Es geht um Macht. Es geht um Geld. Wenn wir uns auf der Welt umsehen, dann wird uns schnell klar, daß eine neue Form von Sekten auf uns zukommt, die ueber Leichen geht. Ich denke an die Massenmorde der Sonnentempler in der Schweiz, der Aum-Sekte in Japan oder der Davidianer und Milizen in den Vereinigten Staaten. Sie schlagen ihre eigenen Schlachten, führen ihre ganz persönlichen Kriege. Wir müssen uns auf diese Art von Kriegführung einstellen.
Doch Krieg ist nicht nur, wenn Menschen verletzt oder umgebracht werden. Krieg ist nicht nur, wenn Häuser in Schutt und Asche liegen. Auch wer Menschen in ihrer innersten Persönlichkeit erobert, führt Krieg. Was ich meine, sind die weltweiten Feldzüge von Scientology. Dafür darf es kein Pardon geben.
Hier hat sich eine imperialistische Organisation aufgemacht, Unternehmen zu unterwandern und Menschen zu manipulieren. Sie strebt in der Wirtschaft nach Macht, indem sie ihre Mitglieder in Personalabteilungen und Betriebsräte einschleust. Auf anderen Feldern wie dem Immobilienhandel, in Verlagen oder Software-Unternehmen sammelt sie Kontakte und Informationen, ebenfalls mit dem Ziel, mehr Macht zu erlangen. Das sind geheime Eroberungsfeldzüge unter Ausschluß der Öffentlichkeit um so gefährlicher sind sie. Wir müssen sie stoppen.
Es ist höchste Zeit: Glaubt man den Scientology-Publikationen, dann hat sich die seit 1954 unter dem Namen Church of Scientology betriebene Organisation vorgenommen, die Republik durch eine jahrelange strategische Operation "Clear Deutschland" in einen angeblichen Zustand höherer Erkenntnis zu versetzen. Als Ziel nennt sie, fünf Prozent des deutschen Buchmarktes zu übernehmen, 15 Prozent der Meinungsführer für die eigenen Ziele zu gewinnen und schließlich die Macht zu übernehmen. Mindestens 30 000 Anhänger des 1986 gestorbenen amerikanischen Sektengründers Ron Hubbard handeln nach Angaben der Organisation in Deutschland nach seinen Thesen.
"Unter dem Deckmantel einer Religionsgemeinschaft", so stellte die Konferenz der Länder-Innenminister schon vor einem Jahr fest, vereine Scientology "Elemente der Wirtschaftskriminalität und des Psychoterrors gegenüber ihren Mitgliedern mit wirtschaftlichen Betätigungen und sektiererischen Einschlägen". Das Bundesarbeitsgericht in Kassel entschied im März, daß Scientology keine Kirche ist, sondern ein Wirtschaftsunternehmen.
Nach Bekenntnissen ehemaliger Scientologen besteht die Gefahr, daß Mitglieder, die gnadenlos an Missionserfolgen und Einnahmen gemessen werden, im Auftrag der Organisation ihre Firmen schädigen. Dazu gehören die Veruntreuung von Geld oder Informationen, Wirtschaftsspionage, illoyales Verhalten oder Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht. Auf der Strecke bleiben immer wieder geschädigte, zum Teil konkursreife Firmen und seelisch wie finanziell ruinierte ehemalige Anhänger.
Gegen die Riesenkrake Scientology richten Verbote leider nichts aus. Das würde nur Märtyrer schaffen. Man muß die Organisation bei ihren undurchsichtigen Geschäften stören. Gegen die Ideologie des Gründers Hubbard "Geschäft, Geschäft, Geschäft" hilft nur eine Strategie: Information, Information, Information. Deshalb fordere ich alle Betroffenen Verfassungsschutz, Unternehmen, aber auch Schulen auf: Wir müssen alle Mittel einsetzen, die wir haben, um Scientologen zu enttarnen. Wir müssen ihnen die Stirn bieten. Und wir dürfen keinen Schritt zurückweichen. Auch nicht, wenn sie drohen. Denn sie setzen auf die Feigheit der Wohlstandsgesellschaft: Hauptsache Ruhe, keine Konflikte. Ich halte dagegen: Niemand darf aus Angst vor Repressionen zurückweichen besonders die Medien nicht. Es muß eine Kette der Abwehr entstehen.
Vielleicht können meine Erfahrungen dazu beitragen, das Tabu zu brechen. Da hatte ein Scientologe aus Nürnberg vergangenes Jahr für seine Firma eine Lizenz als privater Arbeitsvermittler von der Bundesanstalt für Arbeit erhalten. Nachdem seine Zugehörigkeit zu Scientology bekannt geworden war, haben wir ihm die Lizenz wieder entzogen.
Im vergangenen Jahr habe ich Scientology als das bezeichnet, was sie wirklich ist: eine verbrecherische Geldwäsche-Organisation, die unter dem Deckmantel der Religion ihre verblendete Ideologie weltweit verbreiten will und dabei vor nichts zurückschreckt. Scientology reagierte mit einem Antrag auf Erlaß einer Einstweiligen Anordnung. Er wurde von den Richtern abgelehnt. Jetzt steht noch das Hauptverfahren aus. Auch das erwarte ich mit großer Ruhe. Zurückzunehmen habe ich nichts. Gesprächsbereit bin ich aber nicht, wenn in den Vereinigten Staaten in einer menschenverachtenden Anzeigenkampagne die in Deutschland angeblich verfolgten Scientologen mit den Opfern von Auschwitz gleichgestellt werden. Das ist perfide. Es ist höchste Zeit, den Rädelsführern dieses rücksichtslosen Kartells das Handwerk zu legen. Nur Mut!
NORBERT BLÜM (59) ist seit 1982 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. Er studierte unter anderem katholische Theologie.
Seit Jahren macht Scientology Schlagzeilen mit dubiosen Machenschaften. Der Sekte wird vorgeworfen, ihre Mitglieder mit teuren Psychokursen zu schröpfen, sie in völlige Abhängigkeit zu treiben und ihre Persönlichkeit zu zerstören. Das erklärte Ziel der totalitären Organisation ist die Weltherrschaft. Scientologen unterwandern bereits Wirtschaftszweige wie die Immobilienbranche, Personalberatung und Datenverarbeitung. Nach Ansicht des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz erfüllt Scientology "die Voraussetzung für eine Beobachtung". Bundesarbeitsminister Norbert Bluem hält die Sekte sogar für eine "verbrecherische Geldwäsche-Organisation, die unter dem Deckmantel der Religion ihre verblendete Ideologie weltweit verbreiten will und dabei vor nichts zurückschreckt". Die Konsequenz kann nur lauten: Scientology muß verboten werden!
