Folgender Text von Goswin Baumhögger, Ratsmitglied der Deutschen Buddhistischen Union wurde in den Lotusblättern, Ausgabe 1/1996, S. 59 - 61 veröffentlicht und befaßt sich mit Behauptungen der Scientology zum Buddhismus. Darin wird u.a. behauptet, daß Scientology eine buddhistische Tradition sei. Die DBU hält es für angebracht, in diesem Zusammenhang einige deutliche und den Sachverhalt klärende Aussagen zu veröffentlichen.

Nach Rücksprache mit Regine Leisner, Redakteurin der Lotusblätter und Vorstandsmitglied der DBU, wird der Artikel von G. Baumhögger hier zitiert und nochmals betont, daß keinerlei Verbindungen zwischen der DBU und jedweder buddhistischen Tradition einerseits und der Scientology andererseits bestehen, und zwar weder formal, noch inhaltlich.

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Mit freundlichen Grüßen,

Johannes B. Tümmers
Email: jb.tuemmers@uni-koeln.de
Buddhistische Studien: http://www.uni-koeln.de/phil-fak/indologie/buddha.htm


Scientology - ein Problem für Buddhisten?

Immer wieder werden an den Rat der DBU Anfragen wegen der Aktivitäten des Psychokonzerns der Scientologen herangetragen. Wie es scheint, bezeichnen sich die Scientology Anhänger als Buddhisten, ohne daß es dafür in ihrer Lehre eine Basis gibt, und verursachen dadurch Verwirrung bei Interessenten, die sich in der seriösen Buddhismus-Szene noch nicht so gut auskennen. Ratsmitglied Goswin Baumhögger hat sich des Themas angenommen. Hier sein Bericht.

Gibt es Übereinstimmungen zwischen Scientology und Buddhismus?

Dianetik, Scientology und andere Gruppen, die sich auf L. R. Hubbard berufen, stehen zur Zeit im Sperrfeuer der Kritik, und nicht zu Unrecht. Sie gelten als gefährliche Sekten, die viele verboten wissen wollen.

Zur Lehre der Scientologen und zu den von ihren Gegnern vertretenen Auffassungen gibt es zahlreiche Veröffentlichungen. Ich nenne hier nur die kurze Zusammenfassung von Peter Köpf, Stichwort: Scientology, Heyne Verlag, München 1995, mit einigen Fundstellen (S. 94).

Die Kritiker beanstanden unter anderem, daß die Mitglieder auf die scientologischen Dogmen eingeschworen, in diesem Sinne manipuliert und in ein psychisches Abhängigkeitsverhältnis verwickelt werden. Die Heilmethoden und Therapien, die Scientology dabei anwendet, werden von Medizin, Psychologie und Psychiatrie nicht anerkannt. Interne Geheimdienste, die die Mitglieder überwachen, und das erklärte Ziel, Geld und Macht (wahrscheinlich sogar die Weltregierung, vgl. Köpf, S. 82 ff.) anzustreben, lassen Scientology vollends in einem denkbar ungünstigen Licht erscheinen. Es darf bezweifelt werden, daß in einem solchen System der Weg zur 'absoluten Freiheit' aufgezeigt wird. Es überrascht, daß eine Organisation mit solchen Wertmaßstäben für sich beansprucht, eine Religion bzw. eine religiöse Philosophie zu sein (Köpf, s. 3 1), und daß ihr das zum Teil sogar abgenommen wird.

Die von Scientology erwähnten religiösen Anklänge sind sehr schwach und lassen ein tieferes Verständnis der Religionen vermissen, bei denen die jeweiligen Anleihen gemacht werden. Werner Thiede meint, daß Scientology die Bezeichnung Religion "weder theoretisch noch praktisch verdient" habe (Köpf, S. 35).

Bei Scientology fehlt die Ausrichtung auf eine transzendente Ebene und eine Ethik der Selbstlosigkeit, der Liebe und des Mitgefühls, die alle wahren Religionen auszeichnet. Man findet hier vielmehr eine vom Überlebenskampf geprägte Weltsicht. Kennzeichnend sind die Gier nach Geld und Macht und der Haß, mit dem Andersdenkende und frühere Mitglieder verfolgt werden. Scientology ist darüber hinaus auch der Durchbruch zu einer unvoreingenommenen, dem Dualismus nicht verhafteten Sichtweise, wie sie der Buddha gelehrt hat, nicht gelungen.

Mit den Beziehungen zwischen Scientology und fernöstlichen Religionen hat sich Stephen A. Kent, Soziologe an der University of Alberta, im 'Journal of Contemporary Religion', Nr. 1/ 1996, S. 21 ff., beschäftigt. Er bezeichnet Hubbards Kenntnisse dieser Religionen wiederholt als oberflächlich und ungenau (S. 21, 24, 29/30). Ähnlich haben sich auch Thiede und Burkhart Schröder geäußert (Köpf, S. 35).

Hubbard hat bezeichnenderweise immer dann spirituelle Untertöne ins Spiel gebracht, wenn er oder seine Organisation unter Druck geraten sind. In den fünfziger und sechziger Jahren ging es um Strafverfolgungsmaßnahmen wegen unerlaubter medizinischer Behandlungsmethoden (Kent, S. 30 ff.), später waren auch steuerrechtliche Privilegien ein Motiv für den Gebrauch des religiösen Deckmantels (Aktion Bildungsinformation, ABI, in: Köpf, S. 35).

Kent nennt die Kenntnisse Hubbards über vedische Religiosität, Hinduismus und Taoismus insgesamt oberflächlich (S. 24).Für den Buddhismus kommt er zum gleichen Ergebnis. Er unterstreicht, daß es mit der angeblichen Geistesverwandtschaft nicht weit her ist.

