JUGENDRELIGIONEN

"Der Begriff Jugendreligion beschreibt religioese und parareligioese Bewegungen, die nach einem ganz bestimmten Muster konstruiert sind. Die wirklichen Ziele einer als Jugendreligion zu klassifizierenden Bewegung oder Organisation sind in der Regel anderer Art, als die in der Oeffentlichkeit propagierten. Allen Jugendreligionen sind drei Gemeinsamkeiten eigen:

  1. Rettendes Rezept

  2. Gerettete Familie

  3. Heiligen Meister

RETTENDES REZEPT (RR)

zu besitzen, das sowohl die Probleme des einzelnen wie auch die der gesamten menschlichen Gemeinschaft zu loesen vermoege. Wenn dieses RR nicht zum Siege kaeme, gebe es fuer den einzelnen und die Gesamtheit keine wirkliche Ueberlebenschance mehr. Der Untergang drohe un- mittelbar, doch der Sieg des RR wird den Anhaengern als unmittelbar bevor- stehend verkuendet.

Das zweite Kennzeichen einer Jugendreligion ist die

GERETTETE FAMILIE (GF).

Darunter ist der Kreis der Anhaenger zu verstehen, die ganzzeitlich und vollinhaltlich ihr Leben der Verbreitung des RR ge- widmet haben. Innerhalb der GF wird "volle Uebereinstimmung" mit den Zielen und Methoden des Fuehrers und der Gruppe verlangt, unter allen Umstaenden hergestellt und erhalten. Wirkliche Kritik innerhalb der GF ist nicht moeglich und gilt als Verrat.

Das dritte Kennzeichen einer Jugendreligion ist die Person des

HEILIGEN MEISTERS (HM)

der im Normalfall auch der Erfinder, Bringer und Verkuender des RR ist und dessen "Familie" die GF ist. Er tritt fuer die GF an die Stelle Gottes, bzw. gilt als dessen absoluter Repraesentant. In nicht wenigen Faellen wird der HM selbst als Gottheit verehrt (das drueckt z.B. der Titel "Bhagwan" oder "Bagawan" bei manchen indischen Gurus aus).

Zu den Folgen der Zugehoerigkeit zu einer J. gehoert die Unterstellung der wesentlichen Lebensentscheidungen und die Anordnungen der Fuehrung der betreffenden Gruppe, sowie in vielen Faellen die Uebereignung von Be- sitz (bis hin zur voelligen Eigentumsaufgabe, wie das z.B. bei den CHOG <= Children of God, bzw. eine ihrer Nachfolgegruppen> gefordert war). Eine weitere Folge ist die Anerkennung eines auf die GF, den HM und ihre Ziele bezogenen Gut-boese-Rasters. Was der Gruppe (bzw. ihrem Fuehrer) nuetzt, ist "gut" bzw. "positiv" oder "echt", was ihr schadet, gilt als "boese", "negativ" oder "unecht". Aus dieser ethischen Neuorientierung heraus er- klaeren sich auch Handlungen von Anhaengern von J., die diese mit dem Gesetz in Konflikt gefuehrt haben. Der Begriff J. ist also nicht abhaengig von der Altersstufe der Mitglieder der betreffenden J. Es ist jedoch in kritischen Untersuchungen immer wieder festgestellt worden, dass Konzepte und Verhaltensmuster von J. eher pubertaeren Konzepten und Verhaltens- mustern aehneln. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass in Fallge- schichten aus dem Bereich der J. Immer wieder auch darauf verwiesen wurde, dass bei der Betreffenden Person eine echte Regression (Rueckentwicklung) stattgefunden habe."


Haack, Friedrich-Wilhelm: Findungshilfe Religion 2000. Apologetisches Lexikon. Muenchen: The Institute for Religious Studies, 1986 S. 140f.