Scientology wurde 1954 von LAFAYETTE RONALD HUBBARD gegründet. Vier Jahre zuvor hatte der ehemalige amerikanische Science-fiction-Autor das Buch DIANETIK veröffentlicht, die Grundlage für die gesamte Philosophie der Sekte. Darin verspricht Hubbard dem einzelnen Heilung von körperlichen und geistigen Leiden. Der Menschheit verkündet er eine Welt ohne Drogen und Kriminalität und den ANSPRUCH der Scientologen AUF WELTHERRSCHAFT. Neun Jahre nach dem Tod Hubbards operiert die Sekte, die sich selbst als Kirche bezeichnet, heute unter ihrem neuen Führer DAVID MISCAVIGE in mehr als 30 Ländern. Hochburg der Scientologen ist neben den USA auch Deutschland. Zwischen 30 000 und 300 000 MITGLIEDERN schwanken die Schätzungen über die Zahl der deutschen Anhänger. Sie gilt als größte Sekte in Deutschland. Ihre Schwerpunkte liegen in wirtschaftlich gutsituierten Regionen wie HAMBURG und BADEN-WÜRTTEMBERG
"Haben Sie schon einmal etwas von "Scientology" gehört oder gelesen?"
JA: 63%
NEIN: 37%
"Was verbinden Sie mit Scientology eher?" (*)
POSITIVES: 9%
NEGATIVES: 90%
WEISS NICHT: 1%
"Sollte Scientology verboten werden?" (*)
JA: 69%
NEIN: 18%
WEISS NICHT: 13%
(*) Basis: Alle Befragten, die von Scientology gehört oder gelesen haben.
Stop Scientology! Mit diesem Ziel haben sich alle wohnungswirtschaftlichen Verbände Hamburgs zu einer "Konzertierten Aktion gegen Scientology" vereint, um die aggressiven Entmietungsmethoden der Scientologen und deren Helfershelfer bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen anzuprangern. Ein hartes Vorgehen gegen Scientology, wie dies in Spanien derzeit passiert, ist auch in Deutschland möglich. Ein generelles Verbot wäre besser.
Scientology betreibt unter dem Deckmantel einer Religionsgemeinschaft Psychoterror gegenüber den Mitgliedern und ist in erster Linie auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Ich halte es für notwendig, daß Polizei und Verfassungsschutz alle Erkenntnisse über Scientology sammeln und auswerten. So bekäme der Bundesinnenminister noch in diesem Jahr ausreichend Material für das dringend notwendige Verbot von Scientology und ihrer Vereine.
Aus meiner Erfahrung mit Menschen, die durch Scientology Schaden erlitten haben, kann ich der These nur zustimmen: Scientology muß verboten werden. Aber verbieten ist eben zuwenig. Man muß sich auch damit auseinandersetzen, was Scientology thematisiert. Scientology hält unserer Gesellschaft mit ihrem Kult um die Erfolgreichen, mit dem Durchsetzen um jeden Preis einen Zerrspiegel vor, und solange nicht bearbeitet ist, was in diesem Spiegel zu sehen ist, wird Scientology Erfolg haben, ob verboten oder nicht.
Während meiner Arbeit im Scientology-Management bestand nie ein Zweifel an den politischen Zielen von Scientology. Betrachte ich diese Ziele heute unter demokratischen Aspekten, so erkenne ich eine eindeutige Verfassungsfeindlichkeit. Scientology gewährt keine Meinungsfreiheit, mißachtet die Menschenrechte auf vielfältige Art und ist gegen die parlamentarische Demokratie. Eine Einstufung als verfassungsfeindliche Organisation ist daher aus meiner Sicht sinnvoll und notwendig.
Seit 1977 habe ich unzählige Kurse absolviert und an vielen Seminaren teilgenommen. Gleichzeitig hat sich mein Leben sehr erfolgreich entwickelt. Scientology hat mich ermuntert, aktiv und selbstbewußt am Leben teilzunehmen. Scientology ist daran interessiert, daß ihr Wissen in aller Welt jedem zugänglich gemacht wird; dies läßt sich natürlich leicht in den Begriff "Weltherrschaft" umfunktionieren. Ich möchte behaupten, daß es den beiden großen christlichen Kirchen darum geht, zu verhindern, daß das Wissen, die Philosophie und der Glaube von Scientology einer großen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die "christliche Absicht" ist der Ursprung des nunmehr seit Jahrzehnten anhaltenden Medien- und PR-Krieges. Die Scientology-Religion zu verbieten wäre ein großer Verlust fuer die Gesellschaft und würde die "Weltherrschaft" der katholischen Kirche und die Herrschaft der evangelischen Kirche in Deutschland weiter begünstigen. Es ist ein Kampf von David gegen Goliath.
Ein Verbot wäre die letzte Konsequenz des Staates. Eine derartige Maßnahme muß einer juristischen Prüfung standhalten. Ein einheitliches Vorgehen aller Bundesländer und vor allem des Bundes von Maßnahmen unterhalb der Verbotsdiskussion muß schnellstens sichergestellt werden. Vorrangig wäre zu nennen die einheitliche abgestimmte Anwendung des Gewerberechts sowie eine konsequente Strafverfolgung. Die bisherige politische Diskussion leidet nach wie vor unter der vor Jahren getroffenen Zuordnung, Scientology sei eine "Jugendsekte".
Mittlerweile ist höchstrichterlich klargestellt, daß Scientology mit dem Verkauf von Literatur und Kursen nicht kirchlich, sondern gewerblich tätig ist. Daraus müssen jetzt schnell Konsequenzen gezogen werden. Behördliches Ziel muß es sein, den wirtschaftlich tätigen eingetragenen Scientology-Vereinen den Status eines ideellen Vereins zu entziehen. Außerdem ist darauf zu achten, daß sie die fuer jeden Gewerbetreibenden gültigen Vorschriften einhalten.
Ich halte Verbote ebenso wie unkritische Toleranz fuer gleichermaßen untaugliche Mittel, dieser Herausforderung wirksam zu begegnen. In der Auseinandersetzung mit Bewegungen wie Scientology ist sachliche Information und Aufklärung möglicher Opfer viel wichtiger. Man sollte auch die Frage nicht vergessen, was Vereinigungen wie diese fuer manche Menschen so attraktiv macht und was wir dagegen tun können. Dabei handelt es sich nicht in erster Linie um ein rechtliches, sondern um ein gesellschaftliches Problem, an dessen Lösung sich alle gesellschaftlich relevanten Kräfte beteiligen müssen.
