Ohne Widerstand ließen die Anhänger Schäfers 30 Polizisten auf das Gelände und führten sie sogar durch die Einrichtungen. Nach Schäfer fahndet die Polizei mit einem internationalem Haftbefehl wegen der Vergewaltigung eines zwölfjährigen Jungen.
"Das war keine Razzia, die Aktion diente der Informationsbeschaffung", sagte der Einsatzleiter. Bei strömenden Regen sicherten 50 Polizisten die Zufahrtswege der Sekte ab, während ihre 30 Kollegen auf das 1 300 Quadratkilometer große Gelände vordrangen.
Zu Beginn des Polizei-Einsatzes warnte die Sekte ihre Mitglieder mit Glockengeläut und Feuersignalen vor den Beamten. Nach rund viereinhalb Stunden rückte die Polizei offensichtlich unverrichteter Dinge von dem Gelände ab, niemand wurde festgenommen.
In der vergangenen Woche hatte es Schäfer in einem Brief abgelehnt, sich der Polizei zu stellen. Chiles Innenminister Carlos Figueroa bezeichnete in einer ersten Reaktion die Polizeiaktion als "außergewöhnlich". Die Polizei müsse nach Schäfer fahnden, da er sich nicht den Gerichten präsentieren wolle, sagte der Minister.
Beobachter waren aber der Ansicht, daß möglicherweise nur halbherzig nach dem Deutschen gesucht wurde. Denn nach Expertenmeinung ist hierfür Luftunterstützung sowie eine deutlich höhere Zahl von Polizisten notwendig. Das Gebiet, 400 Kilometer südlich von Santiago, ist rund 1 300 Quadratkilometer groß.
Während der Militärdiktatur (1973-1990) hatte der inzwischen aufgelöste Geheimdienst Dina auf dem Sektengeländer linksgerichtete Regimegegner gefoltert und möglicherweise ermordet. Auch nach Wiedereinführung der Demokratie hörten Vorwürfe über schwere Menschenrechtsverletzungen in der Colonia Dignidad nicht auf. Auf dem Gebiet sollen rund 300 Deutsche oder Deutschstämmige leben.
©dpa 202038 Mai 97