Lehre
NLP (Neurolinguistisches Programmieren) ist sicherlich keine gefährliche
Sekte. Allerdings ist NLP seit Jahren auf den Büchertischen des freien
Psychomarktes, der verspricht, den "Gewinnertyp" zu schaffen, zu finden.
Die NLP-Szene in Deutschland ist sehr vielschichtig und selbst für
Fachleute nur schwer zu durchschauen. NLP ist ein Kind des
Verkaufstrainings in Firmen in den siebziger Jahren. Die Begründer der
Methode, die Amerikaner Prof. Dr. John Grinder (Linguistik) und Dr.
Richard Bandler (Mathematik und Psychologie) entwickelten im Rahmen ihrer
Arbeit das sogenannte "Master-Modeling".
Bei diesem Verfahren wurden erfolgreiche Verkäufer in ihrem Verhalten systematisch analysiert, um herauszufinden, ob es typische Verhaltensweisen bei ihnen gäbe, die ein lehrbares Kriterium eines erfolgreichen Verkäufers darstellen. Die hierbei gewonnenen Ergebnisse wurden zu einem Verhaltensmodell zusammengesetzt, welches in Manager-Kursen dann gelehrt wurde.
In der darauf folgenden Zeit entwickelte sich in Amerika, aber auch in Europa, bedingt durch die immer höher bewertete Tätigkeit des Verkaufens und des damit verbundenen Erfolgsdruckes eine sehr weite Verbreitung des Verfahrens, die dann in den achtziger Jahren in die Psychotherapie hinüberschwappte. Grinder und Bandler gingen davon aus, dass allen Sprachen ein "Meta-Modell" des Denkens zu Grunde liegt. Dieses Meta-Modell gibt dem Therapeuten Aufschluss über Denkweise und Störungen der Psyche. Damit, so glaubten die Autoren, könne man über geeignete linguistische und psychologische Techniken über die Sprache die Psyche therapieren.
Wahrnehmungsreize von aussen lösen eine bestimmte gefühlsmässige Reaktion aus: Ein Photo aus dem Urlaub beispielsweise mag angenehme Erinnerungen hervorrufen, das Schrillen einer Schulglocke eher unangenehme. Auch Gerüche, Geschmacksempfindungen oder Berührungen gehen automatisch mit dem Auftauchen bestimmter Gefühle einher und bringen oft längst vergessen Geglaubtes ins Bewusstsein. Dieses Phänomen der Verbindung einer Sinneswahrnehmung mit einem dazugehörigen Gefühl setzt NLP gezielt ein: Der Klient wird aufgefordert, sich sein Problem lebhaft zu vergegenwärtigen. In dem Augenblick, in dem er durch Mimik oder Körperhaltung das negative Gefühl zeigt, das er mit diesem verbindet, drückt der Therapeut irgendeinen Punkt an der Schulter oder am Knie des Klienten. Er ankert damit das Gefühl , das erneut auftaucht, wenn er die Schulter oder das Knie mit demselbsen Druck nochmal berührt. Im nächsten Schritt wird der Klient aufgefordert, sich eine Situation zu vergegenwärtigen, in der er genau die Fähigkeit oder Kraft hatte, die ihm zur Lösung seines aktuellen Problems fehlt. Sobald sich in der Mimik ein positives Gefühl abzeichnet, ankert der Therapeut dieses durch Druck auf die andere Schulter oder das andere Knie. In einem dritten Schritt fordert er den Klienten auf, sich vorzustellen, es stünde ihm für sein Problem eben diese Fähigkeit zur Verfügung. Durch gleichzeitigen Druck auf beide Schultern oder Knie holt er beide geankerten Gefühle heran, so dass diese ineinander verschmelzen. Hierdurch werde auf unerklärliche WEise der in der aktuellen Problemsituation blockierte Zugang zu den eigentlichen stets vorhandenen Lösungskräften frei. (Goldner, Colin: Psycho. Therapien zwischen Seriosität und Scharlatanerie / Colin Goldner. - Augsburg: Pattloch, 1997, S. 250 f.)
Beurteilung
In den achtziger und neunziger Jahren verflachte die Methode dann zunehmend.
Indem NLP nicht mehr nur von ausgebildeten Psychotherapeuten angewandt
wurde, sondern auch von Wirtschaftstrainern, und Quereinsteigern, kam diese
Methode in Diskredit. Die Folge war natürlich, dass ein ursprünglich
wissenschaftlich seriöses Projekt auf den schillernden Markt der "Beratung"
abrutschte: Immer mehr Laien glaubten, in NLP eine leicht einzusetzende
Methode gefunden zu haben, die unabhängig von der Kompetenz des Beraters
funktioniere. Unterstützt wurde das durch den Gedanken des Metamodells der
bei NLP als eine selbständige und zu beeinflussende Grösse in der
menschlichen Psyche vorgestellt wurde.
In der Verflachung und der Inkompetenz der "Berater" dürften auch die Gefahren liegen. Jede psychotherapeutische Methode stellt einen Eingriff in das menschliche Seelenleben dar, der durchaus mit einer chirurgischen Operation verglichen werden kann. Wenn dieser Eingriff durch Kurpfuscher und Dilettanten vorgenommen wird, können sich hieraus schwerwiegende Persönlichkeitsveränderungen ergeben. Wer würde sich von jemandem operieren lassen, der gerade mal einen Abschluss in erster Hilfe im Rahmen der Fahrschulausbildung gemacht hat?
Britta Möller, eine Kennerin der Szene schreibt zu NLP:
"Es hat in der Vergangenheit bereits viele Versuche gegeben, die Ueberlegungen von NLP-Techniken gegenüber anderen Verfahren empirisch zu überprüfen - tatsächlich liegt bereits ein Wust von widersprüchlichen Ergebnissen vor. Bei meinen Versuchen, etwas Zuverlässiges über den praktischen Wert von NLP-Techniken im psychotherapeutischen Bereich herauszufinden, stiess ich auf mehrere Schwierigkeiten, die meine Suche äusserst frustrierend gestaltet haben." (Möller, Britta: NLP: Ein Erlebnisbericht. Neurolinguistisches Programmieren - seriöse Psychotherapie oder Psychotechnik? Impuls Nr. 40 I/1995. Stuttgart: Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, 1995 ISSN: 0344-8959; mit Literaturverzeichnis)