Bei Scientology muß man nicht fragen, was sie glauben, sondern was sie machen und können. Bei Scientology wendet man gesundheitsbeeinträchtigende Techniken unter falschem Etikett an; man behauptet, Therapie oder Beichte zu machen, in Wirklichkeit findet eine verhaltenspsychologische Konditionierung statt: Menschen werden auf ein ganz bestimmtes Verhalten hin dressiert. Das als Religion zu bezeichnen ist Etikettenschwindel. Was wir brauchen, ist deshalb ein Psychomarkt-Recht, ein Psychomarkt-Gesetz nicht fuer die medizinische Psychotherapie, die bald gesetzlich geregelt sein wird, sondern fuer den 1995 Lebenshilfemarkt, auf dem Millionenumsätze getätigt werden, wo aber keinerlei Kundenschutz besteht.
Eigentlich wimmelt Michael Peters [Name geändert] Anrufer wie den Vertreter der Ahrensburger Gesellschaft fuer Managementtraining (GMT) meist am Telefon ab. "Solche Programme werden uns laufend angeboten", sagt der Mitbesitzer eines Autohauses in einer Hamburger Randgemeinde. "Da bin ich längst negativ sensibilisiert."
Doch der GMT-Vertreter überzeugte auf Anhieb: "Sehr offen, klar und flexibel" sei der Anrufer gewesen, erinnert sich Peters. In einem unverbindlichen Beratungsgespräch machten die Management-Trainer weitere Punkte. Peters: "Die waren super drauf, hatten Top-Umgangsformen, argumentierten hochintelligent." Und sie versprachen einfache, schnelle Lösungen: "Was Sie von unseren Seminaren mitbringen, sind Stichworte, die auf eine Seite passen. Der Rest findet im Kopf statt."
Vier Wochenendseminare fuer insgesamt mehr als 7000 Mark besuchte der Autohaus-Besitzer, bevor er merkte, daß er in die Hände von Scientologen gefallen war. "Es hat mir anfangs viel Spaß gemacht, und ich habe auch viel Positives mitgenommen", betont Peters. Daß bei den GMT-Kommunikationsuebungen Begriffe aus dem Scientology-Kauderwelsch auftauchten oder daß die scientologische "Tonskala" eingesetzt wurde, um Gemütszustände zu bewerten, fiel Peters zunächst nicht auf. Der GMT-Chef und Trainer Dirk Braun betonte auf Nachfragen stets, das Programm basiere allein auf eigenen Überlegungen und Erfahrungen.
Erst als die Kursteilnehmer ermuntert wurden, das Erlernte auch auf das Privatleben zu übertragen, und als die Management-Trainer den Autohaus-Besitzer im Einzelgespräch aufforderten, ihnen Daten seines Betriebes zur besseren Erfolgskontrolle zu überlassen, wurde Peters stutzig. Doch selbst als aus dem Scientology -Verdacht Gewißheit wurde, fiel ihm der Ausstieg schwer: "Ich habe überlegt, ob ich die Seminare dennoch weiter besuchen soll, weil sie so gut waren", sagt Peters. "Aber ich wußte nicht, ob ich stark genug gewesen wäre aufzuhören, bevor die mir das Gehirn gewaschen hätten."
GMT-Gruender Dirk Braun ist als Scientologe kein Unbekannter. Er steht ganz oben auf einer Mitgliederliste des World Institute of Scientology Enterprises (Wise), des Unternehmer-Verbands der Sekte. Und die Erfahrungen von Michael Peters sind trotz aller Aufklärung über die Machenschaften der Organisation keine Ausnahme. Der Drang der Scientologen in die Wirtschaft ist ungebremst: "90 Prozent unserer Arbeit macht inzwischen die Beratung von Unternehmen aus, die mit der Organisation in Kontakt gekommen sind", konstatiert Renate Hartwig vom Selbsthilfeverein fuer Scientology -Opfer "Robin Direkt".
"Die Scientologen verfolgen zwei Absichten: Sie wollen an das Geld und an die Mitarbeiter herankommen", sagt Ursula Caberta von der Arbeitsgruppe Scientology der Hamburger Innenbehörde. "Schlüsselpositionen in der Wirtschaft zu besetzen und Unternehmen unter Kontrolle zu bringen" ist nach Einschätzung von Renate Hartwig ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum obersten Ziel der Sekte: "Clear Planet", Übernahme der Weltherrschaft. "Da Scientology jetzt totale Freiheit bringt, muß sie auch die Macht und Autorität haben, totale Disziplin zu fordern", so die Losung von Sekten-Gründer L. Ron Hubbard. Fuer Kritiker gibt es in dieser Diktatur keinen Platz: "Wir haben im Sinn, alles aus dem Weg zu räumen, das aus dem Weg geräumt werden muß, ganz egal wie groß es auch sein mag", stellt Hubbard klar, "um eine Zivilisation zu schaffen, die tatsächlich überleben kann." Fuer Ursula Caberta ist Scientology "eine knallharte politische Bewegung, die sich mit ihren Grundsätzen nicht offen zur Wahl stellt", und damit eine "Gefahr fuer Rechtsstaat und Demokratie". Das Auftreten als Kirche diene nur der Tarnung und sei mithin "eine reine PR-Maßnahme".
In internen Mitteilungen machen die Scientologen aus den wahren Intentionen der Organisation keinen Hehl: Es geht allein um die Verbreitung der als "Dianetik" bezeichneten Heilslehre des 1986 verstorbenen Sektengründers. "Der einzige Grund, warum LRH (Sekten-Kürzel fuer L. Ron Hubbard) die Kirche gründete, bestand darin, den Leuten dieses Planeten direkt on-policy und in-tech Dianetik zu verkaufen und zu liefern", heißt es im "Bulletin des Internationalen Managements" der Scientology -Zentrale in Clearwater im US-Staat Florida.
