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BERLINER DIALOG 26, 1-4 2002 - Epiphanias 2003

 

Konzept einer Zusammenarbeit der Gouvernementsverwaltung mit der religiösen Vereinigung "KLT"

Seit 1992 wirkt im Süden des Gouvernements Krasnojarsk die religiöse Vereinigung "KLT". Seitdem ist auf dem Territorium des Gouvernements Krasnojarsk und des Kreises Kuragino ein unkontrollierter Zuzug von Zuwanderern aus allen Teilen der Russischen Föderation sowie aus dem Nahen und Fernen Ausland festzustellen. Die Zahl der Zuwanderer, die keine wirtschaftlichen Strukturen aufgebaut haben und in der Regel über keine Behausung verfügen, übersteigt die Zahl 4200 - darunter etwa 600 Kinder. Tendenziell ist eine weitere Zuwanderung zu erwarten. Unter den Sektenanhängern wurden Fälle der Verletzung des Rechts von Kindern auf medizinische Versorgung und auf Bildung festgestellt. Das alles kompliziert die sozial­ökonomische Situation im Süden des Gouvernements erheblich.
Die Behörden des Gouvernements handeln streng im Rahmen der Normen, welche durch die Konstitution und Gesetzgebung der Russischen Föderation mit Blick auf Religionsfreiheit gesetzt sind, und betrachten die "KLT" keineswegs als Gegner. Die Behörden des Gouvernements mischen sich in die weltanschaulichen und theologischen Fragen der "KLT" nicht ein. Gleichzeitig nehmen sie aber für sich in Anspruch, jene sozio­ökonomischen Prozesse beeinflussen zu müssen, die sich in Gebieten kompakter Ansiedlung von Mitgliedern der "KLT" vollziehen. Damit wollen sie dem Entstehen unsteuerbarer negativer sozialer Prozessen entgegenwirken.
Das Wichtigste beim Aufbau zivilisierter Beziehungen zwischen den Behörden und der "KLT" ist der Dialog - und sodann das strenge Einhalten der im Zuge dieses Dialogs getroffenen Vereinbarungen. Als Beginn für den Aufbau konstruktiver Beziehungen zwischen Behörden des Gouvernements und des Kreises einerseits und der "KLT" andererseits werden folgende Schritte vorgeschlagen:
1. Es muß sichergestellt werden, daß die Rechte der "KLT"­Mitglieder auf medizinische Versorgung, wie sie die russischen Föderationsgesetze ... vorschreiben, beachtet werden. Um das zu erreichen, muß man Voraussetzungen schaffen, die folgende Maßnahmen möglich machen:
a) obligatorische Gesundheitsvorsorge und regelmäßige Gesundheitskontrolle aller Kinder von Sektenangehörigen im Alter bis zu 14 Jahren;
b) obligatorische Meldung, Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitskontrolle aller Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen der "KLT". Dabei bestimmt das Personal der medizinischen Einrichtungen die notwendigen Geburtshilfe-Maßnahmen, die individuell entsprechend dem Zustand jeder einzelnen Schwangeren verordnet werden;
c) vorsorgliche Beobachtung von Personen, die an sozial auffälligen Symptomen und Erkrankungen leiden;
d) gleichzeitige medizinische Untersuchung aller Mitglieder der "KLT" in vollem Umfang, um dem Auftreten und der Verbreitung von Infektionskrankheiten und der massenhaften Verbreitung nicht infektionsbedingter Krankheiten (Vergiftungen) vorzubeugen, sowie prophylaktische epidemiologische Maßnahmen;
e) sofortiges Heranziehen von ausgebildetem Personal medizinischer Einrichtungen, sobald eine Erkrankung das Leben eines Mitglieds der "KLT" oder auch das seiner engeren Umgebung ernsthaft gefährdet;
f) Impfung der Kinder von Mitgliedern der "KLT" gegen die wichtigsten Infektionskrankheiten (nach dem gesunheitsamtlichen Impfplan) unter Konsultation der Eltern des Kindes; obligatorische Durchführung von prophylaktischen Impfungen nach epidemiologischen Indikationen;
g) ...
