Berlin (taz) - Die Mitarbeiter des Internet-Dienstleisters "XS4ALL" staunten nicht schlecht: Am Dienstag mittag kamen Gerichtsvollzieher, Polizisten, Schlüsseldienst und - zwei Mitarbeiter der Scientology Church aus den USA samt ihrem niederländischen Anwalt zu Besuch. Der Gerichtsvollzieher sollte den Besitzstand der Firma aufnehmen, den Scientology als Sicherheit für Schadenersatzansprüche reklamiert. Als offizieller Grund des Auftritts wurde ein "Anonymous Remailer" genannt. Das System, das weltweites Verbreiten von Nachrichten ohne Benutzernamen gestattet, soll in kritischen Nachrichten Scientology-Dokumente zitiert haben, deren Copyright die Sekte beansprucht. "Die Szene hier war aber ganz merkwürdig", berichtet ein Mitarbeiter von XS4ALL, "es ging überhaupt nicht um den Remailer, Sie wollten plötzlich etwas ganz anderes. Einer unserer Kunden hat Scientology- Informationen bereitgehalten. Die Sektenvertreter haben angeboten, jede Verfolgung einzustellen, wenn wir diese Seite löschen."
Nach übereinstimmender Rechtsauffassung aller Anbieter von Internet-Dienstleistungen ist für den Inhalt eines Informationsangebotes jedoch allein der Kunde verantwortlich. "Scientology will die Dienstleister dazu erpressen, daß sie ihre Kunden zensieren", vermutet der XS4ALL-Mitarbeiter.