Immer häufiger werden in der kirchlichen Arbeit mit Frauen "Entdeckungsreisen zum eigenen Ich" veranstaltet. Blättere ich entsprechende Programmhefte durch, finde ich genügend solcher Angebote, bei denen Frauen dazu eingeladen werden, die in den Tiefen ihrer Seele liegenden Botschaften zu entschlüsseln. Selbsterfahrung wird ganz groß geschrieben, sei es nun mit oder ohne Bibel.
Der Andrang ist groß, die Veranstalter können sich vor Anmeldungen kaum retten. Gesellschaftlich oder politisch arbeitende Kreise geraten im Vergleich dazu eher ins Hintertreffen. Offenbar besteht ein großes Bedürfnis danach, das Innerste nach außen zu kehren. Und viele verdanken auch wirklich einem solchen Selbsterfahrungsseminar entscheidende AhaErlebnisse. Das ist gut so und dagegen ist auch nichts einzuwenden.
Es gibt aber auch andere Erfahrungen. Verstörte Menschen, alleingelassen mit einem aufgewühlten, unverarbeitet gebliebenen Gefühlsleben. Etwas signalisiert in mir Vorsicht, wenn Frauen beinahe serienmäßig mit Decken und Wollsocken ausgerüstet die Reise ins Innenleben antreten. Wer fängt die Gefühlsregungen auf, die da zutage treten? Wer sind die anderen in der Gruppe, wieweit kann ich mich vor ihnen öffnen? Was geschieht, wenn ich außer Kontrolle gerate, wenn unerwartete Aggressionen hervorbrechen? Ist jemand da, der mich auf dem eingeschlagenen Heilsweg der Selbsterfahrung weiter begleitet?
Ohne ein bißchen Mut zum Wagnis ist Selbsterkenntnis nicht zu haben. Aber eine gesunde Zurückhaltung und ein besonnener Verstand können auch nichts schaden. Manche unliebsame Überraschung ließe sich vielleicht schon dadurch vermeiden, daß ich mir die Einladung genau anschaue. Ist eine psychologisch geschulte Fachfrau oder ein Fachmann mit eingeladen? Was steht auf dem Programm? Ein Infoblatt, aus dem ich nicht vorher die geplanten Methoden der Selbsterfahrung ersehen kann, beschwört die Gefahr unliebsamer Überraschungen herauf. Wo kein Bibliodrama angegeben ist, muß ich mich auch darauf verlassen können, daß keins stattfindet, es sei denn alle Teilnehmer wünschen es ausdrücklich. Welche Zielgruppe ist angesprochen? Ist eine Gruppe überhaupt geeignet für meine Selbstentdeckung?
Ein reizvolles Thema verleitet vielleicht dazu, diesen Fragen gar nicht erst nachzugehen. In der Regel kann ich mich sicher auch auf das Fingerspitzengefühl der Veranstalter verlassen. Gerade von deren Seite ist eine sorgfältige Vorbereitung nötig, wenn es um die Seele geht. Denn die warmen Socken und die flauschige Decke schützen nicht vor seelischem Kälteeinbruch.
Sybille Sterzik
(Mit freundlicher Genehmigung aus dem Berlin-Brandenburgischen Sonntagsblatt. Evangelische Wochenzeitung, Berlin, 13. November 1994)
INTERNATIONALE DIALOG-AKADEMIE Das DCI unterstützt verschiedene Seminare und Fortbildungsveranstaltungen in den Bereichen Neue Religiöse Bewegungen - Jugendreligionen - Dialog unter dem gemeinsamen Namen und Konzept der DIALOG-AKADEMIE. 1995 lädt das DCI Interessierte zu drei besonderen, internationalen Fortbildungsveranstaltungen im Rahmen der INTERNATIONALEN DIALOG- AKADEMIE ein: DIALOG ACADEMY INTERNATIONAL New Religous Movements and Democracy (in Englisch) 9. - 13. Juli 1995 in der Unge Hjems Efterskole Skaade bei Aarhus, Dänemark DIALOG AKADEMI DANMARK (in Dänisch bzw. nordischen Sprachen mit englischer Übersetzung) 13. - 15. Juli 1995 in der Unge Hjems Efterskole Skaade bei Aarhus, Dänemark DIALOG AKADEMIE INTERNATIONAL - BERLIN Jugendberatung im Bereich Jugendreligionen und Jugendokkultismus für Berater/innen aus Deutschland und Osteuropa (in Deutsch; u.U. Übersetzung ins Russische) 13. -19. Oktober in der Ev. Akademie Berlin-Wannsee, Deutschland Detaillierte Programme und Ausschreibungen mit Teilnahmebedingungen etc. auf Anfrage: Provinzialpfarramt und DCI-Berlin, Heimat 27, D-14165 Berlin-Zehlendorf Fax: 49 30 / 815 47 96 Die Programme werden auch in der nächsten Ausgabe des BERLINER DIALOG veröffentlicht.