Die Vermarktung der Hubbard-Ideen ist straff organisiert. Der Scientology-Unternehmensverbund Wise arbeitet wie ein weltumspannender Konzern, der Lizenzen an Unternehmen vergibt und dafür kassiert. Im Lizenzvertrag wird dem Wise-Mitglied genau vorgeschrieben, wie mit Warenzeichen und Urheberrechten umzugehen ist. Die Gebühren sind wöchentlich zu überweisen, und Wise hat laut Vertrag jederzeit das Recht, die Buchhaltung der Lizenznehmer zu kontrollieren. Wer wie Management-Trainer Dirk Braun die Hubbardschen Weisheiten als Unternehmensberater in Tagungen oder Seminaren verbreitet, muß bis zu 15 Prozent seines Umsatzes abführen. Sechs Prozent ihres Umsatzes müssen Wise-Mitglieder zahlen, die Teile der Verwaltungstechnik "als Hauptquelle der Dienstleistungen einsetzen, die fuer Kunden oder Klienten erbracht werden" also ihre internen Betriebsabläufe nach den Scientology-Regeln organisieren.
Die Wise-Mitglieder, zu denen in Deutschland Unternehmens- und Personalberater, Immobilienmakler und immer häufiger auch Softwarehändler gehören, verpflichten sich mit der Unterschrift unter den Lizenzvertrag zum Umsatz fuer Scientology um jeden Preis. Nur wer regelmäßig hohe Lizenzgebühren abführt und neue Anhänger fuer die Sekte gewinnt, hat nach den ethischen Kategorien der Organisation Erfolg und genießt Ansehen. "Und wenn das nicht klappt, gibt es Druck", sagt die Hamburger Scientology -Expertin Ursula Caberta. Sogenannte "Ethik-Offiziere" wachen darüber, daß die Anweisungen der Organisation umgesetzt werden. Wer sich widersetzt, wird bestraft schlimmstenfalls mit der Einweisung in "Rehabilitationsprojekte". Diese Einrichtungen, von denen sich eines in der kalifornischen Wüste befinden soll, gleichen Straflagern, berichtet ein Insider. 18 Stunden Arbeit am Tag, karge Diät aus Wasser, Reis und Bohnen sowie ständiges auditing mit dem "E-Meter" dem von Hubbard entwickelten Lügendetektor sollen die Abweichler wieder auf Sektenkurs bringen.
In internen Papieren der Wise-Lizenznehmer ist präzise festgelegt, wie die Ziele der Organisation zu erreichen sind. So schreibt die Unternehmens- und Personalberatung Choice International in einer "Verwaltungsskala" fuer ihre Franchisenehmer vor, wie Scientologen und ihre Ideen bei den Kunden untergebracht werden sollen: Die "LRH Tech" müsse bei der Personalbeschaffung fuer die betreuten Unternehmen angewendet werden, um damit "unmittelbar zu erreichen, daß die Tech auf der Management-Ebene Eingang findet und Verbündete geschaffen werden". Außerdem sei "die Tür zu öffnen fuer weiteres Verlangen nach Wise Tech z. B. in anderen Unternehmensbereichen". Daß die Scientology-Unternehmen mit dieser Strategie Erfolg haben, belegt die seitenlange Referenzliste der Choice-Personalvermittler: Die Palette der Kunden reicht vom Autozulieferer bis zur Zahnarztpraxis, vom Softwarehaus bis zur Großbäckerei.
Werden die Namen der Wise-Lizenznehmer durch kritische Berichterstattung in den Medien bekannt und so die Hubbard-Vermarktung erschwert, gründen die Scientologen einfach neue Unternehmen: Dirk Braun verkaufte seine Seminare zunächst über eine Akademie fuer Management und Kommunikation, bevor er mit der Gesellschaft fuer Managementtraining auf Kundenfang ging. Der frühere Metzinger Choice-Franchise-Nehmer, Wise-Mitglied Martin Ostertag, firmiert jetzt als Euroselect, M. Ostertag & Partner mit Sitz in Stuttgart. "Die ändern ihre Namen so schnell, daß man kaum mehr hinterherkommt", weiß Renate Hartwig. Vielfach seien Scientologen nur noch als stille Teilhaber aktiv und damit immer schwerer auszumachen.
Zudem finden die Wise-Mitglieder neue Wege, ihre Ware an den Mann zu bringen. So verbreitete Managementberater Dieter Schmitt in einem Referat unter dem Titel "Das Geheimnis der Leistungsfähigkeit" Hubbardsches Gedankengut auf der Werbeveranstaltung eines nordrhein-westfaelischen Leisten- und Paneeleherstellers. Der hatte Holzhändler ins Werk geladen, um sein neues Sortiment vorzustellen, und bot seinen Kunden als Beiprogramm einen "Tag des Dialogs". Dort traten neben Schmitt unverdächtige Referenten wie die Germanistik-Professorin Gertrud Höhler oder der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Augustinowitz auf. "Schmitt hat sämtliche Register gezogen", erinnert sich Holzhändler Günter Schwarz [Name geändert], der als Gast an der Vortragsreihe teilnahm. "Und er hat alle begeistert."
Der Holzhändler fühlte sich dagegen an ein Buch über Scientology erinnert, das er kurz zuvor im Urlaub gelesen hatte. Bei "Robin Direkt" wurden ihm Schmitts Verbindungen zur Sekte bestätigt, und er informierte den bis dahin ahnungslosen Veranstalter der Vortragsreihe. Das Unternehmen distanzierte sich schließlich von Schmitt - ein Geschäftsführer und vier Verkäufer des Leisten-Herstellers hatten zuvor Seminare bei dem Management-Berater gebucht.
Mit ihrer subtilen Strategie narren die Scientologen selbst ausgefuchste Profis: "Ich kenne genug Personalleute, die auf den Quatsch reinfallen, obwohl sie es eigentlich besser wissen müssen", sagt Unternehmensberater Steven Goldner, der fuer den Selbsthilfeverein Sinus Betroffene berät. Aber er warnt zugleich davor, die Scientologen falsch einzuschätzen: "Wer nur rummault, wie schrecklich die sind, wird der Sache nicht gerecht: Man muß auch erkennen, daß die zunächst Positives leisten." So hätten sich die Hubbard-Anhänger "durchaus vernünftige Sachen" aus der Erwachsenenbildung angeeignet. Allerdings würden diese Techniken später eingesetzt, neue Mitglieder zu gewinnen.
Dabei wissen die geschulten Hubbard-Anhänger die Schwächen und Krisen ihres Gegenüber auszunutzen. "Die Leute werden an ihrem empfindlichsten Punkt gepackt, legen ihre Seele offen, ziehen sich nackt aus und kriegen dann die Peitsche", beschreibt der Ex-Scientologe Gunther Träger die Strategie. "Wenn sie den Chef einer Firma, der vielleicht gerade eine Scheidung hinter sich hat, auf dem falschen Fuß erwischen", weiß Goldner, "haben sie oft schon gewonnen."
