Die Yamagishi-Bewegung
AU: Trenkel, Eduard:
TI: Yamagishi - Bewegung kauft Hofgut bei Bad Hersfeld - Sorga
PP: Kassel
PY: 1993
Durch Presse- und Rundfunkberichte wurde bekannt, daß die Yamagishi-Ver-
einigung das Hofgut Oberrode und die dazugehoerenden Laendereien gekauft
hat. Sie will dort, wie sie selbst angibt, einen landwirtschaftlichen Pro-
duktions- und Vermarktungsbetrieb aufbauen. Als Selbstbeschreibung gibt sie
an: "Die Yamagishi-Bewegung ist weder religioes noch politisch. Ihr Ziel ist
eine freundliche Welt, in der alle Menschen und die Natur miteinander ge-
deihen und sich entwickeln." (aus einem Original-Info der Bewegung ohne
Datum/ohne Jahr).
Niemand wird gegen diese Zielsetzung etwas einzuwenden haben. Fragwuerdig
erscheint jedoch die Selbsteinschaetzung auf dem Hintergrund der Geschichte
der Bewegung und der Berichte Betroffener.
Verwirklicht die Yamagishi-Bewegung lediglich eine alternative Form land-
wirtschaftlicher Produktion und Vermarktung oder steckt mehr dahinter? , war
die Fragestellung der Anrufer, die mich in den letzten Tagen erreichten.
Die YAMAGISHI-Vereinigung
Entwicklungsgeschichte:
Am Anfang des "Yamagishismus" steht nach Angaben der Gruppe ein Wunder:
waehrend eines Taifuns im Jahre 1950 seien die Reisfelder des Bauern
Miyozo Yamagishi als einzhige vor der Zerstoerung bewahrt worden, weil er in
seiner Landwirtschaft besonders auf die Hamonie zwischen Mensch und Natur
geachtet habe. Das eigene Glueck und das Unglueck der anderen habe ihn zum
Nachdenken darueber gebracht, wie alle Menschen gluecklich werden koennten.
1953 wird der Yamagishismus offiziell in Japan gegruendet und als eine Neu-
religion dort registriert.
Weltanschauung:
Der Yamagishismus lehrt die "Einkoerperwelt". Alle Unterscheidungen sind
irreal. Ziel ist die Vermittlung des "Einheitsbewusstseins (ittai), das
Bewusstsein, it allem eins zu sein.
Heiterkeit gilt als "der natuerliche Zustand des Menschen". Aus dieser
Ueberzeugung entstanden die Heiter-Heiter-Treffen (s. Findungshilfe Haack,
S. 281).
Immer wieder betont die Gruppierung, Yamagishismus sei weder Religion noch
Weltanschauung oder politische Ueberzeugung, sondern eine "funktionierende
Praxis" mit dem Ziel der Verwirklichung der "Heiter-Heiter-Welt" durch
"herbeifuehren einer bestaendigen, behaglichen Gesellschaft, reich an Guetern
guter Gesundheit und Liebe durch das Schaffen von Harmonie zwischen der
Natur und der menschlichen Taetigkeit zwischen Himmel, Erde und Menschen"
(so ein Ausstellungsprospekt der Gruppe 11/91).
Dass dieser Anspruch ueber die alleinige Form alternativer Landwirtschaft
hinausgeht und sich revolutionaer weltveraendernd versteht, ergibt sich m.E.
von selbst.
Mitgliedschaft:
Mitglied wird man durch Initiation (Tokkoh) und regelmaessige Teilnahme an
den Kensan-Treffen.
Yamagishismus ist "eine Ansammlung einzelner Menschen, die nach der Grund-
idee der Weltanschauung (Hervorhebung durch den Verfasser) handeln, dass
das Universum, die Natur und alle Menschen ein Koerper sind." (Selbstdar-
stellung der Yamagishi-Vereinigung, Schweiz 1987)
Organisationsformen:
Zum Teil leben die Mitglieder zur Verwirklichung der "Einkoerperwelt" in den
neu geschaffenen Doerfern zusammen in den "Jikkendis" = das glueckliche
Dorf der herzlichen Beziehungen, "in dem kein Geld noetig ist".
Weltweit soll es 50 solcher Jikkendis geben, je eins in Korea, Tailand,
Brasilien und der Schweiz und Jetzt, nach dem Scheitern eines Projektes in
Thueringen, wohl auch in Oberrode, der Rest der Doerfer befindet sich in
Japan.
Einzelmitglieder, die ausserhalb der Doerfer leben, sind beauftragt, ihre
Umwelt im Sinne der Einkoerperwelt zu verwandeln.
Oeffentlichkeitsarbeit:
- Geworben wird u.a. an Universitaeten fuer "Denk-Seminare", in denen
eine praktische Methode zur Entfaltung persoenlicher Faehigkeiten
gelehrt werden soll.
- Kensan-Treffen (frueher Heiter-Heiter-Treffen)
Diese Versammlungen sollen gegenseitigen Beratungen dienen und werden
als Studium bezeichnet, das nie aufhoert. Eine Besonderheit sind,
waehrend dieser Treffen, Mitteilungen von Kurzparolen an den Einzelnen
als Aufgabenstellung fuer die Zukunft sowie als Ratschlag zur
Bewaeltigung dieser Aufgaben. Diese Form von gegenseitigen
Beratungstreffen findet man auch in anderen japanischen
Neureligionen.
