Johannische Kirche

Autor: Winfried Müller
Stand: 2001

Aus religionswissenschaftlicher Sicht handelt es sich bei der Johannischen Kirche um eine christliche Sekte. Sie wurde am 15. 4. 1926 als "Evangelisch-Johannische Kirche nach der Offenbarung St. Johannis" von Joseph Weißenberg (1855 - 1941) in Berlin gegründet. Die Person Joseph Weißenbergs steht in der Mitte des Glaubens dieser Gruppe. So heißt es im Glaubensbekenntnis:

Geschichte

"Ich glaube an Gottes Offenbarungen durch Mose, Jesus Christus und Joseph Weißenberg"

Joseph Weißenberg wurde am 24. 8. 1855 in Fehebeutel (Schlesien) als Sohn einer armen Landarbeiterfamilie geboren. Seine Kindheit verbrachte er bei einem Schäfer, von dem er wahrscheinlich auch seine späteren Fähigkeiten in der Naturheilkunde erwarb. So spielte in der Heiltätigkeit Quark eine große Rolle. Nach seiner Maurerlehre und der Militärzeit ging er 1883 nach Berlin, wo er auch seßhaft wurde. 1903 erlebte er seine Berufung, in der ihm Christus auftrug, sich fortan nur noch um geistige Dinge zu kümmern. Er eröffnete kurz darauf eine Praxis als Heilmagnetiseur, wir würden heute sagen, er wurde Heilpraktiker. Seine erfolgreichen Heilungen machten ihn weit bekannt und die Zahl seiner Bewunderer wuchs ständig.

1904 schlossen sich seine Anhänger in der "Vereinigung ernster Forscher von Diesseits nach Jenseits, wahrer Anhänger der christlichen Kirchen" zusammen. Weißenberg ließ nach dem Zeitgeschmack in den Versammlungen "jenseitige Geistfreunde" sprechen. Hier wurden wohl Anleihen bei der Spiritualität spiritistischer Seancen genommen, obwohl Weißenberg das immer kategorisch leugnete. Er begründete diese Praxis als Fortführung des neutestamentlichen Pfingstgeschehens.

Nach anfänglichen Verfolgungen durch den preußischen Staat konnte sich die Gemeinschaft in der Weimarer Republik frei entfalten. 1920 wurde südlich von Berlin in den Glauer Bergen die "Friedensstadt" gegründet, ein eigenes Siedlungswerk. Nach Spannungen mit der Evangelischen Kirche traten Weißenberg und seine Anhänger 1924 aus der Kirche aus. 1934 wurden in Deutschland etwa 100 000 Anhänger in 400 Gemeinden gezählt. Am 28. 4. 1932 berief Weißenberg seine älteste Tochter Frieda Müller (geb. 1911) zu seiner Nachfolgerin. Am 17. 1. 1935 wurde die Evangelisch-Johannische Kirche verboten und Weißenberg wegen staatsfeindlicher Tätigkeit angeklagt und zu mehrjähriger Zuchthausstrafe verurteilt. Er starb am 6. März 1941 in der Verbannung.

Nach dem II. Weltkrieg wurde die Gemeinschaft durch Frieda Müller neu gegründet. Dabei wurde der verstorbene Weißenberg als Inkarnation des Heiligen Geistes deutlich in den Mittelpunkt der Glaubensaussagen gerückt. Bedingt durch die Teilung Deutschlands entstanden zwei Zentren des geistlichen Lebens, das St. Michaelsheim in Berlin (West) und die Siedlung Waldfrieden in Blankensee (DDR). 1961 bestimmte Frieda Müller ihre Tochter Josephine (geb. 1949) zur Nachfolgerin. 1975 wurde offiziell die Bezeichnung Johannische Kirche angenommen. Die Gemeinschaft entfaltete eine von beiden deutschen Staaten anerkannte karitative Arbeit. In der DDR war die Gruppe ob dieses Engagenments staatlich hoch angesehen und wurde in der Kirchenpolitik des SED-Staates im gleichen Atemzug mit der Evangelischen und Katholischen Kirche genannt. Besonders die CDU der DDR bemühte sich um eine intensive politische Einbindung der Johannischen Kirche. So verging kaum eine größere CDU-Veranstaltung, in der nicht die Johannische Kirche ihre Staatsnähe unter Beweis stellte. Dieser Teil der Geschichte der Johannischen Kirche läßt sich sehr gut in der CDU-Publikationsreihe "Hefte aus Burgscheidung" nachlesen.

