Santiago de Chile (dpa) - Zum ersten Mal seit Beginn seiner Flucht vor mehr als acht Monaten hat sich der deutsche Chef der Colonia Dignidad-Sekte, Paul Schäfer, in Chile über einen Mittelsmann zur Wort gemeldet und es dabei strikt abgelehnt, sich der Polizei zu stellen.
Der Direktor des Krankenhauses der Sekte, Hartmut Hopp, verlas am Donnerstag in Parral, 400 Kilometer südlich von Santiago, einen Brief Schäfers, in dem der 76jährige Deutsche erklärte, er müsse um sein Leben fürchten, wenn er sich stelle. Der Kriminalpolizei in die Hände zu fallen, sei gleichbedeutend mit seinem Tod.
Schäfer ließ weiter dementieren, daß er Kinder mißbraucht habe. "Die Kinder sind von der Kriminalpolizei zu dahingehenden Aussagen gezwungen worden", sagte Hopp im Namen Schäfers. Nach Schäfer fahndet die Polizei mit einem internationalen Haftbefehl wegen Kindesmißbrauchs. Schäfer wird auf dem 1 300 Quadratkilometer großen Gelände der Sekte 400 Kilometer südlich von Santiago vermutet.
Zwei Mitglieder der Colonia Dignidad hatten sich am Mittwoch abend (Ortszeit) unweit des Sektengeländes in Südchile der Polizei gestellt. Bei den zwei Männern handelt es sich um Leibwächter Schäfers.
Fünf Anwälte, die seit Jahren Schäfer und die Colonia Dignidad rechtlich vertreten, legten ihr Mandat offiziell in Parral nieder. "Vielleicht erfahren wir nun, was die Colonia Dignidad versteckt", kommentierten Justizkreise diesen Schritt.
Menschenrechts-Organisationen werfen der Colonia Dignidad Folter und Mord während der Militärdiktatur (1973-1989) vor. Derzeit sind mehrere Verfahren wegen Unzucht an Minderjährigen anhängig.
©dpa 152046 Mai 97