Fuer die betroffenen Betriebe kann das fatale Folgen haben. Denn wer sich im Sinne der Scientologen auf den Weg über die "Brücke zur totalen Freiheit" macht, mit dem Ziel "Operierender Thetan" zu werden, muß Hunderttausende von Mark in Seminare und Einzelsitzungen investieren. Hohe Schulden oder zu hohe Privatentnahmen aus der Firmenkasse sind deshalb bei Scientologen die Regel. Überdies taugt die "LRH-Technik" kaum zu einer qualifizierten Unternehmensführung: "Scientologen neigen zur Selbstüberschätzung und haben eine extrem kurzfristige Denke", so Unternehmensberater Goldner. Die Folge: "Es wird nicht kundenorientiert gearbeitet, sondern nach dem Motto: Wie ziehe ich die Leute am schnellsten über den Tisch?" Um den Erfolg zu messen, würden "absurde statistische Kriterien" abgefragt wie etwa die Zahl der Telefonate einzelner Mitarbeiter.
Langfristig lassen sich Unternehmen nach derartigen Kriterien nicht führen. Springen auf der einen Seite die Kunden ab, während auf der anderen Seite fuer die Zwecke der Sekte immer mehr Geld abgepumpt wird, enden die Betriebe schnell in der Pleite. "Konkursverschleppung und Steuerhinterziehung sind klassische Delikte von Scientology -Unternehmen", bestätigt Ursula Caberta. Dem System aus Glaube und Hoffnung, Abhängigkeit und Druck zu entkommen ist schwer: "Scientology ist wie ein glitschiges Gebilde, in das man hineinrutscht, ohne es zu merken", sagt der Scientology -Aussteiger Gunther Träger. Er selbst schaffte den Absprung erst, nachdem er als PR-Berater der Sekte Gelegenheit hatte, hinter die Kulissen zu sehen und "die unglaubliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit" zu erleben. "Dort gibt es einen harten Kern, der weiß, wo es lang geht." Das Gros der Anhänger lebe dagegen wie in einem "potemkinschen Dorf" eingelullt, ohne zu bemerken, daß sie ausgenutzt werden.
Selten kommen Fälle an die Öffentlichkeit, in denen Scientologen in Betrieben in Erscheinung getreten sind. Beim Chemiekonzern BASF warb ein Betriebsratsmitglied jahrelang fuer die Sekte. Ihm wurde 1992 gekündigt, weil der "Betriebsfrieden und die betriebliche Ordnung durch seine Werbeaktivitäten schwer gestört wurden", heißt es in einer BASF-Dokumentation. Zur selben Zeit wurde ein weiterer BASF-Mitarbeiter entlassen. Der Chemiker soll sich auf Kosten des Unternehmens bereichert und damit seinen Aufstieg in der Sekte finanziert haben.
In Wirtschaftsverbänden wie dem Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) läuten inzwischen die Alarmglocken: " Scientology ist eine Gefahr fuer den Wirtschaftsstandort Deutschland", unterstreicht DIHT-Volkswirt Elmar Halbach. Es bestehe nicht nur die Gefahr, daß Unternehmen, die von der Organisation unterwandert seien, finanziell ausbluten: "Wir gehen auch davon aus, daß Scientologen Betriebsgeheimnisse ausspionieren und das so gewonnene Wissen zu eigenen Zwecken verwenden." Um dieser Form der Kriminalität zu begegnen, "deren Dunkelfeld nur schwer abzuschätzen ist", setzt sich der DIHT fuer ein entschlossenes und gemeinsames Vorgehen von Staat und Wirtschaft ein. "Dazu kann und darf es aber nicht sein, daß Bund und Länder Scientology weiter als Religion betrachten und die Bekämpfung bei Ministerien fuer Jugend oder Familie ansiedeln", so Halbach. Der Kampf gegen Scientology müsse jetzt endlich unter der Verantwortung der Innenministerien geführt werden.
Einen Sektenbeauftragten, der beim Bundesinnenministerium angesiedelt wird, fordert auch die sektenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Renate Rennebach. Über diese Stelle müsse der Einsatz von Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz gegen die Hubbard-Anhänger koordiniert werden. Außerdem macht sich die SPD-Politikerin fuer ein Scientology-Verbot stark: "Das wäre ein wirksames Instrument: Die Organisation könnte beobachtet werden, und die Scientologen wären nicht mehr in der Lage, so offen wie bisher zu operieren." Auch Bundesarbeitsminister Norbert Bluem (CDU) setzt sich fuer eine härtere Gangart ein: Es sei "höchste Zeit, den Rädelsführern dieses menschenverachtenden Kartells das Handwerk zu legen". Gegen den "Riesenkraken Scientology" müsse mit den Mitteln des Verfassungsschutzes vorgegangen werden.
Im Bonner Innenministerium sieht man dagegen keinen weiteren Handlungsbedarf und verweist auf einen Beschluß der Innenministerkonferenz vom Mai 1994: Scientology sei eine Organisation, "die unter dem Deckmantel einer Religionsgemeinschaft Elemente der Wirtschaftskriminalität und des Psychoterrors gegenüber ihren Mitgliedern mit wirtschaftlichen Betätigungen und sektiererischen Einschlägen vereint", stellten die Minister aus Bund und Ländern damals fest. Damit sei es Sache von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei, sich mit den Aktivitäten der Scientologen auseinanderzusetzen. Den Einsatz des Verfassungsschutzes lehnte die Konferenz ab.
Immerhin hat der wachsende öffentliche Druck gegen Scientology hinter den Kulissen der Organisation fuer Bewegung gesorgt: In Hamburg, dem Zentrum der Bewegung in Deutschland, wurde die Spitze abgeloest und durch hohe Funktionaere aus der US-Zentrale ersetzt. Götz Brase, Immobilienhändler und führendes Wise-Mitglied, hat sich abgesetzt. Am Immobilienmarkt der Hansestadt formiert sich Widerstand: In einer konzertierten Aktion wollen Maklerverbände und Mietervereine gegen die Scientologen vorgehen, über die nach Schätzungen des Mietervereins zu Hamburg die Hälfte der Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen abgewickelt werden. Doch die Organisation ist auch andernorts aktiv: Seit einigen Monaten mischen Scientology-Makler verstärkt im Berliner Immobiliengeschäft mit. Spezialität ist nach Angaben des Berliner Mietervereins auch hier das Umwandeln ohne Kapitaleinsatz: Von den Käufern der Wohnungen wird sofort kassiert, während die Verkäufer monatelang auf ihr Geld warten müssen.