Durch die Verfolgung in der Hitlerzeit war die Gemeinschaft sehr stark dezimiert worden, so daß um 1988 in Westdeutschland 16 Gemeinden mit etwa 2500 Gliedern und in der DDR 40 Gemeinden mit ca. 3500 Gliedern bestanden.

Gemeindeorganisation

Die Johannische Kirche ist wie viele andere christlichen Sekten (z.Bsp. die Zeugen Jehovas) hierarchisch-theokratisch aufgebaut. An der Spitze steht ein Oberhaupt mit der Vollmacht des Heiligen Geistes. Es beruft seinen jeweiligen Nachfolger und ist in allen Glaubens- und Verwaltungsfragen der Gemeinschaft letzte Instanz. Die Kirchenleitung besteht aus dem Oberhaupt, seinem berufenen Nachfolger und je drei berufenen Mitgliedern. Die Johannische Kirche ist ähnlich wie die evangelischen Kirchen in Regionalbezirke geteilt, in Kirchenbezirke und Gemeinden. An der Spitze der Kirchenbezirke stehen Bezirksleiter, an der Spitze der Gemeinden Gemeindeleiter. Die Prediger erhalten in der Regel keine besondere Ausbildung, sind aber meist hauptberuflich für die Gemeinde tätig. Johannische Gemeinden verstehen sich als Glaubens- und Lebensgemeinschaften im urchristlichen Sinn. Neben den sonntäglichen Gottesdiensten spielt die abendliche "Feierstunde des Geistes" eine wichtige Rolle. Kontakte zu den christlichen Kirchen werden nicht abgelehnt, aber auch nicht gesucht.

Lehre

Im Mittelpunkt der Lehre steht stehen Jesus und Joseph Weißenberg. Die Bibel wird als "Richtschnur der menschlichen Daseinsstufe" angesehen, die Übersetzung Martin Luthers ist hoch angesehen. Aus den "Geistfreundreden" Weißenbergs, die als Kundgaben von Engeln und Verstorbenen angesehen werden, wird gegenwärtig das "Dritte Testament" erstellt. Die Gemeinde versteht sich als wiedererrichtete urchristliche Gemeinde auf spiritualistischer Grundlage. Die Lehrbesondrheiten umfassen drei Komplexe:

  1. Die Errichtung der Urkirche durch Weißenberg im Zeitalter des Heiligen Geistes.
  2. Das Fortleben der Seele nach dem Tode.
  3. Die Lehre von der Wiederverkörperung (Reinkarnation) der Persönlichkeit.

Die Heilsgeschichte wird als großer kosmologischer Prozeß beschrieben der mit dem Fall eines Teils der Engel begann und mit der Rückkehr aller zu Gott endet. Lehre und Leben in der Johannischen Kirche soll dem Einzelnen auf seinem Erlösungsweg durch Amtshandlungen und Sakramente helfen. Es gibt vier Sakramente:

  1. Die Taufe durch Handauflegung. Sie "verbindet mit Gott zu einem neuen Glaubensweg".
  2. Das einmal jährlich gefeierte Abendmahl, welches als Liebesmahl und "Kraftquell für die Seele" verstanden wird.
  3. Das Sakrament der geistigen Heilung, es "wirkt göttliche Liebe, erlösend und erleichtert Lasten"
  4. Das Sakrament des Sterbens. In ihm vollzieht sich die Vorbereitung auf das ewige Leben.