Philadelphia-Bewegung

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Autor: Winfried Müller
Stand: Juni 2012
  1. Kurztext
  2. Bibliographie
  3. Weblinks

Kurztext

Die Philadelphia-Bewegung versteht sich als konfessionell freies, christliches Werk, dessen rechtlicher Träger der Philadelphia-Verein e.V. mit Sitz in Leonberg ist. Konfessionskundlich gesehen, geht sie einerseits auf den Pietismus des 17. Jahrhunderts zurück, andererseits steht sie der Pfingstbewegung des 20. Jahrhunderts nahe, ohne mit ihr identisch zu sein (vgl. hierzu: Hutten, Kurt: Seher, Grübler, Enthusiasten. Stuttgart: 1982 S. 240f. ).

Mit seinen diakonischen Einrichtungen ist er Mitglied des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Württemberg e. V. mit Sitz in Stuttgart.

Geschichte

Die Philadelphia-Bewegung geht auf Christian Röckle, geboren am 6. 2. 1883 in Eltingen (Württ.) zurück. Nach seinen autobiografischen Nachrichten empfing er 1901 seine göttliche Berufung und empfing im März 1905 die Geisttaufe. Seine Geisttaufe war aber nicht, wie in den Pfingstkirchen üblich, mit Zungenreden verbunden, sondern bei ihm wirkte sich das profetische Moment stärker aus. So hatte er schon 1902 angeblich die Offenbarung erhalten, dass die Wiederkunft Jesu Christi unmittelbar bevorstehe. Dieses Berufungserlebnis hat sein ganzes späteres Leben beeinflusst. Er war 1903 als Missionar des Baseler Missionshauses nach Afrika entsandt worden, wo er bis 1911 arbeitete. Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete er im Dienst des Altpietistischen Gemeinschaftsverbandes und wurde während des Zweiten Weltkrieges auch in der Würtembergischen Landeskirche als stellvertretender Pfarrer eingesetzt. 1941 erhielt er durch "eine Botschaft von oben" seine endgültige "Ausrüstung". In den Philadelphia-Briefen ist hierzu folgendes zu lesen: "... vom Herrn selbst [bekam ich] Unterricht darüber, wie Er seine Gemeinde haben will, wenn Er kommt, und was Er unter der völligen Übergabe versteht." (Philadelphia-Briefe 99/100, 1957 zitiert nach: Hutten, Kurt: Seher, Grübler, Enthusiasten. Stuttgart: 1982 S. 239) Dieses Berufungserlebnis führte bei Röckle zu einer völlig neuen Lebensorientierung. Er widmete sich nun fortan nur noch seiner Profetie. Seit 1946 wurden dann regelmäßig sogenannte "Philadelphia - Konferenzen" abgehalten, der Teilnehmerzahl stetig stieg. Gleichzeitig wurden nach dem Vorbild missionarischer Arbeit eine religiös-organisatiorische Infrastruktur geschaffen, die eine von den Landeskirchen unabhängige Arbeit gewährleistete. Schon 1924 hatte Röckle, noch als Mitarbeiter des Altpietistischen Gemeinschaftsverbandes, den "Christlichen Notbund zur gegenseitigen Hilfe" gegründet, der der Vorläufer der 1929 entstandenen Leonberger Bausparkasse war, die dann 2001 von der Wüstenrot Bausparkasse AG übernommen wurde. Auf diese Erfahrungen aufbauend gründete er 1953 das "Hilfswerk des Philadelphia-Vereins", der die wirtschaftliche Basis für den Philadelphia-Verein bildete. "Mit Röckles Tod [1966] hat die Philadelphia-Bewegung ihre charismatische Führergestalt verloren. Die Zeit des Aufbruchs und der dramatischen Auseinandersetzungen ist längst vorbei. Doch Röckles Erbe ist unter den Anhängern lebendig geblieben. Die Hoffnung auf die Wiederkunft des Herrn prägt den einzelnen ins seinem Bemühen um ein geheiligtes Leben; sie wurde zugleich fruchtbar im diakonischen Dienst der tätigen Liebe." (Hutten, a.a.O S. 245)