Und bei Ursula Caberta werden immer wieder Vertreter großer deutscher Unternehmen vorstellig, die mit der Firma Executive Software Verträge über den Kauf und die Wartung von Computer-Programmen abgeschlossen haben. Executive-Software-Chef Craig Jensen gehoert zur höchsten Klasse der Wise-Mitglieder. Mit Dumping-Angeboten wie 50 Prozent Preisabschlag bringen sich die Scientologen nach Erkenntnissen von Ursula Caberta ins Geschäft und sitzen damit im Nervensystem der Unternehmen, am Zugang zu hochsensiblen Daten.
Urteile des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts aus den vergangenen Wochen, die den Scientology -Konzern verpflichten, sich als Unternehmen anzumelden und nicht länger unter dem Deckmantel der Kirche zu operieren, sind nach Einschätzung der Scientology-Gegner als Waffe nur bedingt tauglich. Und selbst mit einem Verbot wäre der Sekte wohl nur schwer beizukommen. "Deutschland ist das zentrale Land fuer Scientology, aus dem zusammen mit der Schweiz rund ein Drittel der weltweiten Einnahmen kommen", sagt Ursula Caberta. Auch wenn es über die Zahl der Wise-Mitglieder und die Höhe der Lizenzgebühren keine seriösen Schätzungen gibt, ist Caberta sicher, daß es um Milliarden geht. "Im Falle eines Verbots werden die deshalb Wege finden, in den Untergrund zu gehen", fürchtet der Ex-Scientologe Träger. "Und wenn hier alles eingeschlafen ist, kommen sie wieder."
Sie standen eines Morgens vor dem Werktor: freundliche Frauen und Männer, die den Mitarbeitern der Walldorfer SAP-AG, des größten deutschen Softwarehauses, Broschüren in die Hand drückten. Sie kamen vom acht Kilometer entfernten Scientology -Schulungszentrum AMK in Wiesloch. Ihr Ziel: neue Mitglieder werben. Dieser Vorfall machte schnell die Runde. Berichte in Presse und Fernsehen brachten den Software-Anbieter sogar mit der Sekte in Zusammenhang. An der Börse wurde über Verbindungen gemunkelt. Prompt sank der Aktienkurs in einer Woche um zehn Prozent. SAP dementierte jeglichen Kontakt zur Sekte. Im Betrieb wurde eine Kampagne gestartet, um die Mitarbeiter vor Scientology zu warnen. Inzwischen sind die Gerüchte vom Tisch. Firmensprecher Michael Pfister stellt heute fest: "Wir haben keinen einzigen Hinweis, daß ein Mitarbeiter Mitglied ist."
Es begann in der Hamburger Kneipenszene: An den Tresen erzählte man sich, daß die WARSTEINER GMBH, die größte Privatbrauerei Deutschlands, von Scientologen unterwandert sei. Selbst Brauereichef Albert Cramer gehöre der Sekte an. Das Gerücht zog immer weitere Kreise, der Bier-Absatz geriet ins Stocken, das Image litt. Unter diesem Druck entschloß sich Warsteiner zu einer ungewöhnlichen Aktion. Das Sauerländer Unternehmen startete eine 300 000 Mark teure Anzeigenkampagne in norddeutschen Blättern mit dem Titel "Rufmörder gesucht", um dieser "verwerflichen kriminellen Attacke" den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zudem mußten alle leitenden Angestellten schriftlich versichern, nicht Mitglied von Scientology zu sein. Die Flucht in die öffentlichkeit scheint Erfolg zu haben. "Das Gerücht ist tot", meint jedenfalls ein Manager. Der Rufmörder blieb freilich unbekannt.
DIE WOCHE Scientology breitet sich aggressiv in der Wirtschaft aus. Welche Gefahren drohen den unterwanderten Firmen?
MATTHIAS BRANAHL Der Einfluß kann Unternehmen schaden, wenn Mitarbeiter oder Chefs unter Druck geraten. Ihnen droht psychischer Schaden, Verschuldung bis zum Ruin oder Erpreßbarkeit. Der Betrieb selbst leidet zum Beispiel durch Wirtschaftsspionage und Veruntreuung, durch Illoyalität, Begünstigung im Amt, unlauteren Wettbewerb und Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht.
DIE WOCHE Gehen die Unternehmen offen gegen enttarnte Mitarbeiter vor?
BRANAHL Kaum. Es ist nicht "in", sich zu "outen". Obwohl Aufklärung der beste Schutz ist, haben die meisten Firmen Angst vor einem Imageschaden. Sie versuchen, das Problem unternehmensintern und von der Öffentlichkeit unbemerkt zu lösen. Anders haben beispielsweise die BASF AG und das Haus Warsteiner gehandelt. Die Brauerei ist mit ihrer aufwendigen Imagekampagne gegen den Unterwanderungs-Verdacht eine krasse Ausnahme.
DIE WOCHE Wird das Problem ansonsten totgeschwiegen?
BRANAHL Im Gegenteil. In vielen Unternehmen stelle ich eine zunehmende Sensibilisierung der Mitarbeiter fest. So wird das Problem "mein Kollege ist Scientologe" zum Beispiel bei vielen Führungskräfteseminaren in Rollenspielen bearbeitet. Bei uns im Institut suchen aber vor allem einzelne Arbeitnehmer ganz persönlich Hilfe immerhin bekommen wir 15 bis 20 Anrufe pro Monat. Kaum einer weiß, wie man sich richtig verhält.
DIE WOCHE Meist präsentieren sich Scientologen als optimale Stellenbewerber aufgeschlossen und leistungsorientiert. In den bekanntgewordenen Fällen schlug irgendwann schließlich doch das Missionarische durch. Ist das die Regel?
BRANAHL Ja. Denn die Sekte ist, soviel man weiß, selbst sehr hierarchisch organisiert. Da findet ein ständiger Machtkampf um den Status der sogenannten OT ("Operierende Thetane") statt. Wer in dieser Hierarchie aufsteigen oder sich auch nur halten will, muß Erfolge vorzeigen, also Einnahmen oder neue Mitglieder.
DIE WOCHE Wie beeinflußt dieser Druck das Verhalten?
