Daß Kirsten Bringel Scientologen ist, haben die Mieter der Allerstaße, deren Wohnungen die Phönix in Eigentumswohnungen wandeln will, herausgefunden. Die Phönix ist eine von mehreren Firmen, die nun auch in Berlin in das lukrative Geschäft mit der Umwandlung von Mietwohnungen eingestiegen sind. Allein in Neukölln sind 14 Häuser betroffen, in Kreuzberg sind es neun, dazu kommen Gebäude in Moabit und Steglitz. Anders als in Kreuzberg, wo die meisten Wohnungen bereits im letzten Sommer verkauft wurden, machen die Neuköllner in einem Bündnis gegen die Umwandler mobil.
In der Allerstraße 4 hängen seit zwei Wochen Transparente. Für Phönix-Verkäuferin Kirsten Bringel ein Grund mehr, sich zu ärgern. Man solle sich nicht davon beeindrucken lassen, beschwichtigte sie einen mutmaßlichen Kaufinteressenten beim Vorab-Gespräch in der Firmenräumen in der Schlüterstraße 37. Doch die von Mieterbund "aufgestachelten" Mieter der Allerstraße, die hoffen, daß ihr Beispiel Schule macht, haben mit ihrer Aktion bereits mehrere Kaufinteressenten verschreckt. Eine ältere Dame meinte: "Da setze ich mich doch nicht rein, da müßte ich mich ja schämen."
Inzwischen hat der Ring Deutscher Makler angekündigt, einen bundesweiten Unvereinbarkeitsbeschluß mit den Scientology- Firmen zu verabschieden.
Sekte, Schnäppchen, Spekulanten
Die Phönix Immobilien ist neben den Firmen TCG, HIC, GGB, Brix, Lutz, Erber, Prewa, MetaReal, MegaReal und Transwert eine der Firmen, die dem berüchtigten Sektenkonzern Scientology nahestehen und sich dem Spekulationsgeschäft mit dem Verkauf von Mietwohnungen verschrieben haben. Als Eigentümer treten in Berlin meist der Scientologe Leif Böttcher oder aber Robert Böhm sowie deren Firmen auf. In Hamburg, wo zudem Götz Brase agiert, haben die Sektenumwandler nach Angaben des dortigen Mietervereins bereits 50 Prozent des Umwandlungsmarktes unter Kontrolle.
Daß es in Berlin gar nicht erst so weit kommen darf, ist das Ziel einer Initiative, die sich vor drei Wochen in Neukölln gegründet hat. Während im vergangenen Sommer die Umwandlung mehrerer Kreuzberger Häuser in der Muskauer Straße und in der Falckensteinstraße durch die Firmen GGB und HIC fast lautlos über die Bühne gegangen war, hat das Neuköllner Bündnis die Öffentlichkeit mobilisiert. Bis zu 80 Anrufe täglich gehen bei der Mieterberatungsfirma ASM ein. "Meist sind es Kaufinteressenten oder Mieter, die Rat suchen", berichtet ASM- Mitarbeiterin Ursula Dyckhoff. "Zunehmend melden sich aber auch skeptische Voreigentümer."
Neben den Umwandlungen interessiert sich Ursula Dyckhoff auch für die Psychopraktiken der Sekte. "Wer sich wehrt, steigert seinen Preis. Wer klein beigibt, zahlt oft noch drauf", hat sie festgestellt. 1.500 Mark kostete einer Neuköllnerin die nutzlose Broschüre der von den Umwandlern empfohlenen Firma "Prowofi". Darin wird Ausländern unter anderem geraten, dem Vermieter gegenüber nur den Geburtsort zu nennen. Jemand, der aus Venedig komme, wecke schließlich "positive gedankliche Verbindungen", ein Italiener dagegen nicht.
Die Aktivitäten des Bündnisses haben bereits Wirkung gezeigt: Auf der kommenden Maklertagung in Essen will der Ring Deutscher Makler (RDM) einen Unvereinbarkeitsbeschluß mit den schwarzen Schafen herbeiführen. Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) ging auf Distanz: Scientology, hieß es auf einer Veranstaltung zum Thema "Sicherheit in der Wirtschaft", habe mit einer Kirche so viel gemeinsam wie die IHK mit der Mafia. Die Wirtschaftsorganisation WISE des Sektenkonzerns, ergänzte die Hamburger Sektenbeauftragte, zeichne sich durch "organisierte Kriminalität, Steuerhinterziehung, Betrug und Konkursverschleppung" aus.
