der geheime Drang zu Macht ...und die Hilflosigkeit der seelisch verwundeten Opfer." T.G.
Elke Nietsche Alptraum Scientology. Ein Tagebuch aus Leipzig. Berlin 1995, Wichern Verlag ISBN 3-88981-077-2
In einem Tagebuch schildert die Autorin minutiös und so packend, daß einem der Atem stockt, ihren Weg in die Scientology-Organisa- tion. Alles hatte harmlos begonnen wie bei vielen: Mit einer Kleinanzeige: "Kein Karrierejob mit großem Geld". Nur sechs Wochen brauchten die Scientologen, um die junge Mutter völlig umzukrempeln und praktisch in einen 24- Stunden-Dienst aus Gesprächen, Tests, Zettel- Verteilen und Bücherverkaufen einzubinden. Das Buch von Elke Nietsche wirkt aufklärend durch seine Ehrlichkeit und Direktheit und kann auf nachträgliche psychologische Deutungen und Bewertungen verzichten. Die Autorin schildert zum Schluß ebenso spannend und selbstkritisch, wie es ihr durch die mutige Intervention ihrer Schwägerin gelang, freizukommen. T.G.
Ein aktueller, zuverlässiger Bericht über Scien- tology-Aktivitäten unter Berücksichtigung der neuen Bundesländer ist jetzt auch als Taschenbuch erschienen:
Liane von Billerbeck, Frank Nordhausen Der Sekten-Konzern. Scientology auf dem Vormarsch. Mit einem Rechtsratgeber von Ralf Bernd Abel. München 1994, Knaur Taschenbuch 80051, ISBN 3-426-80051-9, DM 12,90
Neuveröffentlichungen über den Wandel in der spiritistischen Neuoffenbarungsreligion: "Christusstaat" bei Würzburg statt "Heimholungswerk" / Körperschaftsrechte in Bayern beantragt Die Würzburgerin Gabriele Wittek gilt im "Universellen Leben" (früher: "Heimholungswerk Jesu Christi") als Prophetin und möglicherweise auch als Reinkarnation der reuigen "Satana". Im Jahre 1975 beginnt die 42jährige Gabriele Wittek eine Gruppe von Neuoffenba- rungsinteressierten um sich zu sammeln. Unter den beteiligten "Trägern des inneren Wortes" beginnt sie bald eine führende Rolle zu spielen. 1979 fängt die Gruppe als "Heimholungswerk Jesu Christi" eine breite Vffentlichkeitsarbeit mit zahlreichen Publikationen und Auftritten der Prophetin in Deutschland und Europa an.
Ursprünglich war die Gruppe um Frau Wittek eher eschatologisch ausgerichtet und nannte sich "Heimholungswerk Jesu Christi". "Brüder aus den teilmateriellen Welten" sollten u.a. mit UFOs die Anhänger aus dieser Welt abholen, eine moderne Variante des Entrückungskonzepts.
Das noch aus der christlich-spiritualistischen Tradition schöpfende Konzept erhielt dann immer mehr Einflüsse aus asiatischer Religiosi- tät. Prof. Hofmann, einer der wichtigsten Inspiratoren der Frau Wittek, ist ein ehemaliger TM-Lehrer. (Transzendentale Meditation)
Heute will Frau Wittek auf dieser Erde, genauer: mit dem Zentrum Würzburg am Main, einen "Christusstaat" errichten, der alle Bereiche menschlichen Lebens abdecken soll. 1984 steigt die Gruppe in Wirtschaftsunternehmungen ein. Teile des Unternehmens werden in "Universelles Leben" umbenannt. Es entstehen neue Wirtschaftsbetriebe und biologischer Landbau, eine Schule, Einrichtungen für Kinder, eine Klinik und ein Gewerbezentrum. Eine Entwicklung hin zu zahlreichen prakti- schen, lebensreformerischen Initiativen, vergleichbar den praktischen Konkretisierungen der Anthroposophie, scheint denkbar.PAGE 35
Eine Dissertation über das UL-Heimholungswerk ist jetzt als Buch erschienen:
Wolfram Mirbach Universelles Leben. Originalität und Christ- lichkeit einer Neureligion. Erlanger Monographien aus Mission und Vkumene Band 19, 1994, ISBN 3-87214-319-0, DM 45,-
In seiner Dissertation (Erlangen 1992) untersucht Wolfram Mirbach die Vorstellungen des UL in Glaubenslehre, Pädagogik und Medizin und die jeweiligen Wurzelstränge. Er kommt zu dem Schluß, "daß das UL seinem Wesen nach keineswegs als christliche Gruppe bezeichnet werden kann. Zwar verwendet das UL eine Vielzahl von Begriffen der christlichen Tradition. Doch werden diese mit anderem Inhalt gefüllt. Daraus folgert Mirbach, "daß das UL völlig zu Unrecht behauptet, längst vergessene christliche Grunddaten aufzunehmen... So bezeichnen sich die Anhänger des UL völlig zu Unrecht als ,Urchristen-, vielmehr handelt es sich bei ihnen um Anhänger einer neuoffen- barerischen Bewegung, die für sich in Anspruch nimmt, den Gipfel der religiösen Erkenntnis und Weisheit durch das gegenwärtig durch Frau Wittek offenbarte Gedankengut erlangt zu haben." T.G.