BRANAHL Wenn sich Scientology-Anhänger nicht offen dazu bekennen, zeigen sie doch oft die typischen Persönlichkeitsveränderungen. So verleiht die Zugehörigkeit zu einer totalitären Organisation oft ein unbegründetes Gefühl der individuellen Stärke und Unverletzbarkeit. Dieses starke Bewußtsein, zu einer "In-Gruppe" zu gehören, kann mit der Zeit zu einem hohen Realitätsverlust führen. Andererseits erzeugt die Dichte von Workshops und Kursen am Abend und an Wochenenden oft permanenten Streß. Dazu kommt ein wachsender Geldbedarf. Das bedeutet bei hoher Einzelverantwortung im Betrieb die Gefahr gravierender Fehlentscheidungen mit fatalen Ergebnissen.
DIE WOCHE Wie kann ein Betrieb Scientologen loswerden, bevor es soweit kommt?
BRANAHL Das ist eine heikle Frage. Grundsätzlich gibt es im Arbeitsrecht genügend Handhaben, um einen wie auch immer gestörten Betriebsfrieden wiederherzustellen; das reicht von der Abmahnung bis zur Kündigung. So weit ich weiß, ist aber eine Kündigung aufgrund bloßer Mitgliedschaft bei Scientology nicht möglich.
DIE WOCHE Was bezweckt die Organisation mit ihrer Wirtschaftsmacht?
BRANAHL Sie will über wirtschaftlichen Einfluß die Gesellschaft gestalten. Einigermaßen sicher ist nur, daß die Umsätze mit Kursen, Büchern und den Lizenzen des Wirtschaftskonzerns Wise (World Institute of Scientology Enterprises) hoch sind. In Deutschland werden sie auf mindestens 200 Millionen Mark jährlich geschätzt. Diese Umsätze sind wohl auch gewinnträchtig. Doch was die Chefs der Organisation mit den Überschüssen anfangen, ist bisher weitestgehend unbekannt. An Spekulationen über Firmenkäufe oder Aktienpakete beteilige ich mich nicht.
DIE WOCHE Das Wirtschaftsunternehmen Scientology konzentriert sich bisher auf ganz bestimmte Sparten wie Immobilienmakler, Personalberater oder -trainer. Sind weitere Zielbranchen in Sicht?
BRANAHL Die Organisation interessiert sich fuer alle innovativen Bereiche, die schnellebig, gewinnträchtig und offen sind fuer junge Leute mit viel kreativer Power und gutem finanziellen Hintergrund. Dazu zählen zum Beispiel Mitarbeiter bei Banken und Börse, in Fachbuchverlagen oder bei Softwareunternehmen.
DIE WOCHE Scientology hat Deutschland vor einiger Zeit zu einem Zentrum ihrer Wirtschaftsaktivitäten erklärt. In jüngster Zeit wurde die deutsche Fuehrungscrew fast völlig ausgetauscht. Worauf muß sich die Wirtschaft gefaßt machen?
BRANAHL Auch sogenannte Experten wissen darüber so gut wie nichts. Wie bei allen anderen großen Institutionen gilt auch hier: Fünf Prozent stehen in der Zeitung, Insider wissen 15 Prozent. 80 Prozent bleiben hinter den großen Mauern verborgen.
DIE WOCHE Bei den Scientologen gibt es Datensammler, die angeblich einen zentralen Großrechner füttern. Wie können sich Unternehmen und Kollegen vor Datenmißbrauch schützen?
BRANAHL Verbote helfen nichts. Auch der Empfang des Polizeifunks im Autoradio ist verboten, aber technisch ein Kinderspiel. Und absolut schützen kann man sich ebenfalls nicht. Aber gesunder Menschenverstand hilft oft sehr gut weiter. In der Computertechnik ist es wie beim Profisport: Datendiebe sind immer nur so gut, wie es der Gegner zuläßt.
DIE WOCHE Welche Daten sind besonders gefährdet?
BRANAHL Nach allem, was man weiß, persönliche Daten, etwa Auswertungen von Psycho-Trainings-Seminaren fuer potentielle Führungskräfte. Auch hier hilft der gesunde Menschenverstand: Viele Teilnehmer sind inzwischen schon mißtrauischer als die veranstaltenden Unternehmen selbst. Personaltrainer klagen seit längerem, daß ihre Probanden immer weniger von ihrer Persönlichkeit preisgeben.
DIE WOCHE Und wenn es doch passiert ist?
BRANAHL Pech gehabt. Bis zum Einsatz der Daten können Jahre vergehen. Auch Bankräuber geben ihre Beute nicht sofort aus.
Wer einen Scientologen erkennen will, sollte zuerst nach L. Ron Hubbard fragen. Denn die Sekten-Anhänger schrecken zwar nicht davor zurück, ihre Mitgliedschaft bei den Scientologen zu verleugnen. Zur Arbeitsweise nach den Prinzipien von L. Ron Hubbard werden sie sich jedoch in aller Regel bekennen. Den zu verleugnen würde an den Fundamenten ihrer Überzeugung rütteln.
Deshalb ist die Unterschrift unter einer schriftlichen Erklärung, daß nicht nach den Hubbardschen Vorgaben gearbeitet wird, eine einfache und relativ sichere Methode, sich vor Unternehmensberatern zu schützen, die Scientology angehören.
Außerdem gibt es einige wichtige Hinweise, die darauf schließen lassen, daß es sich bei einer Personalberatungsfirma um ein Scientology-Unternehmen handelt. Wird etwa empfohlen, fuer die Personalauswahl einen 200-Fragen-Persönlichkeitstest unter dem Namen "Oxford Capacity Analysis" anzuwenden, ist Vorsicht geboten: Es handelt sich dabei um den gleichen Fragebogen, den die Scientologen beim Werben neuer Mitglieder auf der Straße einsetzen.
Auffällig ist weiter, daß in den Materialien von Scientology-Beratern etablierte Wissenschaften, vor allem die Psychologie, abgewertet werden. Die Programme richten sich vielfach auf eine umfassende Persönlichkeitsveränderung und versprechen großen und schnellen Erfolg.