In den weißgetünchten Räumen der Phönix freilich geht scheinbar alles mit rechten Dingen zu. Nachdem Kirsten Bringel sich die Antworten der Kaufinteressenten notiert hat, gibt sie gerne selbst Auskunft. Sie arbeite zwar für mehrere Eigentümer, habe im Moment aber nur drei leerstehende Wohnungen in der Allerstraße 4 im Angebot. "Eine Supergegend", schwärmt sie. Schon jetzt rangiere Neukölln unter allen deutschen Stadtteilen laut Stiftung Warentest auf Platz zwei. Vor München, vor Hamburg, vor Charlottenburg. Um so attraktiver scheint ihr Angebot: Eine Dreiraumwohnung im Vorderhaus, 90 Quadratmeter, leer, für 289.000 Mark.
Das Geschäft mit der Umwandlung boomt. Nicht nur bei den Scientologen. Allein um die Neuköllner Schillerpromenade ist bereits jede fünfte Wohnung umgewandelt oder in der Umwandlung begriffen. Auf den Immobilienseiten der Berliner Tageszeitungen haben die Angebote für Eigentumswohnungen längst den Mietwohnungen den Rang abgelaufen. Die Scientology- nahen Firmen fallen dabei vor allem durch "Schnäppchenangebote" oder den Hinweis "Keine Käufercourtage" auf. Eine vermietete Wohnung ist "als Kapitalanlage" schon für 2.000 Mark pro Quadratmeter zu haben, freie Wohnungen sind entsprechend teurer.
"Für uns gibt es drei Sorten Mieter", doziert in der Schlüterstraße Scientologin Kirsten Bringel. "Die einen ziehen aus, andere kündigen, die letzten bleiben wohnen." Damit die Käufer wissen, wie lange letztere bleiben, bekommen sie mitunter auch ein "Mieterprofil" ausgehändigt. Für etwas mehr als den Preis einer vermieteten Wohnungen werden darin weitere "Schnäppchen" angepriesen, zum Beispiel, daß die eine Mieterin krebskrank oder die andere bereits 86 Jahre alt ist.
Während sich die Mieter in Neukölln noch mit Händen und Füßen gegen eine Umwandlung wehren, ist in den Kreuzberger Häusern mittlerweile ein Großteil der Wohnungen verkauft. Auch ein schwunghafter Handel mit vermieteten Wohnungen hat inzwischen eingesetzt. Eine Wohnung wurde bereits dreimal verkauft. Andere Eigentümer, wie ein Imbißbesitzer am Lausitzer Platz oder die Firma Convest aus München, haben sich bereits mehrere Wohnungen unter den Nagel gerissen und hoffen nun, sie mit Gewinn weiterverkaufen zu können. Hinzu kommt, daß ein Teil der Mieter die "Auszugsprämie" von bis zu 50.000 Mark angenommen und gekündigt hat. Doch nicht immer bleibt das Schmiergeld in den Händen der Mieter. Von den 30.000 Mark, die eine Mieterin für ihre Kündigung bekommen hat, ging die Hälfte wiederum als Bakschisch beim neuen Vermieter über den Tisch. Den wiederum hatten, wie sollte es anders sein, die Scientology- Umwandler empfohlen.
Die Kreuzberger Hoffnungen ruhen nun auf Neukölln. Daß
den Umwandlern rund um die Schillerpromenade und östlich des
Kottbusser Damms ein anderer Wind ins Gesicht bläst als am
Lausitzer Platz, ist auch Phönix-Verkaufsleiterin Kirsten
Bringel nicht entgangen. Man solle sich von den Transparenten in
der Allerstraße nicht beeindrucken lassen, rät sie
ihren Kaufinteressenten beim Vorab- Termin in der
Schlüterstraße. Schuld an diesem "türkischen
Basar" sei allein der Mieterverein, der - ganz zu Unrecht
natürlich - die Mieter aufgestachelt habe.
Mit der Sekte auf du und du
Wer es ablehnt, seine Wohnung zu kaufen oder auszuziehen, wird unter Druck gesetzt und bekommt ständig Besuch von Kaufinteressenten.
Oft halten die Scientologen die Mehrheit in der künftigen Wohnungseigentümergemeinschaft. Andere Eigentümer haben dadurch keine Möglichkeiten, Modernisierungen abzulehnen. Es ist ein Fall bekannt, wo einer Eigentümerin angekündigt wurde, anteilig für die 1,6 Millionen Mark teure Modernisierung aufzukommen.
Häufig werden auch Dachrohlinge verkauft, obwohl keine Ausbaugenehmigung vorhanden ist.
Die Geschäfte werden zumeist von Notaren abgewickelt, die von den Vertriebsfirmen vorgeschlagen werden. Kaufinteressenten sollten darauf achten, ob sie auf alle Eventualitäten aufmerksam gemacht werden. Ist dies nicht der Fall, verstößt der Notar gegen die neueste Rechtssprechung des BGH.
Die Anträge auf Abgeschlossenheitsbescheinigungen werden zumeist von der immergleichen Person gestellt.
Häufig wechselt dagegen die Verwaltung oder der Hauseigentümer. Viele Firmen sind als "Gesellschaft bürgerlichen Rechts" (GbR) oder Einpersonengesellschaften nicht im Handelsregister eingetragen.