Lehre

Zentralpunkt der Lehre ist die Lehre von der Brautgemeinde und ihrer Entrückung vor der großen Trübsal. Hier bezieht sich Röckle auf John Nelson Darby. Sie ist auf die Parusie (= Wiederkunft Christi) orientiert. In den Philadelphia-Briefen von 1957 erwartete man die unmittelbar bevorstehende Wiederkunft. Das endzeitliche Szenarium sieht drei unterschiedliche Schicksale auf die Christenheit zukommen:
  1. die einen werden als "Brautgemeinde" entrückt
  2. die anderen fliehen
  3. die übrigen müssen alle antichristlichen Drangsale erleiden
Aus dieser Dreiteilung ergibt sich in der Lehrpraxis der Philadelphia Bewegung eine Hierarchie an deren Spitze diejenigen stehen, die entrückt werden. Diese stellen die "Brautgemeinde" dar, die übrigen sind nur von minderer "Heiligkeit". Die Lehre konzentriert sich nun auf die "Brautgemeinde". Nach Röckle will Gott der Herr eine Brautgemeinde haben, die "nicht habe einen Flecken oder Runzel" (Eph. 5, 27). Röckle hat aber nie die Identität der Brautgemeinde und der Philadelphia Bewegung betont, sondern verkündete immer, dass die Philadelphia Beweung nur ein Sammelort für solche Christen sei, die danach streben, die Entrückung teilhaftig zu werden.

Aus diesem Ansatz folgt eine methodistische und perfektionistische Theologie: Durch besonders fleissigen Glauben könne man sich der Errettung versichern. Gleichzeitig führte dieser Ansatz zu einem elitären Bewusstsein, nach welchem die "normale" Frömmigkeit christlichen Glaubens nicht ausreiche. Diejenigen, die hier mehr tun, würden mit viel größerer Wahrscheinlichekeit von Gott gerettet werden.

Beurteilung

"Die Philadelphia-Gemeinde ist keine Sekte, sie bildert auch keinen organisierten Gemeinschaftsverband, sondern findet sich in allen Kirchen und Gemeinschaften." (Hutten, a.a.O. S. 240)

Die Philadelphia Bewegung bildet keinen organisierten Gemeinschaftsverband, sondern möchte eine innerkirchliche Bewegung bleiben. Allerdings hat sie durch ihre Nähe zur Pfingstbewegung und zur Wiedertäuferbewegung den Widerspruch sowohl der pietistischen Gemeinschaften als auch der Landeskirche erregt, der schon bald nach 1945 zu einem Bruch mit der pietistischen Gemeinschaft führte. Die Württembergische Landeskirche legte ihm 1952 zwei Fragen vor:

  1. Ob er sich zur Absage an die Wiedertaufe verpflichte
  2. Ob er sich verpflichte, den Geist der Absonderung und Aufspaltung aufzugeben
Da sich Röckle in seiner Antwort nicht eindeutig von der Wiedertaufe distanzierte und die Schuld an den Spaltungen ausschliesslich auf andere zurückführte, war der Boden für eine weitere Zusammenarbeit zwischen Landeskirche und Philadelphia Bewegung entzogen. Die Philadelphia Bewegung ging dann in der weiteren Zeit einen völlig eigenständigen Weg. Das heutige Verhältnis der Evangelischen Kirche zur Philadelphia Bewegung ist distanziert aber nicht unfreundlich. Der wesentliche Streitpunkt ist nach wie vor die Stellung zur Wiedertaufe, die von der Evangelischen Kirche eindeutig abgelehnt wird.

Bibliographie

Deutsche Bibliothek
Röckle, Christian
Hutten, Kurt
Seher, Grübler, Enthusiasten, 12. Aufl.

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Weblinks

Quellenlinks

Philadelphia-Verein
Philadelphia-Verein

Kritische Links

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