Zum Plan einer Goethestiftung nach Fröbels
Erziehungsgrundsätzen von Diesterweg (von Matthias Brodbeck
Im Jahre 1849 hatte der bedeutende deutsche Pädagoge F.A.W. Diesterweg
während eines Kuraufenthaltes in Bad Liebenstein Friedrich Fröbel
kennengelernt. Viel hatte er schon über ihn gehört, doch hatten
ihn die zumeist recht überschwenglichen Schilderungen über die
Anstalt Keilhau recht skeptisch und vorsichtig gemacht. Zu leicht war
Fröbel mißzuverstehen, da es ihm schwer war, einen Gedanken ruhig
zu Ende zu führen, da ihm doch immer neue Gedanken quollen. Wer aber
erst einmal Feuer gefangen hatte, war zumeist von Fröbel
überzeugt. So ging es auch Diesterweg. Davon mag künden, daß
er seinen Kuraufenthalt in Bad Liebenstein von 3 Wochen auf 3 Monate
verlängerte. Davon mag auch künden, daß er zwei Töchter
zu Fröbel in die Ausbildung gab. Davon kündet aber wohl noch mehr,
daß im Jahre 1849 - dem 100. Geburtsjahre Goethes - Diesterweg den
Gedanken faßte, eine vorgeschlagene Goethestiftung der Sache
Fröbels zu widmen. Diesterweg legte seine diesbezüglichen Gedanken
in einer Broschüre mit dem Titel "Goethestiftung" dar, die 1849 bei
Bädeker in Essen erschien. Daß Goethe Kunst, Wissenschaft und
allgemeine Bildung forderte nahm Diesterweg zum Anlaß, eine allgemeine
Erziehungs- und Ausbildungsanstalt zu Goethes Andenken zu stiften. Unter
anderem sprach er sich darin auch dafür aus, durch Ausbildung die
unwürdige Abhängigkeit eines Teils der Frauenwelt abzubauen. Er
stellte fest, daß es Fröbels unverkennbare Absicht gewesen sei,
die "wahre Emanzipation des Weibes anzubahnen und einzuleiten." Die nach
seinen Vorschlägen in Weimar zu errichtende Anstalt sollte umfassen:
- Eine Anstalt zu einem Lehrkursus und zur physischen und psychischen
Erziehung für das heranwachsende weibliche Geschlecht
- Eine Anstalt zur Befähigung von Müttern und Kinderpflegerinnen zur ersten
Erziehung der Kinder
- Ein Seminar für Erzieherinnen und Lehrerinnen in Verbindung mit
Mädchenschulen
- Ein Kindergarten nach den Grundsätzen Friedrich Fröbels
- Daran sollten sich je nach Umfang der Mittel Einrichtungen anreihen,
welche nach obigen Andeutungen geeignet waren, bedeutende
Kunstschöpfungen hervorzubringen und sie zu kennen. Der letzte Zweig
sollte daher ein Kunstinstitut sein.
Der Ausschuß zur Gründung einer Goethestiftung trat unter Leitung
von Herzog Carl Alexander zusammen. Hier äußerte der damalige
Hofkapellmeister am Weimarer Hofe Franz Liszt: "Genies in Windeln kann man
noch keine Unterstützung gewähren." Damit hatte er diesen Plan
vernichtet. Verärgert schrieb Diesterweg an Fröbel, daß die
Zeit einst kommen werde, in der man die Schwerter wirklich zu Sicheln
verwandeln werde. "Dann, lieber Fröbel, wird auch die Erziehung eine
andere werden, dann wird man auch Deine Stimme vernehmen und Dir vielleicht
auch Gerechtigkeit widerfahren lassen. Dann wird man auch unsere
Schwärmerei im August 1849, dem Jubeljahr Goethes, in dem wir meinten,
es sei wichtiger, lebendige Menschen zu erziehen und zu bilden, als aus
Steinblöcken tote Bildsäulen zu hauen und zu meißeln,
nachsichtiger beurteilen." 75 Jahre später scheiterte ein
ähnlicher gemeinsamer Plan des Thüringer Fröbelvereins und
des Begründers der Bauhaus-Bewegung W. Gropius aufgrund der
"politischen Wetterlage". Gibt es heute eine Chance, dem Marienthaler
Schlößchen eine entsprechende auch für unsere Zeit so
wichtige Funktion im Sinne Fröbels zu geben?
Anmerkung des Autors in Bezugnahme auf ein maschinenschriftliches Manuskript
von Kurt Ühling