In Kreuzberg haben Betroffene ein Infotelefon eingerichtet. Es ist
mittwochs von 19 bis 21 Uhr unter der 612 60 30 besetzt.
Auskünfte in Neukölln über ASM. Telefon: 687 00 49.
"Möglichst effektiv diffamieren"
Die Allerstraße 4 ist eines von mittlerweile 14 Neuköllner Häusern, denen die Umwandlung durch Scientology-nahe Firmen droht. Eine Rechnung freilich, die Eigentümer ohne die Mieter gemacht haben. "Von den 23 Mietparteien im Haus", erzählt eine Mieterin, "wollen nur zwei ausziehen, und kein einziger will seine eigene Wohnung kaufen."
Die Reaktionen der Phönix ließen nicht lange auf sich warten. Vergangenen Mittwoch sind die Transparente im Parterre verschwunden. Auch die Wandzeitung im Treppenhaus, die bislang die Kaufinteressenten vor den Praktiken der Sekte gewarnt hatten, sind weg. "Die haben Angst, daß sie ihre Wohnungen nicht verkaufen können", vermutet eine Mieterin. Daß die Phönix mittlerweile nervös geworden ist, zeigt ein Schreiben von Kirsten Bringel, die sich im Hinterhaus ihr Büro eingerichtet hat: "Wir haben zur Kenntnis genommen, daß einige Mieter mit dem Umstand der Umwandlung nicht einverstanden sind." Offenbar sei die Aktion nur dazu da, um "die Interessen einiger weniger Mieter zu steigern", versucht die Scientologin Zwietracht zu säen.
Die MieterInnen der Allerstraße 4 reagieren mit Gelassenheit. Seit nunmehr drei Wochen wissen sie, daß ihr Haus umgewandelt werden soll. Die Firma Phönix war bis dato nicht bekannt. Der Hinweis auf das Netzwerk der Sektenumwandler ergab sich erst durch einen Blick ins Grundbuch. Eigentümer ist Robert Böhm. Für die Bewohner Grund genug, sich sofort dem Neuköllner Aktionsbündnis anzuschließen.
Vor kurzem schließlich gelang den Bewohnern der große Coup. Kurz nachdem sie zum ersten Mal Transparente aufgehängt hatten, bekamen sie die Passagierliste des Scientology-Kreuzers "Freewind" in die Hände. Mit dabei: Kirsten Bringel, Verkaufsleiterin der Firma Phönix und zusammen mit Ralf Richter für Mietergespräche und Kaufinteressenten zuständig. Nachdem Bringel von den Mietern zur Rede gestellt wurde, trat sie schließlich die Flucht nach vorne an. "Wir können uns dem Gefühl [sic! der K.] nicht erwehren", heißt es in einem Schreiben an die Mieter, "daß gezielt das Thema Scientology genutzt wird, um möglichst effektiv zu diffamieren."
Es folgt der Scientology-typische Verweis auf die "Religionsfreiheit": "Wir fragen uns, ob es ebenso möglich wäre, Firmen anzugreifen, wenn sie Mitarbeiter von anderen Religionsgemeinschaften, wie zum Beispiel Moslems, Mohammedaner, Buddhisten oder Juden beschäftigen würden." Kirsten Bringel jedenfalls steht unter Druck. Viele Kaufinteressenten winken ab, wenn sie vor dem Haus stehen. Aber auch andernorts wächst das Unbehagen. Immerhin verfügt eine Wohnung der Allerstraße über eine Außentoilette und hätte nicht umgewandelt werden dürfen. Die SPD-Abgeordnete Pickert hat bereits angekündigt, das Thema im Parlament zur Sprache zu bringen.
Daß die Phönix mit falschen Karten spielt, ist nichts Neues. Eine von drei Wohnungen, die gegenüber Kaufinteressenten als frei angepriesen werden, ist überhaupt nicht rechtswirksam gekündigt. Auch Scheinmietverträge, meint das Neuköllner Bündnis, seien üblich, um Bußgelddrohungen wegen Leerstands abzuwenden. Mittlerweile stehen in der Selchower Straße 22 acht Wohnungen leer.
Daß das Ringen gegen die Scientologen nicht erfolglos bleiben muß, wissen die Neuköllner von der "Brase-Initiative" aus Hamburg. Dort hat eine Scientology-nahe Firma ein Haus entnervt verkauft. Ein Fall, der demnächst auch in Berlin Schule machen könnte. Am Lausitzer Platz in Kreuzberg gibt es Streit zwischen dem Voreigentümer und dem Käufer. Sollte der Altbesitzer aus dem Kaufvertrag zurücktreten, käme dies für die Scientologen einem Debakel gleich. Schließlich ist das Haus bereits umgewandelt und ein Teil der Wohnungen mehrfach verkauft.