Eine kommentierte Checkliste zum Selbstschutz gegen Scientology kann bezogen werden bei: SINUS - Sekteninformations- und Selbsthilfe e.V., Saalgasse 15, 60311 Frankfurt/Main
Edward Tashji, Sprecher des Dachverbandes türkisch-amerikanischer Verbände in den USA, war des Lobes voll: "Auch im Namen unseres Präsidenten Dr. Sevket Karaduman" bedankte er sich bei der Scientology Church fuer deren "tatsachengetreue Beschreibung des Gespenstes von Faschismus und Rassismus in Deutschland". Verbreitet wurden die Thesen der Scientologen in ganzseitigen Anzeigen. In der "New York Times" vom 11. Januar stand unter der Titelzeile "Menschenrechte in Gefahr": "Deutschlands Gegenwart ähnelt auf erschreckende Weise seiner Vergangenheit. In den 30er und 40er Jahren schloß die Welt die Augen, während das Klima fuer den Holocaust geschaffen wurde. Niemand tat etwas. Heute können Sie handeln." Es folgten die Adressen von Bill Clinton, Helmut Kohl und Klaus Kinkel.
Fast eine Million Dollar ließ sich die Sekte die insgesamt 26 ganzseitigen Anzeigen kosten, die zwischen September und Februar erschienen. Die Kampagne begann, als in Deutschland der Druck auf die Sekte zunahm: Bundesarbeitsminister Norbert Blüm hatte sie mehrfach hart angegriffen und als "verbrecherische Geldwäsche-Organisation" bezeichnet. Im Oktober 1994 ließ er einer mit Scientology verbundenen privaten Arbeitsvermittlungsfirma die Lizenz entziehen.
Haben die Anzeigen die Zeitungsleser in den USA überzeugt? Die deutsche Botschaft in Washington bekam zwar Anrufe von deutschen Touristen, die sich beleidigt fühlten, hüllte sich aber ansonsten in Schweigen. "Die Kampagne ist ins Leere gelaufen", urteilt Botschaftssprecher Ekkehard Brose. "Und dabei wollten wir es auch belassen."
Abraham Foxman, selbst Überlebender des Holocaust und Leiter der Anti-Defamation League, der einflußreichsten jüdischen Organisation in den USA, sieht die Anzeigen als "großangelegten, ungerechtfertigten Angriff auf die demokratische Regierung Deutschlands". Die Sekte "unternimmt alles, um sich an einer Regierung zu rächen, die Maßnahmen gegen sie ergriffen hat", schrieb Foxman an die "New York Times". Ober-Scientologe Heber Jentzsch warf Foxman daraufhin brieflich vor, "faschistische Handlungen" in Deutschland zu unterstützen. "Wachen Sie auf, Mr. Foxman", erregt sich Jentzsch in seiner Korrespondenz, in der er weder Lübeck ("Leubeck") noch den Namen von Arbeitsminister Norbert Blüm ("Bleum") richtig schreibt. "Riechen Sie das verbrannte Fleisch der Türken, die in Feuern ums Leben kamen, die ihre geliebte deutsche Demokratie gelegt hat?"
Ausgebrütet wurde die Anzeigenkampagne in der Scientology-Niederlassung in Los Angeles. Die Texte verfaßte Pressesprecherin Leisa Goodman: "Den Mitgliedern unserer Gemeinde werden grundlegende Menschenrechte verweigert. Das läßt sich nur damit vergleichen, was den Juden angetan wurde." Sie behauptet, die Anzeigen spiegelten die Lage in der Bundesrepublik "exakt" wider. "Die Texte hätten noch polemischer sein können."
Marcia Rudin, die das Hilfswerk International Cult Education Program in New York leitet, meint: "Als Jüdin fühle ich mich besonders beleidigt, daß Scientology den Holocaust benutzt. Aber es ist typisch fuer Sekten, sich als Opfer darzustellen."
Ehemalige Scientology-Anhänger, die heute ein Auge auf die Sekte haben, finden die Inserate schlicht "abscheulich". Lawrence Wollersheim, der "nach elf Jahren Gehirnwäsche zugrunde gerichtet" war, sieht in der Propaganda das wahre Gesicht der Sekte. "Die wirklichen Nazis sind die Scientologen", sagt der Amerikaner, der vor zwei Jahren eine kostenlose, per Internet zugängliche Datenbank über die Organisation einrichtete (http://www.cybercom.net/~rnewman/scientology/home.html).
[Hinweis: Dies ist fehlerhaft. Ron Newman hat mit Wollersheim nichts zu tun, auch wenn beide ähnliche Ziele zu tun.]
Im politischen Establishment der USA ist der Scientology-Feldzug indes aufgeneigtere Zuhörer gestoßen. Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen griff den Vorwurf der religiösen Verfolgung in einem vierseitigen Bericht auf. Auch das US-Außenministerium vermeldete die Vorwürfe der Sekte ohne jeden Kommentar in seinem Menschenrechts-Report. Aber in einer an einen Senator gerichteten Stellungnahme stellte das US-Außenministerium fest, es lägen keine Beweise vor, "daß es eine von den deutschen Behörden gebilligte Haßkampagne gegen Scientologen oder andere Gruppen gibt".
Das stört Leise Goodman wenig. Die Sektensprecherin weiß: "Scientologen werden niemals nachgeben." Schon Hubbard riet seinen Gefolgsleuten: "Behandle alle kleinen Gefechte wie einen Krieg." In US-Zeitungen ist der fürs erste ausgefochten. Da deutsche Blätter sich weigerten, Inserate zu drucken, denken die Scientologen in Los Angeles nun darüber nach, Anzeigen in Deutschlands Nachbarländern zu schalten. Genügend Geld ist da. Scientology nimmt seiner letzten Steuererklärung zufolge knapp 300 Millionen Dollar (450 Millionen Mark) im Jahr ein. Insider schätzen, daß davon bis zu 100 Millionen fuer Werbezwecke ausgegeben werden.
Anfang Mai hat die STAATSANWALTSCHAFT MADRID gegen den internationalen Präsidenten der Scientology Church, HEBER JENTZSCH, und 17 weitere Mitglieder der Organisation ANKLAGE erhoben. Scientology wird in Spanien die Bildung einer VERBOTENEN ORGANISATION vorgeworfen, außerdem Steuerhinterziehung, Amtsmißbrauch, Freiheitsberaubung, Körperverletzung und die Vortäuschung von Straftaten. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt SCIENTOLOGY in ihrer 80seitigen Anklageschrift, den DECKMANTEL der Religion nur zu benutzen, um ihr wahres Ziel, GEWINN zu machen, zu verschleiern. Wann der Prozeß beginnt, steht noch nicht fest
Die Scientology Church warf Deutschland in einer Anzeigenkampagne in US-Zeitungen vor, religiöse Gruppen und rassische Minderheiten zu verfolgen. Vor allem jüdische Organisationen kritisierten dies als plumpen Versuch der Sekte, der in Deutschland immer lauter werdenden Kritik am Scientology-Gebaren zu begegnen