Eine weitere, empfehlenswerte aktuelle Veröffentlichung zum "Universellen Leben" legte jetzt der Beauftragte der bayrischen, ev.-luth. Kirche vor:
Wolfgang Behnk Abschied vom "Urchristentum"? Gabriele Witteks "Universelles Leben" zwischen Ver- folgungswahn und Institutionalisierung. Münchener Texte und Analysen zur religiö- sen Situation, München 1994, ISBN 3-583-50210-8, DM 6,50
In dieser Schrift geht es um die Institutionalisierungstendenzen im "Universellen Leben" und deren Hintergründe. Nachdem die Wittek- Organisation bereits die Genehmigung für eine eigene Volksschule hat, will es diese anscheinend zu einer Realschule aufbauen und hat einen Antrag auf Verleihung der Rechte einer "Körperschaft des Vffentlichen Rechts" gestellt. (Das ist eine in Deutschland besonders privilegierte Rechtsform für Religionsgemeinschaften). Behnk weist die inneren Widersprüche zwischen der Lehre und Praxis des Universellen Lebens einerseits und dem Antragsbegehren andererseits mit zahlreichen Belegen und Dokumenten nach und vermutet wohl mit Recht eine vor allem demonstrative Absicht bei der Antragstellung. T.G.
Umkämpfte Bücher über umstrittenen Psychoverein Der VPM (Verein für psychologische Menschenkenntnis) agiert mit einer Mischung aus psychologischer und politischer Ideologie am rechten Rand des politischen Spektrums. Durch zahllose Prozesse gegen Kritiker, durch öffentliche Aggressivität und hohes Sendungsbewußtsein macht die aus der Schweiz stammende Extremgruppe seit ca. 3 Jahren Schlag- zeilen in Deutschland. Der neueste Band der Münchener Reihe "VPM" von Hansjörg Hemminger ist die erste Veröffentlichung in Deutschland zum VPM.
Hansjörg Hemminger: VPM. Der "Verein zur Förderung der psychologischen Menschen- kenntnis" und Friedrich Lieblings "Zürcher Schule". epv München, ISBN 3-583-50663-4, DM 9,80
Hemminger schildert die Entwicklung der Vereinigung von ihren Anfängen in der linken progressiven "Zürcher Schule" des tiefenpsychologischen Außenseiters Friedrich Liebling bis hin zu den heutigen Erscheinungsformen. Eine kritische Darstellung des VPM aus wis- senschaftlicher Sicht in einer kirchlich orientierten Reihe war um so wichtiger geworden, nachdem eine geplante staatliche Veröffentlichung bisher nicht erscheinen konnte. T.G.
Wenig später hat nun auch der Schweizer Werd- Verlag, mit dem Züricher Tagesanzeiger verbunden, das Buch von Hugo Stamm: "VPM - Die Seelenfalle" in einer Sonderausgabe für Deutschland herausgebracht.
Hugo Stamm: VPM Die Seelenfalle. "Psychologische Menschen- kenntnis" als Heilsprogramm Sonderausgabe für Deutschland Zürich 1994, ISBN 3-85932-162-5, DM 37,
Das Besondere: acht kurze Stellen (ca. 70 Zeilen) in dem 220 Seiten langen Buch des VPM und Kultkenners Hugo Stamm, der als Redakteur beim Züricher Tagesanzeiger arbeitet und daher den VPM aus nächster Nähe beobachten kann, mußten in der Ausgabe für den deut- schen Buchmarkt geschwärzt werden. Stamms Buch leuchtet hinter die Kulissen der umstrittenen Therapiegemeinschaft. T.G.