h) vernünftige Ernährung von Kindern bis zu 14 Jahren sowie von Schwangeren, damit das Zurückbleiben von Kindern in ihrer Entwicklung, diverse Formen von Ernährungsstörung und Störungen des Stoffwechsels nicht auftreten.
2. Es muß sichergestellt werden, daß die "KLT"­Mitglieder ihr Recht auf Bildung wahrnehmen können. Um das zu erreichen, sind Voraussetzungen zu schaffen, die folgende Maßnahmen erlauben:
a) obligatorische mittlere Schulausbildung aller Kinder auf der Grundlage des allgemeinen staatlichen Lehrplans;
b) wenn Kinder von Mitgliedern der "KLT" Privatunterricht zu Hause erhalten, sind die Lehrer des staatlichen Bildungssystems verpflichtet zu kontrollieren, ob deren Bildungsstand dem staatlichen Lehrplan entspricht;
c) ...;
d) eine staatliche Zulassung ist für solche "KLT"­Mitglieder Voraussetzung, die sich in Bildungseinrichtungen und ­zentren der "KLT" als Lehrer betätigen.
3. Es muß sichergestellt werden, daß die Institutionen "Familie" und "Ehe" unter den "KLT"­Mitgliedern beibehalten werden. Deshalb muß das Auftreten folgende Erscheinungen ausgeschlossen werden:
a) die Möglichkeit perverser Auslegung der Glaubenslehren durch die Mitglieder, vor allem der ungezügelte Gebrauch von Freiheiten in Geschlechtsbeziehungen in Anwesenheit von Personen unter 16 Jahren; auszuschließen sind auch der Vollzug ehelicher Beziehungen von Personen unter 18 Jahren. ...
b) ausgeschlossen werden muß das Zusammenleben von Kindern mit solchen Eltern, die für Rußland nicht­traditionelle Formen der Ehe praktizieren (Polygamie mit Frauen oder Männern).
4. Sicherzustellen ist die Stabilisierung des Wohnverhaltens der "KLT"­Mitglieder. Um diese zu erreichen, muß man Voraussetzungen schaffen, die folgende Maßnahmen möglich machen:
a. eine genaue Statistik an Orten kompakten Wohnens von "KLT"­Mitgliedern;
b. Klärung aller strittigen Punkte zwischen der "KLT" und den Paß­ und Visumsbehörden sowie den Ämtern, die für Bevölkerungsstatistik zuständig sind;
c. sofortige Informierung der Behörden, falls Personen an Stätten kompakter Ansiedlung von "KLT"­Mitgliedern auftauchen, die gar keine Mitglieder sind und spezielle Ziele verfolgen (Flucht vor gerichtlicher Verfolgung, Sich­Drücken vor dem Militärdienst) oder die psychisch krank sind und die keinen festen Wohnsitz haben usw.;
d. ...
e. mit den Behörden zusammen Klären der Frage, wo neuzugezogene "KLT"­Mitglieder angesiedelt werden könnten.
5. An Orten kompakten Siedelns von "KLT"­Mitgliedern ist die Zusammenarbeit der "KLT" mit den Behörden (auf Gouvernements­, Kreis­, Orts­ und Stadtteilebene) sicherzustellen. Um das zu erreichen, muß man Voraussetzungen schaffen, die eine Harmonisierung der Standpunkte der staatlichen Behörden und der "KLT" ermöglichen - und zwar in Fragen
a) des Wahlrechtes,
b) der städtebaulichen Planung der "KLT", weil diese eine ungeheure Erhöhung der Ausgaben in den Budgets auf regionaler und Gouvernementsebene nach sich ziehen wird;
c) des Feuerschutzes.
6. Personen, die die "KLT" verlassen wollen, ist ihr Recht auf Eigentum zu garantieren, damit sie sich in der Welt [= außerhalb der Gemeinschaft] ein neues Leben aufbauen können.
7. Die Teilnahme der "KLT"­Mitglieder an der sozial­ökonomischen Entwicklung ihres Ansiedlungsgebietes ist sicherzustellen. Dazu sind der Verwaltung der Kreise Kuragino und Karatusskoje Vorschläge für die Schaffung von Arbeitsplätzen ... für jene "KLT"­Mitglieder zu machen, die keine regelmäßigen Einkünfte haben.
8. Entsprechende Vorschläge sind an die Organe der Staatsgewalt zu richten.
gez. M. G. Denissow


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