Scientology behauptet, das Werk des Buddha fortzusetzen (so Thiede in: Köpf, S. 32/34). Hubbard will mit 14 Jahren (also um 1925) bei tibetischen Lamas Herkunft und Bestimmung des Menschen studiert haben (Köpf, S. 1 1). Vermutlich handelt es sich hier um einen der vielen phantastischen Züge seiner Autobiographie. Das angebliche Studium hat in seinen Werken keinen Niederschlag gefunden. Hubbard selbst gab als Quellen ausdrücklich die 'orthodoxen' Lehren des Theravada an.

In den frühen fünfziger Jahren erhielt Hubbard eine umfangreiche Bibliothek mystischer und religiöser Schriften. Er ließ diese von einem Mitarbeiter auswerten. Erst von dieser Zeit an hatte er ein gewisses Interesse am Buddhismus (Kent, S. 33). Hubbard vergleicht einen im Sinne von Scientology 'Erlösten' ('Dianetic Release' bzw. 'Clear') mit einem Bodhi (korrekt wäre Bodhisattva). Scientology hat aber schon 1958 verlauten lassen, daß weder Buddha noch Jesus den spirituellen Rang eines 'Operating Thetan' erreicht hätten, sondern lediglich eine Spur über den 'Clear' hinausgelangt seien. Abgesehen davon, daß Scientology mit der Geisteshaltung eines Bodhisattva nicht übereinstimmt, sind die angeblichen buddhistischen Grundlagen erst hier im Sinne der 'Church' konkretisiert und ins übermenschliche gesteigert worden (Kent, S. 25). In einer Schrift aus dem Jahr 1983 wird behauptet, das 'Auditing' Verfahren sei eine Höherentwicklung des Achtfachen Pfades. Diese Parallele ist Kent zu oberflächlich (S. 25).

Scientology bezeichnet sich als gnostische Erlösungsreligion, die den Kampf des Guten gegen das Böse propagiert. Diese Auffassung widerspricht der buddhistischen Ethik. Im Buddhismus wird ein subjektiv geprägter Heilsweg beschritten, der objektiv feststehende Wahrheiten nicht anerkennt. Meditation und Kontemplation sind für Scientology unwesentlich (Kent, S. 25/26). Hubbard betrachtete - übrigens zu Unrecht - die Sanskrit-Worte dhyâna und dharma als nahezu identisch. Dhyâna ist für ihn eine Methode der Erkenntnis (Kent, S. 22/23).

Ein wesentliches Merkmal des Buddhismus ist bekanntlich das Aufgeben von Gier und das Loslassen aller Konzepte. Der Weg der Askese ist Scientology fremd (Kent, S. 26), auch der des maßvollen Lebens. "Von dieser Einstellung" (gemeint ist, nichts festhalten zu wollen) "trennen Scientology Welten" (Thiede in: Köpf, S. 35). Monastische Disziplin und das ausgeklügelte Strafensystem der Scientologen sind kaum ernsthaft miteinander vergleichbar.

Die Ausschaltung von Engrammen (Traumata bzw. belastende Reizeindrücke des Zentralnervensystems) bei Scientology hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Unterdrückung unheilsamer Tendenzen im Buddhismus. Scientology erstickt dabei aber die Individualität der Persönlichkeit, die im Buddhismus erhalten und entwickelt werden soll (Kent, S. 27).

Die bei Scientology gelehrten übernatürlichen Fähigkeiten, die ein 'Operating Thetan' erwirbt, sind Zutaten aus dem Bereich der Science Fiction. Der Buddha lehrte, daß solche Fähigkeiten (iddhis), wenn sie sozusagen als Nebenprodukte des spirituellen Weges auftreten, nur ausnahmsweise und nicht in der Öffentlichkeit genutzt werden sollen (Kent, S . 27). Sehr eingehend befaßt sich Kent mit der von Hubbard aufgestellten Legende, er sei Maitreya/Metteya (S. 27/28). Er weist nach, daß die buddhistischen Prophezeiungen (z. B. im Cakkavattisihanadasuttanta) mit Hubbards Darlegungen nicht übereinstimmen. Er bemerkt dazu weiter, daß die Legende erst auf eine Anfrage zweier älterer Damen hin entstanden ist, die Hubbard und Maitreya in Beziehung miteinander brachten. Die Haltung Hubbards, sich (wieder einmal) selbst zu glorifizieren, entspricht im übrigen nicht der Bescheidenheit und Demut eines Buddhisten.

Auch die von Hubbard aufgegriffene Wiedergeburtslehre wird bei Scientology in anderem Sinne wiedergegeben als im Buddhismus. Der Buddha hatte sich entschieden gegen die vedischen Lehren über ein ewiges, unveränderliches Ich gewandt. Hubbard greift dagegen mit dem 'Thetan' genau dieses Ich, den âtman, wieder auf.

Nirvana schließlich ist ausdrücklich keines der Ziele von Scientology, sondern wird als Weg des totalen Fehlschlags angesehen. "Wir sind Scientologen. Wir werden nicht in den Abgrund fallen. Und wir werden nicht in Nirvana eingehen. Wir haben Meter (Meßgeräte) und einen Plan. Wir kennen die Regeln und den Weg" (Hubbard, zitiert nach Kent, S. 29).

Nach alledem dürfte klargeworden sein, daß die behaupteten Verbindungen zwischen Scientology und Buddhismus reiner Zweckopportunismus sind, und daß die grundlegenden Lehren des Buddhismus von Scientology entweder gar nicht angestrebt oder aber mißverstanden werden.