- Tokkoh
Die Tokkoh-Treffen sind einwoechige Intensivkurse, die zum Teil der
Vorbereitung der Initiation von Teilnehmern dienen.
"In diesem besonderen Kurs gibt es weder Lehrer noch Dozenten. Es ist
keine Erklaerung oder Belehrung ueber Yamagishi, sondern es geht darum,
sich mit seiner eigenen Kraft einen Weg in eine neue Welt zu bahnen,
indem man die Moeglichkeit und Zeit wahrnimmt, einmal tief sein
bisheriges Tun und die Art seines Denkens zu untersuchen. Man kann
verstehen lernen,im Sinne, ein materiell und geistig wirklich reiches
Leben in einer neuen
Gesellschaft zu verwirklichen." (Tokkoh-Prospekt 11/91)
Betroffenenberichte sagen aus, dass Teilnehmer an den Tokkoh-Treffen
stark veraendert erscheinen, z.T. ist es nach den Berichten auch zum
Abbruch bisheriger Lebensplanungen, des Studiums, Ausbildung etc. ge-
kommen.
Landwirtschaft:
Die Landwirtschaft nimmt eine zentrale Bedeutung als Praxisarm der Bewegung
ein. Die Errichtung der Betriebe bedeutet, Keime fuer die Einkoerperwelt zu
legen. Deshalb sind auch die erwirtschafteten Produkte an sich bedeutsam. Sie
werden als "wahre Dinge" geglaubt, die ihre Konsumenten instandsetzen,
"Kreise herzlicher Beziehungen in ihrer Umgebung und in der ganzen Gesell-
schaft (zu) verbreiten."
Yamagishi-Kinderparadiese:
In den einwoechigen Kinderaufenthalten, die fuer die Kinder von Gruppenmit-
gliedern, wie aber auch fuer Aussenstehende offen sind, kommt ein besonderes
Anliegen der Gruppierung zum tragen. "Sie (die Kinder) kommen durch ver-
schiedene Aktivitaeten mit den wirklichen Dingen in Beruehrung und fangen
ganz natuerlich und ohne Belehrung an, ihnen Sorge zu tragen. Das Kinderpara-
dies ist so geplant, dass sich Gelegenheiten ergeben, die Sinne zu entwickeln
durch Spueren der Natur, Tiere und Pflanzen und im Miteinander als Teil der
Kindergesellschaft." (Ausstellungsprospekt 11/91)
Beurteilung:
1. Bei der Yamagishi-Bewegung handelt es sich um eine japanische Neureligion,
mit dem Anspruch, eine neue Gesellscshaftsordnung zu realisieren, zu-
naechst in den eigenen Reihen und durch sie in der ganzen Welt.
2. Die Bewegung fusst auf den Grundsaetzen asiatischer Religiositaet (All-
Einheit etc.). Im Widerspruch zum christlichen Welt- und Menschenbild
stehen u.a. der Weg der Selbsterloesung, der hier versprochen wird, wie
die utopistische Verheissung der innerweltlichen Abschaffung allen
Leidens.
3. Die Praxis der Gruppierung erscheint fragwuerdig: Warum die verdeckte
Werbung (Denkkurse, Landwirtschaft etc. ohne Angabe der wirklichen Ziel-
vorgabe). Unser Grundgesetz garantiert die Freiheit von Religion und
Weltanschauung. Es gibt daheer keinen Anlass, eine religioese oder welt-
anschauliche Ueberzeugung zu verschweigen. Vorsicht scheint deshalb
gegenueber Gruppierungen geboten, die ihr Weltverbesserungsprogramm
verschleiern und hinter Denk Seminaren und landwirtschaftlicher Praxis
verstecken. Interessenten sollten wissen koennen, auf was sie sich wirk-
lich einlassen und vor allem Eltern sollten wissen, wem sie ihre Kinder
anvertrauen. Deshalb scheint es geboten, der Neuansiedlung der Yamagishi-
Bewegung in Oberrode kritisch gegenueber zu stehen und in Zukunft ihre
Praxis aufmerksam zu beobachten.
Benutzte Quellen:
Literatur
- Friedrich Wilhelm Haack:
- Findungshilfe Religion 2000. Muenchen 1990
- Friedrich Wilhelm Haack:
- Gotteskraft in Menschenhand. Muenchen 1988
- Wesentliche Informationen zu Yamagishi verdanke ich dem Beauftragten
fuer Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche in
Berlin-Brandenburg, Pfarrer Thomas Gandow, dem hierfuer ausdruecklich
gedankt sei.
Internetquellen
- Kritisch: Evangelische Informationsstelle: Kirchen Sekten Religionen
- Online im Internet: URL: http://www.ref.ch/zh/infoksr/Yamagishi.html
[Stand: 4.2.99]
- Selbstdarstellung: Yamagishi in der Schweiz
- Online im Internet: URL: http://www.yamagishi.org/ [Stand:
4.2.99]